Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | C-3952/2019 |
Datum: | 17.08.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Freiwillige Versicherung |
Schlagwörter : | Versicherung; Wohnsitz; Kanada; Eltern; Schweiz; BVGer-act; Beitritt; Vorakten; Schweizer; Recht; Person; Parteien; Vorinstanz; Einsprache; Begründung; Bundesverwaltungsgericht; Personen; Einspracheentscheid; Entscheid; Zeitpunkt; Mutter; Beitrittsgesuch; Verfügung; Abmeldung; Sorge; Sachverhalt; Zustimmung |
Rechtsnorm: | Art. 13 ATSG ;Art. 19 ZGB ;Art. 23 ZGB ;Art. 25 ZGB ;Art. 296 BV ;Art. 43 ATSG ;Art. 48 BGG ;Art. 52 VwVG ;Art. 60 ATSG ;Art. 61 ATSG ;Art. 62 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 85b AHVG ; |
Referenz BGE: | 129 V 1; 130 V 329; 132 V 368; 133 III 305; 133 V 309; 135 V 249; 136 III 353; 136 V 161; 136 V 376; 143 V 168; 144 V 208 |
Kommentar: | - |
Abteilung III C-3952/2019
Besetzung Richter Daniel Stufetti (Vorsitz), Richterin Caroline Bissegger, Richterin Caroline Gehring, Gerichtsschreiberin Patrizia Levante.
(bis zur Volljährigkeit) gesetzlich vertreten durch ihre Eltern B. , (Kanada), und C. , Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand AHV, Beitritt zur freiwilligen Versicherung, Einspracheentscheid der SAK vom 8. Juli 2019.
Die am (…) 2002 in der Schweiz geborene A.
ist Schweizer
Staatsangehörige. Sie war seit Geburt bei ihren Eltern B.
und
C. in (…) wohnhaft, bevor sie sich per 23. August 2016 nach Kanada abmeldete (Vorakten 6; BVGer-act. 11/1). Am 18. Juni 2018 kehrte A. in die Schweiz zurück und wohnte wieder bei ihren Eltern in (…), bis sie am 14. August 2018 erneut nach Kanada wegzog (Vorakten 4, 6).
Mit Formular vom 8. Januar 2019 (Vorakten 1) beantragte A. mit schriftlicher Zustimmung ihres Vaters C. bei der Schweizerische Ausgleichskasse (nachfolgend: SAK; Eingang: 10. Januar 2019) die Aufnahme in die freiwillige Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung AHV/IV (nachfolgend: freiwillige Versicherung).
Die SAK wies das Beitrittsgesuch mit Verfügung vom 1. April 2019 ab (Vorakten 7). Sie führte zur Begründung aus, dass A. die Beitrittsbedingungen nicht erfülle, da sie nicht während mindestens fünf Jahren vor dem Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung ununterbrochen der schweizerischen AHV/IV angeschlossen gewesen sei.
Mit Schreiben vom 25. April 2019 (Vorakten 8/1) erhob A. bei der SAK Einsprache gegen diese Verfügung und beantragte sinngemäss deren Aufhebung bzw. die Aufnahme in die freiwillige Versicherung mit der Begründung, als Minderjährige sei sie noch nicht AHV-pflichtig und vor der Abmeldung am 14. August 2018 sei sie in (…) wohnhaft gewesen.
Die SAK wies mit Entscheid vom 8. Juli 2019 die Einsprache ab und führte aus, das A. in der Zeit vom 23. August 2016 bis 18. Juni 2018 aufgrund ihres kanadischen Wohnsitzes eine Lücke in der obligatorischen Versicherung aufweise (Vorakten 10).
Gegen diesen Einspracheentscheid erhob A.
(nachfolgend:
Beschwerdeführerin) mit Eingabe vom 5. August 2019 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (Eingang: 6. August 2019; BVGer-act. 1). Sie
beantragte sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheides bzw. die Aufnahme in die freiwillige Versicherung.
Mit Vernehmlassung vom 1. Oktober 2019 (BVGer-act. 5) beantragte die SAK (nachfolgend auch: Vorinstanz) die Abweisung der Beschwerde und wiederholte im Wesentlichen die im Einspracheentscheid enthaltene Begründung.
Mangels Eingang einer Replik wurde der Schriftenwechsel mit Zwischenverfügung vom 6. Februar 2020 geschlossen, wobei weitere Instruktionsmassnahmen vorbehalten blieben (BVGer-act. 8).
Mit Instruktionsverfügung vom 20. Februar 2020 (BVGer-act. 9) wurde die Beschwerdeführerin ersucht, die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertretung (Inhaber der elterlichen Sorge) betreffend die Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung und die vorliegende Prozessführung nachzureichen. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin bzw. ihre gesetzliche Vertretung ersucht, dem Gericht darzulegen, wo sich der Wohnsitz der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern oder des allein sorgeoder obhutsberechtigten Elternteils im Zeitraum von August 2013 bis heute befand, und innert der gesetzten Frist die entsprechenden Belege (wie Wohnsitzbestätigungen, allfällige behördliche Entscheide zur Sorgerechtsund Obhutszuteilung etc.) einzureichen.
Die Eltern der Beschwerdeführerin reichten mit Eingaben vom
12. März 2020 (BVGer-act. 11, 13) die Zustimmung zur Prozessführung der Beschwerdeführerin ein. In der Beilage wurden zudem (Ab-)Meldebestätigungen des Personenmeldeamtes der Stadt (…) vorgelegt (BVGeract. 11/1-11/6). Die eingereichten Eingaben samt Beilagen wurden der Vorinstanz zur Kenntnisnahme zugestellt (BVGer-act. 18).
Mit Instruktionsverfügungen vom 12. Juni 2020 (BVGer-act. 15/1) und
25. Juni 2020 (BVGer-act. 16) wurde das Personenmeldeamt der Stadt (…) um Auskunft ersucht, ob die Eheleute B. und C. im Zeitraum vom 14. August 2013 bis 14. August 2018 in der Schweiz bzw. in (…) ununterbrochenen Wohnsitz hatten. Die angeforderten schriftlichen Auskünfte wurden dem Gericht in der Folge eingereicht (BVGer-act. 15, 17/1, 17/2) und sodann den Parteien zur Kenntnisnahme übermittelt (BVGeract. 18).
Auf weitere Vorbringen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Gemäss Art. 31 in Verbindung mit Art. 33 Bst. d VGG und Art. 85bis AHVG (SR 831.10) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden von Personen im Ausland gegen Verfügungen der SAK. Da keine Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG besteht, ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig.
Aufgrund von Art. 3 Bst. dbis VwVG findet das VwVG keine Anwendung in Sozialversicherungsrechtssachen, soweit das ATSG (SR 830.1) anwendbar ist. Gemäss Art. 1 Abs. 1 AHVG sind die Bestimmungen des ATSG auf die im ersten Teil geregelte Altersund Hinterlassenenversicherung anwendbar, soweit das AHVG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht.
Anfechtungsobjekt des vorliegenden Verfahrens ist der Einspracheentscheid der SAK vom 8. Juli 2019, mit welchem die Aufnahme der am (…) 2002 geborenen Beschwerdeführerin in die freiwillige Versicherung abgelehnt wurde. Die Beschwerdeführerin ist durch diese Verfügung berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung (vgl. Art. 59 ATSG). Im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung (Poststempel: 5. August 2019) war die – heute volljährige – Beschwerdeführerin allerdings noch minderjährig (Art. 14 ZGB). Aus den Akten ergibt sich, dass die minderjährige Beschwerdeführerin unter der gemeinsamen Sorge ihrer verheirateten Eltern stand (vgl. Art. 296 Abs. 2 ZGB; BVGer-act. 11, 13, 17/1-2). Beide Elternteile haben der von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde (nachträglich) zugestimmt (BVGer-act. 11, 13). Es ist daher von einer gültigen Beschwerdeerhebung durch die urteilsfähige Beschwerdeführerin auszugehen (vgl. Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Art. 19a Abs. 1 ZGB). Die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin ist damit zu bejahen.
Da die Beschwerde im Übrigen fristund formgerecht (vgl. Art. 60 Abs. 1 ATSG und Art. 52 Abs. 1 VwVG) eingereicht wurde, ist darauf einzutreten.
Das Bundesverwaltungsgericht prüft die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit (Art. 49 VwVG).
Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäss dem Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht an die Begründung der Begehren der Parteien gebunden (Art. 62 Abs. 4 VwVG). Es kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den angefochtenen Entscheid im Ergebnis mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (vgl. BVGE 2013/46 E. 3.2).
Sowohl das Verwaltungsverfahren wie auch der erstinstanzliche Sozialversicherungsprozess sind vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (vgl. Art. 43 Abs. 1 ATSG; Art. 61 Bst. c ATSG; Art. 12 VwVG). Danach hat die Verwaltung und im Beschwerdeverfahren das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des erheblichen Sachverhalts zu sorgen (vgl. BGE 136 V 376 E. 4.1.1). Sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, gilt im Sozialversicherungsrecht der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 143 V 168 E. 2; 138
V 218 E. 6).
Nach der Rechtsprechung stellt das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung einer Streitsache in der Regel auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Entscheides (hier: 8. Juli 2019) eingetretenen Sachverhalt ab (BGE 129 V 1 E. 1.2 m.H.).
In materiell-rechtlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhaltes Geltung hatten (BGE 130 V 329 E. 2.3). Massgebend sind die im Zeitpunkt der Einreichung des Beitrittsgesuchs (Januar 2019) gültig gewesenen Normen.
Die Beschwerdeführerin ist Schweizer Bürgerin und lebt – zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder – in Kanada (Vorakten 8; BVGer-act. 13, 17/1), weshalb das Abkommen über Soziale Sicherheit zwischen der Schweiz und Kanada vom 24. Februar 1994 (nachfolgend: Abkommen; SR 0.831.109.232.1) zu beachten ist (vgl. Art. 2 Abs. 1 Bst. a/i des Abkommens). Mangels abweichender Bestimmungen im Abkommen ist die hier streitige Frage nach dem innerstaatlichen schweizerischen Recht zu beurteilen.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AHVG können Schweizer Bürger und Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Freihandelsassoziation, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Freihandelsassoziation leben, der freiwilligen Versicherung beitreten, falls sie unmittelbar vorher während mindestens fünf aufeinander folgenden Jahren obligatorisch versichert waren.
Art. 7 Abs. 1 der Verordnung vom 26. Mai 1961 über die freiwillige Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung (VFV, SR 831.111) hält fest, dass der freiwilligen Versicherung Personen beitreten können, welche die Versicherungsvoraussetzungen nach Art. 2 Abs. 1 AHVG erfüllen, einschliesslich jener, die für einen Teil ihres Einkommens der obligatorischen Versicherung unterstellt sind. Minderjährige können der freiwilligen Versicherung ebenfalls beitreten (UELI KIESER, AHV, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit,
Aufl. 2016, S. 1245 Rz. 144 [zitiert: AHV]). Auch in der freiwilligen Versicherung gilt der Grundsatz der Individualversicherung (UELI KIESER, in: Murer/Stauffer [Hrsg.], AHV, Rechtsprechung des Bundesgerichts, 3. Aufl. 2012, Art. 2 Rz. 4). Insoweit muss beachtet werden, dass die für den Beitritt zur freiwilligen AHV vorausgesetzte mindestens fünfjährige Zugehörigkeit zur obligatorischen AHV auch für Kinder von Personen gilt, welche der freiwilligen Versicherung beitreten (BGE 136 V 161 E. 6.).
Art. 8 Abs. 1 VFV sieht vor, dass die Beitrittserklärung schriftlich bei der Ausgleichskasse oder subsidiär bei der zuständigen Auslandsvertretung innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus der obligatorischen Versicherung eingereicht werden muss. Nach Ablauf dieser Frist ist ein Beitritt zur freiwilligen Versicherung nicht mehr möglich. Das
Beitrittsgesuch von Minderjährigen ist nur mit der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter gültig (vgl. Wegleitung zur freiwilligen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [WFV], Stand 1. Januar 2019, Rz. 2020). Gemäss Art. 8 Abs. 2 VFV beginnt die Versicherung mit dem Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung.
Obligatorisch versichert nach Art. 1a Abs. 1 AHVG sind unter anderem natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz (Bst. a) sowie natürliche Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben (Bst. b). Die Versicherteneigenschaft, wie sie in Art. 1a AHVG umschrieben ist, ist persönlich zu erfüllen. Es ist somit für jede Person einzeln zu beurteilen, ob die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Dieser Grundsatz der persönlichen Versicherteneigenschaft gilt auch für minderjährige Kinder (UELI KIESER, AHV, a.a.O., S. 1231 f. Rz. 99). Der Begriff des Wohnsitzes bestimmt sich aufgrund von Art. 13 Abs. 1 ATSG nach den Art. 23-26 ZGB. Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 ZGB befindet sich der Wohnsitz einer Person an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Für die Begründung eines Wohnsitzes müssen somit zwei Merkmale kumulativ erfüllt sein: ein objektiv äusseres (Aufenthalt) sowie ein subjektiv inneres (Absicht, dauernden Verbleibens), wobei das letztgenannte Element aufgrund von erkennbaren Umständen objektiv bestimmt werden muss. Massgebend ist somit der Ort, wo sich der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen befindet (vgl. BGE 133 V 309 E. 3.1). Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge gilt gemäss Art. 25 Abs. 1 ZGB der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfasst der Verweis in Art. 13 Abs. 1 ATSG den abgeleiteten Wohnsitz nach Art. 25 Abs. 2 ZGB (Wohnsitz des Mündels am Sitz der Vormundschaftsbehörde) aber nicht (BGE 135 V 249; 130 V 404). Ausserdem gelangt nach bundesgerichtlicher Festlegung nicht das Internationale Privatrecht, sondern nur das ZGB zur Anwendung, selbst wenn ein internationaler Sachverhalt zur Diskussion steht (UELI KIESER, ATSG-Kommentar,
Aufl. 2020, Art. 13 Rz. 14 m.H. auf BGE 144 V 208). Art. 13 ATSG ver-
weist denn auch einzig auf das ZGB und nicht auf das IPRG.
Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Vorinstanz die Beschwerdeführerin zu Recht nicht in die freiwillige Versicherung aufgenommen hat.
Die Vorinstanz hat die Aufnahme der Beschwerdeführerin in die freiwillige Versicherung abgelehnt mit der Begründung, dass sie vor dem Ausscheiden aus der obligatorischen Versicherung per 14. August 2018 nicht während mindestens fünf Jahren ununterbrochen der schweizerischen AHV/IV angeschlossen gewesen sei. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin vom 23. August 2016 bis 18. Juni 2018 in Kanada gewohnt, weshalb sie eine Lücke in der obligatorischen Versicherung aufweise (vgl. Vorakten 10).
Die Beschwerdeführerin hält dagegen, sie habe vor ihrer Abmeldung nach Kanada per 14. August 2018 in (…) gewohnt und sei als Minderjährige nicht AHV-pflichtig gewesen. Zudem habe man sie anlässlich ihrer ersten Abmeldung nach Kanada (im Jahre 2016) nicht auf die fristgemässe Anmeldung bei der freiwilligen Versicherung aufmerksam gemacht (vgl. Vorakten 8; BVGer-act. 1).
Die Beschwerdeführerin ist Schweizer Bürgerin und hat sich – wie erwähnt – per 14. August 2018 von (…) nach Kanada abgemeldet, wo sie seither zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder lebt (vgl. Bst. A und
E. 3.3). Die Beitrittserklärung der Beschwerdeführerin zur freiwilligen Versicherung datiert vom 8. Januar 2019 und ging bei der Vorinstanz am
10. Januar 2019 ein (Vorakten 1). Die Beschwerdeführerin stellte somit innerhalb eines Jahres seit ihrem Wegzug nach Kanada bei der SAK ein Beitrittsgesuch (vgl. E. 4.3). Dieses Gesuch trägt die Unterschrift der damals minderjährigen, aber (unbestrittenermassen) urteilsfähigen Beschwerdeführerin. Ihr sorgeberechtigter Vater hat das Formular als gesetzlicher Vertreter ebenfalls unterzeichnet und damit dem Beitrittsgesuch seiner Tochter schriftlich zugestimmt (Vorakten 1/1). Es ist auch von einer (stillschweigenden) Zustimmung der sorgeberechtigten Mutter zum besagten Gesuch auszugehen, zumal beide Elternteile der von ihrer minderjährigen Tochter gegen die abschlägige Verfügung erhobenen Beschwerde ausdrücklich zugestimmt haben (vgl. E. 1.3). Es liegt damit ein gültiges Beitrittsgesuch vor (vgl. E. 4.3 sowie Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Art. 19a Abs. 1 ZGB).
Die Beschwerdeführerin war bei ihrer Abmeldung nach Kanada per
14. August 2018 – wie gesagt – noch minderjährig und stand unter der
elterlichen Sorge beider Eltern. Die hier streitige Frage nach dem ununterbrochenen schweizerischen Wohnsitz der Beschwerdeführerin in den fünf Jahren vor diesem Abmeldedatum bestimmt sich daher nach dem Wohnsitz der Eltern. Ein Kind unter elterlicher Sorge hat üblicherweise keinen selbständigen Wohnsitz, sondern sein (abgeleiteter) Wohnsitz ist dort, wo sich der Wohnsitz seiner Eltern befindet (E. 4.4). Aus den Akten bzw. den eingeholten Auskünften des Personenmeldeamtes der Stadt (…) geht hervor, dass die Eltern der Beschwerdeführerin bereits bei deren Geburt im Jahre 2002 in (…) wohnhaft waren und sodann ununterbrochen bis zum
14. August 2018 einen gemeinsamen Wohnsitz in (…) hatten (BVGeract. 15 und 17/2). Folglich befand sich auch der Wohnsitz der minderjährigen Beschwerdeführerin in dieser Zeit in (…) und damit in der Schweiz. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ab 23. August 2016 bis
18. Juni 2018 nicht bei ihren Eltern in (…), sondern in Kanada lebte (Vorakten 6), ändert daran nichts. Es ist bei den genannten Verhältnissen unerheblich, wo sich die minderjährige Person tatsächlich aufhält (DANIEL STAEHELIN, Basler Kommentar zum ZGB, 6. Aufl. 2018, Art. 25 Rz. 4 m.H. auf BGE 133 III 305). Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerdeführerin seit Geburt bis zu ihrer Abmeldung nach Kanada per 14. August 2018 in der Schweiz einen ununterbrochenen Wohnsitz hatte. Unmittelbar vor diesem Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin somit während mindestens fünf aufeinander folgenden Jahren obligatorisch nach Art. 1a Abs. 1 AHVG versichert.
Die Beschwerdeführerin vollendete ihr 18. Altersjahr am (…) 2020. Deshalb bestimmt sich ihr Wohnsitz bis zu diesem Zeitpunkt, d.h. auch nach ihrer Abmeldung nach Kanada per 14. August 2018, entsprechend dem Wohnsitz der Eltern (vgl. E. 4.4). Aus den vorliegenden Akten ist bei objektiver Betrachtung zu schliessen, dass die Eltern der Beschwerdeführerin nach dem 14. August 2018 keinen gemeinsamen schweizerischen Wohnsitz mehr hatten: Die Mutter meldete sich – zusammen mit der Beschwerdeführerin und deren jüngerem Bruder – per dieses Datum in (…) bzw. der Schweiz ab (Vorakten 11/2-4). Die drei zogen nach Kanada, wo sie sich – gemäss eigenen Aussagen – bei der zuständigen Schweizer Vertretung anmeldeten und wo sie seither leben (BVGer-act. 11, 13). Die Beschwerdeführerin beabsichtigte, in Kanada eine zweijährige Ausbildung zu absolvieren (Vorakten 1/1). Die beiden minderjährigen Kinder standen in Kanada augenscheinlich unter der (tatsächlichen) Obhut der Mutter, wobei sich auch der Vater zwischen dem 3. Oktober 2018 und dem 6. Mai 2019 in Kanada aufhielt und in (…) entsprechend abmeldete (BVGer-act. 17/2)
bzw. in Kanada anmeldete (BVGer-act. 11). Der Lebensmittelpunkt der Familie – namentlich der Mutter und der beiden Kinder – scheint somit ab Mitte August 2018 nach Kanada verlagert worden zu sein. Der Aufenthalt in Kanada war zudem auf eine gewisse Dauer ausgerichtet (siehe dazu PETER BREITSCHMID, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl. 2016, Art. 23 ZGB Rz. 3 und 7, je m.H.). Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass sich der Wohnsitz der Beschwerdeführerin – wie derjenige ihrer Mutter, unter deren Obhut sie bis zu ihrer Volljährigkeit stand – seit dem 15. August 2018 in Kanada befindet (vgl. DANIEL STAEHELIN, a.a.O., Art. 25 Rz. 5 m.H. auf BGE 136 III 353 E. 3.2), weshalb ab diesen Zeitpunkt auch keine obligatorische Versicherung nach Art. 1a Abs. 1 AHVG mehr besteht.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und der Einspracheentscheid vom
8. Juli 2019 ist aufzuheben. Die Beschwerdeführerin ist rückwirkend per
15. August 2018 in die freiwillige Versicherung aufzunehmen.
Zu befinden bleibt über die Verfahrenskosten und eine allfällige Parteientschädigung.
Das Verfahren ist für die Parteien kostenlos (Art. 85bis Abs. 2 AHVG), so dass keine Verfahrenskosten zu erheben sind.
Die Beschwerdeinstanz kann der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG, Art. 7 Abs. 1, 2 und 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE], SR 173.320.2). Da die obsiegende Beschwerdeführerin vorliegend nicht anwaltlich vertreten ist, keinen entsprechenden Antrag gestellt hat und ihr aufgrund der Aktenlage auch keine notwendigen,
verhältnismässig hohen Kosten entstanden sind, wird ihr keine Parteientschädigung zugesprochen. Die unterliegende Vorinstanz hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario).
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Einspracheentscheid vom
8. Juli 2019 wird aufgehoben.
Die Beschwerdeführerin wird rückwirkend per 15. August 2018 in die freiwillige Alters-, Hinterlassenenund Invalidenversicherung aufgenommen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Dieses Urteil geht an:
die (volljährige) Beschwerdeführerin (Einschreiben mit Rückschein)
die Eltern der Beschwerdeführerin (Einschreiben)
die Vorinstanz (Ref-Nr. […]; Einschreiben)
das Bundesamt für Sozialversicherungen
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Daniel Stufetti Patrizia Levante
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
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