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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-2643/2015

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts A-2643/2015

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-2643/2015
Datum:22.07.2015
Leitsatz/Stichwort:Militärdienstpflicht
Schlagwörter : Armee; Bundes; Vorinstanz; Ausschluss; Bundesverwaltungsgericht; Urteil; Quot;; Urteil; Verfahren; Entscheid; Interesse; Recht; BVGer; Beurteilung; Armeeangehörige; Dienst; Verfahrens; Sachverhalt; Verfügung; Begründung; Angehörige; Massnahme; Öffentlichkeit; Militär; Tagessätzen; Polizei; Aufgebotsstopp
Rechtsnorm: Art. 10 StGB ;Art. 237 StGB ;Art. 35 VwVG ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:126 I 102; 126 II 111; 126 V 130; 129 I 232; 132 II 257; 134 I 8; 136 I 29
Kommentar:
Müller, Schindler, Auer, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Zürich, Art. 35 OR VwVG, 2008

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-2643/2015

U r t e i l  v o m  2 2.  J u l i  2 0 1 5

Besetzung Richterin Kathrin Dietrich (Vorsitz),

Richter Jürg Steiger, Richterin Marianne Ryter, Gerichtsschreiber Robert Lauko.

Parteien A. ,

vertreten durch André Sommer, Fürsprecher, AD!VOCATE, Melchnaustrasse 1, Postfach 1357, 4901 Langenthal, Beschwerdeführer,

gegen

Führungsstab der Armee FST A, Rodtmattstrasse 110, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Ausschluss aus der Armee.

Sachverhalt

A.

A. ist Angehöriger der Armee. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm vom 16. Oktober 2014 wurde er wegen mehrfach begangener bzw. grober Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 90 Abs. 1 und 2 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 [SVG, SR 741.01]) sowie Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 [StGB, SR 311.0]) zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen (Probezeit: 2 Jahre) und einer Busse von Fr. 1'800.- verurteilt. Der Schuldspruch erfolgte im Wesentlichen gestützt auf folgenden Sachverhalt:

Am 15. Juni 2014 missachtete A. ( ) ein polizeiliches Haltezeichen, indem er trotz Halteaufforderung an einer polizeilichen Kontrollstelle vorbeifuhr. Er fuhr dabei mit unverminderter Geschwindigkeit auf den zeichengebenden Polizisten zu, welcher sich nur durch einen Sprung auf den Grünstreifen vor einer Kollision retten konnte. Anschliessend setzte er seine Fahrt mit übersetzter Geschwindigkeit (ca. 80 km/h statt der zulässigen 50 km/h) fort, missachtete unter anderem ein Rotlicht an einer Baustelle und versuchte durch Abbiegen auf die Autobahn A1 Richtung Bern dem sich aufschliessenden Polizeiauto zu entkommen. Erst auf der Ausserortsstrecke nach ( ) gelang es der Polizei schliesslich, A. zum Anhalten zu zwingen.

B.

Mit Verfügung vom 18. Dezember 2014 des Führungsstabs der Armee FST A wurde A. als Folge des Strafregistereintrages vorzeitig aus der am 27. Oktober 2014 begonnenen Rekrutenschule entlassen und mit einem Aufgebotsstopp belegt.

Eine dagegen erhobene Dienstbeschwerde wies der Chef der Armee (nachfolgend: CdA) am 2. Februar 2015 ab. Er betrachtete die persönli-

chen Verhältnisse von A.

als ungeordnet im Sinne von Art. 66

Abs. 3 Bst. b der Verordnung über die Militärdienstpflicht vom 19. November 2003 (MDV, SR 512.21), weshalb dieser die Zustimmung des FST A benötige, um einen Grundausbildungsdienst wie die Rekrutenschule leisten zu können. Die Zustimmung könne in der Regel nicht erteilt werden, bevor die Probezeit für den bedingten Strafvollzug abgelaufen sei. A. solle sich deshalb vor dem Militärdienst zuerst während einer gewissen Zeit bewähren. Es rechtfertige sich, ihm vorerst keine Zustimmung zur Absolvierung der Rekrutenschule zu erteilen. Der FST A sei gehalten, nach Ablauf der strafrechtlichen Probezeit die Sache erneut umfassend zu prüfen und im Fall einer positiven Beurteilung A. die Zustimmung für die Absolvierung der Rekrutenschule zu erteilen bzw. den Aufgebotsstopp aufzuheben.

C.

In der Folge eröffnete der FST A ein Verfahren zum Ausschluss aus der

Armee, gewährte A.

mit Schreiben vom 16. Februar 2015 das

rechtliche Gehör und schloss ihn am 27. März 2015 aus der Armee aus.

D.

Mit Eingabe vom 28. April 2015 lässt A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) gegen die Verfügung vom 27. März 2015 Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht erheben. Er beantragt, den Entscheid aufzuheben und eventualiter mit verbindlichen Weisungen an den FST A zurückzuweisen; unter Kostenund Entschädigungsfolgen.

E.

In seiner Stellungnahme vom 19. Juni 2015 schliesst der FST A (nachfolgend: Vorinstanz) auf Abweisung der Beschwerde.

F.

Am 10. Juli 2015 reicht der Beschwerdeführer seine Schlussbemerkungen ein und bestätigt das in seiner Beschwerde gestellte Rechtsbegehren.

G.

Auf die weiteren Vorbringen und die sich in den Akten befindlichen Schriftstücke wird in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen, soweit sie entscheidwesentlich sind.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1

Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021). Der angefochtene Entscheid über den Armeeausschluss stützt sich auf Art. 22 des Militärgesetzes vom

3. Februar 1995 (MG, SR 510.10) und stellt eine solche Verfügung dar. Eine Ausnahme nach Art. 32 VGG liegt nicht vor und der FST A ist eine Vorinstanz nach Art. 33 Bst. d VGG, weshalb das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig ist. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).

    1. Zur Beschwerde ist nach Art. 48 Abs. 1 VwVG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Der Beschwerdeführer ist formeller Adressat der Ausschlussverfügung vom 27. März 2015 und durch diese auch materiell beschwert, weshalb er zur Beschwerde befugt ist.

    2. Auf die im Übrigen fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 50 und 52 VwVG) ist einzutreten.

2.

Das Bundesverwaltungsgericht überprüft den angefochtenen Entscheid auf Verletzungen von Bundesrecht - einschliesslich der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des Sachverhalts und Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens - sowie grundsätzlich auch auf Angemessenheit hin (Art. 49 VwVG).

3.

Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst die Feststellung der Vorinstanz, wonach er im Rahmen der ihm gesetzten Frist keine Stellungnahme abgegeben habe. Er habe ein entsprechendes Schreiben vom 25. Februar 2015 ("Stellungnahme zum Schreiben vom 16.2.2015: Ausschluss aus der Armee") am selben Tag per A-Post an Jean-Luc Boschung versandt. Nachdem er die Zustellung indessen nicht nachweisen könne, nehme er in seinen Ausführungen nicht mehr darauf Bezug. Damit lässt er dieses Vorbringen fallen.

4.

Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe die Annahme eines Ausschlusses aufgrund eines Strafurteils von "180 oder mehr Tagessätzen" nicht begründet.

    1. Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser umfasst das Recht, dass die verfügende Behörde von den Argumenten des Betroffenen Kenntnis nimmt, sich damit auseinandersetzt und ihre Verfügung begründet (Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 VwVG; Urteil des BVGer A-8389/2010 vom 21. Juli 2011 E. 5.1.3). Die Begründung eines Entscheids muss so abgefasst sein, dass ihn die Betroffenen gegebenenfalls sachgerecht anfechten können (BGE 134 I 8 3

      E. 4.1). Es müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sich der Entscheid stützt (BGE 129 I 232 E. 3.2). Die verfügende Behörde muss sich jedoch nicht ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (Urteil des BGer 1C_183/2008 vom 23. Mai 2008 E. 4.1, BGE 126 I 102 E. 2b). Allerdings hat stets eine Auseinandersetzung mit dem konkret zu beurteilenden Sachverhalt zu erfolgen, da Erwägungen allgemeiner Art ohne Bezugnahme auf den Einzelfall nicht genügend sind (LORENZ KNEUBÜHLER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Zürich 2008 [nachfolgend: VwVG-Kommentar], Art. 35 Rz. 8).

    2. Vorliegend begründet die Vorinstanz die Ausschlussverfügung mit ihrer vom Bundesverwaltungsgericht anerkannten Praxis, bei Freiheitsstrafen von sechs oder mehr Monaten bzw. 180 oder mehr Tagessätzen den Armeeangehörigen grundsätzlich aus der Armee auszuschliessen (vgl. hinten E. 5.2.4). Weiter erörtert sie in allgemeiner Weise das öffentliche Interesse an einem Armeeausschluss straffälliger Armeeangehöriger sowie die Frage der Verhältnismässigkeit und legt den Begriff der Untragbarkeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 MG dar. Auf die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte nimmt sie hingegen gar keinen Bezug und setzt sich mit dessen

      Verhalten auch nicht auseinander. Nach der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts hätte die Vorinstanz indes nebst der Darlegung der rechtlichen Voraussetzungen aufzeigen müssen, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für einen Ausschluss aus der Armee erfüllt (vgl. Urteil des BVGer A-4537/2013 vom 17. Januar 2014 E. 3.3.2). Mangels individueller Würdigung des strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschwerdeführers vermag die angefochtene Verfügung dem Begründungsgebot nicht zu genügen.

    3. Bei Verstössen gegen die Begründungspflicht wird der Mangel als behoben erachtet, wenn die Rechtsmittelbehörde eine hinreichende Begründung liefert oder wenn die unterinstanzliche Behörde anlässlich der Anfechtung ihres Entscheides eine genügende Begründung nachschiebt, etwa in der Vernehmlassung (vgl. BGE 126 V 130 E. 2b mit Hinweisen; Urteile des BVGer A-821/2013 vom 2. September 2013 E. 3.2.3 f. und A-1681/2006 vom 13. März 2008 E. 2.4; ANDRÉ MOSER/MICHAEL

      BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2013, Rz. 3.114).

      1. In ihrer Vernehmlassung vom 19. Juni 2015 schildert die Vorinstanz den Tathergang gemäss Strafbefehl vom 16. Oktober 2014 und führt aus, dass der Beschwerdeführer ein gravierendes deliktisches Verhalten offenbart habe. Zu berücksichtigen sei dessen rücksichtslose Fahrweise. Wer sein Fahrzeug auf einen Polizeibeamten zusteuere, handle zudem menschenverachtend. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seine Flucht anschliessend noch längere Zeit fortgesetzt habe, zeige, dass es sich keineswegs um eine "Kurzschlussreaktion" gehandelt habe. Vielmehr habe er sich der Kontrolle und den Konsequenzen seines Handelns bewusst zu entziehen versucht und damit eine besondere Hemmungsund Rücksichtslosigkeit bewiesen. Wer Gesetze in der beschriebenen Art und Weise breche und billigend in Kauf nehme, dass andere Verkehrsteilnehmende oder Kontrollorgane gefährdet würden, genüge den Anforderungen als Angehöriger der Armee nicht mehr bzw. sei für diese nicht mehr tragbar. Aus der kurzen Zeitspanne seit der Tat vom 15. Juni 2014 könne nicht geschlossen werden, dass sich der Beschwerdeführer grundlegend verändert habe.

      2. Die Vorinstanz führt demnach in ihrer Vernehmlassung eine Reihe konkreter Gründe an, welche deutlich machen, weshalb das vom Beschwerdeführer an den Tag gelegte Verhalten zu dessen Untragbarkeit für die Armee führen soll. Angesichts dieser Ausführungen kann der Begrün-

dungsmangel als geheilt betrachtet werden. Dem Verfahrensmangel ist jedoch bei der Regelung der Verfahrenskosten Rechnung zu tragen (vgl. E. 8).

5.

Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz weiter vor, den Sachverhalt unvollständig festgestellt zu haben. Die Tragbarkeit für die Armee sei vollständig zu prüfen, wozu auch der Leumund, die Funktion sowie die Zumutbarkeit für andere Angehörige der Armee, mit der betroffenen Person Dienst zu leisten, festzustellen seien. Es lägen keine Leumundsberichte und keine Auskünfte der zuständigen Stellen bzw. Berichte aus seinem Zivilleben (Arbeitgeber, Polizei) vor. Es sei nicht rechtens, ihn und ohne weitere Begründung allein aufgrund des Masses der Geldstrafe von 180 Tagessätzen "grundsätzlich" auszuschliessen.

    1. Art. 49 VwVG sieht vor, dass ein Beschwerdeführer die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts rügen kann. Unvollständig ist eine Sachverhaltsfeststellung, wenn nicht alle für den Entscheid rechtserheblichen Sachumstände berücksichtigt wurden (KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, a.a.O., Rz. 1043). Ob eine Tatsache rechtserheblich bzw. für den Ausgang des Verfahrens wesentlich ist, hängt von den rechtlichen Voraussetzungen ab, denen die ausgesprochene Massnahme unterliegt.

    2. Gemäss Art. 22 Abs. 1 Bst. a MG werden Angehörige der Armee ausgeschlossen, wenn sie für die Armee untragbar geworden sind infolge eines Strafurteils wegen eines Verbrechens oder Vergehens. Die Straftatbestände von Art. 90 Abs. 2 SVG sowie Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sind als Vergehen im Sinne von Art. 10 Abs. 3 StGB zu qualifizieren, weshalb Art. 22 Abs. 1 Bst. a MG grundsätzlich anwendbar ist.

      1. Beim Element der "Untragbarkeit" handelt es sich um eine offene, unbestimmte Umschreibung einer tatbeständlichen Voraussetzung, die einer wertenden Konkretisierung bedarf. Es liegt somit ein unbestimmter Rechtsbegriff vor, der als solcher der Auslegung zugänglich ist (HÄFELIN/ MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage 2010, Rz. 445 ff.; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht,

        3. Aufl., 2009, § 26 Rz. 25). Ob die rechtsanwendenden Behörden einen unbestimmten Rechtsbegriff richtig konkretisiert haben, kann als Rechtsfrage im Verwaltungsjustizverfahren des Bundes überprüft werden. Das Bundesverwaltungsgericht ist hierbei indes zurückhaltend und billigt den

        Verwaltungsbehörden einen gewissen Beurteilungsspielraum zu, wenn der Entscheid besonderes Fachwissen oder Vertrautheit mit den tatsächlichen Verhältnissen voraussetzt (MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 2.155a ; BGE 132 II 257 E. 3.2).

      2. Art. 69 Abs. 1 MDV nennt verschiedene Kriterien, die im Rahmen eines Armeeausschlussverfahrens für die Beurteilung der Untragbarkeit heranzuziehen sind, nämlich Tat, Leumund, Grad und Funktion der betroffenen Person (Bst. a); Rechte Dritter (Bst. b); die Zumutbarkeit für andere Angehörige der Armee, mit der betroffenen Person Dienst zu leisten (Bst. c); das Ansehen der Armee in der Öffentlichkeit (Bst. d). Die Verwendung des Begriffs "insbesondere" weist auf eine nicht abschliessende Aufzählung hin. Da sodann die in Bst. a-d genannten Kriterien nicht mit dem Wort "und" verbunden sind, handelt es sich nicht um Kriterien, die kumulativ erfüllt sein müssen. Vielmehr dient diese Auflistung dazu, für die Beurteilung der jeweiligen Einzelfälle mögliche Kriterien aufzuzeigen. Es ist hierbei naheliegend, je nach Konstellation unterschiedlichen Kriterien besonderes Gewicht zuzumessen (Urteil des BVGer A-4854/2012 vom 7. März 2013 E. 4.1).

        Zusammenfassend ist eine Untragbarkeit im Sinn von Art. 22 Abs. 1 MG immer dann anzunehmen, wenn der weitere Verbleib eines wegen Verbrechen oder Vergehen bestraften Angehörigen in der Armee mit der Erfüllung der Aufgaben der Armee unvereinbar wäre, einen geordneten Dienstbetrieb oder die Glaubwürdigkeit der Armee in der Öffentlichkeit ernsthaft beeinträchtigen würde oder die Würde und physische Integrität ihrer Angehörigen durch Zwangsgemeinschaft mit einem erheblich straffällig gewordenen Kameraden verletzen könnte (Urteil des BVGer A-3298/2010 vom 24. November 2010 E. 3.2.3)

      3. Wie bereits vorne erwähnt (vgl. E. 5.2.1), räumt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Praxis der Vorinstanz bezüglich des Ausschlusses aus der Armee einen relativ grossen Beurteilungsspielraum ein (Urteile des BVGer A-3298/2010 E. 3.1, A-2265/2014 vom 12. Mai 2015 E. 5.2). Diese

        Zurückhaltung des Bundesverwaltungsgerichts ist entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers angezeigt, da die Vorinstanz eine grosse Vertrautheit mit den Bedürfnissen der Armee aufweist und besser als eine Rechtsmittelbehörde dazu geeignet ist, deren Bedürfnisse umzusetzen. Hierbei fordert Art. 69 Abs. 3 MDV die Vorinstanz ausdrücklich zu einer einheitlichen Entscheidpraxis auf.

      4. Die Vorinstanz ist ihrem Auftrag, für eine einheitliche Praxis zu sorgen, nachgekommen und geht ab einem Strafmass von 6 oder mehr Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafen von 180 oder mehr Tagessätzen grundsätzlich von einem Grund für einen Armeeausschluss aus (vgl. Urteile des BVGer A-2265/2014 E. 7.2 ff., A-4854/2012 E. 5.3 und A-3298/2010 E. 3.3.1). Damit ein Armeeangehöriger trotz eines solchen Strafmasses nicht als untragbar gilt, müssen jedenfalls besondere Umstände vorliegen. Andernfalls wird die Person angesichts der Schwere ihrer Tat als untragbar erscheinen, womit es nicht mehr entscheidend auf ihren militärischen bzw. beruflichen Leumund ankommt. Wie aus der Begründung der Ausschlussverfügung hervorgeht, geht die Vorinstanz offensichtlich von einem solchen Fall aus und betrachtet den Beschwerdeführer bereits aufgrund der von ihm begangenen Delikte als untragbar für die Armee. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die erwähnten Leumundsberichte bzw. einzuholenden Auskünfte an dieser Einschätzung etwas ändern könnten. Dass der Beschwerdeführer nach eigener Auskunft abgesehen von seiner Tat bisher weder im Beruf noch im Militär negativ aufgefallen ist, genügt nicht für eine andere Beurteilung. So stellt etwa das anstandslose Ausführen der Befehle und Aufträge während der kurzen Dienstzeit in der Rekrutenschule noch kein besonderes Verdienst eines Armeeangehörigen dar (vgl. Urteil des BVGer A-2556/2014 vom 27. Mai 2015 E. 6.4.3). Die Vorinstanz war folglich mangels Rechtserheblichkeit nicht gehalten, entsprechende Beweise abzunehmen. Im Übrigen hätte es am Beschwerdeführer gelegen, die besagten Berichte bzw. Auskünfte bereits im vorinstanzlichen Verfahren einzureichen bzw. anzubieten.

5.3 Die vorinstanzliche Würdigung der Ausschlusskriterien nach Art. 22 MG ist auch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Tatumstände wie namentlich die persönliche Gefährdung des Polizisten und die ausgedehnte Verfolgungsjagd lassen auf eine besondere Hemmungsund Rücksichtslosigkeit des Beschwerdeführers schliessen. Gleichzeitig legte er eine erhebliche Renitenz gegenüber (polizeilichen) Anordnungen an den Tag, was gerade mit Blick auf die im Militärdienst erwartete Disziplin negativ ins Gewicht fällt. Wenn der Beschwerdeführer anlässlich einer strassenpolizeilichen Routinekontrolle derart ausser Kontrolle gerät, können Ausraster und damit die Gefährdung von Kameraden und Vorgesetzten auch im Militärdienst nicht ausgeschlossen werden. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer abgesehen von einer (nicht weiter substantiierten) schwierigen persönlichen Situation auch keine nachvollziehbaren Gründe anführt, weshalb er sich der polizeilichen Kontrolle entziehen wollte. Damit geht

vom Beschwerdeführer eine im Vergleich zu unbescholtenen Armeeangehörigen erhöhte Gefahr von Rechtsgüterverletzungen aus, unabhängig von seiner Funktion bzw. seinem militärischem Grad. Nicht erheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sich die ausgesprochene Sanktion - wie bei Ersttätern üblich - eher am unteren Rand der Strafandrohung bewegt.

6.

Zu prüfen bleibt, ob der Ausschluss aus der Armee verhältnismässig ist. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe keine Vorbildfunktion als Kader und seine Funktion gebiete keinen erhöhten Massstab im Hinblick auf das öffentliche Ansehen der Armee. Der Ausschluss sei nicht verhältnismässig, da der vom CdA ausgesprochene Aufgebotsstopp eine mildere Massnahme darstelle. Laut dessen Entscheid dürfe er sich entsprechend der strafrechtlichen Probezeit bewähren.

    1. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) umfasst drei Elemente, die kumulativ gegeben sein müssen: Eine staatliche Massnahme ist verhältnismässig, wenn sie zur Verwirklichung der im öffentlichen Interesse liegenden Ziele geeignet, erforderlich und zumutbar ist. Geeignet ist sie dann, wenn mit ihr die angestrebten Ziele erreicht werden können oder sie zu deren Erreichung einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag leisten kann (sog. Zwecktauglichkeit). Die Erforderlichkeit liegt vor, wenn mit keiner gleichermassen geeigneten, aber für den Betroffenen weniger einschneidenden Massnahme der angestrebte Erfolg ebenso erreicht werden kann. Sie ist schliesslich nur dann gerechtfertigt, wenn eine angemessene Zweck-Mittel-Relation (sog. Zumutbarkeit) besteht, d.h. der damit verbundene Eingriff in die Rechtstellung des Betroffenen im Vergleich zur Bedeutung der verfolgten öffentlichen Interessen nicht unvertretbar schwerer wiegt (vgl. BGE 136 I 29 E. 4.2; HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8. Aufl. 2012, Rz. 320 ff.).

    2. Neben dem offenkundigen Sicherheitsinteresse besteht ein öffentliches Interesse an einer funktionsfähigen Armee, die in der Öffentlichkeit einen guten Ruf geniesst und deren Autorität und Disziplin gewahrt wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Praxis denn auch festgehalten, es bestehe ein nachvollziehbares öffentliches Interesse daran, die Akzeptanz und das Ansehen der Armee in der Öffentlichkeit zu schützen, die Erfüllung der Aufgaben mittels geordnetem Dienstbetrieb zu gewährleisten und die Zwangsgemeinschaft für Armeeangehörige erträglich zu gestalten. Dieses Interesse gebiete, jene Armeeangehörigen auszuschliessen, die in

      der jüngeren Vergangenheit strafrechtlich geschützte Rechtsgüter erheblich verletzt hätten und damit dieses Interesse bedrohen würden (vgl. Urteile des BVGer A-4854/2012 E. 5.4 und A-3298/2010 E. 3.5.3). So wurde beispielsweise der Ausschluss nach einem Strafurteil wegen einer Verfolgungsjagd mit der Polizei unter Einfluss von Betäubungsmitteln geschützt (Urteil des BVGer A-2265/2014 E. 8.3). Dass der Beschwerdeführer das Delikt vorliegend in nüchternem Zustand verübt hat, ändert nichts daran, dass eine solche Verfehlung geradezu prädestiniert ist, Aufsehen zu erregen. Würde demnach der Beschwerdeführer in der Armee toleriert, so würde nicht nur die Integrität des Rufes der Armee in der Öffentlichkeit Schaden nehmen, sondern auch die Zwangsgemeinschaft der Armeeangehörigen würde dadurch belastet.

      1. Der Ausschluss von Personen, die Delikte einer gewissen Schwere verübt haben, ist geeignet, nebst der Sicherheit im Militärdienst das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Armee in der Öffentlichkeit zu fördern. Die Massnahme ist zudem erforderlich, da die damit verbundene Signalwirkung nicht zum Tragen kommt, wenn die betreffende Person z.B. bloss nicht mehr aufgeboten wird. Der vom CdA ausgesprochene Aufgebotsstopp stellt keine geeignete mildere Massnahme dar, zumal damit das Ansehen der Armee und ihre Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit nicht ausreichend geschützt werden könnten.

      2. Hieran ändert auch nichts, dass sich der Beschwerdeführer laut Entscheid des CdA vom 2. Februar 2015 entsprechend der strafrechtlichen Probezeit bewähren dürfe. Der CdA hatte im Rahmen der Überprüfung des verhängten Aufgebotsstopps nicht über die Frage der Untragbarkeit des Beschwerdeführers gemäss Art. 22 Abs. 1 MG zu befinden. Folglich kann der Beschwerdeführer aus jenem Verfahrens nichts für sich ableiten (vgl. Urteil des BVGer A-2556/2014 E. 5.2). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Erwägung III.16 des CdA, wonach die Vorinstanz nach Ablauf der strafrechtlichen Probezeit die Sache erneut umfassend zu prüfen und im Fall einer positiven Beurteilung den Aufgebotsstopp aufzuheben habe, bei Strafurteilen ab 180 Tagessätzen wenig zielführend ist. Wie erwähnt, schliesst die Vorinstanz Armeeangehörige in solchen Fällen grundsätzlich aus der Armee aus. Eine Neubeurteilung der persönlichen Umstände des Dienstpflichtigen wird sich daher in aller Regel erübrigen. Das Urteil ist aus diesem Grund auch dem CdA zur Kenntnisnahme mitzuteilen.

      3. Der Ausschluss des Beschwerdeführers ist für diesen schliesslich auch zumutbar: Dem Interesse der Armee steht das private Interesse des

Beschwerdeführers entgegen, weiterhin in der Armee zu bleiben. Ein Ausschluss von der Dienstleitung trifft den Beschwerdeführer wegen seiner positiven Einstellung zur Armee und dem Ziel einer beruflichen Karriere in der Grenzwacht oder der Polizei zweifellos. Allerdings sind die relevanten öffentlichen Interessen höher zu gewichten, weshalb das Interesse an der Wahrung und Förderung des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der Armee das private Interesse am Verbleib in der Armee überwiegt. Die Massnahme wahrt ausserdem ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem Eingriffszweck und dessen Wirkung.

7.

Zusammenfassend hat die Vorinstanz mit der angefochtenen Ausschlussverfügung den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum korrekt genutzt und sich mit ihrem Entscheid an das Prinzip der Verhältnismässigkeit gehalten. Die Beschwerde ist folglich als unbegründet abzuweisen.

8.

Bei diesem Verfahrensausgang gilt der Beschwerdeführer als unterliegend, weshalb ihm die Verfahrenskosten aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Dabei ist indes der festgestellten Verletzung des rechtlichen Gehörs und deren Heilung im vorliegenden Verfahren (E. 4) angemessen Rechnung zu tragen und ein Teil der Kosten zu erlassen (vgl. BGE 126 II 111 E. 7b; LORENZ KNEUBÜHLER, Die Kostenverlegung im Beschwerdeverfahren des Bundes, ZBl 2005 S. 466). Die Verfahrenskosten sind demnach auf einen reduzierten Betrag von Fr. 600.- festzusetzen (Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Diese Summe ist dem geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 800.- zu entnehmen und der Restbetrag von Fr. 200.- ist dem Beschwerdeführer zurückzuerstatten. Angesichts seines Unterliegens steht diesem keine Parteientschädigung zu (Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario). Die Vorinstanz hat als Bundesbehörde ebenfalls keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 7 Abs. 3 VGKE).

9.

Dieses Urteil kann gemäss Art. 83 Bst. i des Bundesgerichtsgesetzes vom

17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110) nicht beim Bundesgericht angefochten werden. Es tritt daher mit der Eröffnung in Rechtskraft.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Dem Beschwerdeführer werden reduzierte Verfahrenskosten von Fr. 600.- auferlegt. Dieser Betrag wird dem Kostenvorschuss entnommen und der Restbetrag von Fr. 200.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet. Hierzu hat er dem Bundesverwaltungsgericht seine Postoder Bankverbindung mitzuteilen.

3.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Einschreiben)

  • die Vorinstanz ([ ]; Einschreiben)

  • Chef der Armee, Bundeshaus Ost, 3003 Bern (zur Kenntnis)

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Kathrin Dietrich Robert Lauko

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