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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-1255/2017

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-1255/2017

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-1255/2017
Datum:25.02.2019
Leitsatz/Stichwort:Asyl (ohne Wegweisungsvollzug)
Schlagwörter : Botschaft; Recht; Botschaftsanhörung; Beschwerdeführerinnen; Vorinstanz; Handlung; Entscheid; Schweiz; Bundesverwaltungsgericht; Anhörung; Sinne; Taten; Asylgesuch; Töchter; Person; Familie; Organisation; Lebens; Tötung; Handlungen; Waffenstillstand; Lanka; Verfügung
Rechtsnorm: Art. 10 StGB ;Art. 11 StGB ;Art. 260t StGB ;Art. 389 StGB ;Art. 44 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;Art. 97 StGB ;
Referenz BGE:133 IV 58
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-1255/2017

U r t e i l  v o m  2 5.  F e b r u a r  2 0 1 9

Besetzung Richterin Daniela Brüschweiler (Vorsitz),

Richterin Gabriela Freihofer, Richter Gérald Bovier, Gerichtsschreiber Thomas Bischof.

Parteien A. , geboren am ( ), sowie ihre Kinder

B. , geboren am ( ), C. , geboren am ( ), alle Sri Lanka,

alle vertreten durch MLaw Cora Dubach Beschwerdeführerinnen,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl;

Verfügung des SEM vom 26. Januar 2017 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

    1. A. (nachfolgend: Beschwerdeführerin) ist sri-lankische Staatsangehörige tamilischer Ethnie, geboren in D. /Bezirk E. , im Herkunftsstaat zuletzt wohnhaft gewesen in F. . Sie gehörte ge-

      mäss eigenen Angaben bis zu ihrer Heirat mit G.

      (alias

      H. ) im Jahr 2004 oder 2005 den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) an. Mit ihrem Ehemann sei sie im Mai 2009 letztmals in Kontakt gestanden, über seinen Verbleib habe sie keine Kenntnisse.

    2. Sie stellte mit Schreiben vom 24. November 2009, ergänzt am 16. Februar 2010, bei der Schweizerischen Botschaft in Colombo (nachfolgend: Botschaft) ein Asylgesuch. Am 5. Mai 2010 wurde sie durch die Botschaft befragt (fortan: Botschaftsanhörung 1).

    3. Mit Entscheid vom 16. Juni 2010 verweigerte das BFM (heute: SEM) die Bewilligung zur Einreise der Beschwerdeführerin in die Schweiz und lehnte das Asylgesuch ab.

    4. Auf Beschwerde vom 29. Juli 2010 hin stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil D-5453/2010 vom 4. April 2011 fest, dass sich das Asylund Beschwerdeverfahren auf die Beschwerdeführerin und ihre Töchter beziehe, hiess die Beschwerde gut, hob die angefochtene Verfügung auf und wies das BFM an, eine erneute Beurteilung des Asylgesuchs vorzunehmen (SEM-act. A16).

    5. Die Beschwerdeführerin wurde am 29. Januar 2014 erneut durch die Botschaft angehört (fortan: Botschaftsanhörung 2). Am 20. Mai 2014 wurde eine weitere Anhörung mit Fokus auf die Stellung, Tätigkeit und Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin bei den LTTE durchgeführt (fortan: Botschaftsanhörung 3). Daraufhin erteilte die Vorinstanz der Beschwerdeführerin und ihren Töchtern am 9. Februar 2015 eine Einreisebewilligung zwecks Durchführung eines ordentlichen Asylverfahrens.

    6. Die Beschwerdeführerinnen reisten in der Folge auf dem Luftweg via Katar am 7. März 2015 legal in die Schweiz ein.

B.

    1. Am 9. März 2015 stellte die Beschwerdeführerin für sich und ihre Töchter im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) I. ein Asylgesuch.

    2. Die Beschwerdeführerin wurde am 18. März 2015 im EVZ I. im Beisein einer Rechtsvertretung zur Person, dem Reiseweg und summarisch zu den Fluchtgründen befragt (Befragung zur Person [BzP]). Am

      11. Juni 2015 wurde die Beschwerdeführerin in Anwesenheit ihrer Rechtsvertretung durch das SEM befragt (Anhörung).

      Zur Begründung ihres Asylgesuches machte die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer insgesamt vier Anhörungen sowie der BzP im Wesentlichen geltend, sie sei in J. /E. zur Schule gegangen, als sie im Februar 1998, respektive in der 11. Klasse, auf dem Schulweg von den LTTE aufgegriffen und zwangsrekrutiert worden sei. Sie sei in K. militärisch ausgebildet und danach ins L. -Gebiet geschickt worden. Sie sei erst zu Unterstützungsarbeiten eingeteilt worden, habe sich dann als Kämpferin gemeldet und sei zur Scharfschützin ausgebildet worden. Sie habe sich erstmals im November 1998 an Kampfhandlungen gegen die sri-lankische Armee beteiligt und in der Folge an mehreren Offensiven teilgenommen, schliesslich ein eigenes Platoon kommandiert. 2000 sei sie im Gefecht durch eine Granate am Arm verletzt und nach einer Pause 2001 zurück an die Front geschickt worden. 2002 sei sie nach E. zurückgekehrt, habe dort Rekruten ausgebildet. Zuletzt habe sie den Rang eines Majors bekleidet. 2004 habe sie ihren Mann geheiratet, der von 2004 bis 2006 Kommandant des Distrikts M. gewesen sei. Mit der Heirat sei sie aus den LTTE ausgestiegen, sie seien 2007 ins L. -Gebiet, danach nach F. gezogen. Ihr Mann sei seit Mai 2009 verschollen, in den Nachrichten sei von seinem Tod die Rede gewesen. Mit ihrer älteren Tochter sei sie - mit der zweiten Tochter schwanger

      • in ein Lager für Binnenvertriebene ([ ] in N. ) gelangt; sie habe sich zwar als Ehefrau eines Kämpfers, nicht aber ihres tatsächlichen Ehemannes registriert. Ebenfalls verschwiegen habe sie ihre eigene LTTE-Vergangenheit. Hochschwanger und mit Beschwerden sei sie in ein Krankenhaus gebracht worden, von wo sie sich unerlaubt entfernt und sich nach

        O. /E.

        begeben habe, wo ihre zweite Tochter geboren

        worden sei. In der Folge seien sie und ihre Familie regelmässig von Behörden, aber auch von tamilisch sprechenden Unbekannten, belästigt und nach ihrem Mann gefragt worden; es bestehe die Vermutung, er lebe noch und stehe in Kontakt mit ihr. Die Nachstellungen durch Armee, Polizei und CID (Criminal Investigation Department) hätten sich verstärkt. Sie - und insbesondere auch einer ihrer Brüder - sei unter Druck gesetzt und verhört worden. Sie habe Anzeige bei der Human Rights Commission of Sri Lanka gemacht, nicht aber bei der Polizei. Nach ihrer Umsiedelung nach P. /F. sei sie erheblich unter Druck gesetzt, verhört und

        ständig aufgesucht worden. Sie habe an unterschiedlichen, wechselnden Orten genächtigt, ihre ältere Tochter bei ihrer Tante untergebracht. Neben den Nachstellungen wegen ihres Mannes befürchte sie insbesondere, ihre eigene LTTE-Vergangenheit komme ans Tageslicht, denn ein Kollege ihres Mannes namens V. arbeite mutmasslich mit den Behörden zusammen, habe auch schon Details über dessen Bewaffnung enthüllt.

    3. Mit Entscheid vom 26. Januar 2017 - am darauffolgenden Tag eröffnet

  • stellte das SEM fest, dass die Beschwerdeführerinnen die Flüchtlingseigenschaft erfüllten (Dispositiv Ziff. 1), lehnte aber das Asylgesuch wegen Vorliegens eines Asylausschlussgrundes ab (Ziff. 2). Es wurde die Wegweisung angeordnet (Ziff. 3), deren Vollzug wegen Unzulässigkeit indessen zu Gunsten einer vorläufigen Aufnahme aufgeschoben (Ziff. 4). Neben Anordnungen für die allfällige künftige Aufhebung der vorläufigen Aufnahme (Ziff. 5 f.) wurde der Kanton Q. mit deren Umsetzung betraut (Ziff. 7).

C.

    1. Mit Eingabe vom 27. Februar 2017 liessen die Beschwerdeführerinnen durch ihre Rechtsvertretung Beschwerde gegen diesen Entscheid erheben. Sie stellten in der Sache das Begehren, der angefochtene Entscheid sei in den Dispositiv-Ziffern 2 und 3 aufzuheben und den Beschwerdeführerinnen sei Asyl zu gewähren. In prozessualer Hinsicht beantragten sie, es sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, insbesondere auf die Erhebung eines Gerichtskostenvorschusses zu verzichten; MLaw Cora Dubach, (..), sei als amtliche Rechtsbeiständin gemäss Art. 110a AsylG [SR 142.31] beizuordnen.

    2. Mit Zwischenverfügung vom 16. März 2017 stellte die Instruktionsrichterin fest, dass die Beschwerdeführerinnen vorläufig aufgenommen seien. Unter Vorbehalt der fristgerechten Einreichung einer Fürsorgebestätigung wurde das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gutgeheissen.

    3. Nach Eingang einer Fürsorgebestätigung am 20. März 2017 wurde mit Zwischenverfügung vom 22. März 2017 das Gesuch um amtliche Rechtsverbeiständung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit Art. 110a Abs. 1 Bst. a AsylG gutgeheissen und den Beschwerdeführerinnen MLaw Cora Dubach als amtliche Rechtsbeiständin beigeordnet. Gleichzeitig wurde die Vorinstanz zur Einreichung einer Vernehmlassung eingeladen.

    4. In ihrer Vernehmlassung vom 4. April 2017 verwies die Vorinstanz auf den angefochtenen Entscheid und beantragte damit sinngemäss die Abweisung der Beschwerde. Die Vernehmlassung wurde den Beschwerdeführerinnen am 6. April 2017 zur Kenntnisnahme zugestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführerinnen haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG.

3.

Nachdem die Vorinstanz die Beschwerdeführerinnen mit der angefochtenen Verfügung gestützt auf Art. 3 AsylG als Flüchtlinge anerkannt und deren vorläufige Aufnahme in der Schweiz angeordnet hat, ist nachfolgend einzig zu beurteilen, ob das SEM zu Recht zum Schluss gelangt ist, die

Beschwerdeführerin sei im Sinne von Art. 53 AsylG asylunwürdig, und ihr Asylgesuch deshalb abzulehnen.

4.

    1. Die Vorinstanz führte im angefochtenen Entscheid aus, es sei bezüglich der Beschwerdeführerin davon auszugehen, im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka drohten ihr als ehemaliger LTTE-Kämpferin im Range eines Majors, Ausbildnerin und Ehefrau eines ranghohen LTTE-Kommandanten Massnahmen von Seiten der sri-lankischen Behörden, welche eine Gefährdung des Leibes, des Lebens und der Freiheit bewirken könnten; sie habe also asylrechtlich relevante Verfolgungsmassnahme zu befürchten, weshalb die Flüchtlingseigenschaft zu bejahen sei.

      Bei den LTTE handle es sich zwar nicht um eine terroristische Vereinigung, so dass die alleinige Zugehörigkeit zu dieser schon als verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG gelte (und damit die Asylunwürdigkeit begründe), wohl aber um eine gewaltbereite Organisation, welche durch die Wahl ihrer Mittel, die auch Gewaltakte gegen Zivilisten und Menschenrechtsverletzungen einschlössen, nicht nach den alleinigen Kriterien einer Bürgerkriegspartei behandelt werden könnten, deren Taten als Kriegshandlungen generell nicht als Asylausschlussgrund taugten. Aufgrund der Ausführungen der Beschwerdeführerin stehe fest, dass sie trotz initial unfreiwilliger Rekrutierung bei den LTTE eine stetige Karriere verfolgt habe; sie sei fortlaufend aufgestiegen, habe eine Schlüsselposition innegehabt und auch mit der Führungselite ihrer Region zusammengearbeitet. Sie trage eine persönliche Verantwortlichkeit für verwerfliche Handlungen der LTTE. Auch sei davon auszugehen, dass sie als Scharfschützin und als Kommandantin eines Scharfschützenkommandos die Erschiessung von Menschen zu verantworten habe. Insgesamt bestünden ernsthafte Gründe zur Annahme, sie hätte im Zuge ihrer Tätigkeit für die LTTE mehrfach einen individuellen Tatbeitrag zur vorsätzlichen Tötung von Menschen geleistet, mithin ein die Asylunwürdigkeit begründendes Verbrechen begangen. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit sei zu beachten, dass die Taten zwar Jahre zurücklägen, aber nicht verjährt seien, und die Beschwerdeführerin in Sri Lanka nie zur Verantwortung gezogen worden sei. Sie habe sich zudem nicht etwa in die Masse der Fusssoldaten eingegliedert, sondern stetig wachsende Spezialeinheiten kommandiert, sich in direktem Kontakt zur LTTE-Führungsriege eine nicht unbedeutende militärische Rolle erarbeitet und direkt oder indirekt an der nicht rein kriegerisch begründeten Tötung von Menschen mitgewirkt. Gegenüber den LTTE positioniere sie sich zwar nicht unkritisch, allerdings liege dem keine wahre Reflektion der eigenen

      Taten oder Abkehr vom gewalttätigen Widerstand zugrunde, sondern vielmehr Bedauern über die fehlgeschlagene Sache der LTTE und ihre eigene Leidensgeschichte. Zumal sie und ihre Töchter zufolge der Flüchtlingseigenschaft Schutz geniesse, rechtfertige sich der Ausschluss vom Asyl. Das Asylgesuch sei damit abzulehnen, sie und ihre Töchter indessen als Flüchtlinge vorläufig aufzunehmen.

    2. Die Beschwerdeführerin streicht in der Beschwerde bezüglich der Frage der Asylunwürdigkeit hervor, es sei für die Annahme einer verwerflichen Handlung eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der betreffenden Person zwingend (wenn auch mit reduziertem Beweismass) nachzuweisen. Zu berücksichtigen sei neben der Frage, ob die Person in mittelbarer oder unmittelbarer Täterschaft gehandelt habe, auch der persönliche Anteil am Tatentscheid, das Motiv sowie allfällige Rechtfertigungsund Schuldmilderungsgründe. Konkret sei zu beachten, dass die Beschwerdeführerin zwangsrekrutiert und in einer ausgeprägt hierarchischen Struktur ohne eigenen Einfluss auf die Entscheidungen Befehle auszuführen gehabt habe. Sie sei zudem zum Schutz ihrer Geschwister bei den LTTE verblieben.

Unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten seien insbesondere das Alter im Tatzeitpunkt, Veränderungen der Lebensverhältnisse, die Rückfallwahrscheinlichkeit und die seit der Tat verstrichene Zeit zu berücksichtigen. Entgegen der Annahme der Vorinstanz seien die letzten allfälligen Tötungen im Dezember 2001 vorgefallen, mithin verjährt. Die Beschwerdeführerin sei mit 18 Jahren zwangsrekrutiert worden; es sei bekannt gewesen, dass die LTTE je Familie mindestens ein Kind rekrutiert habe. Ein Verbleib habe mithin die Geschwister geschützt. Erfüllt von jugendlicher Naivität und Begeisterung sei sie für die ausgeklügelte Propaganda der LTTE, die charismatischen Reden des Führers Prabakaran empfänglich gewesen, habe aber auch am Zusammengehörigkeitsgefühl Gefallen gefunden. Sie habe zwar mitgekämpft und als untergeordnete Führerin gewisse Befehle weitergegeben - eigenen Entscheidungsspielraum habe sie nicht gehabt -, ihre Aktivitäten hätten sich aber stets nur gegen die Armee und deren Angehörige, nicht gegen die Zivilbevölkerung gerichtet. Offenkundig seien sodann die Veränderungen in den Lebensverhältnissen. Sie habe bei einem Besuch bei der Familie gemerkt, wie sehr sie ein normales Familienleben herbeigesehnt habe, habe aber - obwohl sie U. _s Methoden verurteilt habe - zum Schutz der Geschwister weitere drei Jahre ausgeharrt, bis sie ausgetreten sei und eine eigene Familie gegründet habe. Die Begehung weiterer Taten sei angesichts der Zeitabläufe (17 Jahre seit den letzten Taten, seit 13 Jahren keinen Kontakt mehr mit den LTTE) unwahrscheinlich. Sie habe sich sehr wohl von den LTTE distanziert und deren Taten bedauert, auch wenn sie selbstredend vor allem beschäftige, dass ihr Mann verstorben sei und ihre Kinder ohne Vater aufwachsen müssten. Zu beachten sei auch, dass die berufliche Integration der Beschwerdeführerin in der Schweiz mit einer vorläufigen Aufnahme deutlich schwieriger verlaufen werde als mit einer Aufenthaltsbewilligung B. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Situation der Töchter, die vom Status der Beschwerdeführerin direkt abhängig seien. Die ältere Tochter werde sich in wenigen Jahren auf Lehrstellensuche begeben und sei daher mit einem F- Ausweis benachteiligt.

5.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

    2. Indessen wird Flüchtlingen unter anderem dann kein Asyl gewährt, wenn sie wegen verwerflicher Handlungen des Asyls unwürdig sind (Art. 53 Bst. a AsylG) oder die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden (Art. 53 Bst. b AsylG).

      1. Unter den Begriff der verwerflichen Handlungen im Sinne von Art. 53 Bst. a AsylG fallen grundsätzlich Delikte, die dem abstrakten Verbrechensbegriff von Art. 10 Abs. 2 StGB entsprechen, also Straftaten, die mit einer abstrakten Höchststrafe von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind (vgl. hierzu und zum Folgenden BVGE 2011/29 E. 9.2.2, BVGE 2011/10 E. 6 und BVGE 2010/44 E. 6). Nach der asylrechtlichen Rechtsprechung ist es irrelevant, ob die verwerfliche Handlung einen ausschliesslich gemeinrechtlichen Charakter hat oder als politisches Delikt aufzufassen ist. Unter Art. 53 Bst. a AsylG sind mithin auch Handlungen zu subsumieren, denen keine strafrechtliche Konnotation im engeren Sinne des Strafrechts zukommt (vgl. BVGE 2011/29 E. 9.2.2, BVGE 2011/10 E. 6 [2. Abschnitt] und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-7453/2009

        vom 28. Oktober 2013 E. 5.1; Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2002 Nr. 9 E. 7b, je mit weiteren Hinweisen).

      2. Das anzusetzende Beweismass wurde in der Botschaft zur Totalrevision des Asylgesetzes sowie zur Änderung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 4. Dezember 1995 (BBl 1996 II 73) für Art. 1 F des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 53 Bst. a AsylG übereinstimmend umschrieben, was sich in der Folge in der Rechtsprechung niedergeschlagen hat. Demnach ist bei Straftaten, die im Ausland begangen wurden, kein strikter Nachweis erforderlich. Es genügt die aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigte Annahme, dass sich die betreffende Person einer Straftat im Sinne der genannten Bestimmungen schuldig gemacht hat, wobei auf den individuellen Tatbeitrag abzustellen ist (vgl. BVGE 2011/29 E. 9.2.3).

      3. Wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheim hält und die den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern, oder wer eine solche Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 260ter StGB). Unter den Begriff der kriminellen Organisation, wie sie in Art. 260ter StGB beschrieben wird, fallen in der schweizerischen Praxis neben den mafiaähnlichen Verbrechersyndikaten auch hochgefährliche terroristische Gruppierungen. Nicht zu den kriminellen Organisationen gezählt werden hingegen (grundsätzlich) extremistische Parteien, oppositionelle politische Gruppen sowie Organisationen, die mit angemessenen (nicht verbrecherischen) Mitteln um die politische Macht in ihrer Heimat ringen oder einen Freiheitskampf gegen diktatorische Regimes führen (vgl. BGE 133 IV 58 S. 70, mit weiteren Hinweisen).

      4. Die Praxis hat für verschiedene Organisationen festgehalten, dass es sowohl zu kurz greife, diese als terroristische und damit kriminelle Organisation zu definieren, bei denen die Mitgliedschaft alleine bereits als verwerfliche Handlung zur Asylunwürdigkeit führte, als auch, diese als bloss oppositionelle Gruppen oder Bürgerkriegsparteien zu betrachten. In dieser Hinsicht äusserte sich die Praxis beispielsweise für die Türkei über die PKK (vgl. EMARK 2002/9 E. 7c; BVGE 2011/10 E. 6.1) und die MLKP (Urteil des BVGer E-3397/2006 vom 14. August 2009, E. 5.3 f.), insbesondere aber auch für Sri Lanka über die LTTE (Urteil des BVGer D-5243/2010 vom

        26. August 2011, E. 6.3; BVGE 2011/29). Die LTTE gelten - für die Zeit ihres Bestehens - somit angesichts ihrer Zielsetzung politischer Selbstbestimmung der Tamilen in Sri Lanka nicht ausschliesslich als terroristischkriminelle Organisation, können aber gleichzeitig aufgrund der Wahl ihrer Mittel, welche zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen geführt haben, ebenso nicht nach den alleinigen Kriterien einer Bürgerkriegspartei behandelt werden. Mit anderen Worten ist in Bezug auf die LTTE weder sachgerecht, deren Taten generell als Kriegshandlungen zu qualifizieren mit der Konsequenz, dass diese den daran Beteiligten nicht als Asylausschlussgrund entgegengehalten werden könnten, noch ist ein Asylausschluss einzig aufgrund der Mitgliedschaft bei den LTTE als gerechtfertigt zu erachten. Eine pauschale Betrachtung ist fehl am Platz, es ist der individuelle Tatbeitrag der Person zu ermitteln, zu welchem die Schwere der Tat, der persönliche Anteil am Tatentscheid, das Motiv des Täters und allfällige Rechtfertigungsund Schuldminderungsgründe zu zählen sind (vgl. Urteil BVGer D-5243/2010 E. 6.3.3, zweiter Teil; BVGE 2011/10 E. 6.1; BVGE 2011/29 E. 9.2.4).

      5. Liegt eine entsprechende Delinquenz vor, ist ausserdem zu prüfen, ob die Rechtsfolge des Asylausschlusses auch eine verhältnismässige Massnahme darstellt. Dabei ist vorab in Betracht zu ziehen, wie lange die Tat bereits zurückliegt, wobei auf die Verjährungsbestimmungen des Strafrechts verwiesen wird. Ebenso haben das Alter im Zeitpunkt der Tatbegehung sowie eine allfällige Veränderung der Lebensverhältnisse nach der Tat Einfluss auf die diesbezügliche Entscheidfindung (vgl. BVGE 2011/10

E. 6; 2011/29 E. 9.2.4, mit weiteren Hinweisen)

5.3

      1. Gemäss den (zusammengefassten) Angaben der Beschwerdeführerin war sie 1998 zwangsrekrutiert und im selben Jahr im L. -Gebiet an die Front beordert worden; gab sie in der Botschaftsanhörung 1 (S. 7) an, das sei vorab wegen hoher Verluste geschehen, strich sie in der Botschaftsanhörung 3 (S. 4) heraus, sie habe das der Tätigkeit in der Administration respektive der Küche vorgezogen, um im Kampf zu sterben, die Zwangsrekrutierung habe ihre Lebensziele zerstört. Letztmals sei sie 2000

        „in the ( ) battles in Airyoalai“ im Rahmen der Operation „( )“ im aktiven Einsatz gestanden, dort habe sie ein „Platoon“ von 30 Soldatinnen geleitet. Als „Platoon Leader“ habe sie per Funk Befehle, Zielkoordinaten erhalten und entsprechend gehandelt, unmittelbarer Vorgesetzter sei der Kommandant der Kompanie - drei Platoons hätten einer Kompanie entsprochen gewesen. Sie habe bis 2000 dem W. -Regiment angehört (Botschaftsanhörung 1, S. 7; Botschaftsanhörung 2 S. 11; Botschaftsanhörung 3, S. 3 f.). Im Jahr 2000 im Rahmen der Schlacht ( ) sei sie (in R. ) verletzt worden. Ihr Zug sei in dieser Schlacht nicht aktiv gewesen respektive habe die Front gesichert. Als Platoon-Leaderin habe sie Befehle der

        „Attackenleiterin“ via den Kompanie-Leiter bekommen (vgl. detailliert Anhörung, F5 ff.). Danach sei sie für sechs Monate abwesend gewesen, und dann - im Jahr 2001 - nach S. (oder T. ) geschickt worden, hier sei keine eigene Operation der LTTE geführt worden, es sei nur darum gegangen, die Stellung zu halten („to hold the line“). Sie sei als

        „sniper leader“ tätig gewesen, denn ihrer Verletzung wegen habe sie selber nicht schiessen können. Ihr Zug von fünf Leuten habe einzelne Armee-Soldaten ausser Gefecht gesetzt („there was no incident as such but we took out a few soldiers from the bunkers“, Botschaftsanhörung 1, S. 8; Botschaftsanhörung 3, S. 5 ff.). Gefragt, wie es sei, Menschen zu erschiessen („How is it to shoot people?“) umschrieb sie, „The commander was saying to start shooting when the army is coming. It is like this: If I don’t shoot them, they will shoot me. It is like self defence“ (Botschaftsanhörung 1, S. 8). Ab 2002 habe sie einen Heimaturlaub gehabt, sei während des Waffenstillstandes zurückgekehrt, habe Rekruten ausgebildet, Englisch und den Umgang mit Computern gelernt. Sie sei als „Company leader“ ausgebildet worden; ob sie die Funktion wahrgenommen hat, ist widersprüchlich ausgesagt (Botschaftsanhörung 1, S. 9: nein; Botschaftsanhörung 2, S. 11: ja). Ab 2002 bezeichnet sie sich zwar als „Sniper“, sei aber - gerade auch während des Waffenstillstandes - nicht operativ gewesen (Botschaftsanhörung 2, S. 12). Ihr Mann sei wegen eines Konfliktes mit U. - dessen Gruppe sich im April 2004 von den LTTE abgespalten hatte - in Gefahr gewesen; ihr selber habe U. nach der Abspaltung verboten gehabt, sich zu ihrem künftigen Mann zu begeben (Botschaftsanhörung 3,

        S. 8 f.; BzP, S. 10; Anhörung, F45 ff.). Im Juli 2004, nachdem sie die Bewegung verlassen habe, habe sie geheiratet (zur Vorgeschichte vgl. Botschaftsanhörung 3, S. 8 f.; Anhörung F51; abweichend Botschaftsanhörung 1, S. 8: Bei Heirat bekomme man ein Jahr Urlaub, sie sei dann nicht zurückgekehrt). In der Endphase des Krieges - da ihr Mann noch am Krieg beteiligt gewesen sei - habe sie sich in den jeweiligen Schutzgebieten aufgehalten, ihr Mann sei nicht bei ihr gewesen. Schliesslich habe er sie mit der älteren Tochter in das von der Armee kontrollierte Gebiet geschickt, wo sie sich gestellt habe, allerdings als Angehörige eines Kämpfers und nicht als Kämpferin (Anhörung, F55 ff.).

        Auf ihre Identifikation mit der Sache der LTTE angesprochen, führte sie aus, sie sei erst in die LTTE gezwungen worden. Angesichts der Regel, dass eine Person pro Familie dabei sein müsse, habe sie sich entschieden zu bleiben, so dass ihre Angehörigen nicht betroffen sein würden. Später habe sie dann wohl für die tamilische Sache gekämpft, die LTTE habe früher aber auch nicht gegen die Zivilbevölkerung agiert (Botschaftsanhörung 1, S. 9; Anhörung, F22 ff.). Im Heimatdorf habe man nicht gewusst, dass sie bei den LTTE sei, man habe das zu verheimlichen vermocht (Botschaftsanhörung 3, S. 11; Anhörung, F99 ff.). Rückblickend betrachtet erscheine ihr, die Sache habe nur Verluste gebracht, damals habe man das als richtig erachtet, tatsächlich habe es vieles geschädigt; persönlich konzentriere sie sich auf ihre Töchter (Anhörung, F136 ff.).

      2. Die Beschwerdeführerin wurde nach ihrer - von der Vorinstanz nicht in Frage gestellten - Darstellung im Jahr 1998 zwangsrekrutiert. Eine Flucht habe sie nicht versucht, aus Rücksicht auf ihre Geschwister. Zuerst für die Administration vorgesehen, habe sie ins Gefecht gehen wollen. Angeblich habe sie im Gefecht umkommen wollen. Andere Anhaltspunkte für suizidale Tendenzen sind allerdings nicht erkennbar, obwohl die Beschwerdeführerin bis zur Heirat eine Zyanid-Kapsel auf sich getragen habe (vgl. Botschaftsanhörung 1, S. 9). Ihr Aufstieg spricht gegen eine blosse Mitläuferschaft. Sie kommandierte stets kombattante Truppen, nach ihrer verletzungsbedingten Rückkehr gar eine Spezialeinheit von Scharfschützen. Es ist aus den Aussagen der Beschwerdeführerin zu schliessen, dass sie und von ihr kommandierte LTTE-Angehörige Menschen töteten, wobei es sich um Soldaten der Armee oder paramilitärischer Gruppen handelte. Nicht ersichtlich wäre, dass die Beschwerdeführerin ausserhalb des Gefechtsgeschehens terroristische Akte begangen hätte, welche die Zivilbevölkerung direkt betroffen hätten. Sie stieg zwar bis in den Rang eines Majors auf, hatte auch Kontakte mit der höheren Führungsebene, konnte aber nach dem Krieg als Kämpferin unerkannt respektive unbekannt bleiben. Ihre Darstellung, dass sie zwar einen Zug kommandiert habe, aber in der Befehlskette nicht sehr hoch positioniert gewesen sei (unter der „Attackenleitung“ und dem Kompanie-Kommandanten) ist insofern nicht von vornherein haltlos. Letzte aktive Kampfhandlungen als Leiterin eines Scharfschützenteams können auf das Jahr 2001 gelegt werden; im (ab Februar 2002 herrschenden) Waffenstillstand war sie ausbildnerisch tätig, dass sie nach der Heirat im Juli 2004 entgegen ihrer Aussage wieder militärisch aktiv geworden wäre, ist nicht ersichtlich. Ihre Identifikation mit den Zielen der LTTE ist nicht restlos klar; sicher ist, dass sie während ihrer aktiven Zeit - ob aus eigener Überzeugung oder durch gezielte Indoktrination - für die

Sache der LTTE kämpfte. Ihre Distanzierung ist eher vage, seit 2004 ist jedenfalls, obwohl sie mit einem hohen LTTE-Kader verheiratet ist oder war, keine Aktivität mehr erkennbar.

    1. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in ihrer immerhin sechs Jahre dauernden Zeit bei den LTTE deren Sache aktiv unterstützte, von 1998 bis 2001, eventuell bis anfangs 2002, als Kämpferin in zum Teil leitender Position, ab dem Waffenstillstand (und damit auch: trotz des Waffenstillstandes) bis zu ihrem familiär bedingten Ausscheiden 2004 logistisch als Ausbildnerin. Sie förderte, kommandierte und beging in diesem Rahmen Tötungen, welche mit der Vorinstanz als vorsätzliche Tötungen im Sinne von Art. 111 StGB als verwerfliche Handlungen im Sinne von Art. 53 des Asylgesetzes zu qualifizieren sind und damit grundsätzlich die Folge der Asylunwürdigkeit nach sich ziehen.

    2. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit springt die seit den aktiven Handlungen verstrichene Zeit ins Auge. Letzte Tötungen, für die ein individueller Tatbeitrag hinreichend belegt angenommen werden können, fanden 2001, allenfalls anfangs 2002 statt. Für Ereignisse nach dem Ende des Waffenstillstandes kann die Beschwerdeführerin, welche deutlich davor aus den LTTE ausgeschieden war, trotz ausbildnerischer Tätigkeit nicht im Sinne eines individuellen Tatbeitrages verantwortlich gemacht werden. Stellt man auf das bis zum 31. September 2002 in Kraft stehende Verjährungsrecht ab, so wären auch die letzten Tötungen, welche der Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin zugeschrieben werden können, verjährt (Art. 70 zweiter Spiegelstrich StGB i.d.F. gem. BG vom 17. Juni 1994 [AS 1994 2290 2307] i.V.m. Art. 111 StGB i.d.F. gem. BG vom 21. Dezember 1937, AS 54 757). Die Vorinstanz stützt sich in ihrer Annahme, die Verjährung nach schweizerischem Recht sei noch nicht eingetreten, auf die geltenden Regeln der Art. 97 ff. StGB, welche im Kern auf die Änderung des StGB vom 5. Oktober 2001 (betreffend die Verjährung der Strafverfolgung im allgemeinen und bei Sexualdelikten an Kindern, AS 2002 2993 ff.) zurückgehen. Das wäre bei einer theoretischen Strafverfolgung in der Schweiz zwar nicht das anwendbare Recht (Art. 389 Abs. 1 StGB ex negativo), spiegelt aber die in der Zwischenzeit gesteigerte Sensibilität respektive Missbilligung gegenüber Taten einer gewissen Schwere. Der Tatbestand der vorsätzlichen Tötung, der mit der Strafdrohung einer Freiheitsstrafe (resp. bis zum 31. Dezember 2006 Zuchthausstrafe; vgl. AS 2006 3459 ff., 3502) von nicht unter fünf Jahren auf den Schutz des zentralsten menschlichen Rechtsgutes abzielt, gehört mit Bestimmtheit zu den am

      stärksten durch die Rechtsordnung und Gesellschaft missbilligten Tatbeständen. Insgesamt vermag die verstrichene Zeit somit nicht vollumfänglich zugunsten der Beschwerdeführerin ins Gewicht zu fallen. Zu Ungunsten der Beschwerdeführerin fällt ihre auch über die Phase aktiver Kampfhandlungen fortdauernde Mitgliedschaft bei den LTTE ins Gewicht. Das Ausscheiden aus dem militärischen Dienst erfolgte aus familiären Motiven; ein eigentlicher Gesinnungswandel als Ursache der Ablösung ist nicht erkennbar. Beim Eintritt in die LTTE mag die Beschwerdeführerin zwar jugendlich und beeinflussbar gewesen sein; sie macht aber in der Beschwerde geltend, sich auf familiäre Werte rückbesonnen zu haben. Dieses angeblichen Reifungsprozesses zum Trotz - und offensichtlich auch trotz Verletzung im Kampf und trotz Waffenstillstandes - verblieb sie in dieser Darstellung noch weitere drei Jahre bis zur Gründung einer eigenen Familie bei den LTTE. Nach dem Ende ihrer Zeit in der LTTE war ihr Leben zwar vorab durch die Sorge um die Sicherheit ihrer Familie geprägt (vgl. Botschaftsanhörung 1, S. 2-4, 9 f.; Botschaftsanhörung 2, S. 2, 4-10; Botschaftsanhörung 3, S. 10 ff.) und offenkundig veränderten sich auch die Lebensumstände. Eine wirkliche Distanzierung zum damals Geschehenen, welche über eine Schilderung veränderter Prioritäten hinausginge, fehlt aber. So machte die Beschwerdeführerin auch nie geltend, sie hätte sich ein Ausscheiden ihres Ehemannes gewünscht oder erhofft. Nur gering zugunsten der Beschwerdeführerin sind mit dem Aufenthaltsstatus verknüpfte Schwierigkeiten der wirtschaftlichen Integration zu gewichten. Im Falle ihrer selbst ist diese durch weitere Faktoren - etwa den Ausbildungsstand - massgeblich mitgeprägt. Für die Töchter mag die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus zwar mit gewissen Unwägbarkeiten verbunden sein, über deren Ausmass kann aber ex ante nur spekuliert werden.

    3. In einer Gesamtbetrachtung überwiegen die Gesichtspunkte, welche für die Bejahung der Verhältnismässigkeit sprechen, insbesondere - trotz gewisser zeitlicher Distanz - die Art der verwerflichen Handlungen und die nur zögerliche, nicht durch einen Bewusstseinswandel ausgelösten Ablösung von den LTTE nach langer Zugehörigkeit, jene, die für deren Verneinung sprächen (veränderte Lebensumstände, allenfalls Schwierigkeiten der wirtschaftlichen Integration).

    4. Der Ausschluss vom Asyl erscheint damit verhältnismässig.

6.

Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet

den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

Die Beschwerdeführerin wie auch ihre Töchter verfügen weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

7.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).

    2. Da den Beschwerdeführerinnen von der Vorinstanz wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufgenommen wurden, erübrigen sich Ausführungen zur Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs.

8.

Es ergibt sich somit, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

9.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären dessen Kosten grundsätzlich den Beschwerdeführerinnen aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da jedoch am 16. März 2017 die unentgeltliche Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gewährt wurde und weiterhin von der prozessualen Bedürftigkeit auszugehen ist, ist von der Kostenerhebung abzusehen.

    2. Die amtliche Rechtsvertretung ist unbesehen des Ausgangs des Verfahrens zu entschädigen. Bei der Bemessung des Honorars wird nur der notwendige Aufwand entschädigt (vgl. Art. 8 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Die Rechtsbeiständin wurde in der Ernennungsverfügung vom 22. März 2017 über den Kostenrahmen informiert.

Die eingereichte Kostennote (vgl. Beschwerdebeilage 3) weist - inkl. Dossiereröffnung - einen Aufwand von 6.75 Honorarstunden auf, was angemessen erscheint und beim praxisgemäss anzuwendenden Stundensatz von Fr. 150.- ein amtliches Honorar von Fr. 1012.50 ergibt. Hinzuzuschlagen sind die Auslagen von Fr 67.- für Dolmetschen und Porto; Mehrwertsteuerpflicht besteht gemäss Rechtsvertretung keine. Insgesamt ist die Rechtsbeiständin somit mit gerundet Fr. 1‘080.- zu entschädigen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Der Rechtsvertreterin wird zu Lasten der Gerichtskasse ein amtliches Honorar von Fr. 1080.- zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerinnen, das SEM und die zuständige kantonale Behörde

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Daniela Brüschweiler Thomas Bischof

Versand:

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