Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-5429/2024 |
Datum: | 06.09.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren - Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG) |
Schlagwörter : | Bulgarien; Vorinstanz; Dublin-III-VO; Beschwerde; Wegweisung; Sachverhalt; Verfahren; Mitgliedstaat; Beschwerdeführers; Behörde; Asylgesuch; Behörden; Überstellung; Urteil; Recht; Zuständigkeit; Sachverhalts; Staat; Schweiz; Gesuch; Erstbefragung; Gehör; Bundesverwaltungsgericht; Vollzug; Akten |
Rechtsnorm: | Art. 12 VwVG ;Art. 48 VwVG ;Art. 49 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ; |
Referenz BGE: | 136 I 229; 143 III 65; 144 I 11 |
Kommentar: | -, Kommentar zum VwVG, Art. 12; Art. 37 VwVG, 2019 |
Abteilung VI F-5429/2024
Besetzung Einzelrichterin Regula Schenker Senn, mit Zustimmung von Richter Basil Cupa; Gerichtsschreiberin Evelyn Heiniger.
vertreten durch lic. iur. Mary Huggler, Rechtsschutz für Asylsuchende, Bundesasylzentrum Region Zürich, Förrlibuckstrasse 110, 8005 Zürich, Beschwerdeführer,
gegen
Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren - Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG); Verfügung des SEM vom 20. August 2024 / N (…).
Der Beschwerdeführer suchte am (…) 2024 in der Schweiz um Asyl nach. Ein Abgleich mit der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (Eurodac) ergab, dass er am (…) 2023 in Bulgarien und am (…) 2023 in C. um Asyl ersucht hatte.
Am 9. Juli 2024 stellte die Vorinstanz bei den bulgarischen und den französischen Behörden ein Informationsersuchen nach Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO).
Die bulgarischen Behörden teilten der Vorinstanz am 11. Juli 2024 mit, der Beschwerdeführer sei bei ihnen als B. , geboren am (…[volljährig]), registriert worden. Er habe am (…) 2023 ein Gesuch um internationalen Schutz gestellt und keinerlei Ausweisedokumente abgegeben. Da er am (…) 2023 untergetaucht sei, sei keine Befragung mit ihm gemacht und das nationale Verfahren am (…) 2023 abgeschlossen worden. Gegen den Entscheid, sei kein Rekurs eingegangen und der Beschwerdeführer sei nicht aus dem Land ausgewiesen worden.
Die Vorinstanz führte am 25. Juli 2024 mit dem Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung eine Erstbefragung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender durch. Dabei wurde er zu seinen Personalien, Ausweispapieren, den persönlichen Verhältnissen, seinem Alter, seinen Aufenthalten in Bulgarien und C. sowie zu seinem Reiseweg befragt. Ferner wurde ihm das rechtliche Gehör zur allfälligen Zuständigkeit Bulgariens (oder C. ) für die Durchführung seines Asylverfahrens sowie zum medizinischen Sachverhalt gewährt. Bezüglich Bulgarien führte er aus, für ihn sei dies kein Land zum Leben, er sei dort geschlagen worden. Zu seinem Gesundheitszustand gab er zu Protokoll, er habe immer (…)schmerzen, fühle sich psychisch nicht wohl, sei gerne alleine und möge es nicht, unter Menschen zu sein. Er nehme Schmerztabletten, da sein ganzer Körper schmerze.
Am 29. Juli 2024 gewährte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zu den Zweifeln an der vorgebrachten Identität und zur beabsichtigten Anpassung seines Geburtsdatums auf den (… [volljährig]).
Der Beschwerdeführer hielt in seiner Stellungnahme vom 31. Juli 2024 am geltend gemachten Geburtsdatum und seiner Minderjährigkeit fest.
Die bulgarischen Behörden hiessen das Gesuch der Vorinstanz vom 5. August 2024 um Übernahme des Beschwerdeführers gemäss Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO am 8. August 2024 gut.
Mit Verfügung vom 20. August 2024 – eröffnet am 23. August 2024 – trat die Vorinstanz in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31) auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein, verfügte die Wegweisung aus der Schweiz nach Bulgarien und forderte ihn auf, die Schweiz spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen. Zudem stellte sie fest, das Geburtsdatum des Beschwerdeführers laute im ZEMIS auf den (…) (mit Bestreitungsvermerk). Sie hielt fest, einer allfälligen Beschwerde komme keine aufschiebende Wirkung zu.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 30. August 2024 beantragte der Beschwerdeführer, die Verfügung der Vorinstanz sei aufzuheben und die Sache zwecks vollständiger Feststellung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei die Vorinstanz anzuweisen, auf das Asylgesuch einzutreten. Subeventualiter sei die Vorinstanz anzuweisen, individuelle Zusicherungen bezüglich des Zugangs zum Asylverfahren, adäquater medizinischer Versorgung, Rehabilitationsleistungen für Folteropfer und Unterbringung von den bulgarischen Behörden einzuholen. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu gewähren. Die Vorinstanz und die Vollzugsbehörden seien im Rahmen vorsorglicher Massnahmen unverzüglich anzuweisen von jeglichen Vollzugshandlungen abzusehen. Ferner sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, insbesondere sei von der Erhebung eines Kostenvorschusses abzusehen.
Mit superprovisorischer Massnahme vom 2. September 2024 setzte die Instruktionsrichterin den Vollzug der Wegweisung einstweilen aus.
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG [SR 142.31]).
Die Beschwerde ist zulässig (Art. 105 AsylG; Art. 31 ff. VGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen (Legitimation [Art. 48 Abs. 1 VwVG], Frist [Art. 108 Abs. 3 AsylG] und Form [Art. 52 Abs. 1 VwVG] sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin (Art. 111 Bst. e AsylG), ohne Durchführung eines Schriftenwechsels und mit summarischer Begründung, zu behandeln ist (Art. 111a Abs. 1 und 2 AsylG).
Die vorliegende Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen den Nichteintretensentscheid und die Wegweisung nach Bulgarien. Die Eintragung des Geburtsdatums des Beschwerdeführers im ZEMIS ist damit nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Die entsprechende Dispositiv-Ziffer 4 kann indes während der noch laufenden Rechtsmittelfrist von 30 Tagen angefochten werden und ist noch nicht rechtskräftig.
Auf Asylgesuche wird in der Regel nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG). In diesem Fall verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an (Art. 44 AsylG).
Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unvollständig festgestellt, da bezüglich seiner psychischen
Verfassung noch keine Diagnose vorliege. Die Abklärung des medizinischen Sachverhalts sei jedoch für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Wegweisung nach Bulgarien notwendig. Es habe nicht geklärt werden können, ob er in Bulgarien oder Afghanistan Opfer von Folterungen geworden sei. Er sei in Bulgarien geschlagen und unter unmenschlichen Bedingungen mehrere Tage in einem Raum festgehalten worden. Der Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung beim Beschwerdeführer sei ein Anzeichen für seine besondere Vulnerabilität und es seien medizinische Folgetermine ausstehend. Eine Wegweisung nach Bulgarien verstosse damit gegen Art. 3 EMRK. Die Vorinstanz habe die Abklärungsund Begründungspflicht verletzt.
Die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts kann nach Art. 49 Bst. b VwVG gerügt werden. Unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung beispielsweise dann, wenn der Verfügung ein aktenwidriger oder nicht weiter belegbarer Sachverhalt zugrunde gelegt wurde. Unvollständig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn die Behörde trotz der geltenden Untersuchungsmaxime (Art. 12 ff. VwVG i.V.m. Art. 37 VGG) den Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt, oder nicht alle für den Entscheid wesentlichen Sachumstände berücksichtigt hat (vgl. dazu statt vieler BENJAMIN SCHINDLER, in: Kommentar zum VwVG, 2. Aufl. 2019, Art. 49 N. 29).
Der Beschwerdeführer wurde erstmals am 18. Juli 2024 wegen diffuser (…)schmerzen und einer erschwerten Atmung (blockierte Nase) ärztlich untersucht. Er wurde zur (…) an einen Spezialisten überwiesen und festgehalten, es bestehe ein Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS; SEM-Akten pag. 342848-40/21). In den Akten befindet sich ein Arztbericht vom 20. Juli 2024, worin vermerkt wurde, dass sich der Beschwerdeführer (…) gebrochen hat (SEM-Akten pag. 1342848-20/8). (…) wurde gegipst und ihm wurden Medikamente gegen die Schmerzen gegeben. Anlässlich der Erstbefragung am 25. Juli 2024 berichtete der Beschwerdeführer über (…)schmerzen sowie Schmerzen am ganzen Körper. Er fühle sich psychisch nicht wohl und habe dies auch bereits bei MedicHelp gemeldet. Wegen seiner Schmerzen sei ein Termin vereinbart worden. Am 30. Juli 2024 wurde wegen seiner (…)schmerzen ein (…) gemacht. Dieser war unauffällig und die Symptome nicht erklärbar (SEM-Akten pag. 342848-40/21). Weitere Arztkonsultationen sind nicht aktenkundig. Laut E-Mail-Korrespondenz der Rechtsvertretung mit dem medizinischen Dienst sei der Beschwerdeführer in Behandlung, habe die Diagnose
«Verdacht auf PTBS» erhalten und warte diesbezüglich noch auf einen Folgetermin (BVGer-act. 1 Beilage 4).
Von zusätzlichen medizinischen Untersuchungen sind keine entscheidwesentlichen neuen Erkenntnisse zu erwarten. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass damit eine gesundheitliche Beeinträchtigung diagnostiziert würde, welche die Schwelle von Art. 3 EMRK überschreiten und einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Bulgarien entgegenstehen könnte (zur antizipierten Beweiswürdigung siehe BGE 136 I 229 E. 5.3 m.H.). Auch eine diagnostizierte PTBS vermöchte daran nichts zu ändern. Nach dem Gesagten erweist sich der medizinische Sachverhalt ungeachtet eines allfälligen ausstehenden Arzttermins als hinreichend erhoben und es besteht kein Grund für eine Rückweisung an die Vorinstanz.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, es sei mit ihm kein Gespräch gemäss Art. 5 Dublin-III-VO betreffend seine Überstellung nach Bulgarien geführt worden. Die Vorinstanz habe damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Gemäss Art. 29 VwVG haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör, welches als Mitwirkungsrecht alle Befugnisse umfasst, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (vgl. BGE 144 I 11 E. 5.3; BVGE 2009/35 E. 6.4.1). Mit dem Gehörsanspruch korreliert die Pflicht der Behörden, die Vorbringen tatsächlich zu hören, ernsthaft zu prüfen und in ihrer Entscheidfindung angemessen zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (vgl. BGE 143 III 65 E. 5.2).
Die Vorinstanz hat mit dem Beschwerdeführer am 25. Juli 2024 eine ausführliche Erstbefragung durchgeführt (SEM-Akten pag. 134284823/12). Dabei schilderte er, wie er an der Grenze zu Bulgarien mehrmals zurückgeschickt, schliesslich aufgegriffen, ihm die Fingerabdrücke genommen und er in ein geschlossenes Camp gebracht worden sei. Dort sei er ungefähr einen Monat gewesen. Gegen Ende des Gesprächs erklärte ihm die Befragerin, möglicherweise könnten Bulgarien oder C. für die Prüfung seines Asylgesuchs zuständigen sein und fragte ihn nach Gründen, die gegen eine Wegweisung in diese Länder sprechen würden. Dabei
gab er an, selbst wenn er sterbe, gehe er nicht nach Bulgarien zurück, dies sei kein Land zum Leben für ihn.
Der Beschwerdeführer hatte damit hinreichend Gelegenheit, sich zu einer allfälligen Rückkehr nach Bulgarien zu äussern. Er wurde in der Erstbefragung explizit nach Gründen gefragt, die gegen eine Überstellung nach Bulgarien sprechen, womit den Anforderungen nach Art. 5 Dublin-III-VO Genüge getan wurde. Aus seinem Verweis auf das Urteil des BVGer F-3468/2024 vermag er nichts zu seinen Gunsten abzuleiten, da der Beschwerdeführer in jenem Verfahren in der Erstbefragung gerade nicht zu einer allfälligen Wegweisung in ein anderes Land befragt worden war.
Gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Art. 8–15 Dublin-III-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird (vgl. auch Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Das Verfahren zur Bestimmung dieses Staates wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Asylantrag gestellt wird (Art. 20 Abs. 1 Dublin-III-VO). Im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens (Art. 23–25 Dublin-III-VO) findet grundsätzlich keine (neue) Zuständigkeitsprüfung nach Kapitel III Dublin-III-VO mehr statt (vgl. zum Ganzen: BVGE 2017 VI/5 E. 6.2 und 8.2.1). Bulgarien hat der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers vorbehaltlos zugestimmt. Die grundsätzliche Zuständigkeit Bulgariens ist gegeben.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in jenem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) mit sich bringen, ist zu prüfen, ob aufgrund dieser Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann kein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden, wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO).
Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, das bulgarische Asylsystem weise keine systemischen Mängel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 zweiter Satz Dublin-III-VO auf (vgl. Urteile des BVGer F-7195/2018 vom 11. Februar 2020 E. 6.6.7, als Referenzurteil
publiziert, sowie statt vieler D-3437/2023 vom 26. Juni 2023 E. 7.3 m.w.H., zuletzt F-5122/2024 vom 28. August 2024 E. 9.2). Unter diesen Umständen ist die Anwendung von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO nicht gerechtfertigt.
Abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO kann jeder Mitgliedstaat beschliessen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 erster Satz Dublin-III-VO). Dieses sogenannte Selbsteintrittsrecht wird im Landesrecht durch Art. 29a Abs. 3 der Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen vom 11. August 1999 (AsylV 1, SR 142.311) konkretisiert. Gemäss dieser Bestimmung kann das SEM das Asylgesuch «aus humanitären Gründen» auch dann behandeln, wenn dafür gemäss Dublin-III-VO ein anderer Staat zuständig wäre. Liegen individuelle völkerrechtliche Überstellungshindernisse vor, ist der Selbsteintritt zwingend (vgl. BVGE 2015/9 E. 8.2.1).
Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Einschlafschwierigkeiten und Ängste stünden in direktem Zusammenhang mit in Bulgarien erlittenen Misshandlungen. Die Mängel bei den dortigen Aufnahmebedingungen führten im Zusammenhang mit seiner psychischen Belastung zu einem konkreten Risiko einer Retraumatisierung und übermässigem Leiden, weshalb seine Wegweisung gegen Art. 3 EMRK verstosse.
Der Beschwerdeführer sagte aus, er sei in Bulgarien geschlagen und in einem geschlossenen Camp untergebracht worden. Weitere Ausführungen machte er nicht. Es ist ihm somit nicht gelungen, traumatisierende Ereignisse in Bulgarien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen (zum Beweismass siehe Art. 7 AsylG; BVGE 2015/3 E. 6.5.1; 2013/11
E. 5.1). Dementsprechend ist weder von der Gefahr einer Retraumatisierung noch einer besonderen Vulnerabilität auszugehen. Bestehende gesundheitliche Beschwerden wurden in der Schweiz soweit als möglich und bekannt behandelt. Bulgarien verfügt grundsätzlich über eine ausreichende medizinische Infrastruktur und ist verpflichtet, ihm die erforderliche medizinische Versorgung, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst, zugänglich zu machen (Art. 19 Abs. 1 Aufnahmerichtlinie). Antragstellenden Personen mit besonderen Bedürfnissen ist die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe (einschliesslich nötigenfalls einer geeigneten psychologischen Betreuung) zu gewähren (vgl.
Art. 19 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie; Urteile des BVGer F-5122/2024 vom 28. August 2024 E. 10.4, F-2093/2024 vom 18. April 2024 E. 4.6. m.w.H.).
Es ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer bei Bedarf möglich ist, sich adäquat betreuen zu lassen. Eine Überstellung nach Bulgarien stellt damit keine Verletzung von Art. 3 EMRK dar.
Mangels besonderer Vulnerabilität des Beschwerdeführers sind auch keine individuellen Zusicherungen von den bulgarischen Behörden einzuholen (vgl. Referenzurteil F-7195/2018 vom 11. Februar 2020 E. 7.4.1 ff.; Urteile des BVGer F-5122/2024 vom 28. August 2024 E. 10.5; E-382/2024 vom 23. Januar 2024 E. 9.3.4; D-4680/2023 vom 30. Oktober 2023
E. 13.5). Das Subeventualbegehren auf Anweisung der Vorinstanz, individuelle Zusicherungen bezüglich des Zugangs zu adäquater medizinischer Versorgung von den bulgarischen Behörden einzuholen, ist abzuweisen.
Somit stehen weder Art. 3 EMRK noch andere völkerrechtliche Bestimmungen einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Bulgarien entgegen und es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Souveränitätsklausel von Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO respektive die Bestimmung von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 nicht angewendet hat. Das ihr zustehende Ermessen hat sie im Übrigen rechtskonform ausgeübt (vgl. BVGE 2015/9 E. 8).
Zusammenfassend liegt die Zuständigkeit Bulgariens für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens vor. Die Vorinstanz ist zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten und hat die Überstellung des Beschwerdeführers nach Bulgarien verfügt. Die Beschwerde ist abzuweisen.
Mit dem Entscheid in der Hauptsache sind die Gesuche um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses gegenstandslos geworden.
Der am 2. September 2024 verfügte einstweilige Vollzugsstopp fällt mit dem vorliegenden Urteil dahin.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ist abzuweisen, da die Beschwerde gemäss den vorstehenden Erwägungen als aussichtslos zu bezeichnen war.
Daher fehlt es, unbesehen der finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers, an einer gesetzlichen Voraussetzung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind ihm die Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.– festzusetzen (Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Dieser Betrag ist innert 30 Tagen nach Versand des vorliegenden Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Regula Schenker Senn Evelyn Heiniger
Versand:
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