Login
Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-3680/2024 |
Datum: | 17.07.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | Ausstand |
Schlagwörter : | Gesuch; Richter; Gesuchs; Gesuchstellende; Gesuchstellenden; Ausstand; Recht; Verfah; Verfahren; Instruktion; Richterin; Instruktionsrichter; Instruktionsrichterin; Verfahrens; Ausstandsbegehren; Freihofer; Zwischenverfügung; Gericht; Verfahren; Bundesverwaltungsgericht; Gewährung; Befangenheit; Verfügung; Beschwerdeverfahren; Akten; Entscheid; Beurteilung; Vertreter; Urteil |
Rechtsnorm: | Art. 30 BV ;Art. 34 BGG ;Art. 36 BGG ;Art. 37 BGG ;Art. 37 BV ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 125 I 119; 131 I 113; 134 I 238; 137 I 227; 139 I 121; 141 IV 178; 147 I 173; 148 IV 137 |
Kommentar: | -, Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Art. 34 BGG, 2018 |
Abteilung V E-3680/2024
Besetzung Richter Markus König (Vorsitz), Richterin Contessina Theis, Richterin Camilla Mariéthoz Wyssen, Gerichtsschreiberin Karin Parpan.
Parteien A. , geboren am (…), B. , geboren am (…), C. , geboren am (…), D. , geboren am (…), Türkei,
alle vertreten durch MLaw Sami Imer,
(…),
Gesuchstellende,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Ausstandsbegehren im Beschwerdeverfahren E-3306/2024 (N […]).
I.
Die Gesuchstellenden stellten am 6. Januar 2020 in der Schweiz ein Asylgesuch, das sie mit einer staatlichen Verfolgung aufgrund eines Kampfeinsatzes des Ehemanns/Vaters bei den kurdischen Yekîneyên Parastina Gel (Volksverteidigungseinheiten) in Syrien begründeten.
Das SEM stellte mit Verfügung vom 9. November 2020 fest, die Gesuchstellenden würden die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllen. Es lehnte ihre Asylgesuche ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an. Die Verfügung wurde im Wesentlichen mit der Unglaubhaftigkeit der vorgetragenen Asylgründe begründet.
Das von den Gesuchstellenden in der Folge angerufene Bundesverwaltungsgericht schrieb seine Beschwerdeverfahren mit Beschluss E-6312/2020 vom 21. März 2022 als gegenstandslos geworden ab, nachdem das SEM im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens seine Verfügung vom 9. November 2020 aufgehoben und das erstinstanzliche Asylverfahren wieder aufgenommen hatte.
Nachdem das SEM die Gesuchstellenden zur Einreichung von Beweismitteln aufgefordert hatte, reichten diese am 27. März und 15. April 2024 mehrere Dokumente aus türkischen Ermittlungsund Strafverfahren zu den Akten.
Mit Verfügung vom 23. April 2024 lehnte das SEM die Asylgesuche erneut unter Verneinung der Flüchtlingseigenschaft ab und ordnete die Wegweisung sowie den Wegweisungsvollzug an. Dieser Entscheid wurde im Hauptpunkt mit mangelnder Glaubhaftigkeit sowie flüchtlingsrechtlicher Relevanz der geltend gemachten Vorbringen begründet.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 24. Mai 2024 beantragten die Gesuchstellende die Aufhebung der Verfügung des SEM vom 23. April 2024, die Anerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft und die Asylgewährung; eventualiter sei die Verfügung des SEM aufzuheben und sie wegen Unzulässigkeit und Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs in der Schweiz vorläufig aufzunehmen, subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das SEM zurückzuweisen.
In prozessualer Hinsicht beantragten die Gesuchstellenden insbesondere die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung sowie die Befreiung von der Kostenvorschusspflicht.
Die für dieses Beschwerdeverfahren E-3306/2024 eingesetzte Instruktionsrichterin Gabriela Freihofer wies in einer Zwischenverfügung vom
31. Mai 2024 die prozessualen Gesuche der Gesuchstellenden um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um Beiordnung eines amtlichen Rechtsbeistands unter Hinweis auf die Aussichtslosigkeit ihrer materiellen Rechtsbegehren ab. Die Gesuchstellenden wurden zur Leistung eines Kostenvorschusses aufgefordert (der später fristgerecht überwiesen wurde).
II.
In einer Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 10. Juni 2024 (Datum der Postaufgabe) beantragten die Gesuchstellenden vorab, Instruktionsrichterin Freihofer habe im Verfahren E-3306/2024 in den Ausstand zu treten; die Zwischenverfügung vom 31. Mai 2024 sei durch das Gericht aufzuheben; es sei die Zusammensetzung des Spruchkörpers des Beschwerdeverfahrens E-3306/2024 bekanntzugeben und dieses Verfahren sei bis zum Entscheid über das vorliegende Ausstandsbegehren zu sistieren. Es sei den Gesuchstellenden die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und ihr Rechtsvertreter als unentgeltlicher Rechtsbeistand einzusetzen; zudem seien die Gesuchstellenden von der Kostenvorschusspflicht zu befreien.
Das Präsidium der Abteilung V nahm das Schreiben der Gesuchstellenden als Ausstandsbegehren entgegen und teilte dieses dem vorsitzenden Richter zur Instruktion zu.
Mit Zwischenverfügung vom 12. Juni 2024 sistierte der Instruktionsrichter das Beschwerdeverfahren E-3306/2024 und gab den Gesuchstellenden dessen voraussichtliches Spruchgremium bekannt. Er brachte das Ausstandsbegehren Richterin Freihofer zur Kenntnis und bot ihr die Gelegenheit sich dazu zu äussern.
Richterin Freihofer nahm mit Eingabe vom 25. Juni 2024 Stellung zum Ausstandsbegehren. Sie bestritt ihre Befangenheit und beantragte die Abweisung des Ausstandsbegehrens.
Der Instruktionsrichter brachte den Gesuchstellenden die Stellungnahme der Instruktionsrichterin am gleichen Tag zur Kenntnis und bot ihnen Gelegenheit, sich dazu zu äussern.
Die Gesuchstellenden reichten am 9. Juli 2024 fristgerecht ihre Antwort zu den Akten und liessen darin an ihren Ausstandsbegehren festhalten.
Auf dem Gebiet des Asyls entscheidet das Bundesverwaltungsgericht
– in der Regel und auch vorliegend – endgültig über Beschwerden gegen Verfügung des SEM (vgl. dazu Art. 105 AsylG SR 142.31 i.V.m. Art. 31 und 33 VGG sowie Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Im Rahmen dieser Verfahren ist das Bundesverwaltungsgericht auch zur abschliessenden Beurteilung von Ausstandsbegehren zuständig (Art. 38 VGG i.V.m. Art. 37 BGG; vgl. BVGE 2007/4 E. 1.1). Für Ausstandsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kommen die entsprechenden Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes – konkret Art. 34–38 BGG – sinngemäss zu Anwendung (Art. 38 VGG).
Will eine Partei den Ausstand einer Gerichtsperson verlangen, hat sie dem Gericht ein schriftliches Begehren einzureichen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten hat (Art. 36 Abs. 1 BGG [erster Satz]). In der Gesuchseingabe vom 10. Juni 2024 wird die von Richterin Freihofer erlassene Zwischenverfügung vom 31. Mai 2024 thematisiert. Das Ausstandsbegehren erfolgte in der zu beachtenden Form sowie innert nützlicher Frist, nämlich innert zehn Tagen nach Erlass der erwähnten Zwischenverfügung (Art. 36 Abs. 1 BGG). Im Beschwerdeverfahren E-3306/2024 waren respektive sind die Gesuchstellenden Partei; sie sind damit zur Einreichung des Ausstandsbegehrens legitimiert.
Die formellen Anforderungen an ein Ausstandsbegehren sind erfüllt. Auf das Gesuch ist einzutreten.
Bestreitet der Richter beziehungsweise die Richterin, dessen oder deren Ausstand verlangt wird, den Ausstandsgrund, entscheidet die Abteilung unter Ausschluss der betroffenen Gerichtsperson über den Ausstand (Art. 37 Abs. 1 BGG). Der Entscheid ergeht in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern beziehungsweise Richterinnen (Art. 21 Abs. 1 VGG). In ihrer Stellungnahme vom 25. Juni 2024 hat Richterin Freihofer die Existenz eines Ausstandsgrundes bestritten.
Die Ausstandsregelung von Art. 34 ff. BGG gewährleistet den in Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verankerten Anspruch der rechtsunterworfenen Partei darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter beziehungsweise einer unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richterin ohne Einwirkung von sachfremden Umständen entschieden wird (vgl. BGE 134 I 238 E. 2.1 S. 240, BVGE 2007/5 E. 2.2 S. 38 f., je m.w.H.).
Gemäss Art. 34 Abs. 1 BGG treten Richter, Richterinnen, Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen in den Ausstand, wenn sie:
in der Sache ein persönliches Interesse haben;
in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsberater oder Rechtsberaterin einer Partei, als sachverständige Person oder als Zeuge beziehungsweise Zeugin, in der gleichen Sache tätig waren;
mit einer Partei, ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet sind oder in eingetragener Partnerschaft oder dauernder Lebensgemeinschaft leben;
mit einer Partei, ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert sind;
aus anderen Gründen, insbesondere wegen besonderer Freundschaft oder persönlicher Feindschaft mit einer Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin, befangen sein könnten.
Art. 34 Abs. 2 BGG hält fest, dass die Mitwirkung einer Gerichtsperson in einem früheren Verfahren für sich allein keinen Ausstandsgrund bildet.
Die Gesuchstellenden stützen ihr Ausstandsbegehren auf die Bestimmung von Art. 34 Abs. 1 Bst. e BGG ab und führen zur materiellen Begründung ihres Gesuchs im Wesentlichen Folgendes aus:
Gemäss gerichtlicher Praxis sei ein Richter oder eine Richterin nicht schon deswegen voreingenommen, weil er oder sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen habe; es müssten vielmehr weitere Gründe hinzutreten, um die Befangenheit des betreffenden Richters oder der betreffenden Richterin annehmen zu können. Dies sei namentlich dann gegeben, wenn der Richter oder die Richterin sich bei der Beurteilung eines Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bereits in einer Art festgelegt habe, dass Zweifel darüber bestehen, ob er oder sie einer anderen Bewertung der Sachund Rechtslage aufgrund weiterer Abklärungen noch zugänglich sei und der Verfahrensausgang noch offen erscheine.
Die Instruktionsrichterin habe sich im Rahmen des Instruktionsverfahrens auf eine Art und Weise vorbefasst, die den Anschein der Befangenheit erwecke. Sie habe sich bei der Begründung ihrer Zwischenverfügung in einer Art und Weise festgelegt, dass sie einer anderen Bewertung der Sachund Rechtslage nicht mehr zugänglich und der Verfahrensausgang nicht mehr offen erscheine. Vorliegend habe es die Instruktionsrichterin nicht ausgelassen, im Rahmen ihrer Zwischenverfügung nebst der summarischen Prüfung über die Einschätzung der Verfahrensaussichten, ein für die Gesuchstellenden negatives Urteil zu fällen respektive in diese
Richtung zu argumentieren. So halte sie an mehreren Stellen fest, dass den Ausführungen der Vorinstanz und nicht denjenigen der Gesuchstellenden zu folgen sei und gebe dabei letztlich immer der Vorinstanz Recht. Über ihre Zuständigkeit der Sachverhaltsfeststellung hinaus habe sie definitive und negative Feststellungen zum Nachteil der Gesuchstellenden getroffen, ohne eine differenzierte, ernsthafte und eingehende Prüfung vorgenommen zu haben. Dieses willkürliche und widerrechtliche Verhalten und die kategorisch negative Haltung der Instruktionsrichterin zeige klar auf, dass sie voreingenommen, mithin befangen und einer anderen Bewertung der Sachund Rechtslage nicht mehr zugänglich sei. Der Verfah rensausgang erscheine damit nicht mehr offen.
Instruktionsrichterin Freihofer habe sich angesichts ihrer Ausführungen offensichtlich bereits eine endgültige Meinung gebildet und basierend darauf die Aussichtslosigkeit der Beschwerdebegehren festgestellt. Sie habe nicht die nötige Distanz und Neutralität gewahrt und mit ihren Ausführungen beziehungsweise Erwägungen und Formulierungen den objektiven Anschein der Voreingenommenheit erweckt.
Instruktionsrichterin Freihofer hielt in ihrer Eingabe vom 25. Juni 2024 im Wesentlichen Folgendes fest:
Die blosse Tatsache, dass eine Instruktionsrichterin einen für den Beschwerdeführer nachteiligen Zwischenentscheid gefällt habe, genüge gemäss publizierter Praxis des Bundesverwaltungsgerichts nicht, um auf irgendeine Befangenheit zu schliessen, und stelle deshalb keinen Ausstandsgrund gemäss Art. 34 Abs. 1 Bst. e BGG dar. Zu prüfen sei praxisgemäss vielmehr, ob nach objektiven Gesichtspunkten eine Befangenheit vorliege, namentlich, ob der Verfahrensausgang durch den vorliegenden Entscheid über die Beurteilung des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bereits in einer Art festgelegt sei, dass die Instruktionsrichterin einer anderen Bewertung der Sachund Rechtslage nicht mehr zugänglich sei. Selbst allfällige richterliche Verfahrensfehler oder ein falscher Entscheid in der Sache könnten die Unabhängigkeit respektive Unparteilichkeit einer Richterin nur in besonders krassen Fällen in Frage stellen, nämlich dann, wenn objektiv gerechtfertigte Gründe zur Annahme bestünden, dass sich in diesen Rechtsfehlern gleichzeitig eine Haltung manifestiere, die auf fehlender Distanz und Neutralität beruhe.
In der Zwischenverfügung vom 31. Mai 2024 sei den Gesuchstellenden mitgeteilt worden, dass aufgrund einer summarischen Prüfung der
aktuellen Aktenlage keine Erfolgsaussichten ersichtlich seien. Bereits damit sei erkennbar gemacht worden, dass die Beurteilung des Gesuchs nicht abschliessend sei und gegebenenfalls eine andere Einschätzung vorbehalten bleibe. Bloss aufgrund einer abweichenden rechtlichen Beurteilung ihrer Vorbringen durch die Gesuchstellenden – und dementsprechend auch einer anderen Einschätzung der Gewinnchancen – könne noch nicht ohne Weiteres geschlossen werden, die zuständige Instruktionsrichterin habe sich bereits eine endgültige Meinung gebildet und sei nicht mehr in der Lage, unvoreingenommen ein Urteil zu fällen. Aus den Formulierungen der Zwischenverfügung vom 31. Mai 2024 ergebe sich nicht, dass die summarische Einschätzung der Sachlage den Verfahrensausgang im Verfahren E-3306/2024 präjudiziert und die Instruktionsrichterin einer anderen Bewertung der Sachund Rechtslage nicht mehr zugänglich wäre.
Diesem Ausstands-Tatbestand kommt nach Lehre und Praxis die Funktion einer Auffangklausel zu, die – über den Bereich der namentlich erwähnten besonderen sozialen Beziehungen zwischen einer Gerichts-
person und einer Partei hinausgehend – sämtliche weiteren Umstände abdeckt, welche den Anschein der Befangenheit einer Gerichtsperson erwecken und objektiv Zweifel an deren Unvoreingenommenheit zu begründen vermögen (vgl. dazu BGE 147 I 173 E. 5; ebenso ISABELLE HÄNER, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl., 2018, Art. 34, N. 16
und 17 m.w.H.).
Unter den Anwendungsbereich von Art. 34 Abs. 1 Bst. e BGG fallen unter anderem die mögliche Voreingenommenheit aufgrund der Vorbefassung mit einer Sache auf Stufe der Verfahrensinstruktion namentlich die Befassung mit Gesuchen um Anordnung vorsorglicher Massnahmen und die Befassung mit Gesuchen um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie (ausnahmsweise) richterliche Verfahrensfehler (vgl. HÄNER, a.a.O., Art. 34, N. 19 m.w.H.). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt ein Richter oder eine Richterin nicht schon deswegen als voreingenommen, weil er oder sie ein entsprechendes Gesuch wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen hat: Ein rechtsstaatliches Verfahren setzt regelmässig voraus, dass schon vor dem eigentlichen Sachentscheid prozessuale Anordnungen getroffen werden müssen, wozu auch die Behandlung von Gesuchen um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gehört. Dass das befasste Gerichtsmitglied in diesem Zusammenhang die Aussichten der Hauptsache abzuwägen hat, begründet für sich noch keine Voreingenommenheit, sondern ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Verfahrensordnung (vgl. dazu BGE 131 I 113 E. 3.7.1; ebenso BVGE 2007/5 E. 2 ff.).
Zur Annahme von Befangenheit müssen deshalb weitere Gründe hinzutreten. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der zuständige Richter oder die zuständige Richterin bei der Beurteilung des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege bereits in einer Art festgelegt hat, dass er oder sie einer anderen Bewertung der Sachund Rechtslage nicht mehr zugänglich ist und der Verfahrensausgang deswegen nicht mehr als offen erscheint (vgl. dazu BGE 131 I 113 E. 3.6 und BGE 148 IV 137 E. 5.5 m.H.). Dazu können bei-
spielsweise auch vor oder während des Prozesses abgegebene Äusserungen eines Richters beziehungsweise einer Richterin zählen, welche den Schluss zulassen, dass sich dieser beziehungsweise diese bereits eine feste Meinung über den Ausgang des Verfahrens gebildet hat (vgl. BGE 137 I 227 E. 2.1 m.w.H.).
Für die Ablehnung einer Gerichtsperson muss nicht deren tatsächliche Befangenheit nachgewiesen werden. Es genügt, wenn Umstände
glaubhaft gemacht werden, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BGG). Dabei ist indessen nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen, sondern das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss in objektiver Weise begründet erscheinen (vgl. BGE 139 I 121 E. 5.1, 137 I 227 E. 2 und 131 I 24 E. 1.1; Urteil BGer 4A_377/2014 vom 25. No-
vember 2014 E. 6.1).
Richterliche Verfahrensfehler oder ein falscher Entscheid in der Sache können die Unabhängigkeit respektive Unparteilichkeit eines Richters oder einer Richterin nur in Frage stellen, sofern objektiv gerechtfertigte Gründe zur Annahme bestehen, dass sich in den Rechtsfehlern gleichzeitig eine Haltung manifestiert, die auf fehlender Distanz und Neutralität beruht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss es sich dabei um besonders krasse Fehler oder wiederholte Irrtümer handeln, die eine schwere Verletzung richterlicher Pflichten darstellen und die sich einseitig zu Lasten einer der Prozessparteien auswirken können (vgl. BGE 125 I 119 E. 3e, 115 Ia 400 E. 3b und 116 Ia 135 E. 3a; Urteile BGer 1B_60/2008 vom 4. Juni 2008 E. 4 und 5A_206/2008 vom 23. Mai 2008 E. 2.2; HÄNER,
a.a.O. Art. 34 N. 19; bejaht beispielsweise in BGE 141 IV 178).
Dass eine besondere Freundschaft oder Feindschaft zwischen der Instruktionsrichterin und den Gesuchstellenden besteht, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil diese Personen sich offensichtlich nicht persönlich kennen; dies gilt auch für das persönliche Verhältnis zwischen der Instruktionsrichterin und dem Rechtsvertreter der Gesuchstellenden.
Bei Durchsicht der Zwischenverfügung vom 31. Mai 2024 im Verfahren E-3306/2024 fällt vorab auf, dass Instruktionsrichterin Freihofer darin zweimal explizit festhielt, die Frage der Erfolgsaussichten der Beschwerde (im Zusammenhang mit der Prüfung der Anträge der Gesuchstellenden auf Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung) seien im Rahmen einer summarischen Prüfung der Akten zu beurteilen (vgl. Zwischenverfügung
S. 3 4. und 6. Erwägung); sie hielt auch fest, ihre Beurteilung der Erfolgsaussichten beruhe auf den "heute vorliegenden Akten" (vgl. a.a.O. S. 3
6. Erwägung). Beides deutet bereits auf Offenheit in Bezug auf den Verfahrensausgang hin.
Bei der summarischen Beurteilung der Prozessaussichten verzichtete die Instruktionsrichterin überdies konsequent auf den Gebrauch indikativer Verbformen (wie beispielsweise: dass die Vorinstanz in ihrer Verfügung zu
Recht zur Erkenntnis gelangt ist, die Vorbringen der Beschwerdeführenden würden den Anforderungen […] nicht standhalten), sondern äusserte sich ausschliesslich in der Möglichkeitsform (dass die Vorinstanz in ihrer Verfügung zu Recht zur Erkenntnis gelangt sein dürfte, die Vorbringen der Beschwerdeführenden würden den Anforderungen […] nicht standhalten; vgl. Zwischenverfügung S. 3 8. Erwägung). Sie signalisierte den Gesuchstellenden auch auf diese Weise deutlich die grundsätzliche Offenheit des Gerichts, im Rahmen einer späteren einlässlichen (im Sinn von nichtsummarischen) Prüfung der Beschwerdevorbringen oder bei einer allfälligen nachträglichen Veränderung der Sachoder Aktenlage zu einem für sie günstigeren Ergebnis zu gelangen.
Richterinnen und Richter des Bundesverwaltungsgerichts haben keine parteipolitisch motivierte unprofessionelle Grundeinstellung oder weisen aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit eine Haltung auf, die fehlende Distanz und Neutralität zur Folge hat. Auch beim Verfahren E-3306/2024 ergeben sich keinerlei Hinweise auf Derartiges.
Das Vorgehen der Instruktionsrichterin beim Erlass dieser Zwischenverfügung lässt nicht auf ihre Befangenheit schliessen. Fehlerhaftes Verhalten muss sie sich ebenfalls nicht vorhalten lassen.
Für die beantragte Aufhebung der Zwischenverfügung vom 31. Mai 2024 besteht nach dem Gesagten keine Veranlassung. Das Ausstandsbegehren ist abzuweisen. Die Sistierung des Verfahrens E-3306/2024 ist aufzuheben.
Nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens sind die Akten zur Weiterführung des Beschwerdeverfahrens E-3306/2024 an Richterin Freihofer als zuständige Instruktionsrichterin zu überweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind den Gesuchstellenden die Kosten des Ausstandsverfahrens im Betrag von Fr. 750.– aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung sind infolge Aussichtslosigkeit der Ausstandsbegehren abzuweisen (Art. 65 Abs. 1 VwVG). Der Antrag, die Gesuchstellenden seien von der Kostenvorschusspflicht zu befreien, wird mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos.
Das Ausstandsbegehren wird abgewiesen.
Die Sistierung des Beschwerdeverfahrens E-3306/2024 wird aufgehoben. Die Akten werden zur Weiterführung dieses Verfahrens an die zuständige Instruktionsrichterin Freihofer überwiesen.
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung werden abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden den Gesuchstellenden auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an die Gesuchstellenden, an Instruktionsrichterin Freihofer und an das SEM.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Markus König Karin Parpan
Versand:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.