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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-4811/2019

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts A-4811/2019

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-4811/2019
Datum:26.04.2021
Leitsatz/Stichwort:Amtshilfe
Schlagwörter : Informationen; Behörde; Amtshilfe; CH-GB; Urteil; Staat; Person; Recht; Vorinstanz; Verfahren; BVGer; Vertragsstaat; Amtshilfeersuchen; Based; Grossbritannien; Schlussverfügung; Gericht; Schlussverfügungen; StAhiG; Sachverhalt; Entscheid; Vorbringen; Sinne; Mehrwertsteuer; Ersuchen; Begründung; Abkommen; Urteile
Rechtsnorm: Art. 100 BGG ;Art. 25 DBG ;Art. 29 BV ;Art. 48 BGG ;Art. 50 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 84 BGG ;
Referenz BGE:133 III 235; 136 I 229; 139 II 451; 141 II 436; 142 II 161; 143 II 185; 143 II 202; 143 III 65; 144 II 206; 145 II 112; 146 II 150
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

  1. 1/2019, A-4814/2019

    U r t e i l v o m 2 6 . A p r i l 2 0 2 1

    Besetzung Richterin Marianne Ryter (Vorsitz), Richterin Emilia Antonioni Luftensteiner, Richterin Annie Rochat Pauchard, Gerichtsschreiberin Zulema Rickenbacher.

    Parteien A. AG,

    […],

    vertreten durch Christoph Niederer, Rechtsanwalt, und Beatrice Klaesi, Rechtsanwältin,[…], Beschwerdeführerin,

    gegen

    Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,

    Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, […],

    Vorinstanz.

    Gegenstand Amtshilfe (DBA CH-GB).

    Sachverhalt:

    A.

    1. Die britische Steuerbehörde (Her Majesty’s Revenue and Customs; nachfolgend: HMRC) hat die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend: ESTV) mit zwei Amtshilfeersuchen vom 13. November 2018 bzw. vom 6. Dezember 2018 gestützt auf Art. 25 des Abkommens vom 8. Dezember 1977 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-GB, SR 0.672.936.712) um Amtshilfe in Sachen A. AG (nachfolgend: betroffene Person) hinsichtlich des Zeitraums zwischen dem 22. März 2012 und dem 31. Dezember 2017 ersucht.

    2. In den genannten Amtshilfeersuchen wird ausgeführt, bei der betroffenen Person handle es sich um einen Online-Marktplatz für Ticket(wieder)- Verkäufe. Die betroffene Person habe ihren europäischen Geschäftsbetrieb im Jahr 2012 in die Schweiz verlegt und deklariere derzeit lediglich Mehrwertsteuer auf Provisionen und damit verbundene Verkaufsgebühren über eine EU-MOSS Registrierung in […]. Die betroffene Person gebe zwar an, kein Prinzipal für Mehrwertsteuerzwecke zu sein, doch betreibe sie einen telefonischen Kundendienst in […] und Grossbritannien. Das Ersuchen wird im Wesentlichen damit begründet, dass Untersuchungen zum Wesen und Art der von der betroffenen Person in Grossbritannien erbrachten Lieferungen durchgeführt würden. Dabei werde ermittelt, ob die betroffene Person beim Verkauf von Tickets in Grossbritannien als Prinzipal fungiert habe, und überprüft, ob die Mehrwertsteuer richtig und vollständig deklariert worden sei. Es gehe in erster Linie darum, das Geschäftsmodell der betroffenen Person zu verstehen, um festzustellen, ob sie in Grossbritannien mehrwertsteuerpflichtig ist, und gegebenenfalls um die korrekte Erhebung der Mehrwertsteuer. Sollte sich herausstellen, dass die betroffene Person in Grossbritannien – wie vermutet – über eine ständige Niederlassung verfüge, würden sich die amtshilfeweise erfragten Informationen auch als für die britische Körperschaftssteuer relevant erweisen. Obwohl die HMRC seit August 2017 versuche die Fakten zu ermitteln, gestalte es sich schwierig, ausreichende Informationen zur Klärung des Sachverhalts zu erhalten, zumal sich die betroffene Person nicht kooperativ zeige. Aus diesem Grund sei man auf Amtshilfe angewiesen.

      In beiden Ersuchen wird bestätigt, dass alle üblichen innerstaatlichen Mittel zur Informationsbeschaffung ausgeschöpft worden seien. Sodann wird

      festgehalten, dass alle Informationen der Geheimhaltung unterliegen und nur für Zwecke verwendet würden, welche dem DBA CH-GB entsprechen.

    3. Die ESTV ist auf die beiden Amtshilfeersuchen eingetreten und hat die betroffene Person mit Editionsverfügungen vom 6. Dezember 2018 bzw. vom 14. Januar 2019 dazu aufgefordert, ihr die von der HMRC ersuchten Informationen (vgl. nachfolgend E. 3.1 f.) zuzustellen. Nach Abschluss des innerstaatlichen Verfahrens hat die ESTV zwei Schlussverfügungen – beide datierend vom 19. August 2019 – erlassen. Darin wurde den Amtshilfeersuchen vollumfänglich entsprochen.

B.

    1. Gegen die genannten Schlussverfügungen der ESTV erhob die betroffene Person (nachfolgend: Beschwerdeführerin) mit Eingabe vom

      18. September 2019 Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragt die Aufhebung der angefochtenen Schlussverfügungen und die Untersagung der Herausgabe jedwelcher Informationen an die ersuchende Behörde. Eventualiter sei es der Vorinstanz zu untersagen, die Jahresrechnungen 2012-2017 gemäss Dispositiv Ziff. 2 Bst. n der angefochtenen Schlussverfügung betreffend das Ersuchen vom 13. November 2018 an die ersuchende Behörde weiterzuleiten (zur Begründung vgl. nachfolgend E. 4).

    2. Vor dem Hintergrund, dass sich die Beschwerde gegen zwei Schlussverfügungen gleichen Datums richtet, welche dieselbe Person, dieselben Rechtsfragen und denselben Zeitraum betreffen, wurden die Verfahren A-4811/2019 und A-4814/2019 mit Zwischenverfügung vom 11. Oktober 2019 vereinigt.

    3. Mit Vernehmlassung vom 11. November 2019 beantragt die ESTV (nachfolgend auch: Vorinstanz) die kostenfällige Abweisung der Beschwerde.

    4. Mit Eingabe vom 18. Dezember 2019 hält die Beschwerdeführerin an ihren Rechtsbegehren fest und nimmt zur Vernehmlassung der Vorinstanz Stellung. Im konkreten Fall werde das Subsidiaritätsprinzip verletzt und der Verweis der Vorinstanz auf das anzuwendende Vertrauensprinzip sei zu pauschal. Die Jahresrechnungen 2012-2017 würden keine Informationen enthalten, welche als relevant für die von der ersuchenden Behörde zu klärenden Fragen eingestuft werden könnten.

    5. Mit Schreiben vom 17. Januar 2020 äussert sich die Vorinstanz zu den Vorbringen der Beschwerdeführerin und hält vollumfänglich an ihren Anträgen fest.

Auf die konkreten Vorbringen der Parteien und die sich bei den Akten befindlichen Dokumente wird – sofern entscheidrelevant – im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Dem vorliegenden Verfahren liegen zwei Amtshilfeersuchen der HMRC gestützt auf Art. 25 Ziff. 1 DBA CH-GB zugrunde. Die Durchführung der mit diesem Abkommen vereinbarten Bestimmungen richtet sich nach dem Steueramtshilfegesetz vom 28. September 2012 (StAhiG, SR 651.1; vgl. Art. 1 Abs. 1 Bst. a StAhiG und Art. 24 StAhiG e contrario; vgl. Urteil des BVGer A-1762/2018 vom 15. Mai 2019 E. 1.1).

    2. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom

      20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021). Zu den beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbaren Verfügungen gehören auch die Schlussverfügungen der ESTV im Bereich der internationalen Amtshilfe (Art. 32 VGG e contrario und Art. 19 Abs. 1 und Abs. 5 StAhiG), womit seine Zuständigkeit zur Beurteilung der vorliegend angefochtenen Verfügungen zu bejahen ist (vgl. Urteil des BVGer A-1762/2018 vom 15. Mai 2019 E. 1.2).

    3. Die Beschwerdeführerin ist als vom Amtshilfeersuchen betroffene Person und Verfügungsadressatin im Sinne von Art. 48 VwVG i.V.m. Art. 19 Abs. 2 StAhiG durch die angefochtenen Schlussverfügungen besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung, so dass sie zur Beschwerde berechtigt ist.

    4. Nach dem Dargelegten ist auf die formund fristgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten (vgl. Art. 50 Abs. 1 VwVG und Art. 52 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art.19 Abs. 5 StAhiG).

2.

    1. Staatsvertragliche Grundlage für die Leistung von Amtshilfe in Steuersachen zwischen der Schweiz und Grossbritannien ist Art. 25 DBA CH-GB (in der aktuellen Fassung für Informationen betreffend Steuerperioden nach dem 1. Januar 2011, vgl. Urteile des BVGer A-1762/2018 vom 15. Mai 2019 E. 2.1, A-907/2017 vom 14. November 2017 E. 2.1.2). Gemäss Art. 25 Abs. 1 DBA CH-GB tauschen die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten unter sich diejenigen Informationen aus, die zur Durchführung des Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend für Rechnung der Vertragsstaaten, ihrer politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften erhobenen Steuern jeder Art und Bezeichnung voraussichtlich erheblich sind (vgl. dazu nachfolgend E. 2.3.1), soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung nicht dem Abkommen widerspricht. Der Informationsaustausch ist dabei weder durch den persönlichen Geltungsbereich nach Art. 1 DBA CH-GB noch durch die unter das Abkommen fallenden Steuern nach Art. 2 DBA CH-GB eingeschränkt.

      Nach Art. 25 Abs. 2 DBA CH-GB sind alle Informationen, die ein Vertragsstaat nach Abs. 1 erhalten hat, ebenso geheim zu halten wie die aufgrund des innerstaatlichen Rechts dieses Staates beschafften Informationen und dürfen nur den Personen oder Behörden (einschliesslich der Gerichte und der Verwaltungsbehörden) zugänglich gemacht werden, die mit der Veranlagung oder der Erhebung, mit der Vollstreckung oder der Strafverfolgung oder mit der Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der Steuern im Sinne von Abs. 1 oder mit der Aufsicht darüber befasst sind (sog. Spezialitätsprinzip). Diese Personen oder Behörden dürfen die Informationen nur für diese Zwecke verwenden. Sie dürfen die Informationen in einem öffentlichen Gerichtsverfahren oder in einer Gerichtsentscheidung offenlegen. Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen kann ein Vertragsstaat die erhaltenen Informationen für andere Zwecke verwenden, wenn solche Informationen nach dem Recht beider Staaten für solche andere Zwecke verwendet werden dürfen und die zuständige Behörde desjenigen Staates, der die Informationen erteilt hat, dieser anderen Verwendung zustimmt.

      Gemäss Art. 25 Abs. 3 DBA CH-GB sind die Absätze 1 und 2 nicht so auszulegen, als verpflichteten sie einen Vertragsstaat:

      1. Verwaltungsmassnahmen durchzuführen, die von den Gesetzen und der Verwaltungspraxis dieses oder des anderen Vertragsstaats abweichen;

      2. Informationen zu erteilen, die nach den Gesetzen oder auf dem üblichen Verwaltungsverfahren dieses oder des anderen Vertragsstaats nicht beschafft werden können;

      3. Informationen zu erteilen, die ein Handels-, Geschäfts-, Industrie-, Gewerbeoder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren preisgeben würden oder deren Erteilung dem Ordre public widerspräche.

      Ersucht ein Vertragsstaat gemäss diesem Artikel um Informationen, so nutzt der andere Vertragsstaat die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Beschaffung der erbetenen Informationen, selbst wenn dieser andere Staat diese Informationen für seine eigenen steuerlichen Zwecke nicht benötigt. Die im vorhergehenden Satz enthaltene Verpflichtung unterliegt den Beschränkungen nach Abs. 3, wobei diese jedoch nicht so auszulegen sind, dass ein Vertragsstaat die Erteilung von Informationen nur deshalb ablehnen kann, weil er kein innerstaatliches steuerliches Interesse an solchen Informationen hat (Art. 25 Abs. 4 DBA CH-GB).

    2. Art. 25 DBA CH-GB äussert sich nicht dazu, welche Anforderungen im Einzelnen an ein Amtshilfegesuch zu stellen sind. Hierzu führt jedoch das integrierenden Bestandteil des DBA CH-GB bildende Zusatzprotokoll in Ziffer 4 Folgendes aus:

Es besteht Einvernehmen darüber, dass der ersuchende Vertragsstaat ein Begehren um Austausch von Informationen erst dann stellt, wenn er die in seinem innerstaatlichen Recht üblichen Verfahren zur Beschaffung der Informationen ausgeschöpft hat (Bst. a).

Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Norm der «voraussichtlichen Erheblichkeit» einen möglichst weitgehenden Informationsaustausch in Steuersachen gewährleisten soll und gleichzeitig verdeutlichen soll, dass es den Vertragsstaaten nicht gestattet ist, «fishing expeditions» zu betreiben oder um Informationen zu ersuchen, die für die Steuerangelegenheiten der steuerpflichtigen Person wahrscheinlich unerheblich sind (Bst. b).

Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Steuerbehörden des ersuchenden Staates bei der Stellung eines Amtshilfebegehrens nach Artikel 25 des Abkommens den Steuerbehörden des ersuchten Staates die nachstehenden Angaben zu liefern haben (Bst. c):

  1. den Namen und die Adresse der in eine Überprüfung oder Untersuchung einbezogenen Person(en) und, sofern verfügbar, weitere Angaben, welche die Identifikation dieser Person(en) erleichtern, wie das Geburtsdatum, den Zivilstand oder die Steuernummer;

  2. die Zeitperiode, für welche die Informationen verlangt werden;

ii) eine Beschreibung der verlangten Informationen sowie Angaben hinsichtlich der Form, in der der ersuchende Staat diese Informationen vom ersuchten Staat zu erhalten wünscht;

  1. den Steuerzweck, für den die Informationen verlangt werden;

  2. den Namen und die Adresse des mutmasslichen Inhabers der verlangten Informationen.

Es besteht Einvernehmen darüber, dass Artikel 25 des Abkommens die Vertragsstaaten nicht dazu verpflichtet, Informationen auf automatischer oder spontaner Basis auszutauschen (Bst. d).

Es besteht Einvernehmen darüber, dass im Falle des Austauschs von Informationen die im ersuchten Staat geltenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts über die Rechte der Steuerpflichtigen vorbehalten bleiben, bevor die Informationen an den ersuchenden Staat übermittelt werden. Es besteht im Weiteren Einvernehmen darüber, dass diese Bestimmung dazu dient, der steuerpflichtigen Person ein ordnungsgemässes Verfahren zu gewähren, und nicht bezweckt, den wirksamen Informationsaustausch zu verhindern oder übermässig zu verzögern (Bst. e).

2.3

      1. Informationen, welche amtshilfeweise übermittelt werden sollen, müssen «voraussichtlich erheblich» zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Staates sein. Als voraussichtlich erheblich gelten rechtsprechungsgemäss Informationen, die für den ersuchenden Staat notwendig sind, um eine in diesem Staat steuerpflichtige Person dort korrekt zu besteuern (vgl. BGE 141 II 436 E. 4.4.3; Urteile des BVGer A-5522/2019 vom 18. August 2020 E. 2.3.1, A-4163/2019 vom 22. April 2020 E. 3.1.3).

      2. Ob eine Information erheblich ist, kann in der Regel nur der ersuchende Staat abschliessend feststellen (BGE 143 II 185 E. 3.3.2, 142 II

161 E. 2.1.1 f.; Urteil des BVGer A-4163/2019 vom 22. April 2020 E. 3.1.3). Die Rolle des ersuchten Staates bei der Beurteilung der voraussichtlichen Erheblichkeit beschränkt sich darauf, zu überprüfen, ob die vom ersuchenden Staat verlangten Informationen und Dokumente einen Zusammenhang mit dem im Ersuchen dargestellten Sachverhalt haben und ob sie möglicherweise dazu geeignet sind, im ausländischen Verfahren verwendet zu werden (BGE 145 II 112, 142 II 161 E. 2.1.1, 139 II 404 E. 7.2.2). Vor die-

sem Hintergrund darf der ersuchte Staat Auskünfte mit der Begründung,

die verlangten Informationen seien nicht «voraussichtlich erheblich» im Sinne von Art. 25 Abs. 1 DBA CH-GB, nur verweigern, wenn ein Zusammenhang zwischen den verlangten Angaben und der im ersuchenden Staat durchgeführten Untersuchung unwahrscheinlich erscheint (vgl. BGE 141 II 436 E. 4.4.3, 142 II 161 E. 2.1.1; Urteil des BVGer A-5695/2018

vom 22. April 2020 E. 3.3.2). In letzterem Sinne ist auch Art. 17 Abs. 2 StAhiG anzuwenden, wonach Informationen, welche voraussichtlich nicht erheblich sind, nicht übermittelt werden dürfen und von der ESTV auszusondern oder unkenntlich zu machen sind (Urteile des BVGer A-4163/2019 vom 22. April 2020 E. 3.1.3, A-2540/2017 vom 7. September 2017 E. 4.1; zum Ganzen: Urteil des BVGer A-5522/2019 vom 18. August 2020 E. 2.3.3).

2.4

      1. Soweit die Behörden des ersuchenden Staates verpflichtet sind, den massgeblichen Sachverhalt darzulegen, kann von ihnen nicht erwartet werden, dass sie dies bereits lückenlos und völlig widerspruchsfrei tun. Dies wäre mit dem Sinn und Zweck der Amtshilfe nicht vereinbar, sollen doch aufgrund von Informationen und Unterlagen, die sich im ersuchten Staat befinden, bisher im Dunkeln gebliebene Punkte erst noch geklärt werden (vgl. BGE 142 II 161 E. 2.1.1, 139 II 404 E. 7.2.2; Urteil des BVGer A-2327/2017 vom 22. Januar 2019 E. 8.3.2; ROBERT ZIMMERMANN, La coo-

        pération judiciaire internationale en matière pénale, 5. Aufl. 2019, S. 310 Rz. 293 Bst. a). Daher verlangt die Rechtsprechung von der ersuchenden Behörde nicht den strikten Beweis des Sachverhalts, doch muss sie hinreichende Verdachtsmomente für dessen Vorliegen dartun (vgl. BGE 139 II 451 E. 2.1 und E. 2.2.1, 139 II 404 E. 7.2.2; Urteile des BVGer A-4163/

        2019 vom 22. April 2020 E. 3.1.4, A-2540/2017 vom 7. September 2017

        E. 4.2, A-2591/2017 vom 5. März 2019 E. 5.3.2.2; zum Ganzen: Urteil des

        BVGer A-5522/2019 vom 18. August 2020 E. 2.5.1).

      2. Nach dem so genannten völkerrechtlichen Vertrauensprinzip besteht – ausser bei offenbarem Rechtsmissbrauch oder bei berechtigten Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz des schweizerischen oder internationalen Ordre public (vgl. Art. 7 StAhiG) – kein Anlass, an Sachverhaltsdarstellungen und Erklärungen anderer Staaten zu zweifeln (BGE 143 II 202 E. 8.7.1, 142 II 218 E. 3.3, 142 II 161 E. 2.1.3; Urteil des BGer

2C_619/2018 vom 21. Dezember 2018 E. 2.2.1). Die ESTV ist deshalb an die Darstellung des Sachverhalts im Ersuchen insoweit gebunden, als diese nicht wegen offensichtlicher Fehler, Lücken oder Widersprüche von vornherein entkräftet werden kann (BGE 142 II 161 E. 2.1.1 und 2.1.3, 139

II 451 E. 2.2.1; Urteil des BGer 2C_275/2017 vom 20. März 2017 E. 2.4.2; Urteile des BVGer A-2258/2020 vom 19. Februar 2021 E. 2.2, A-4163/2019 vom 22. April 2020 E. 2.2, A-5522/2019 vom 18. August 2020 E. 2.5.2).

2.5

      1. Gemäss Ziffer 4 Bst. a des Zusatzprotokolls zum DBA CH-GB besteht «Einvernehmen darüber, dass der ersuchende Vertragsstaat ein Begehren um Austausch von Informationen erst dann stellt, wenn er die in seinem innerstaatlichen Recht üblichen Verfahren zur Beschaffung der Informationen ausgeschöpft hat» (sog. Subsidiaritätsprinzip; vgl. E. 2.2).

      2. Aufgrund des völkerrechtlichen Vertrauensprinzips (E. 2.4.2) besteht rechtsprechungsgemäss kein Anlass, an einer von der ersuchenden Behörde abgegebenen Erklärung der Ausschöpfung aller üblichen innerstaatlichen Mittel zu zweifeln, es sei denn, es liegt ein gegen die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips sprechendes, ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung begründendes konkretes Element vor (vgl. BGE 144 II 206

E. 3.3.2; Urteile des BVGer A-3703/2019 vom 23. April 2020 E. 2.4.2 und

2.7.1, A-2725/2019 vom 25. Februar 2020 E. 2.6.2; zum Ganzen: Urteil des

BVGer A-5522/2019 vom 18. August 2020 E. 2.6.2).

2.6 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV fliesst die Pflicht der Behörden, die Vorbringen des von einem Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich zu hören, zu prüfen und in der Entscheidfindung zu berücksichtigen (BGE 136 I 229 E. 5.2; Urteile 2C_432/2016 vom 26. Januar 2018 E. 3.2.1; 2C_147/2017 vom 23. Januar 2018 E. 2.6.2). Zudem ergibt sich aus dieser Verfahrensgarantie die Begründungspflicht. Letztere verlangt allerdings nicht, dass sich das Gericht mit sämtlichen vorgebrachten Sachverhaltselementen, Beweismitteln und Rügen auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann es sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich das Gericht bzw. die Behörde hat leiten lassen und auf die sich sein Entscheid stützt (BGE 143 III 65 E. 5.2; 134 I 83 E. 4.1 Urteil 6B_651/2018 vom 17. Oktober 2018 E. 8.3.1). Die Begründungspflicht ist nur dann verletzt, wenn das Gericht bzw. die Behörde auf die für den Ausgang des Verfahrens wesentlichen Vorbringen selbst implizit nicht

eingeht (BGE 133 III 235 E. 5.2; vgl. zum Ganzen: Urteil des BGer 2C_439/2019 vom 17. August 2020 E. 3.2).

3.

Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz im Rahmen der angefochtenen Schlussverfügungen festgehalten, dass die betreffenden Amtshilfeersuchen die formellen und materiellen Anforderungen gemäss Art. 25 DBA CH-GB inkl. Zusatzprotokoll und Art. 6 StAhiG erfüllen, womit die Amtshilfe vollumfänglich zu gewähren sei.

    1. Übermittelt werden sollen betreffend das Ersuchen vom 13. November 2018 folgende Informationen:

      1. Name and job title of any directors or other senior A. AG persons involved in the ticket sales activity in the UK plus addresses if they are resident or located in the UK.

        Based on the information provided by A. AG, there is no person involved in the ticket sales activity with a residency or location in the UK.

      2. Name and job title of any staff employed of contracted by A. AG who are resident or located in the UK.

        Based on the information provided by A. AG, there is no staff employed or contracted by A._ AG who are resident or located in the UK.

      3. Provide a list of assets owned by A._ AG which are located in the UK.

        Based on the information provided by A. AG, there is no asset owned by A._ AG which is located in the UK.

      4. Identify the server on which the A. AG ticketing sales website is situated and say where that server is located.

        Based on the information provided by A. AG, the servers are located in [Land] inside a third party data center. According to A. 's knowledge, the server is located in […]. However, A. AG does not know the actual address as it was not mentioned in the contract with B. GmbH.

      5. Names and addresses of any associated A. companies which make supplies to A. AG where this relates to ticket supplies in the UK.

        Based on the information provided by A. AG, A. AG does not supply tickets to customers in the UK. A. operates an online marketplace on which buyers and sellers of tickets transact with one another.

        1. charges customers a commission for transacting on its site.

          A. does not itself supply tickets into the UK (or elsewhere). According to the information provided by A._ _ AG, there are no A. associated companies who use the online-platform for ticket sales.

      6. A list of steps in the payment process to show how ticket buyers pay for tickets purchased including details of any UK based bank accounts the money passes through (other than ticket buyers' accounts).

        Based on the information provided by A._ AG, the third party payment service providers process buyer transactions on behalf of A. , and then remit proceeds to A. 's bank accounts, which are not located in the UK.

      7. A list of steps in the payment process to show how ticket sellers are paid including the bank account number and bank address for any UK based bank accounts from which money is paid by A. AG.

        Based on the information provided by A._ AG, A._ instructs third party payment service providers to process payments on behalf of A. customers who sell tickets on A. 's websites. A. does not have any UK-based bank accounts from which money is paid by A. to these payment service providers.

      8. Please specify the process that A._ AG undertakes in order to determine whether the recipient of a supply of services is conducting a business.

        Based on the information provided by A. AG, A. requests the following information from UK customers that have notified that they are business customers:

        • Confirmation of the customers's UK VAT registration number; and

        • Confirmation of the customer's business name and address as it appears on the customer's UK VAT registration.

        Once A. has received this information, it confirms that the UK customer is VAT registered by checking the official registry at [Link].

        This verification process is repeated every six months for repeat customers.

        If, pursuant to these checks, it appears that a UK customer is not validly registrated then A._ treats that customer as a non-business customer for VAT purposes.

      9. Does A. AG hold a VAT registration number for all those UK customers that are treated as business customers? If not, please confirm whether UK VAT is charged to those business customers who have not provided a UK VAT number.

        Based on the information provided by A._ AG, A. holds a VAT registration number for all UK customers that are treated as business customers.

      10. How has A. AG charged commissions to both private sellers and business sellers throughout this period? If the terms regarding commissions have changed, please identify when and specify the changes to terms regarding charging commission.

        Based on the information provided by A._ AG, during the second quarter of 2016, A. transitioned to principally charging buyers (rather than sellers) commission for transacting on its site. Prior to this period, A. charged both buyers and sellers commission for transacting on its site. Both business and non-business sellers were generally charged 10% commission prior to the second quarter of 2016.

      11. Please provide an example of a full audit trail of a real UK ticket purchase

        and sale from A.

        AG's records including itemized steps of a

        seller's posting (ticket value, location, price) through to the ticket sale including A._ AG's commission invoice(s) and cash movements in regard to that transaction.

        Please find enclosed an example of a full audit trail of a real UK ticket provided by A._ AG (Enclosure 1).

      12. A list of all UK sales where A._ AG has acted as principal including invoice date, event and consideration received and VAT charged (if any).

        Based on the information provided by A. AG, A. AG has not acted as a principal on any transactions. A._ AG's business model is the operation of an online marketplace (as detailed above) and does not involve an activity as principal in respect of ticket sales.

      13. If VAT was charged on any sales where A._ AG has acted as principal, identify when and how it has been brought into account e.g. via A. 's EU MOSS return.

        Based on the information provided by A. AG, A. operates an online marketplace pursuant to which buyers and sellers are able to transact with one another. A. does not act as a principal.

      14. Please provide financial statements for A. AG for years 2012 to 2017.

      Please find enclosed the copies of the financial statements of A. AG for the years 2012 - 2017 provided by the cantonal tax authority of [Kanton] (Enclosure 2).

    2. Betreffend das Ersuchen vom 6. Dezember 2018 sollen gemäss Vorinstanz folgende Informationen übermittelt werden:

Name, address (and, if known, VAT registration number) of any non-associated UK business that make supplies to A._ AG where this relates to ticket supplies in the UK and the value of those supplies exceeds £ 20'000.-- per annum.

Based on the information provided by A. AG, A. AG does not supply tickets to customers in the UK (or elsewhere) but operates an online marketplace in which buyers and sellers of tickets interact with another. A. AG charges customers a commission for transacting on its site. Please find enclosed a list of non-associated companies (name, address and VAT number) that make supplies to A._ AG relating to ticket supplies in the UK while the value of those supplies exceeds GBP 20'000 per year (see enclosure).

In beiden angefochtenen Schlussverfügungen wird bestätigt, dass Informationen, welche nicht amtshilfefähig sind und nicht ausgesondert werden können, von der ESTV geschwärzt worden seien. Auch werde die ESTV die ersuchende Behörde darauf aufmerksam machen, dass die übermittelten Informationen gemäss den Amtshilfebestimmungen des vorliegend anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens (Art. 25 Abs. 2 DBG CH-GB) nur eingeschränkt und gemäss den entsprechenden Geheimhaltungsbestimmungen verwendet werden dürfen (vgl. zum Spezialitätsprinzip vorangehend E. 2.1 und nachfolgend E. 5.3).

4.

    1. Im vorliegend zu beurteilenden Fall macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, die ersuchende Behörde habe das Subsidiaritätsprinzip (E. 2.5.1 f.) verletzt. Die Beschwerdeführerin habe ihr Geschäftsmodell gegenüber der ersuchenden Behörde erklärt und dargelegt, sie betreibe einen «Online-Marktplatz», auf welchem Käufer und Verkäufer von Tickets miteinander Verträge schliessen könnten. Entsprechend sei sie als Betreiberin dieses Marktplatzes weder «Agent» im rechtlichen Sinne noch Stellvertreterin für Mehrwertsteuerzwecke. Am 24. Mai 2018 habe die ersuchende Behörde der Beschwerdeführerin teilweise dieselben Fragen gestellt, wie sie nun im Amtshilfeersuchen enthalten seien. Sie habe die Fragen der HMRC beantwortet und die verlangte Dokumentation zur Verfügung gestellt. Lediglich diejenigen Informationen, welche die Beschwerdeführerin gemäss der auch in Grossbritannien geltenden Council Regulation 967/2012 nicht zur Verfügung stellen müsse, habe sie nicht an die HMRC weitergeleitet, wobei dieser diesbezüglich auch nicht weiter insistiert habe.

      Nach dem Dargelegten sei für die Beschwerdeführerin nicht ersichtlich, weshalb die ersuchende Behörde behaupte, sie habe nicht kooperiert. Dasselbe gelte im Übrigen betreffend die beiden Service Gesellschaften C. Ltd. und D. Ltd. Auch diese hätten die an sie gestellten Fragen beantwortet. Sodann habe die ersuchende Behörde der Beschwerdeführerin keinerlei Fragen betreffend ihre Gewinnsteuersituation gestellt. Das Thema Körperschaftssteuer (vgl. Sachverhalt Bst. A.b) sei erst im Rahmen des Amtshilfeersuchens hinzugekommen. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe sich mit diesen – bereits im vorinstanzlichen Verfahren genannten – Vorbringen nicht auseinandergesetzt und lediglich auf das völkerrechtliche Vertrauensprinzip (E. 2.4.2 und E. 2.5.2) verwiesen. Die Beschwerdeführerin erachtet damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) als verletzt.

    2. Im Weiteren stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, die ersuchten Informationen erwiesen sich für die von der ersuchenden Behörde verfolgten Zwecke, nämlich die korrekte Erhebung der Mehrwertsteuer und der britischen Gewinnsteuer, als nicht voraussichtlich erheblich (E. 2.1 und E. 2.3.1). Namentlich seien die ersuchten Jahresrechnungen weder für die Prüfung der mehrwertsteuerlichen Situation noch für die Klärung der Frage, ob die Beschwerdeführerin eine Betriebsstätte und Personal in Grossbritannien habe, relevant.

5.

Die Argumentation der Beschwerdeführerin erweist sich aus folgenden Gründen als nicht stichhaltig:

    1. Aus den Akten geht hervor, dass die ersuchende Behörde die Beschwerdeführerin bereits im Oktober 2017 dazu aufgefordert hat, die Informationen gemäss Art. 63c der EU-Verordnung Nr. 967/2012 des Rates vom

      9. Oktober 2012 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/ 2011 hinsichtlich der Sonderregelungen für nicht ansässige Steuerpflichtige, die Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunkund Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen, einzureichen. Ebenso aktenkundig ist, dass die Beschwerdeführerin dieser Aufforderung nur partiell nachgekommen ist, ohne dass legitime Gründe dafür ersichtlich wären. Auffällig ist diesbezüglich auch, dass die Schreiben der Beschwerdeführerin an die ersuchende Behörde nicht rechtsgültig unterzeichnet sind. Wie die Vorinstanz im Rahmen ihrer Vernehmlassung zu Recht ausgeführt hat, ist aus der Korrespondenz zwischen der Beschwerdeführerin und der ersuchenden Behörde ersichtlich,

      dass Letztere nicht mehr mit der Kooperation der Beschwerdeführerin rechnen konnte. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin liegt im vorliegenden Fall kein gegen die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips sprechendes, ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung begründendes konkretes Element vor, und die Vorinstanz durfte sich diesbezüglich ohne Weiteres auf das völkerrechtliche Vertrauensprinzip berufen (vgl. dazu E. 2.5).

      Soweit die Beschwerdeführerin kritisiert, die Körperschaftssteuer sei erst im Rahmen der Amtshilfeersuchen thematisiert worden, ist ihr zu entgegnen, dass dies daher rührt, dass diese Thematik erst dann Relevanz erlangen würde, sollte sich herausstellen, dass die Beschwerdeführerin über eine ständige Niederlassung in Grossbritannien verfügt. Hätte die Beschwerdeführerin mit den britischen Behörden dergestalt kooperiert, dass ein Amtshilfeersuchen nicht vonnöten gewesen wäre, wäre das Thema Körperschaftssteuer – je nach Ergebnis der Untersuchung – bereits im innerstaatlichen Verfahren aufgenommen worden. Abgesehen davon bildet die britische Körperschaftssteuer Gegenstand des DBA CH-GB (vgl. dessen Art. 2 Ziff. 1 Bst. a).

      Die Beschwerdeführerin macht im Zusammenhang mit ihrer Rüge, das Subsidiaritätsprinzip sei verletzt worden, auch geltend, mit dem vorliegenden Ersuchen würden Informationen verlangt, in deren Besitz die ersuchende Behörde bereits sei. Aus diesem Grund fehle es bereits an der Erforderlichkeit des Amtshilfeersuchens und verstosse dieses gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Dieses Vorbringen ist schon deshalb nicht zielführend, weil Informationen auch dann im Sinne von Art. 25 Abs. 1 DBA CH-GB als voraussichtlich erheblich zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Steuerrechts qualifiziert werden können, wenn sie zwecks Überprüfung schon vorhandener, aber nicht völlig zweifelsfreier Erkenntnisse der Behörden des ersuchenden Staates verlangt werden (vgl. zu diesem sog. Verifikationszweck Urteile des BVGer A-765/2019 vom 20. September 2019 E. 3.3.2.3, A-6091/2017 vom

      29. Juni 2018 E. 6.4.2).

      Sodann vermag die Beschwerdeführerin auch mit ihrem Vorbringen, sie habe der ersuchenden Behörde bereits mehrfach «erklärt» wie ihr Geschäftsmodell funktioniere und weshalb sie nicht als «Prinzipal» tätig sei, nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Ziel und Zweck der Untersuchungen ist gerade, anhand der ersuchten Informationen zu verifizieren, ob die Er-

      klärungen der Beschwerdeführerin zutreffen. Insofern ist der Beschwerdeführerin auch in Bezug auf ihre Rüge, die Vorinstanz habe sich im Rahmen der angefochtenen Schlussverfügungen nicht genügend mit ihrer Argumentation auseinandergesetzt und damit ihre Begründungspflicht verletzt nicht zu folgen. Wie vorangehend festgehalten, verlangt Letztere nicht, dass sich das Gericht bzw. die Vorinstanz mit sämtlichen vorgebrachten Sachverhaltselementen, Beweismitteln und Rügen auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich wiederlegt. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheides Rechenschaft geben und in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann (E. 2.6). Das war im vorliegenden Fall gegeben. Insofern wurde auch das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin nicht verletzt.

    2. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist im vorliegenden Fall auch die voraussichtliche Erheblichkeit der von der Vorinstanz zur Übermittlung an die ersuchende Behörde vorgesehenen Informationen gegeben.

      Wie in Erwägung 2.1 festgehalten, tauschen gemäss Art. 25 Abs. 1 DBA CH-GB die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten unter sich diejenigen Informationen aus, die zur Durchführung des Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern voraussichtlich erheblich sind. Das Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit bezweckt, einen möglichst umfassenden Informationstausch zu gewährleisten, ohne den Vertragsstaaten zu erlauben, Informationen aufs Geratewohl oder Auskünfte zu verlangen, von denen wenig wahrscheinlich ist, dass sie Licht in die Steuerangelegenheiten einer bestimmten steuerpflichtigen Person bringen würden (vgl. Ziff. 4 Bst. b des Zusatzprotokolls zum DBA CH-GB; E. 2.2). Die Voraussetzung der voraussichtlichen Erheblichkeit bildet dementsprechend eine nicht sehr hohe Hürde für ein Amtshilfeersuchen (BGE 146 II 150 E. 6.1.1, 143 II 185

      E. 3.3.2, 142 II 161 E. 2.1.1 mit Hinweisen).

      Einem Amtshilfeersuchen fehlt es namentlich dann an der voraussichtlichen Erheblichkeit, wenn es zur Beschaffung von Beweismitteln aufs Geratewohl und ohne konkreten Zusammenhang zu laufenden Steuerverfahren gestellt wird. Solche Amtshilfeersuchen zur Beweisausforschung werden als «fishing expeditions» bezeichnet (vgl. Definition der OECD: «demandes des renseignements dont il est peu probable qu'ils aient un lien

      avec une enquête ou un contrôle en cours»; Kommentar der OECD, Fassung vom 17. Juli 2012, N. 5 zu Art. 26 OECD-MA; vgl. auch Art. 7 Bst. a StAhiG). Das Bundesgericht hat dieses Verständnis des Begriffs der

      «fishing expedition» bereits der Auslegung mehrerer Doppelbesteuerungsabkommen zugrunde gelegt (BGE 146 II 150 E. 6.1.2). Von einer solchen

      «fishing expedition» kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die ersuchende Behörde hat alle gemäss Ziffer 4 Bst. c des Zusatzprotokolls zum DBA CH-GB notwendigen Angaben (E. 2.2) geliefert. Sodann erweisen sich die ersuchten Informationen durchaus als notwendig, um die Beschwerdeführerin korrekt besteuern zu können (vgl. dazu E. 2.3.1). Namentlich geht aus den zur Übermittlung beabsichtigten Bilanzblättern unter anderem die Position «Provision pour TVA à payer» (Rückstellungen für die Mehrwertsteuer) hervor. Mit dieser Information könnte die ersuchende Behörde möglicherweise in Kombination mit den ihr bereits vorliegenden MOSS-Returns und anderen Dokumenten überprüfen, ob und seit wann eine Mehrwertsteuerpflicht der Beschwerdeführerin in Grossbritannien besteht. Eine Unterbindung dieser Information würde die Amtshilfe diesbezüglich wertlos machen. Gegenteiliges geht weder aus den Akten noch der Argumentation der Beschwerdeführerin hervor. Der Beschwerdeführerin gelingt es jedenfalls nicht, den begründeten Tatverdacht der ersuchenden Behörde mittels Urkunden klarerweise und entscheidend zu entkräften (vgl. diesbezüglich statt vieler: BGE 139 II 451 E. 2.3.3, 128 II 407 E. 5.2.3; Urteil des BVGer A-1762/2018 vom 15. Mai 2019 E. 3.1.3).

    3. Nach dem Dargelegten hat die Vorinstanz zu Recht die Gewährung der Amtshilfe verfügt. Die Beschwerde ist entsprechend abzuweisen. Die beiden angefochtenen Schlussverfügungen sind lediglich insoweit anzupassen, als deren jeweilige Ziffer 3 des Dispositivs im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu präzisieren ist (vgl. diesbezüglich das Urteil des BGer 2C_537/2019 vom 13. Juli 2020 [zur Publikation vorgesehen], wo festgehalten wurde, dass der Verwendungsbeschränkung gemäss Spezialitätsprinzip sowohl eine sachliche als auch eine persönliche Dimension zukomme). Demnach ist die Vorinstanz anzuweisen, die ersuchende Behörde ausdrücklich darüber in Kenntnis zu setzen, dass die im Rahmen des vorliegenden Amtshilfeverfahrens zu übermittelnden Informationen nur gemäss Art. 25 DBA CH-GB in Verfahren betreffend die A. AG verwendet werden dürfen.

6.

    1. Die Verfahrenskosten sind auf Fr. 5'000.-- festzusetzen und ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG und

      Art. 1, 2 und 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der geleistete Kostenvorschuss von insgesamt Fr. 5'000.-- ist für die Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden. Parteientschädigungen sind nicht zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG und Art. 7 Abs. 1 VGKE e contrario sowie Art. 7 Abs. 3 VGKE).

    2. Dieser Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuer-sachen kann gemäss Art. 83 Bst. h des Bundesgesetzes vom

17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110) innerhalb von 10 Tagen nur dann mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinn von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 84a und Art. 100 Abs. 2 Bst. b BGG). Ob dies der Fall ist, entscheidet das Bundesgericht.

Das Dispositiv befindet sich auf der folgenden Seite.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die ESTV wird angewiesen, die HMRC ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die im Rahmen des vorliegenden Amtshilfeverfahrens zu übermittelnden Informationen nur gemäss Art. 25 DBA CH-GB in Verfahren betreffend die A. AG verwendet werden dürfen.

3.

Die Verfahrenskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der geleistete Kostenvorschuss in Höhe von insgesamt Fr. 5'000.-- wird für die Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

4.

Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

5.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. […] / […]; Gerichtsurkunde)

Die Rechtsmittelbelehrung befindet sich auf der folgenden Seite.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Marianne Ryter Zulema Rickenbacher

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen kann innert 10 Tagen nach Eröffnung nur dann beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 82, Art. 83 Bst. h, Art. 84a, Art. 90 ff. und Art. 100 Abs. 2 Bst. b BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). In der Rechtsschrift ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. Im Übrigen ist die Rechtsschrift in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand: 30. April 2021

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