Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-1433/2013 |
Datum: | 26.04.2013 |
Leitsatz/Stichwort: | Vorläufige Aufnahme (Übriges) |
Schlagwörter : | äufig; Schweiz; Verfügung; Rückreisevisum; Reise; Beschwerdeführers; Ausländer; Ausland; Bundesamt; Bundesverwaltungsgericht; Einreise; Ausreise; Person; Migration; Aufenthalt; Republik; Serbien; Eingabe; Verfahren; Richter; Montenegro; Rechtsvertreter; Vernehmlassung; Gemeinde; Schutz; Parteien |
Rechtsnorm: | Art. 50 VwVG ;Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | -, Kommentar], Zürich, Art. 84 AuG, 2012 |
Abteilung IV D-1433/2013
Besetzung Richter Robert Galliker (Vorsitz),
Richterin Emilia Antonioni, Richterin Contessina Theis, Gerichtsschreiberin Daniela Brüschweiler.
Parteien A. , geboren ( ), Kosovo,
vertreten durch lic. iur. Kristina Herenda, Rechtsanwältin, ( )
Beschwerdeführer,
gegen
Gegenstand Erlöschen der Vorläufigen Aufnahme;
Verfügung des BFM vom 15. Februar 2013 / N ( ).
Der Beschwerdeführer reichte am 30. Mai 2005 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in der Schweiz ein Asylgesuch ein. Die Familie wurde für die Dauer des Asylverfahrens dem Kanton B. zugeteilt. Mit Verfügung vom 13. Juni 2005 trat das BFM auf die Asylgesuche nicht ein und ordnete die Wegweisung sowie den Wegweisungsvollzug an. Die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil D-4691/2006 vom 17. Juli 2009 insofern gutgeheissen, als der Wegweisungsvollzug als unzumutbar erachtet und das BFM angewiesen wurde, den Aufenthalt der Familie entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme zu regeln. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.
Am 28. Dezember 2012 landete der Beschwerdeführer, mit einem Flug der Montenegro Airlines von C. herkommend, auf dem Flughafen Zürich, wo er anlässlich der Einreisepasskontrolle angehalten und kontrolliert wurde. Er wies sich dabei mit einem von der Republik Serbien (Koordinaciona Uprava) ausgestellten Reisepass sowie seinem Ausweis für vorläufig aufgenommene Ausländer aus. Der Beschwerdeführer verfügte über kein Visum und die Grenzbehörden stellten fest, dass er vom
Migrationsamt D.
wegen Ausgrenzung ausgeschrieben war. In
der Folge wurde dem Beschwerdeführer die Einreise in die Schweiz verweigert. Nach erfolgter Kontaktnahme mit der Schwester des Beschwerdeführers organisierte diese für ihn einen Flug nach E. für den
29. Dezember 2012, mit welchem der Beschwerdeführer die Schweiz verliess. Die Flughafenpolizei erstellte zuhanden des Bundesamtes für Migration einen Grenzkontrollrapport.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2013 teilte das BFM dem Migrationsamt des Kantons B. mit, der Beschwerdeführer sei am 29. Dezember 2012 ausgereist, weshalb seine vorläufige Aufnahme erloschen sei.
Mit Eingabe vom 16. Januar 2013 an das BFM liess der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mitteilen, er sehe keinen Grund für ein Erlöschen der vorläufigen Aufnahme, und es sei ihm umgehend die Wiedereinreise in die Schweiz zu gewähren.
Nach diversen Schriftenwechseln teilte das BFM mit Schreiben vom
15. Februar 2013 an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit, es erachte die dem Beschwerdeführer gewährte vorläufige Aufnahme als per
18. Dezember 2012 erloschen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Schweiz am 18. Dezember 2012 aus freien Stücken verlassen, ohne die erforderlichen Einund Ausreisebedingungen (Rückreisevisum) zu erfüllen. Er habe am 6. Dezember 2010 auf ordentlichem Weg beim BFM eine Auslandreise beantragt, weshalb ihm sehr wohl bewusst gewesen sei, wer die dafür zuständige Behörde sei und wie vorgegangen werden müsse. Die behauptete Falschauskunft auf der Gemeindeverwaltung F. bezüglich des Rückreisevisums sei nicht nachvollziehbar. Nachdem der Beschwerdeführer am 28. Dezember 2012 bei der Einreise am Flughafen Zürich zurückgewiesen worden sei, was er aufgrund des fehlenden Rückreisevisums selber zu verantworten habe, habe er selbstständig seinen weiteren Reiseweg nach Bosnien und Herzegowina sowie später in die Republik Serbien gewählt, wo er sich zur Zeit aufhalte. Er habe neben der Staatsangehörigkeit der Republik Kosovo zusätzlich diejenige der Republik Serbien inne, was durch den serbischen Reisepass belegt sei, welcher am ( ) 2012 im Generalkonsulat der Republik Serbien in Zürich ausgestellt worden sei. Zusammenfassend stellte das Bundesamt fest, der Beschwerdeführer habe sich ohne ein Rückreisevisum länger als 30 Tage im Ausland, sowie in seinem Heimatstaat, aufgehalten, weshalb die vorläufige Aufnahme erloschen sei.
Gegen diesen Entscheid liess der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin mit Eingabe vom 14. März 2013 (Poststempel: 18. März 2013) beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben. Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, und es sei festzustellen, dass seine vorläufige Aufnahme nicht erloschen sei. In prozessualer Hinsicht ersuchte er um umgehende Bewilligung der Einreise in die Schweiz und Gewährung des Aufenthaltes in der Schweiz während der Dauer des Verfahrens. Auf die Beschwerdebegründung wird - soweit wesentlich - in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Mit Verfügung vom 27. März 2013 wurde das Bundesamt zur Einreichung einer Vernehmlassung eingeladen. In seiner Stellungnahme vom 8. April 2013 hielt das BFM an der angefochtenen Verfügung fest und beantragte
die Abweisung der Beschwerde. Eine Kopie der Vernehmlassung wurde der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers direkt vom BFM zugestellt.
Mit Eingabe vom 10. April 2013 nahm die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers (unaufgefordert) Stellung zur vorinstanzlichen Vernehmlassung.
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet unter anderem endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen des BFM in Sachen Aufhebung der vorläufigen Aufnahme von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz (Art. 84 Abs. 2 - 3 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) i.V.m. Art. 31 -
33 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]; Art. 83 Bst. c Ziff. 3 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG).
Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert und er hat seine Eingabe fristund formgerecht eingereicht, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist (vgl. dazu Art. 37 VGG i.V.m. Art. 112 AuG und Art. 48 Abs. 1, Art. 50 und 52 VwVG).
Gemäss Art. 84 Abs. 4 AuG erlischt die vorläufige Aufnahme mit der definitiven Ausreise oder bei Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung. Als definitiv gilt eine Ausreise insbesondere, wenn die vorläufig aufgenommene Person sich ohne ein Rückreisevisum nach Art. 5 der Verordnung vom
27. Oktober 2004 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV) oder ohne Pass für eine ausländische Person nach Art. 4 Abs. 4 RDV länger als 30 Tage im Ausland aufhält (Art. 26a Bst. c der Verordnung vom 11. August 1999 über den Vollzug der Wegund Ausweisung von ausländischen Personen [VVWA, SR 142.281] oder
ohne ein Rückreisevisum nach Art. 7 RDV oder ohne Pass für ausländische Person nach Art. 4 Abs. 4 RDV in ihren Heimatoder Herkunftsstaat zurückgekehrt ist (Art. 26a Bst. d VVWA).
Der Beschwerdeführer lässt auf Beschwerdeebene im Wesentlichen ausführen, es sei ihm im MUP R SRBIJA KOORDINACIONA UPRAVA ZA KOSOVO des serbischen Konsulates in Zürich am ( ) 2012 ein Pass ausgestellt worden. Dies nachdem ihm von einem Gemeindemitarbeiter
der Gemeinde F.
auf Anfrage die Auskunft erteilt worden sei,
dass er mit dem F-Ausweis ausschliesslich über einen normalen Pass verfügen müsse, damit er ohne Weiteres ins Ausland reisen könne. Auf die Notwendigkeit eines Rückreisevisums sei er nicht hingewiesen worden. In der Folge sei er mit dem Auto, zusammen mit einem Freund, am
18. Dezember 2012 nach Montenegro gereist. Diese Reise sei auf Wunsch seiner Patin erfolgt, bei welcher er bis zu seinem zehnten Lebensjahr aufgewachsen sei. Sie habe ihn noch ein letztes Mal sehen wollen, da sie schwer erkrankt sei. Er habe beabsichtigt, nach drei bis vier Tagen in die Schweiz zurückzukehren. Aufgrund eines Autounfalles kurz nach der Ankunft in Montenegro, bei welchem er leichte Verletzungen erlitten habe, sei er erst am 28. Dezember 2012 aus Montenegro nach Zürich geflogen. Dort sei er festgenommen worden und es sei ihm eine Ausschaffung in den Kosovo angedroht worden. Aus Angst vor einer solchen Ausschaffung sei er in der Folge nach Bosnien und Herzegowina ausund danach nach Belgrad weitergereist. Er habe seinen Wohnsitz, seine Familie, seine Arbeitsstelle und seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz.
Unbestritten ist, dass es der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise am 18. Dezember 2012 unterliess, beim BFM ein Rückreisevisum im Sinne von Art. 7 RDV einzuholen. Ebenso wenig verfügte er über einen Pass für ausländische Personen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 RDV. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist jedoch die zusätzlich erforderliche Voraussetzung des mindestens 30-tägigen Aufenthalts im Ausland nicht erfüllt. Vielmehr ist dem Beschwerdeführer darin zuzustimmen, dass ihm einzig die Aufenthaltsdauer bis zur versuchten Wiedereinreise in die Schweiz angerechnet werden kann. Dass der Beschwerdeführer nach der verweigerten Einreise nach Bosnien und Herzegowina reiste und sich hernach in Serbien aufhielt, kann ihm nicht als freiwilligen Auslandaufenthalt angelastet werden, mit welchem er zu verstehen geben wollte, er benötige den Schutz der Schweiz nicht mehr bzw. er möchte diesen nicht mehr beanspruchen. Dies ist aber gerade die Stossrichtung von Art. 84 Abs. 4 AuG,
dass nämlich vorläufig Aufgenommene (und damit Schutzbedürftige) mit der freiwilligen und definitiven Ausreise ins Ausland zu verstehen geben, dass sie den Schutz der Schweiz nicht mehr benötigen bzw. nicht mehr beanspruchen (vgl. MARC SPESCHA/HANSPETER THÜR/ANDREAS ZÜND/PETER BOLZLI, Migrationsrecht [Kommentar], Zürich 2012, Rz 8 zu Art. 84 AuG). Aus den selben Überlegungen kann dem Beschwerdeführer auch nicht entgegengehalten werden, er sei (freiwillig) in seinen Heimatoder Herkunftsstaat zurückgereist (Art. 26a Bst. d VVWA). Selbst eine (freiwillige) kurzzeitige Rückkehr ins Heimatland ohne Rückreisevisum bedeutet - wenngleich eine Verletzung der Reisevorschriften - nicht ausnahmslos den Wegfall des Schutzbedürfnisses (vgl. SPESCHA/THÜR/ ZÜND/BOLZLI, a.a.O., Rz 8 zu Art. 84 AuG; RUEDI ILLES, in: Caro-
ni/Gächter/Thurnherr, Handkommentar zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Art. 84 N 19 f.). Bei dieser Sachlage kann für dieses Verfahren offen bleiben, wie es sich mit der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers verhält. Immerhin ist aber anzumerken, dass die in der Beschwerdeschrift vertretene Auffassung, die serbischen Behörden hätten dem Beschwerdeführer einen kosovarischen Pass ausgestellt, abwegig erscheint. Zudem ist er darauf hinzuweisen, dass für Inhaber eines biometrischen oder nicht-biometrischen serbischen Reisepasses, der von der serbischen Koordinationsdirektion (Koordinaciona uprava) ausgestellt wurde, weiterhin eine Visumspflicht gilt. Als unerheblich erweist sich sodann für das vorliegende Verfahren nach dem vorstehend Ausgeführten, ob der Beschwerdeführer eine Falschauskunft der Gemeinde F. zu den notwendigen Reiseformalitäten erhalten hat, ob er diese Falschauskunft hat erkennen können, bzw. ob die angegebenen Gründe für die Reise glaubhaft erscheinen und ob andere Gründe für die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme bestehen. Damit besteht kein Anlass, auf die weiteren Ausführungen in den Eingaben des Beschwerdeführers und der vorinstanzlichen Vernehmlassung einzugehen.
Nach dem Gesagten ergibt sich, dass das Bundesamt in der angefochtenen Verfügung zu Unrecht das Vorliegen einer definitiven Ausreise des Beschwerdeführers angenommen und das Erlöschen der vorläufigen Aufnahme festgestellt hat.
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Beschwerde gutzuheissen und die Verfügung des BFM vom 15. Februar 2013 aufzuheben ist.
Mit dem vorliegenden Entscheid in Hauptsache erübrigen sich weitere Ausführungen zum prozessualen Antrag des Beschwerdeführers. Für das konkrete Vorgehen betreffend Bewilligung der Einreise hat sich der Beschwerdeführer an das Bundesamt zu wenden.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).
Dem vertretenen Beschwerdeführer ist angesichts seines Obsiegens in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom
21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihm notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen. Eine Kostennote wurde bisher nicht zu den Akten gereicht. Auf das Nachfordern einer solchen kann indes verzichtet werden, da sich der notwendige Vertretungsaufwand aufgrund der Akten hinreichend zuverlässig abschätzen lässt. Gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 8-13 VGKE) ist dem Beschwerdeführer zu Lasten der Vorinstanz eine Parteientschädigung von Fr. 800.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zuzusprechen.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, die angefochtene Verfügung aufgehoben und das BFM angewiesen, den Beschwerdeführer weiterhin vorläufig aufzunehmen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Dem Beschwerdeführer wird zu Lasten des BFM eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 800.- zugesprochen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die zuständige kantonale Behörde.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Robert Galliker Daniela Brüschweiler
Versand:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.