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Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-7107/2023 |
Datum: | 02.09.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Anhörung; Vorinstanz; Bruder; Beschwerdeführer; Gericht; Beschwerdeführers; Ausreise; Vorbringen; Bundesverwaltungsgericht; Wegweisung; Äthiopien; Polizei; Behörde; Arbeit; Behörden; Akten; Verfügung; Aussagen; Schweiz; Anhörungen; Vorladung; Flüchtling; Schilderung; Dokument |
Rechtsnorm: | Art. 25 BV ;Art. 26 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: |
Abteilung V E-7107/2023
Besetzung Einzelrichter Lorenz Noli,
mit Zustimmung von Richterin Roswitha Petry; Gerichtschreiber Daniel Merkli,
Parteien A. , geboren am (…), Äthiopien,
vertreten durch MLaw Matthias Wäckerle, Advokatur Walche, (…),
Beschwerdeführer,
Gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 28. November 2023 / N (…).
Der Beschwerdeführer (äthiopischer Staatsangehöriger oromoischer Ethnie aus B. ) suchte am 13. September 2022 in der Schweiz um Asyl nach und wurde in der Folge dem erweiterten Verfahren zugewiesen.
Im Rahmen der Anhörungen vom 29. Dezember 2022 und vom 10. Juli 2023 machte er zur Begründung seines Asylgesuches im Wesentlichen geltend, nach der Ausbildung zum Automechaniker sei er für eine Nichtregierungsorganisation (NGO) tätig gewesen und habe aufgrund dieser Tätigkeit eine Arbeitsstelle als Fahrer bei der Botschaft des Vatikans und später der Schweiz erhalten.
Bis zu seiner Ausreise sei er mehrere Male von der Polizei vorgeladen worden, um Auskünfte im Zusammenhang mit seinem verschwundenen Bruder C. zu geben. Er habe den Behörden gesagt, den Aufenthaltsort seines Bruders nicht zu kennen und nicht in Kontakt mit diesem zu sein, was ihm nicht geglaubt worden sei. Zirka zehn Monate vor seiner Ausreise sei er einmal auf der Strasse von Unbekannten, die sich in der Folge als Polizeibeamte erwiesen hätten, festgenommen worden. Nach drei Tagen in beengten Zuständen habe man ihn nachts mit einem Krankenauto aus dem Camp gefahren und auf offener Strasse aus dem Fahrzeug gestossen. Aufgrund der Drohungen der Polizei habe er an seinem Arbeitsort nichts von den Geschehnissen erwähnt. Sein Bruder C. habe zuletzt als Mechaniker für das Verteidigungsministerium in D. , E. , gearbeitet. Er vermute, dass die Behörden die ganze Familie aufgrund der Zugehörigkeit zur Ethnie der F. im Fokus gehabt hätten. Seine Eltern würden in B. leben, ebenfalls eine Schwester und drei Brüder. Ein anderer Bruder G. habe bei der Polizei gearbeitet, sei aber vor etlichen Jahren bereits unter ungeklärten Umständen gewaltsam gestorben.
Als er die Möglichkeit erhalten habe, aufgrund seiner Tätigkeit für die Botschaft in der Schweiz einen Kurs zu besuchen, habe er diese Möglichkeit genutzt. Am 22. August 2022 habe er plötzlich eine gerichtliche Vorladung erhalten, wonach er am 24. August 2022 im Zusammenhang mit seinem (einer Straftat beschuldigten) verschwundenen Bruder C. vor Gericht hätte erscheinen müssen. Er habe diesen Termin aber ungenutzt verstreichen lassen. Gleichwohl habe er erst am 26. August 2022 Äthiopien verlassen. Daraufhin habe das Gericht einen Vorführungsbefehl erlassen,
der seiner Ehefrau übergeben worden sei. Beim Vater seien dann Polizeibeamte aufgetaucht und hätten diesen gewaltsam zu seinem Aufenthaltsort befragt.
Zum Nachweis seiner Identität und zur Stützung seiner Vorbringen reichte der Beschwerdeführer seinen äthiopischen Reisepass, seinen Ausweis der Schweizer Botschaft in B. (beide im Original), zwei Geburtsurkunden seiner Ehefrau und seiner Kinder, eine briefliche Aufforderung des Gerichts an ihn, den Aufenthaltsort seines Bruders bekanntzugeben, einen Haftoder Vorführbefehl der Polizei lautend auf den Namen des Beschwerdeführers, einen Spitalbericht bezüglich seines Vaters (alle in Kopie), Fotografien seines verstorbenen beziehungsweise verschwundenen Bruders und seines Vaters mit Verletzungen (alle in Kopie) ein.
Mit Verfügung vom 28. November 2023 verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers (Dispositivziffer 1) und lehnte sein Asylgesuch ab (Dispositivziffer 2). Gleichzeitig ordnete es die Wegweisung aus der Schweiz und den Vollzug an (Dispositivziffer 3-5). Mit der Verfügung erhielt der Beschwerdeführer Einsicht in die Akten (Dispositivziffer 6).
Mit Eingabe vom 21. Dezember 2023 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Anerkennung als Flüchtling und die Gewährung von Asyl. Eventualiter sei er wegen Unzulässigkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig in der Schweiz aufzunehmen. Eine Botschaftsangestellte sei zu befragen beziehungsweise es sei von ihr ein schriftlicher Bericht einzuholen. Es seien beim IKRK die Akten zur Meldung des Verschwindens seines Bruders einzuholen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung inklusive Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie die Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters ersucht.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2023 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde.
Mit Eingabe vom 14. August 2024 erkundigte sich die Rechtsvertretung nach dem Stand des Verfahrens.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – wie auch vorliegend – endgültig (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 2 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG (vgl. BVGE 2014).
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG). Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion,
Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaubhaftmachen von Asylvorbringen in verschiedenen Entscheiden dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden (vgl. BVGE 2015/3 E. 6.5.1, 2013/11 E. 5.1 und 2010/57 E. 2.3, je m.w.H.).
In der angefochtenen Verfügung hielt das SEM fest, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers in den einschlägigen Punkten unsubstantiiert, widersprüchlich und unlogisch ausgefallen seien.
Zwar habe der Beschwerdeführer im freien Bericht der Anhörungen den Vorfall, als er festgenommen worden sei, wortreich dargestellt, jedoch habe er bei gezielten Nachfragen die relevanten Ereignisse und Abläufe inhaltlich klar ungenügend und nur unsubstantiiert dargelegt. So seien beispielsweise die Beschreibungen des Moments, als man ihn mitgenommen, zum Wagen gebracht und zu den Behörden gefahren hätte, in allen Anhörungen auf einem inhaltlich speziell tiefen Niveau geblieben. Es habe im Redefluss nicht erklärbare Lücken gegeben und es fehlten, abgesehen von Details auch jegliche Hinweise auf persönliche Emotionen, Interaktionen oder Gedankengänge. So sei er gebeten worden, diese Momente der konkreten Festnahme detailliert darzulegen. Dieser Aufforderung sei er jedoch ausgewichen, indem er bloss erneut den Ablauf des gesamten Vorfalles pauschal wiedergegeben habe.
Im Weiteren seien Widersprüche erkennbar. In der ersten Anhörung habe er angegeben, die Beamten hätten ihm anlässlich der Festnahme ihre Dienstausweise gezeigt, im Rahmen der zweiten Anhörung, er habe ihnen
seinen Ausweis zeigen müssen, und später wiederum, diese Beamten hätten sich ausgewiesen (vgl. act.16 F49; act. 33 F35). Auch habe er angegeben, zu einer Polizeistation beziehungsweise zu einem Camp, zu einer Kaserne gebracht worden zu sein (vgl. act.16 F49, act. 33 F35, F72).
Der Beschwerdeführer habe die Zeit nach der Ankunft am Haftort und während seiner Festhaltung im freien Bericht im Rahmen der ergänzenden Anhörung zwar einigermassen wortreich dargelegt (vgl. act.33 F35). Ihm sei im Anschluss daran Gelegenheit zur Präzisierung gegeben worden. Die nachfolgenden Äusserungen hätten jedoch weder die zuvor erwähnten noch weitergehende Detailangaben enthalten, sondern seien gar noch weitaus kürzer, oberflächlicher und zusammengefasster ausgefallen.
Als der Beschwerdeführer beispielsweise aufgefordert worden sei, möglichst detailliert das Zimmer, in dem er angeblich festgehalten worden sei, zu beschreiben, seien auch diese Angaben ungenügend verblieben. Zwar habe er eine ungefähre Grösse eines Raumes und eine allgemeine Haftsituation beschrieben, habe ansonsten aber nur pauschal wiederholt, was er bereits zuvor geäussert habe. Konkrete andere, weitergehende und neue Details über das Aussehen innerhalb des Raumes oder spezifische Auffälligkeiten über zum Beispiel Schlafmöglichkeiten, Farben, Gegenstände, Gitter, Fenster oder Lichtverhältnisse fehlten in seinen Angaben, was aufgrund der geltend gemachten Haftsituation kaum glaubhaft sei.
Auch die Schilderung der dreitägigen Festhaltung sei ausweichend und unbestimmt ausgefallen. Der Beschwerdeführer habe lediglich allgemein wiederholt, dass er nicht viel habe unternehmen können, es in dieser Zeit heiss gewesen und die Notdurft gruppenweise organisiert worden sei. Diese zu oberflächliche Qualität der Erzählung habe sich auch bei den Fragen nach den Umständen der Freilassung fortgesetzt. Ebenso sei die Schilderung des Telefongesprächs vor der Ausreise mit der Ehefrau inhaltlich wie emotional bloss sehr oberflächlicher Natur gewesen.
Der Beschwerdeführer habe bezüglich des Bruders C. , über dessen Arbeit und die Motivation der Verfolgung keinerlei Informationen geben können, was grundsätzliche Zweifel über dessen angebliches Engagement beim Verteidigungsministerium begründe (vgl. act. 33 F121122). Auch bei Fragen bezüglich des Grundes, warum man ausgerechnet ihm oder seinen Familienangehörigen etwas antun sollte, seien die Quantität und Qualität der Erklärungen mehr als dürftig gewesen. Hierbei habe er teils gar pauschale Ausführungen über die Situation der Oromo gemacht
beziehungsweise ohne weitere persönliche Begründungen auf den Inhalt des ihm zugestellten Gerichtsschreibens verwiesen (vgl. act.33 F43-48, F126). In diesem Zusammenhang sei der Tod des anderen Bruders, der angeblich vergiftet worden sei, zu erwähnen. Es würde sich dabei, wenn sich diese Begebenheit tatsächlich so zugetragen hätte, um einen Vorfall handeln, der keine Hinweise auf eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung enthalte. Zu erwähnen sei aber, dass er hierzu widersprüchliche Angaben zum Todeszeitpunkt des Bruders gemacht habe (Jahr 2015 oder Jahr 2018).
Zusätzlich hätten sich aus den Äusserungen zu den angeblichen Drohungen und Vorladungen Ungenauigkeiten und zeitliche Widersprüche ergeben. So habe er in der ersten Anhörung angegeben, die erste Vorladung der Polizei sei per Telefon und neun Monate vor dem Zeitpunkt der damaligen Anhörung erfolgt; quasi im gleichen Zeitraum sei auch der Vorfall passiert, als er festgenommen worden sei (also im März 2022, vgl. act. 16, F48, F49). In der zweiten Anhörung habe er abweichend betreffend Beginn der Vorladungen gar keinen Zeitpunkt mehr nennen können (vgl. act. 33 F86 F131), habe jedoch die Festnahme auf zirka zehn Monate vor seiner Ausreise eingeordnet (vgl. act. 33 F39), womit der Beginn dieser Schwierigkeiten zirka im Oktober 2021 einzuordnen wäre. Somit habe sich eine zeitliche Diskrepanz von fast einem halben Jahr ergeben. Im Weiteren habe er widersprüchliche Angaben zu seinem letzten Arbeitstag gemacht. So habe er in der ergänzenden Anhörung, in Widerspruch zur Angabe in der ersten Anhörung, am Freitag, 26. August 2022 zum letzten Mal gearbeitet zu haben (vgl. dort F27), geltend gemacht, am Samstag, 27. August 2022 sei sein letzter Arbeitstag gewesen (vgl. dort F137).
Mehrere zentrale Vorbringen seien auch nicht nachvollziehbar. Gerade in Bezug auf den letzten Arbeitstag erscheine abwegig, dass er am
22. August 2022 eine Gerichtsvorladung für den 24. August 2022 erhalten und dieser aber keine Folge geleistet habe (vgl. act. 33, F91), er jedoch die Tage nachher bis zum 26. August 2023 noch unbekümmert zur Arbeit gegangen sei, wo gemäss eigenen Angaben die grössten Sicherheitsbehörden stationiert seien (vgl. act. 33, F118). Dies passe nicht in das Bild einer Person, die sich gefährdet fühle, zumal er gar behauptet habe, jedes Mal, wenn er mit dem Auto unterwegs gewesen sei, verfolgt worden zu sein. Auch sei davon auszugehen, dass wenn effektiv ein Verfolgungsinteresse an ihm bestanden hätte, die Polizei ihn nach Missachtung der Gerichtsvorladung sofort verhaftet hätte. Ohnehin sei die Behauptung, täglich und jedes Mal, wenn er mit dem Auto unterwegs gewesen sei, verfolgt worden zu
sein, kaum glaubhaft. Dass letztlich eigentlich gar kein Verfolgungsinteresse der Behörden bestanden haben könne – und er ein solches auch nicht befürchtet habe – zeige letztlich die völlig legale Ausreise aus Äthiopien in die Schweiz. Wie er in den Anhörungen erwähnt habe, bestünden am Flughafen die grössten Sicherheitsdispositive.
An der Einschätzung der Unglaubhaftigkeit änderten auch die eingereichten Dokumente nichts. Einerseits lägen diese nur in Kopien vor, weshalb ihr Beweiswert als gering einzustufen sei. Die Fotos seiner Brüder und des Vaters würden keine Gefährdungslage belegen, zumal der Beschwerdeführer im Asylverfahren angegeben habe, dass sein Vater schon vor der Ausreise Probleme mit den Beinen gehabt habe. Es sei nicht erwiesen, ob die Fotos nach seiner Ausreise aufgenommen worden seien.
Im angeblichen Gerichtsdokument vom 22. August 2022 bestehe sogar ein schwerwiegender orthografischer Fehler («Counrt» anstatt «Court» im Titel des Dokumentes), welcher in einem offiziellen Dokument des ersten Bundesgerichts Äthiopiens sicherlich nicht zu erwarten wäre. Im Weiteren werde darin auf ein weiteres Schreiben vom 19. August 2022 verwiesen, welches der Beschwerdeführer im Asylverfahren gar nie erwähnt habe. Offengeblieben sei, weshalb die Behörden der Ehefrau das interne Dokument vom 29. August 2022 mit dem Inhalt, ihn dem Gericht zuzuführen, hätten aushändigen sollen, handle es sich doch dabei um eine verwaltungsinterne gerichtliche Anweisung an die Polizeikommission und nicht um eine Vorladung. Da er zudem auch das zweite Gerichtsdokument in Verbindung mit den als unglaubhaft eingestuften Asylgründen bringe, sei davon auszugehen, dass auch diesem Beweismittel keine Authentizität zukomme.
In der Beschwerde wurde eingangs darauf hingewiesen, dass die Schilderungen in der freien Rede sehr wohl Realkennzeichen enthielten.
So habe er bereits bei der ersten Anhörung konsistent ausgeführt, im Zusammenhang mit seinem Bruder mehrfach von der Polizei angehalten, befragt und bedroht worden zu sein. Er habe auch konkrete Angaben zu seinen Vorladungen gemacht. Auch habe er sich an seinen Arbeitgeber
beziehungsweise hinsichtlich des Todes seines Bruders an das IKRK gewandt. Auch die Antworten in den beiden Anhörungen seien substantiiert ausgefallen. So enthalte beispielsweise die widerspruchsfreie Schilderung der Verhaftung eine Vielzahl von Realkennzeichen, indem er nebensächliche Angaben zum zeitlichen Kontext gemacht habe (Freitagnachmittag, Rückkehr vom Café, weil freitags frei) und bei der Wiedergabe von Interaktionen in die direkte Rede gewechselt habe. Auch habe er eine individuelle Betroffenheit spürbar gemacht.
Anlässlich der zweiten Anhörung habe er in freier Rede den zeitlichen Kontext des genannten Vorfalls konkretisiert (Angaben zu Uhrzeit und zu den genauen Örtlichkeiten, Fahrzeugtyp, Ablauf). Er habe seine missverständlichen Gefühle über den Vorfall («meinte, es sei ein Dieb») geschildert und weitere Realkennzeichen genannt (den Schlag bei der Anhaltung, die Verletzung). Auf Nachfrage habe er das Verhalten des Fahrzeuglenkers erwähnt und seine Erzählung mit dem Hinweis, nicht in ein Gefängnis, sondern in eine Kaserne oder Camp gebracht worden zu sein, geschlossen.
Die Vorinstanz bringe sodann eine fehlende Aussagequalität betreffend die Fahrt ins Camp vor. Dies stelle eine zu strenge Auslegung der Glaubhaftigkeitserfordernisse dar. So habe er auf Nachfrage, was während der Fahrt «passiert sei», nachvollziehbar wenig sagen können, ausser, dass er eben im Van in Begleitung einer Person auf dem Rücksitz gesessen habe. Das weitere Vorbringen, er habe, anders als im freien Bericht, auf Nachfrage hin die Ankunft im Camp deutlich kürzer und weniger detailreich geschildert, könne nicht als widersprüchlich bezeichnet werden. Die Vorinstanz missachte den Umstand, dass fehlende Schlüssigkeit nicht zu bemängeln sei, wenn Aussagen innerhalb einer Anhörung oder zwischen Anhörungen nicht widersprüchlich seien. Es sei ihm nicht vorzuhalten, dass er die späteren Angaben nicht im gleichen Umfang wiederholt habe.
Gleiches gelte für den Vorwurf, er habe zu der Festhaltung und Befragung der Haft sowie Freilassung – obwohl zur Präzisierung aufgefordert
keine genaueren Angaben gemacht. Es sei auch hier zu wiederholen, dass er bereits zuvor umfangreich die Haftsituation geschildert und von der Umgebung des Gefängnisses sogar eine Zeichnung angefertigt habe, welche die Vorinstanz unter Verletzung ihrer Aktenführungspflicht nicht zu den Akten genommen habe. Er habe die Bauweise der Unterbringung, Interaktionen mit Wärtern, Misshandlungen und Verletzungen geschildert und angegeben, im «gleichen Loch wie sein Bruder zu landen». Auch habe er eine Schätzung zur Grösse der Unterbringung abgegeben.
Die Vorinstanz nehme von vielen Realkennzeichen einfach keine Notiz (beispielsweise Entlassung erst am Sonntagabend, weil am Sonntag Kaserne geschlossen und daher Personalmangel). Entgegen der vorinstanzlichen Darstellung habe er seine Aussagen auf Nachfrage hin mit bestimmten Details noch ergänzt. Gleiche Kritik bringe die Vorinstanz auch mit Blick auf die Freilassung vor. Es gelte das bereits Ausgeführte. Es sei in diesem Zusammenhang anzumerken, dass er eigene Sinneswahrnehmungen, wie den Verlust des Orientierungssinns nach dem Sturz aus dem Fahrzeug, ebenso das Verlangsamen der Fahrt bei Eintreffen im Ort, geschildert habe, was für die Glaubhaftigkeit der Vorbringen spreche.
Soweit das SEM die Vorbringen zu den Drohungen als zu unsubstantiiert, ungenau, ausweichend, verallgemeinernd und wiederholend bezeichnet habe, sei ihr nicht zu folgen. Bereits in der ersten Anhörung habe er ausgeführt, er und seine Familienmitglieder seien von der Polizei wiederholt bedroht worden. Ferner habe er Ausführungen zum Hintergrund und zum Motiv der Drohungen gemacht. Auch hätten die Schilderungen entgegen der vorinstanzlichen Darstellung trotz der fortgeschrittenen Anhörungsdauer einen guten Substantiierungsgrad aufgewiesen. Weiter weise die Vorinstanz darauf hin, dass er bei der ersten Anhörung gesagt habe, sein Bruder sei vor zirka sieben Jahren verstorben, bei der zweiten Anhörung, er sei vor zirka fünf Jahren verstorben. In der Tat seien die entsprechenden, inkonsistenten Aussagen in den Protokollen enthalten. Allerdings handle es sich nicht um Widersprüche in den Kernvorbringen.
Was die von der Vorinstanz vorgebrachten erneuten Divergenzen in den zeitlichen Angaben betreffe, sei auch hierzu darauf hinzuweisen, dass er Schätzungen vorgenommen habe und ein grosser zeitlicher Abstand zwischen den Befragungen bestanden habe. Mit Blick auf die Natur der Befragung dürften Aussagen, die im Rahmen einer Befragung gemacht worden seien, die nicht die Abklärung des Schutzbedarfs bezweckten, nur mit Vorbehalt zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Asylvorbringung verwendet werden. Zu berücksichtigen sei ausserdem, dass er sich mit zunehmender Dauer der Anhörung erschöpfter gezeigt und seine Aussagen daher umso kürzer geworden seien, je länger die Anhörung angedauert habe.
Ferner sei in Bezug auf die Protokollierung hervorzuheben, dass die beiden Anhörungen nicht in seiner Muttersprache (Oromo) durchgeführt worden, sondern in amharischer Sprache erfolgt seien. Hinzu komme, dass
die Dolmetscherin der zweiten Anhörung ihrerseits tigrinischer Muttersprache gewesen sei und nur Amharisch-Kenntnisse als Zweitsprache habe.
Die Vorinstanz mache schliesslich eine fehlende Plausibilität in seinen Aussagen geltend. So habe sie ausgeführt, es sei abwegig, dass er am 22. August 2022 noch eine Gerichtsvorladung für den 24. August erhalten habe und dieser keine Folge geleistet, aber dennoch die Tage danach bis zum 26. August 2023 unbesorgt noch gearbeitet habe. Ebenso sei es unplausibel, dass die Behörden ihm über so lange Zeit nachgestellt hätten. Schliesslich sei angesichts der legalen Ausreise nicht davon auszugehen, dass die Behörden ein tatsächliches Interesse an ihm gehabt hätten. Hierzu sei festzuhalten, dass die Vorinstanz ihre Kritik in pauschaler Weise und ohne Bezugnahme auf Länderinformationen vorbringe. Sie verkenne, dass es angesichts der monatelangen Nachstellungen für ihn nicht abwegig gewesen sei, auch eine Vorladung für einen Gerichtstermin verstreichen zu lassen, zumal – anders als in hiesigen Verhältnissen – im äthiopischen Justiz-Kontext nicht zwingend mit einer unverzüglichen Reaktion seitens der Behörden habe gerechnet werden müssen.
Nach dem Gesagten überwiegten aus seiner Sicht die plausiblen, schlüssigen Aussagen allfällige Unstimmigkeiten. Überdies sei er in der Lage gewesen, einige Vorbringen mit Dokumenten zu belegen. Die Vorinstanz gehe fehl, soweit sie diesen aufgrund ihrer Natur als Kopien von Vornherein keinen Beweiswert zuspreche.
Der Beschwerdeführer erhebt die formelle Rüge, das SEM habe die Aktenführungspflicht verletzt, da die in der Anhörung erstellte Skizze nicht zu den Akten genommen wurde. Die Aktenführungspflicht ergibt sich aus dem Akteneinsichtsrecht, welches in Art. 26 ff. VwVG geregelt ist und einen Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellt (vgl. dazu ausführlich BVGE 2011/37 E. 5.4.1). Die Aktenführungspflicht beinhaltet insbesondere die geordnete Ablage, die Paginierung und die Registrierung der vollständigen Akten im Aktenverzeichnis. Es ist zwar bedauerlich, dass die anlässlich der Beschreibung der Kaserne erstellte Skizze in Verstoss geraten ist. Dennoch stellt dieser Umstand keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, da sich der Inhalt der Skizze vorliegend aus den diesbezüglichen Ausführungen rekonstruieren lässt. Ihr kommt deshalb – abgesehen von der im Protokoll verbrieften Feststellung, dass eine solche erstellt worden ist – inhaltlich kaum eigenständige Bedeutung zu, zumal deren Inhalt in den entsprechenden Beschreibungen aufgeht.
In der Sache selbst hat das SEM – wie nachfolgend aufgezeigt wird – die Vorbringen des Beschwerdeführers zu Recht für unglaubhaft befunden.
Das SEM hat in der angefochtenen Verfügung zutreffend das Vorliegen zahlreicher widersprüchlicher Aussagen festgestellt. So führte es eingehend aus, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Erhalts der ersten Vorladung und der Festnahme divergierende Aussagen von fast einem halben Jahr gemacht habe (Oktober 2021 / März 2022). Im Weiteren wies es darauf hin, dass der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben zum Zeitpunkt seines letzten Arbeitstags gemacht hat (Freitag, 26. August 2022 versus Samstag, 27. August 2022). Der Hinweis in der Beschwerde auf den zeitlichen Abstand zwischen beiden Befragungen vermag das widersprüchliche Aussageverhalten des Beschwerdeführers nicht zu erklären, handelt es sich doch beim Zeitpunkt der Festnahme um ein gravierendes und beim letzten Arbeitstag angesichts der bevorstehenden Flucht um
ein wesentliches Element; also um Elemente, die fest im Gedächtnis verankert sein sollten. Auch die weiteren Hinweise in der Beschwerde auf den angeblich mit zunehmender Dauer der Anhörung grösser werdenden Erschöpfungszustand und der Art und Weise der Protokollierung vermögen nicht zu überzeugen. Insbesondere ist festzustellen, dass die Anhörungen in amharischer Sprache und damit in einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache geführt worden sind. Der Beschwerdeführer hat damals denn auch keine Verständigungsschwierigkeiten geltend gemacht und es sind aus den Protokollen auch keine Anhaltspunkte auf solche erkennbar. Schliesslich wies die Vorinstanz darauf hin, dass der Beschwerdeführer bei der ergänzenden Anhörung abweichend von der Angabe im Rahmen der ersten Anhörung, wonach sein Bruder H. vor zirka sieben Jahren gestorben sei, ausgesagt habe, er sei vor zirka fünf Jahren (also zwei Jahre früher) verstorben. Dieser Widerspruch wird in der Beschwerde nicht bestritten. Jedoch wird geltend gemacht, dass es sich nicht um Widersprüche in den Kernvorbringen handle und der Beschwerdeführer nur Schätzungen vorgenommen habe. Dieser Entgegnung ist insofern zuzustimmen, als dass es sich dabei, falls überhaupt glaubhaft, um ein familiäres Ereignis ohne direkte Asylrelevanz für den Beschwerdeführer handelt. Aus diesem Grund ist auch der in diesem Zusammenhang gestellte Antrag, bei Zweifeln am Tod des Bruders H. sei beim IKRK eine schriftliche Anfrage anhängig zu machen, mangels Notwendigkeit abzuweisen.
Im Weiteren hat das SEM die Vorbringen zutreffend auch als unsubstantiiert, ausweichend und repetitiv qualifiziert.
Wie bereits vom SEM festgehalten, hat der Beschwerdeführer im freien Bericht der Anhörungen seine Vorbringen zwar rein quantitativ betrachtet stellenweise wortreich dargestellt. Gleichzeitig ist hierzu anzufügen, dass hierbei auch klare Strukturbrüche zwischen der freien Rede (also Aspekten, die problemlos vorbereitbar sind) und den späteren Fragen und Vertiefungsfragen (welche nur eingeschränkt vorbereitbar sind) erkennbar sind. Während er in der freien Rede auffallend weitschweifend erzählt, erschöpfen sich die Antworten zu den Fragen und Nachfragen nicht selten als auffallend knapp, substanzlos oder gar ausweichend (vgl. hierzu beispielhaft act. 33 F35 versus 42-47, 55-58, 65-66, 69-75, 81, 92). Ferner ist aus den Protokollen auch das deutliche Bestreben des Beschwerdeführers zu erkennen, in freier Rede möglichst in streng chronologischer Reihenfolge seine Vorbringen lückenlos und ohne Nebensächlichkeiten aufzuzählen. Diese Erzählweise erweckt den Eindruck der Wiedergabe von
Einstudiertem, zumal die Antworten auf entsprechende Fragen deutlich spärlicher, ja teils ausweichend ausfielen. Die Tatsache, dass die Angaben des Beschwerdeführers auf entsprechende Nachfragen kürzer und ausweichender ausfielen, ist zwar nicht, wie in der angefochtenen Verfügung etwas unpräzis festgehalten, als widersprüchliches Aussageverhalten im engen Sinn einzustufen, jedoch als Unglaubhaftigkeitselement zu werten.
In der Beschwerde wird das Vorliegen von Realkennzeichen geltend gemacht. Auch dies ist zu relativieren. So handelt es sich bei den in der Beschwerde genannten Aspekten nicht um starke Realkennzeichen, erscheinen sie doch überwiegend als blosse Bestandteile zur Schilderung des Handlungsablaufs und beschlagen nur vereinzelt Nebensächlichkeiten. Auch die Wiedergabe von Interaktionen in der direkten Rede vermögen das ausweichende Aussageverhalten auf bestimmte Fragen und die fehlende Konkretisierung nicht aufzuwiegen.
Entgegen der Auffassung in der Beschwerde ist die blosse Angabe des Beschwerdeführers, aufgrund der zivilen Kleidung und des zivilen Fahrzeugs habe er erst nach den Warnschüssen realisiert, dass es sich um Polizisten handle, nicht bildhafter Ausdruck von individueller Betroffenheit, sondern beschreibt lediglich den Hergang der Festnahme in allgemeiner Form. Ohnehin dürfen in diesem Zusammenhang Vorbehalte angebracht werden. Weshalb ein staatlicher Sicherheitsbeamter sich zuerst längere Zeit in ein Handgemenge verwickeln lässt («hat er mir eine Faust gegeben») und den Betroffenen im Eindruck belassen sollte, es handle sich um einen Dieb, und erst zuletzt sich überhaupt mit Ausweis als Beamter zu erkennen geben sollte (act. 33, F51), erscheint weder nachvollziehbar noch lebensnah.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Aussagen auch an anderen Stellen als wenig lebensnah einzustufen sind. So ist mit dem SEM festzuhalten, dass das Verhalten des Beschwerdeführers, einer am 22. August 2022 erhaltenen Gerichtsvorladung für den 24. August 2022 keine Folge geleistet zu haben, aber dennoch die Tage bis zum 26. August 2023 noch völlig sorglos und ohne Bedenken zur Arbeit gegangen zu sein, nicht nachvollziehbar. Dies umso mehr, als er an anderer Stelle behauptet, jederzeit und immerzu verfolgt worden zu sein. Ohnehin erscheint die Behauptung, dass die Behörden ihm über so lange Zeit praktisch ununterbrochen nachgestellt haben sollten, im Lichte des Gesagten als nur wenig glaubhaft. Die entsprechende Begründung des Beschwerdeführers dafür fiel denn auch, wie vom SEM zutreffend festgehalten, ausweichend und unbestimmt aus.
Gewichtig ist auch auf den Umstand hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer das Land legal und unter Verwendung seiner eigenen Personalien über eine besonders kontrollierte Stelle verlassen hat. Eine legale, offene Ausreise lässt sich gemeinhin weder mit einer allgegenwärtigen objektiven Verfolgungslage noch mit einer subjektiven Verfolgungsfurcht vereinbaren.
In der Beschwerde wird in Zusammenhang mit der Ausreise beziehungsweise der letzten Arbeitstage vorgebracht, die Vorinstanz habe ihre diesbezügliche Kritik ohne Bezugnahme auf länderspezifische Besonderheiten und Länderinformationen gemacht. Das SEM verkenne, dass es angesichts der monatelangen Nachstellungen für den Beschwerdeführer gerade nicht abwegig sei, auch eine Vorladung für einen Gerichtstermin verstreichen zu lassen, zumal – anders als in hiesigen Verhältnissen – im äthiopischen Justiz-Kontext nicht mit einer unverzüglichen Reaktion seitens der Behörden habe gerechnet werden müssen. Diese spekulativen, verallgemeinernden Erklärungen überzeugen nicht und vermögen insbesondere den augenscheinlichen Wertungswiderspruch zu den angeblich ansonsten allgegenwärtigen Behelligungen klarerweise nicht zu erklären.
Soweit letztlich gar eine Befragung einer Botschaftsangestellten angeregt wird, ist dem Beschwerdeführer nicht zu folgen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer anlässlich beider Anhörungen angegeben hat, niemandem, insbesondere auch nicht an seinem Arbeitsplatz, etwas von den angeblichen Behelligungen erzählt zu haben; dies, weil er befürchtet habe, ansonsten seinen Job zu verlieren (vgl. hierzu act.16 F43; ebenso in act. Act. 33, F37). Soweit er in Abkehr hiervon an anderer Stelle vorbringt, er habe eine Mitarbeiterin telefonisch doch noch über seine Probleme in Kenntnis gesetzt, so verordnet er dies zeitlich auf den 12. September, also auf den Vortag seines am Folgetag (13. September) gestellten Asylgesuchs (vgl. act. 16, F44 und 16). Aber unabhängig der vorgenannten Auffälligkeiten kann indes ohnehin von einer Befragung oder einem Bericht abgesehen werden, da die entsprechenden Angaben letztlich auf blossem Hörensagen, ohne eigene Wahrnehmungen abstützen würden und somit nicht entscheidend ins Gewicht fallen könnten oder die zahlreichen übrigen Unglaubhaftigkeitsaspekte gar entscheidend aufzuwiegen vermöchten.
An der Einschätzung der Unglaubhaftigkeit der Vorbringen ändern auch die eingereichten Dokumente und Fotografien nichts. Wie das SEM zutreffend ausführte, ist die Beweiskraft der lediglich in Kopie eingereichten Dokumente vor dem Hintergrund der Unglaubhaftigkeit als gering einzustufen. Weiter kommt gewichtig hinzu, dass die eingereichten Unterlagen
auch inhaltliche Unstimmigkeiten und gar orthographische Fehler beziehungsweise geradezu dilettantische Schreibfehler enthalten, die mit einem echten amtlichen Dokument klarerweise nicht zu vereinbaren sind.
Im Weiteren ist nicht nachvollziehbar, warum die Behörden der Ehefrau des Beschwerdeführers das Dokument vom 29. August 2022, bei dem es sich offenbar um eine behördeninterne gerichtliche Anweisung an die Polizeikommission und nicht um eine Vorladung handelt, hätten aushändigen sollen. Die Vorinstanz hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nicht glaubhaft erscheine, dass der Ehefrau behördeninterne Dokumente abgegeben würden. Auch die Fotos seiner Brüder und des Vaters belegen keine Gefährdungslage, zumal der Beschwerdeführer im Asylverfahren angegeben hat, dass sein Vater schon vor der Ausreise Probleme mit den Beinen gehabt habe. Es ist nicht erwiesen, ob die Fotos tatsächlich nach der Ausreise des Beschwerdeführers aufgenommen worden sind.
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer anlässlich der ersten Anhörung angegeben hat, dass seine Ehefrau und die Kinder nach wie vor am bisherigen Ort wohnen (vgl. act 16, F13) und auch sämtliche Geschwister und die Eltern in B. wohnhaft seien (a.a.O., F33, 38). Dies sind Umstände, welche nur schwer mit einer – bereits vor der Ausreise jahrelangen – allgegenwärtigen Verfolgungslage in Einklang zu bringen sind. Dass der Beschwerdeführer in der ergänzenden Anhörung dann behauptet, aus «Sicherheitsgründen» mit niemandem mehr von seiner Familie in Kontakt zu stehen und nur noch über einen Pastor als Kontaktmann kommuniziere (act. 33, F8-13), erscheint als Schutzbehauptung.
Was die Situation der ethnischen Oromo betrifft, hat das Bundesverwaltungsgericht im Referenzurteil D-6630/2018 vom 6. Mai 2019 eine Analyse der politischen Lage in Äthiopien vorgenommen. Es ist nicht von einer Kollektivverfolgung der Oromo in Äthiopien auszugehen. Die Anforderungen an die Feststellung einer Kollektivverfolgung sind gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sehr hoch (vgl. BVGE 2013/12 E.6) und nach dem vorstehend Ausgeführten – auch im heutigen Zeitpunkt – nicht gegeben.
Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).Der Beschwerdeführer verfügt insbesondere weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach ebenfalls zu Recht angeordnet (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).
Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).
Der Vollzug ist unzulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).
So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]). Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche
Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Äthiopien ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung nach Äthiopien dort einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06, §§ 124–127 m.w.H.). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in Äthiopien lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren.
Das Bundesverwaltungsgericht geht in konstanter Praxis von der grundsätzlichen Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in alle Regionen Äthiopiens aus. Trotz ethnischer Spannungen und Protestbewegungen ist die Situation seit Amtsantritt von Premierminister Abiy Ahmed stabiler, weshalb die allgemeine Lage in Äthiopien – mit Ausnahme einzelner Regionen
weder durch Krieg, Bürgerkrieg noch durch eine Situation allgemeiner Gewalt gekennzeichnet ist, aufgrund derer die Zivilbevölkerung allgemein als konkret gefährdet bezeichnet werden müsste (vgl. BVGer E–6634/2019 vom 17. November 2023 E 7.4.1 m.w.H. E. 12.2, in Bestätigung von BVGE
2011/25 E. 8.3).
Sodann sprechen auch keine in der Person des Beschwerdeführers liegenden Gründe gegen einen Vollzug der Wegweisung. Der
Beschwerdeführer stammt aus B. , ist jung, gesund und verfügt im Heimatstaat über ein familiäres Umfeld. Darüber hinaus hat er eine gute Schulbildung und verfügt über berufliche Erfahrungen. Es ist nicht davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr nach Äthiopien in eine existentielle Notlage geraten wird. Der Vollzug der Wegweisung ist zumutbar.
Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).
Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AIG).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und – soweit diesbezüglich überprüfbar – angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Kosten des vorliegenden Verfahrens zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG), die auf Fr. 750.– festzusetzen sind (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
Mit Ergehen des vorliegenden Direktentscheides wird das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung von Verfahrenskosten gegenstandslos. Da sich die Beschwerde wie aufgezeigt als aussichtslos erwiesen hat beziehungsweise die behauptete Prozessarmut auch nicht ausgewiesen wurde, sind die Gesuche um unentgeltliche Prozessführung und unentgeltliche Verbeiständung abzuweisen.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung werden abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Lorenz Noli Daniel Merkli
Versand:
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