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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-2721/2020

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-2721/2020

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-2721/2020
Datum:08.08.2024
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Beilage; Beweis; Ermittlung; Verfahren; Verfahren; Dokument; Polizei; Beweismittel; Recht; Gericht; Bruder; Ermittlungs; Universität; Verfolgung; Dokumente; Verfügung; Vorinstanz; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Beschwerdeführers; Person; Türkei; Anhörung; Bruders; Übersetzung
Rechtsnorm: Art. 11 tStG;Art. 112 tStG;Art. 25 BV ;Art. 29 BV ;Art. 29 tStG;Art. 29930 tStG;Art. 32 VwVG ;Art. 35 VwVG ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 66 tStG;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:136 I 184
Kommentar:
Müller, Schindler, Auer, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Art. 13; Art. 8 BV BVG VwVG, 2012

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-2721/2020

U r t e i l v o m 8. A u g u s t 2 0 2 4

Besetzung Richter Lorenz Noli (Vorsitz), Richter Grégory Sauder, Richterin Esther Marti, Gerichtsschreiber Kevin Schori.

Parteien A. , geboren am (…), Türkei,

vertreten durch Christian Bignasca, Rechtsanwalt, Anwaltsgemeinschaft (…),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 16. April 2020 / N (…).

Sachverhalt:

A.

    1. Der Beschwerdeführer suchte am 16. August 2017 in der Schweiz um Asyl nach.

    2. Anlässlich der Befragung zur Person (BzP) vom 22. August 2017 und der Anhörung vom 17. Dezember 2019 machte er im Wesentlichen Folgendes geltend:

      Er sei kurdischer Ethnie und stamme aus B. , wo er mit seinen Eltern und (…) Geschwistern gelebt habe. In den Jahren 2013 und 2014 habe er ein Studium im Bereich (…) besucht. Von 2015 bis 2017 habe er an der Universität C. in B. (…) studiert. Die Studiengänge habe er ohne Diplom beendet.

      Am (…) habe er auf dem Bahnhofplatz von B. an einer Veranstaltung der Halklarn Demokratik Partisi (HDP, dt: Demokratische Partei der Völker) teilgenommen. Dabei seien zwei Bomben detoniert. Er habe sich auch an einer Hilfskampagne beteiligt, bei der für Kinder im syrischen Kobane Spielzeug gesammelt worden sei. Als er hierfür am (…) in D. gewesen sei, sei in der Nähe ebenfalls eine Bombe explodiert. Dabei seien er und seine damalige Freundin leicht verletzt worden. Daraufhin hätten er und andere Betroffene ein Verfahren gegen die Polizei von D. angestrebt, welches am (…) 2017 mit einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft beendet worden sei. Am (…) sei es zu einer weiteren Bombenexplosion in Ankara gekommen. Er und andere Studenten hätten dagegen am (…) an der Universität C. demonstriert und zum Boykott des Unterrichts aufgerufen.

      Zu Beginn des Jahres 2016 sei er wegen Verteilens von Flugblättern festgenommen und auf einen Polizeiposten gebracht worden, wo er geschlagen worden sei. Nach einer Stunde habe er wieder gehen können. Es habe sich um keine registrierte Festnahme gehandelt. Er müsse auch noch den Militärdienst leisten, was er jedoch nicht wolle.

      Der Boykottaufruf an der Universität C. im (…) habe später die Konsequenz gehabt, dass er von (…) bis (…) provisorisch respektive temporär exmatrikuliert respektive vom Unterricht ausgeschlossen worden sei. Er sei deswegen vom (…) an nicht mehr zur Universität gegangen. Stattdessen habe er zuhause in der Landwirtschaft und in einem Textilgeschäft gearbeitet.

      Am (…) 2016 sei er wegen des Vorwurfs, Propaganda für eine Terrororganisation gemacht zu haben, auf dem Polizeiposten befragt worden. Dabei sei ihm vorgeworfen worden, am (…) 2015 an einer Presseerklärung des E. teilgenommen zu haben, wobei gegen die Verhaftung von Personen im Umfeld dieser Organisation – darunter auch Mitglieder der von der türkischen Regierung als Terrororganisation eingestuften F. – protestiert worden sei. Obwohl er dabei gewesen sei, habe er eine Teilnahme abgestritten. Diese Anhörung habe indessen keine weiteren Konsequenzen nach sich gezogen. In der darauffolgenden Zeit sei er allerdings beschattet worden und habe sich deshalb in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt gefühlt.

      Im (…) 2017 habe er sich einen Reisepass ausstellen lassen. Am (…) 2017 sei er vom Gericht in B. per SMS zu einer Befragung am (…) 2017 vorgeladen worden. Dieser Aufforderung habe er jedoch keine Folge geleistet. Er wisse auch nicht, um was für ein Verfahren es dabei gehe.

      Am (…) 2017 habe er die Türkei illegal an Bord eines Lastwagens verlassen, der ihn in (…) Tagen in die Schweiz gefahren habe. Während der Reise sei er nie ausgestiegen und wisse daher nicht, durch welche Länder die Fahrt geführt habe. Am (…) 2017 sei er in der Schweiz angekommen. Der Reisepass sei ihm vom Schlepper abgenommen worden.

      Nach der Ausreise sei er zuhause gesucht worden. Seine Mutter habe der Polizei jedoch gesagt, dass er in der Schweiz sei. Am (…) 2019 hätten die Behörden seinen älteren Bruder festgenommen, weil sie ihn für den Beschwerdeführer gehalten hätten. Der Bruder habe am Abend den Polizeiposten verlassen können.

      Gegen ihn seien zwei Untersuchungen betreffend die Vorbereitung einer unerlaubten Veranstaltung und Beleidigung des Staatspräsidenten eingeleitet worden.

    3. Der Beschwerdeführer reichte folgende Beweismittel ein (jeweils in Kopie):

  • Ein Notenblatt der Universität mit einer Bestätigung über die vorübergehende Suspendierung vom Unterricht,

  • Verhörprotokoll vom (…) 2016,

  • Ausdruck der SMS-Gerichtsvorladung,

  • Unterlagen des Gerichtsverfahrens gegen das Innenministerium respektive die Polizeibehörden von D. (darunter ein Schreiben der Verteidigung

    vom […] 2017, ein Schreiben des Innenministeriums vom […] 2017, eine Mitteilung des Gerichts an den Beschwerdeführer über den Rücktritt des Rechtsvertreters vom […] 2017 sowie eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft vom […] 2017),

  • USB-Stick mit zwei Videos zum Vorfall betreffend seinen Bruder,

  • fünf Fotos (u.a. den Beschwerdeführer an Veranstaltungen sowie mit seinem Bruder zeigend),

  • zwei Screenshots eines Überwachungsvideos (die angebliche Verhaftung des Bruders am […] 2019 zeigend),

  • Bildausdruck betreffend die Teilnahme an einer Veranstaltung der «Samstagsmütter»,

  • Vorfallsbericht (unvollständig; 1 von 5 Seiten) und Trennungsentscheid der Staatsanwaltschaft vom (…) 2017, beide betreffend die Vorfälle an der C. Universität,

  • E-Mail-Auszug betreffend seine Teilnahme als Wahlbeobachter am (…) 2015,

  • Schreiben des Bruders an die Polizei, in welchem er um die Aushändigung einer Festnahmebestätigung ersucht.

    B.

    Mit Verfügung vom 16. April 2020 – eröffnet am 25. April 2020 – verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers und lehnte sein Asylgesuch ab. Gleichzeitig verfügte es seine Wegweisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug an.

    C.

      1. Mit Eingabe vom 22. Mai 2020 an das Bundesverwaltungsgericht erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Verfügung vom 16. April 2020 und beantragte deren vollumfängliche Aufhebung, die Anerkennung als Flüchtling und die Gewährung des Asyls, eventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung und weiteren Sachverhaltsabklärung. In prozessualer Hinsicht beantragte er die Gewährung der vollumfänglichen unentgeltlichen Rechtspflege unter Ernennung des rubrizierten Rechtsvertreters als unentgeltlicher Rechtsbeistand.

      2. Der Beschwerde lagen folgende Beweismittel bei (jeweils in Kopie):

  • Bescheinigung wirtschaftliche Sozialhilfe vom 11. Mai 2020 (Beilage 4),

  • Arbeitsvertrag vom 12. März 2020 (Beilage 5),

  • zwei Schreiben des Rechtsvertreters an die Vorinstanz vom 24. und 27. April 2020 mit Antwortschreiben der Vorinstanz vom 29. April 2020 (Beilagen 6-8),

  • Ausdruck einer Eingabemaske mit Pop-Up-Meldung (in schlechter Qualität, Beilage 9),

  • Referenzschreiben des türkischen Rechtsanwalts des Beschwerdeführers vom 15. Mai 2020 mit Übersetzung (Beilage 10),

  • Antrag der Oberstaatsanwaltschaft B._ (Ermittlungsbüro gegen Terrorismus) um Erlass eines Vorführbefehls vom […] 2019 mit Übersetzung (Beilage 11),

  • Beschluss des Friedensgerichts vom […] 2019 betreffend Vorführbefehle mit Übersetzung (Beilage 12),

  • drei Vorführbefehle («yakalama emri») vom (…) 2019 jeweils betreffend Propaganda für eine terroristische Organisation, «Verhinderung der Erziehungsund Lehrtätigkeit unter Einsatz von Gewalt oder Drohung» sowie «Verhinderung des Betretens oder Verbleibens in Gebäuden oder Nebengebäuden, wo die Schüler und Studenten sich gemeinsam befinden» mit Übersetzung (Beilagen 14-16),

  • Ausdruck der SMS-Gerichtsvorladung vom (…) 2017 (Beilage 13),

  • Mitteilung der Polizeidirektion an die Staatsanwaltschaft vom November 2018 (nicht genauer datiert) betreffend das Verfahren (…) mit Übersetzung (Beilage 17),

  • Mitteilung der Polizeidirektion an die Direktion für Terrorismusbekämpfung vom Oktober 2015 (nicht genauer datiert) betreffend die Vorfälle an der C. Universität vom (…) inklusive Beilagen (darunter ein unvollständiger Vorfallsbericht [«Olay Tutanagi»] mit Übersetzung, worin der Beschwerdeführer namentlich erwähnt wird [Seite 1 von 5]; ein unvollständiger Bericht über die Bilduntersuchung [«Görüntü inceleme ve tofograftan tespit tutanagi», Seite 1 von 5]); ein unvollständiger Bericht betreffend die Videoüberwachung [«Görüntü izleme ve inceleme tutanagi»] mit Übersetzung, worin der Beschwerdeführer mehrmals namentlich erwähnt wird [Seiten 1, 6, 10 und 13 von 18] sowie zwei Auszüge aus dem zentralen Bevölkerungsverwaltungssystem betreffend den Beschwerdeführer vom […]) (Beilage18),

  • Dokumente betreffend die Untersuchung Nr. (…) im Zusammenhang mit einer Demonstration in G._ vom (…) (darunter ein unvollständiges Dokument mit einer Zusammenfassung des Vorfalls mit Übersetzung, worin der Beschwerdeführer namentlich erwähnt wird [Seite 2 von 4]; ein Protokoll [«Tutanak»] vom […] 2016 mit Übersetzung; ein Schreiben der Staatsanwaltschaft an die Polizeidirektion der Provinz H. vom […] 2015; ein Einvernahmeprotokoll vom […] 2016; weitere drei Seiten aus einem Vorfallsbericht [Seiten 3 und 4 von 4]; ein weiterer Vorfallsbericht [3 von 3 Seiten] sowie zwei

    «Auftragsblätter» der Staatsanwaltschaft betreffend die Einvernahme

    [«Güvenlik sube müdürlügü cumhuriyet savcisiyla yapilan görüsme ve alinan talimatlar»] vom […] und […] 2015) (Beilage 19),

  • Schreiben der Polizeidirektion an die Staatsanwaltschaft B._ vom (…)

    2017 mit Übersetzung (Beilage 20),

  • zwei Schreiben der Staatsanwaltschaft B._ an die Polizeidirektion vom (…) 2018 und (…) 2018 im Zusammenhang mit den Vorfällen vom (…) an der Universität C._ mit Anhang (enthaltend zwei Polizeiberichte betreffend Sicherheitsmassnahmen sowie zwei Auszüge aus dem zentralen Bevölkerungsverwaltungssystem) (Beilagen 21 und 22),

  • Verfahrenstrennungsentscheid der Staatsanwaltschaft betreffend die Untersuchung Nr. (…) vom (…) 2020 mit Übersetzung (Beilage 23),

  • Schreiben der Polizei an den Bruder des Beschwerdeführers vom (…) 2020 betreffend dessen Gesuch um Akteneinsicht, mit Übersetzung (Beilage 24),

  • Auszug aus dem Strafregister des Bruders des Beschwerdeführers (Beilage 25),

  • Arztbericht vom (…) April 2020 (Beilage 26),

  • Referenzschreiben des kurdischen Kulturvereins Luzern vom (…) Mai 2020 (Beilage 27).

    D.

    Mit Verfügung vom 3. Juni 2020 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und amtlichen Rechtsverbeiständung gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und setzte den rubrizierten Rechtsvertreter als amtlichen Rechtsbeistand des Beschwerdeführers ein. Gleichzeitig lud es die Vorinstanz zur Einreichung einer Vernehmlassung ein.

    E.

    Mit Vernehmlassung vom 11. Juni 2020 hielt die Vorinstanz an ihrem Standpunkt fest und äusserte sich zu den auf der Beschwerdeebene eingereichten Beweismitteln.

    F.

    Mit Replik vom 31. Juli 2020 äusserte sich der Beschwerdeführer zur Vernehmlassung der Vorinstanz und hielt an seinen Rechtsbegehren fest.

    G.

    Mit Eingabe vom 6. August 2020 reichte der Beschwerdeführer eine aktualisierte Kostennote seines Rechtsvertreters ein.

    H.

    Mit Eingabe vom 29. September 2020 reichte der Beschwerdeführer ein Schreiben der Universität C. vom (…) 2016 (Empfangsdatum Beschwerdeführer) betreffend Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme hinsichtlich einer gegen ihn eröffneten Disziplinaruntersuchung infolge der Proteste an der Universität vom (…) ein (in Kopie, inkl. Übersetzung, Beilage 32).

    I.

    Mit Eingabe vom 27. Januar 2021 informierte der Beschwerdeführer über den Umzug seines Bruders in eine andere Stadt, angeblich infolge des polizeilichen Druckes. Hierzu reichte er eine Wohnsitzbestätigung des Bruders (in Kopie und doppelter Ausführung) ein (Beilage 33).

    J.

    Mit Schreiben vom 14. März 2022 reichte der Beschwerdeführer eine ergänzende Kostennote seines Rechtsvertreters ein.

    K.

    Mit Eingabe vom 4. August 2022 reichte der Beschwerdeführer weitere Beweismittel (einen abfotografierten UYAP-Auszug hinsichtlich der hängigen und abgeschlossenen Ermittlungsverfahren [Beilage 34], schriftliche Erklärung des Hauswarts über die Suche nach dem Beschwerdeführer inkl. Übersetzung und fünf Ausdrucken von Bildern einer Überwachungskamera [Beilage 35] sowie eine Ausweiskopie des Hauswarts [Beilage 36]) ein.

    L.

    Mit Schreiben vom 27. März 2023 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Zustellung der Replik an die Vorinstanz zur weiteren Stellungnahme respektive auf Vornahme eines ergänzenden Schriftenwechsels.

    M.

    Mit Eingabe vom 22. August 2023 machte der Beschwerdeführer geltend, gegen ihn seien im Zusammenhang mit den geschilderten Vorfällen weitere Strafverfahren eröffnet worden und es hätten sogar bereits mehrere Gerichtsverhandlungen stattgefunden. Die politische Verfolgung dauere demnach weiterhin an und sei nach wie vor aktuell. Es sei daher ein weiterer Schriftenwechsel vorzunehmen. Er reichte folgende Beweismittel ein:

  • Strafantrag betreffend Präsidentenbeleidigung vom (…) 2022 (bezugnehmend auf die Aktennummer […]) (Beilage 37),

  • Anklageschrift betreffend Präsidentenbeleidigung vom (…) 2022 (Untersuchungsnummer der Staatsanwaltschaft: […]; Anklagenummer: […]) sowie weitere, in weiten Teilen unleserliche, unvollständige Anklageschrift betreffend Präsidentenbeleidigung (Untersuchungsnummer der Staatsanwaltschaft: […]; Anklagenummer: […]; kein Datum ersichtlich) (Beilage 38),

  • Verfügung des Strafgerichts B. vom (…) 2022 betreffend die Anklageschrift vom (…) 2022 (Aktennummer: […]) (Beilage 39),

  • vier Verhandlungsprotokolle respektive Verfügungen des Strafgerichts B. vom (…) 2023, (…) 2022, (…) 2022 und (…) 2023 (Beilagen 40-

    42, 46),

  • Antrag des Strafgerichts B. an das Fahndungsbüro vom (…) 2023 inklusive Beilagen (darunter ein Schreiben der Generaldirektion für Recht und Gesetzgebung an das Strafgericht sowie ein Befragungsprotokoll des Beschwerdeführers vom […] 2016) (Beilage 43),

  • angeblich Antrag der Polizei an das Fahndungsbüro vom (…) 2022 (unleserlich, Beilage 44),

  • Bericht des Fahndungsbüros an das Strafgericht B. vom (…) 2022 inklusive unleserliches handschriftliches Schreiben als Beilage (soweit erkennbar unterzeichnet vom vorstehend unter Bst. K. erwähnten Hauswart) (Beilage 45).

N.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2023 ersuchte der Beschwerdeführer erneut um Vornahme eines ergänzenden Schriftenwechsels.

O.

Mit Schreiben vom 13. November 2023 reichte der Beschwerdeführer eine aktualisierte Kostennote seines Rechtsvertreters ein und äusserte sich zu seiner strafrechtlichen Verfolgung in der Türkei.

P.

Im Verlaufe des Verfahrens wurden diverse Unterstützungsschreiben von Drittpersonen zu den Akten gereicht.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG (SR 142.31) in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bis zu

      diesem Zeitpunkt gültige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).

    2. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    3. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    4. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

4.

    1. Die Vorinstanz kam in der angefochtenen Verfügung zum Schluss, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers den Anforderungen von Art. 3 AsylG an die Flüchtlingseigenschaft (Bombenexplosionen anlässlich der Teilnahme an Veranstaltungen, Suspendierung von der Universität, polizeiliche Befragungen im Jahr 2016, allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung) respektive denjenigen von Art. 7 AsylG an das Glaubhaftmachen (Beschattung durch Polizei, Abnahme des Reisepasses durch Schlepper, Reise in die Schweiz in einem Lastwagen) nicht zu genügen vermochten.

      1. Die Bombenexplosionen im Jahr (…) anlässlich der Teilnahme des Beschwerdeführers an Veranstaltungen und Demonstrationen seien im Lichte der teils schlechten Sicherheitslage in der Türkei zu sehen. So komme es insbesondere bei Grossveranstaltungen wie Demonstrationen oder Protesten immer wieder zu derartigen Ausbrüchen. Dabei handle es sich jedoch nicht um gezielt gegen ihn persönlich gerichtete Nachteile. Die Ereignisse hätten sich zudem rund zwei Jahre vor der Ausreise zugetragen und ihn damals offensichtlich nicht zur Flucht veranlasst. Es handle sich daher nicht um eine Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG.

        Sodann handle es sich bei der vorübergehenden Suspendierung von der Universität im (…) 2016 nicht um eine Massnahme, die ihm ein menschenwürdiges Leben in der Türkei verunmöglicht oder in unzumutbarer Weise erschwert hätte. Einerseits handle es sich hierbei um eine zeitlich begrenzte Massnahme, nach deren Ende er sein Studium hätte fortführen können. Dass er dies offenbar nicht gemacht habe, basiere wohl auf seiner persönlichen Entscheidung. Die Suspendierung habe sich sodann eineinhalb Jahre vor der Ausreise zugetragen und ihn damals offensichtlich nicht zur Ausreise bewogen. Sodann sei fraglich, ob diese Massnahme tatsächlich in einem Zusammenhang mit seinem Boykottaufruf gestanden habe. Gemäss dem eingereichten Universitätszeugnis seien seine Leistungen

        nämlich schlecht gewesen. Somit sei die zeitlich befristete Suspendierung nicht asylrelevant.

        Weiter habe er eine polizeiliche Befragung von einer Stunde Dauer im (…) 2016 nach dem Verteilen von Flugblättern und eine Befragung im (…) 2016 im Zusammenhang mit einer vermuteten Anwesenheit an einer Presseerklärung angeführt. Gemäss seinen Ausführungen hätten jedoch beide Ereignisse keine weiteren Massnahmen nach sich gezogen, sodass auch diese beiden Vorfälle keine genügende Intensität im Sinne von Art. 3 AsylG aufwiesen.

        Schliesslich handle es sich beim zu leistenden Militärdienst, dem er nicht nachkommen wolle, um eine staatsbürgerliche Pflicht. Eine allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung enthalte keine asylrelevante Verfolgungsmotivation gemäss Art. 3 AsylG.

      2. Weiter habe er vorgebracht, wegen seiner Aktivitäten beschattet worden zu sein. Auf Nachfrage habe er erklärt, er habe deshalb weder Freunde treffen noch an Festivals oder Veranstaltungen gehen können. Auf die Bitte um eine ausführlichere Darstellung habe er ausgeführt, immer von der Polizei beschattet worden zu sein, wenn er zum Beispiel mit anderen Personen an einer belebten Strasse zusammen gewesen sei; er sei dann jeweils bis zu seinem Haus beschattet worden. Seine Angaben seien damit jedoch wenig konkret geblieben, sodass nicht erkannt werden könne, dass er tatsächlich beschattet worden sei.

        Ferner habe er sich im (…) 2017 einen Reisepass ausstellen lassen. Er gebe damit zu erkennen, dass er sich damals nicht als verfolgt erachtet habe, ansonsten er von diesem Schritt abgesehen hätte. Auch die Behörden dürften kein Verfolgungsinteresse an ihm gehabt haben, ansonsten die Ausstellung des Dokuments verweigert worden wäre. Den Reisepass habe er den schweizerischen Asylbehörden nicht abgegeben und dies damit begründet, dass der Schlepper ihm den Reisepass abgenommen habe. Diese Darstellung sei jedoch stereotyp und führe zum Schluss, dass er dieses Dokument den Asylbehörden absichtlich vorenthalte, weil die darin enthaltenen Angaben der Art und Weise und dem Zeitpunkt der Reise entgegenstünden. In diesem Zusammenhang sei denn auch anzufügen, dass ihm die Reise in einem Lastwagen von der Türkei bis nach Bern, wobei er nie ausgestiegen sei, nicht geglaubt werden könne und weiter zur Annahme führe, dass er auf eine andere Weise in die Schweiz gereist sei.

      3. Schliesslich könnten auch die von ihm eingereichten Beweismittel den Sachverhalt nicht glaubhaft machen. Die Aufnahmen der angeblichen Festnahme seines Bruders bewiesen nicht, dass an seiner Stelle sein Bruder abgeführt worden sei. Falls darauf tatsächlich sein Bruder zu sehen sei, so könnte dieser auch aus eigenen, persönlichen Gründen von Beamten aus einem Gebäude geleitet worden sein. Schliesslich bleibe unerfindlich, wie er an Videoaufnahmen einer Polizeikamera hätte gelangen können. Die eingereichten Videos seien somit zum Beweis nicht tauglich.

Weiter gäben die eingereichten Bilder von ihm an Veranstaltungen zwar Hinweise auf seine Teilnahme, belegten das Bestehen einer Verfolgung aber nicht. Zur Befragung vom (…) 2016 habe er ein Verhörprotokoll eingereicht. Hierzu gebe er selber an, dass dieses Ereignis keine weiteren Massnahmen nach sich gezogen habe. Sodann sei der Ausdruck einer SMS-Gerichtsvorladung zum Beweis nicht tauglich, denn eine SMS könne ohne weiteres auch bearbeitet oder von einer Drittperson verschickt worden sein. Das von ihm und anderen Personen angestrebte Gerichtsverfahren gegen das Innenministerium stelle eine Massnahme gegen das Ministerium dar, nicht aber gegen ihn. Ferner gehe aus dem Inhalt des Dokuments vom (…) 2017 hervor, dass es um den Vorfall an der Universität gehe, als er den Unterricht gestört habe. Es gebe damit keinen Hinweis auf staatliche Verfolgungsmassnahmen aus politischen Gründen.

Die eingereichten Dokumente seien somit zum Beweis einer asylrelevanten Verfolgung nicht geeignet.

4.2

      1. In der Beschwerde vom 22. Mai 2020 rügte der Beschwerdeführer zunächst einen Ermessensmissbrauch respektive eine unvollständige und unrichtige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts durch die Vorinstanz. Das SEM habe seine Vorbringen von Anfang an als unglaubwürdig (recte: unglaubhaft) eingestuft und die Beweistauglichkeit der eingereichten Beweismittel verneint. Mit seiner missbräuchlichen Ermessensausübung verletze das SEM den Untersuchungsgrundsatz. Es habe von ihm das Erbringen des Beweises verlangt, obschon im Asylverfahren die Glaubhaftmachung als Massstab vorgesehen sei.

        Sodann sei dem Anhörungsprotokoll zu entnehmen, dass er mehrmals unterbrochen worden sei mit dem Hinweis, er werde über die konkreten Themen zu einem späteren Zeitpunkt befragt werden, was dann jedoch nicht gemacht worden sei. Ferner sei ihm im Entscheid vorgeworfen worden, zu

        gewissen Aspekten nicht detailliert genug ausgesagt zu haben; welche Aspekte dies gewesen sein sollten, sei im Rahmen der Anhörung allerdings nicht thematisiert worden. Es verstosse gegen den Untersuchungsgrundsatz sowie gegen Treu und Glauben, wenn von der asylsuchenden Person Mitwirkung verlangt werde, das SEM gleichzeitig aber ungenügenden Schilderungen nicht nachgehe und dann im Entscheid diese Lücken ausschliesslich zu Lasten der asylsuchenden Person werte. Die asylsuchende Person müsse auch nicht davon ausgehen, dass sie zu Beginn der Anhörung als unglaubwürdig betrachtet werde. Er habe sodann auch nie behauptet, dass die erlebten Bombenanschläge, die Suspendierung von der Universität oder der noch zu leistende Militärdienst asylrelevant seien; es gehe vielmehr um seine Verfolgung durch die Terrorpolizei. Die Ausserachtlassung der eingereichten Dokumente und die ungenügende Prüfung seiner Vorbringen hätten zu einer falschen Feststellung des Sachverhalts geführt. Das SEM stütze seine Erwägungen mehrmals auf unbegründete und realitätsfremde Behauptungen.

      2. Weiter habe sein Anwalt in der Türkei feststellen können, dass gegen ihn zwei Ermittlungen liefen und vier Untersuchungen eingestellt worden seien. Eine der zwei laufenden Ermittlungen sei im Jahr 2020 eröffnet worden. Unter anderem werde ihm Propaganda für eine Terrororganisation vorgeworfen. Im Falle einer Rückkehr in die Türkei drohe ihm die sofortige Festnahme sowie ein langes Strafverfahren. Da er der SMS-Vorladung des Gerichts keine Folge geleistet habe, seien am (…) 2019 drei Haftbefehle erlassen worden wegen des Verdachts der Propaganda für eine terroristische Organisation, der Verhinderung der Erziehungsund Lehrtätigkeit unter Einsatz von Gewalt oder Drohung sowie der Verhinderung des Betretens von oder Verbleibens in Gebäuden oder Nebengebäuden, wo die Schüler und Studenten sich gemeinsam befänden. Die Haftbefehle bestätigten seine im Rahmen der Anhörung gemachten Angaben, wonach ihm Propaganda für eine Terrororganisation vorgeworfen und er im Falle einer Rückkehr festgenommen werde. Die ihm vorgeworfenen Straftaten begründeten eine staatliche Verfolgung aus politischen Gründen und setzten ihn einer illegitimen Strafverfolgung aus. Auch die weiteren eingereichten Justizdokumente stünden mit grosser Wahrscheinlichkeit mit der Gerichtsvorladung in Zusammenhang. Das vermeintlich erste Dokument, welches zur Eröffnung der Untersuchung gegen ihn geführt habe (Dokument der Zweigstelle für Terrorismusbekämpfung, Beschwerdebeilage 18), zeige auf, dass zwischen dem (…) Informationen über die Teilnehmenden der Kundgebungen und Boykottaktionen sowie der daran beteiligten Gruppierungen gesammelt und anschliessend an die Staatsanwaltschaft

        weitergeleitet worden seien. Trotz der grossen Anzahl an Teilnehmenden sei sein Name in den Dokumenten mehrmals erwähnt worden. Es sei auch festgehalten worden, dass der Studentenverein – und darunter explizit auch er als dessen Mitglied – einen Aufruf in den sozialen Medien gemacht habe. Hervorzuheben sei ferner, dass er quasi in der Hauptrolle und als einer der verantwortlichen Personen geschildert werde.

        Im Rahmen der Untersuchung (…) – welche im Zusammenhang mit der Demo in I. vom (…) stehe – werde ihm zudem vorgeworfen, der in der Türkei für illegal erklärten Partei E. respektive deren Jugendbewegung anzugehören. Sodann sei er von der Polizei im Rahmen der Vorfälle an der Universität als verdächtige Person erfasst worden (Beschwerdebeilage 22). Das chronologisch letzte Dokument im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen ihn sei ein Verfahrenstrennungsentscheid (Beschwerdebeilage 23). Damit sei der Fall eröffnet worden, welcher im Schreiben des Rechtsanwalts als noch aktuell aufgeführt werde und der nach wie vor den Vorfall vom (…) betreffe. Als Gegenstand würden die Straftaten aufgeführt, welche auch Grundlage der drei Haftbefehle seien.

        Im Schreiben vom (…) 2018 (Beschwerdebeilage 17) werde festgehalten, dass er nicht habe angetroffen werden können. Die Polizei habe mehrmals bei seinen Eltern nach ihm gesucht und einmal seinen Bruder festgenommen, wozu er der Vorinstanz Videoaufnahmen eingereicht habe. Diese stammten entgegen der Behauptung des SEM von einer privaten Kamera und nicht von einer Polizeikamera. Er habe sodann eine Kopie des Schreibens seines Bruders vom (…) 2019 eingereicht, in welchem dieser um Herausgabe des im Rahmen seiner Festnahme und Befragung verfassten Berichts ersucht habe. Das SEM habe diesen Vorbringen und Dokumenten keinen Beweiswert zugesprochen. Sodann habe er mit Eingabe vom

        24. April 2020 ein Schreiben der Polizei vom (…) 2019 (betreffend die Anfrage des Bruders) sowie eine Kopie des leeren Strafregisterauszuges seines Bruders eingereicht. Im Schreiben der Polizei werde die Festnahme des Bruders bestätigt, die Herausgabe des dazugehörigen Berichts sei jedoch mit Verweis auf Art. 25 des Informationsgesetzes verweigert worden, der Bericht sei geheim. Dies spreche für seine Schilderungen in der Anhörung, wonach der Bruder an seiner Stelle festgenommen worden sei. Die Tatsache, dass der Bruder grundlos festgenommen worden sei, nachdem die Polizei mehrmals bei der Familie vorgesprochen und nach ihm (dem Beschwerdeführer) gesucht habe, sei ein deutliches Zeichen für das Bestehen einer Verfolgung.

        Die eingereichten Dokumente untermauerten seine Schilderungen anlässlich der Befragungen. Es sei somit bewiesen, dass er im Falle einer Rückkehr festgenommen und mit grosser Wahrscheinlichkeit einer illegitimen Strafverfolgung ausgesetzt sein werde. Die Vorwürfe beträfen Handlungen, welche im Rahmen der Universalrechte der Meinungsäusserungsfreiheit und Versammlungsfreiheit von der Türkei als Straftaten angesehen und als Terrorakte verfolgt würden. Dass er sich mit der Flucht ins Ausland einer Strafverfolgung entzogen habe, würde eine allenfalls auszusprechende Strafe erhöhen. Es sei somit von einer asylrelevanten Verfolgung auszugehen. Die Haftbefehle zeigten, dass keine innerstaatliche Fluchtalternative existiere.

      3. Die Beschattung durch die Polizei als Verfolgungsmassnahme stelle die relevante Verfolgung dar, welche auf den Ermittlungen im Zusammenhang mit politischen Straftaten basierten. Er habe nie geltend gemacht, dass die Bombenanschläge ihm gegolten hätten, oder dass er aus diesem Grund die Flucht ergriffen habe, obschon diese Ereignisse sehr traumatisierend gewesen seien. Ebenso sei die Suspendierung von der Universität nicht Ursache seiner Flucht gewesen. Die Suspendierung zeige jedoch, dass er aufgrund der Blockadeaktion in Erscheinung getreten sei. Ob die Suspendierung auf Antrag der Polizei angeordnet worden sei, könne nicht gesagt werden. Es sei allerdings klar, dass er ab (…) den türkischen Behörden aufgefallen und als Hauptakteur der Aktionen vom (…) eingestuft worden sei. Dass er in der Folge von der Polizei beschattet worden sei, sei nachvollziehbar. Die Argumentation des SEM im Zusammenhang mit der Suspendierung sei realitätsfremd und stossend. Dem Notenblatt sei zu entnehmen, dass Disziplinarmassnahmen vorhanden gewesen seien. Das Notenblatt sei sodann im Jahr 2017 ausgestellt worden und damit zu einem Zeitpunkt, als er nicht mehr zur Universität gegangen sei. Es sei offensichtlich, dass die Noten 0 aus der Zeit stammten, als er die Universität nicht mehr besucht habe. Zudem sei auch die Schlussfolgerung des SEM hinsichtlich des Notendurchschnitts falsch.

Ferner handle es sich beim Argument des SEM, er halte den Asylbehörden absichtlich seinen Reisepass vor, weil die darin enthaltenen Angaben seinen Aussagen entgegenstehen würden, um eine reine Behauptung. Das SEM hätte ihn im Rahmen der Anhörung detailliert dazu befragen können. Den Reisepass habe er zudem vor seiner Ausschreibung zur Festnahme beantragt. Es sei davon auszugehen, dass erst nach der Vorladung und somit nach der offiziellen Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen ihn eine Schriftensperre angeordnet worden wäre. Aufgrund der eingereichten

Beweismittel sei jedoch klar, dass er zur Verhaftung ausgeschrieben worden sei.

    1. In der Vernehmlassung hielt die Vorinstanz fest, dass die Beschwerde keine neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel enthalte, welche eine Änderung ihres Standpunktes rechtfertigen könnte. Zu den eingereichten neuen Beweismitteln äusserte sie sich wie folgt:

      Deren Einreichung im erstinstanzlichen Asylverfahren wäre zeitlich möglich gewesen. Weiter stehe fest, dass die Dokumente im Zusammenhang mit den Haftbefehlen (Beschwerdebeilagen 11-17) lediglich deswegen verfasst worden seien, weil der Beschwerdeführer zu einer Befragung zu erscheinen habe. Auch stehe auf sämtlichen Dokumenten in Grossbuchstaben ausdrücklich, dass die zu befragende Person nach der Anhörung wieder freizulassen sei. Somit könne lediglich aufgrund des Umstands, dass der Beschwerdeführer befragt werden solle, nicht von einer asylrelevanten Verfolgung ausgegangen werden. Der jeweilige Vermerk einer Freilassung nach der Anhörung weise auch auf ein rechtstaatlich geführtes Verfahren hin. Zudem sei der Vorwurf – Hinderung anderer Studenten am Betreten der Hochschule – gemeinrechtlicher Natur. Die übrigen Dokumente seien teils von schlechter Qualität (Beilage 18) oder unvollständig (Beilage 19) und die Übersetzungen bloss summarisch beziehungsweise unverständlich oder fehlend (Beilagen 18-23, 25). Soweit verständlich, gehe es aber um dieselbe Sache. Was die Kurzfestnahme des Bruders betreffe, so könne auch mit den neu eingereichten Dokumenten nicht bewiesen werden, dass diese in Wahrheit dem Beschwerdeführer gegolten habe (Beilage 24). Dass ihm ein Bericht nicht ausgehändigt worden sei, werde damit begründet, dass dieser nicht relevant sei.

    2. Dem entgegnete der Beschwerdeführer in seiner Replik, dass das SEM nicht gewillt sei, die neu eingereichten Beweismittel zu berücksichtigen. Indem es auf seinen Behauptungen beharre, verletze es das rechtliche Gehör, den Untersuchungsgrundsatz und das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK. Es habe ihn im Rahmen des Asylverfahrens generell als unglaubwürdig erachtet und diverse Hypothesen aufgestellt, um die eingereichten Beweismittel gegen ihn zu verwenden. Die Einreichung der Haftbefehle und der weiteren Dokumente führten jedoch dazu, dass das Bild des SEM von ihm komplett anders sein müsse. Seine Begründung im Zusammenhang mit der Festnahme des Bruders diene nichts zur Sache und zeige eine ungenügende Auseinandersetzung mit den Fakten, was zu einer falschen, wenn nicht sogar willkürlichen Sachverhaltsfeststellung

führe. Sodann sei die Behauptung des SEM nicht nachvollziehbar, es handle sich um ein rechtstaatlich geführtes Verfahren, nur weil eines der ihm vorgeworfenen Delikte zum Teil gemeinrechtlicher Natur sei. Die massgebenden Punkte seien nicht berücksichtigt worden: Ihm werde zu Unrecht vorgeworfen, Mitglied einer Terrororganisation zu sein, was eine illegitime Strafverfolgung nach sich ziehe. Die Berufung des SEM auf den Satz in den Haftbefehlen, wonach die Person nach der Befragung sofort zu entlassen sei, sei willkürlich. Dieser Satz beziehe sich auf den Fall, dass er nach der Festnahme nicht innerhalb von 24 Stunden der zuständigen Staatsanwaltschaft in B. überführt werden könne. Dem Schreiben des türkischen Anwalts sei zu entnehmen, dass ihm eine illegitime Strafverfolgung drohe. Aufgrund der Haftbefehle sei erstellt, dass er im Falle einer Rückkehr mit einer Festnahme zu rechnen habe und sich dieser nicht werde entziehen können. Weder im Rahmen des Asylverfahrens noch in der Vernehmlassung habe sich das SEM mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Seine Ausführungen genügten den Anforderungen an die Substanziierungspflicht und das rechtliche Gehör nicht. So habe es sich nicht mit dem entscheidenden Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und den Folgen daraus auseinandergesetzt. Sodann möge zwar stimmen, dass die Einreichung der Beweismittel zeitlich früher hätte stattfinden können, das SEM hätte ihn aber auch darauf hinweisen können, dass er solche Dokumente zu beschaffen habe und ihn dazu auffordern können, eine Anwältin oder einen Anwalt in der Türkei beizuziehen.

Ferner führe die grundlose Verhaftung des nicht vorbestraften Bruders und die von den türkischen Behörden verweigerte Herausgabe eines Berichts zur Annahme, dass er von den Behörden gesucht werde und die gegen ihn geführte Untersuchung weder als rechtsstaatlich noch transparent angesehen werden könne.

Aufgrund der Ausführungen in der Beschwerde und den eingereichten Dokumenten könne seine Glaubwürdigkeit nicht mehr in Frage gestellt werden. Es bestehe eine Verfolgung. Ein Teil der Verfolgung betreffe Vorwürfe, welche in der Türkei eine illegitime Strafverfolgung zur Folge haben könnten. Es liege daher auf der Hand, dass der angefochtene Entscheid auf einem unrichtigen Sachverhalt basiere und den Anforderungen an das rechtliche Gehör nicht gerecht werde, zumal sich das SEM auf – von seinen Vorbringen abweichende – Behauptungen stütze. Allgemein könne zurzeit in der Türkei im Zusammenhang mit oppositionell tätigen Beschuldigten insbesondere kurdischer Ethnie von rechtstaatlichen Verfahren nicht die Rede sein. Gegen den unzutreffenden Vorwurf, einer als illegal

eingestuften Organisation anzugehören und Propaganda dafür gemacht zu haben, werde er sich kaum wirksam wehren können. Bei dieser Ausgangslage sei von einer asylrelevanten Verfolgung auszugehen.

5.

5.1 In der Beschwerde und der Replik wurden verschiedene formelle Rügen erhoben. Nach Ansicht des Beschwerdeführers habe das SEM den falschen Beweismassstab angewandt, sein Ermessen missbräuchlich ausgeübt und dadurch den Sachverhalt falsch festgestellt. Wesentliche Sachumstände seien nicht berücksichtigt, unbegründete Behauptungen aufgestellt und dadurch die Begründungspflicht verletzt worden.

Diese formellen Rügen sind vorab zu beurteilen, da sie allenfalls geeignet wären, eine Kassation der angefochtenen Verfügung zu bewirken.

5.2

      1. Im Verwaltungsverfahren im Allgemeinen und auch im Asylverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz, das heisst die Behörde stellt den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen fest (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 12 VwVG; Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG). Für das erstinstanzliche Asylverfahren bedeutet dies, dass das SEM zur richtigen und vollständigen Ermittlung und zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts verpflichtet ist und auch nach allen Elementen zu forschen hat, die zugunsten der asylsuchenden Person sprechen. Der Untersuchungsgrundsatz gilt nicht uneingeschränkt, zumal er sein Korrelat in der Mitwirkungspflicht des Asylsuchenden findet (Art. 13 VwVG und Art. 8 AsylG; vgl. BVGE 2012/21 E. 5.1 ; CHRISTOPH AUER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, Art. 12 Rz. 8).

        Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 29 VwVG, Art. 32 Abs. 1 VwVG) verlangt, dass die verfügende Behörde die Vorbringen des Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt, was sich entsprechend in der Entscheidbegründung niederschlagen muss (Art. 35 Abs. 1 VwVG). Die Begründung eines Entscheides muss so abgefasst sein, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann, was nur der Fall ist, wenn sich sowohl der von der Verfügung Betroffene als auch die Rechtsmittelinstanz über die Tragweite des Entscheids ein Bild machen können. Die verfügende Behörde kann sich auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränken, hat aber wenigstens kurz die Überlegungen anzuführen, von denen sie sich leiten liess und auf die sie ihren Entscheid abstützte. Die

        Begründungsdichte richtet sich dabei nach dem Verfügungsgegenstand, den Verfahrensumständen und den Interessen des Betroffenen, wobei bei schwerwiegenden Eingriffen in die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen eine sorgfältige Begründung verlangt wird (vgl. BGE 136 I 184 E. 2.2.1; BVGE 2008/47 E. 3.2; 2007/30 E. 5.6; LORENZ KNEUBÜHLER in:

        Kommentar zum VwVG, a.a.O., N. 6 ff. zu Art. 35)

      2. Der angefochtenen Verfügung ist nicht zu entnehmen, dass das SEM den Massstab des Glaubhaftmachens nach Art. 7 AsylG falsch respektive nicht angewandt und stattdessen faktisch vom Beschwerdeführer verlangt hätte, seine Vorbringen strikt zu beweisen. Zwar führte es hinsichtlich der eingereichten Beweismittel aus, diese seien «zum Beweis» einer asylrelevanten Verfolgung nicht geeignet und verneinte an mehreren Stellen deren Beweistauglichkeit (vgl. a.a.O. Ziff. II.6: «Wesentlich ist, dass die Aufnahmen nicht beweisen, dass an Ihrer Stelle Ihr Bruder abgeführt worden ist»,

        «Somit sind die eingereichten Videos zum Beweis nicht tauglich», «Die Bilder von Ihnen an Veranstaltungen […] belegen aber das Bestehen einer Verfolgung nicht», «Der Ausdruck einer Gerichtsvorladung per SMS ist zum Beweis nicht tauglich […]»; vgl. auch Vernehmlassung S. 2: «[…] so kann auch mit den neu eingereichten Dokumenten nicht bewiesen werden, dass [die Festnahme des Bruders] in Wahrheit dem Beschwerdeführer gegolten habe […]»). Die Auseinandersetzung mit den Beweismitteln erfolgte in der angefochtenen Verfügung aber ausdrücklich mit Blick auf die Glaubhaftigkeit der Vorbringen (vgl. a.a.O.: «Beweismittel sind untauglich, wenn sie den Sachverhalt nicht glaubhaft machen können.»; vgl. auch den einleitenden Textbaustein zur Glaubhaftmachung gemäss Art. 7 AsylG auf

        S. 5). Gesamthaft betrachtet sind der angefochtenen Verfügung keine Hinweise auf die Anwendung eines strengeren Beweismassstabs als Art. 7 AsylG zu entnehmen. Sodann nahm die Vorinstanz im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Vorbringen hinsichtlich der angeblichen Beschattung durch die Polizei sowie der Reise von der Türkei in die Schweiz in klarer Anwendung des Beweismassstabs des Glaubhaftmachens Bezug auf die protokollierten Aussagen des Beschwerdeführers (vgl. a.a.O. Ziff. II.4 f.).

      3. Im Weiteren hat sich das SEM in rechtsgenügender Weise mit den Kernvorbringen auseinandergesetzt. Es hat die Vorbringen hinsichtlich einer Beschattung durch die Polizei gemäss Art. 7 AsylG auf ihre Glaubhaftigkeit und sämtliche im Zeitpunkt des Asylentscheids vorliegenden Beweismittel auf ihre Relevanz hin geprüft (vgl. angefochtener Entscheid Ziff. II.4 und II.6). Im Rahmen der Vernehmlassung setzte es sich sodann

        in zwar summarischer, aber rechtsgenügender Weise mit den auf Beschwerdeebene eingereichten – und ihm entsprechend bisher nicht bekannten – Beweismitteln und den entsprechenden Vorbringen auseinander. Der Umstand, dass es hierbei das Verfahren betreffend Propaganda für eine Terrororganisation nicht explizit erwähnte, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist daraus nicht zu schliessen, das SEM sei der Ansicht, dass es sich hierbei – analog dem Verfahren betreffend Hinderung anderer Studenten am Betreten der Hochschule – um ein gemeinrechtliches Verfahren handle, sondern lediglich, dass es diesem keine entscheidwesentliche Relevanz beimass. Hinsichtlich des vorinstanzlichen Arguments, die Universität habe ihm wohl mehr Zeit zum Lernen geben wollen und ihn deshalb suspendiert, ist mit dem Beschwerdeführer zwar festzustellen, dass diese Vermutung nicht auf einer belastbaren Aktengrundlage basiert. Ob die Interpretation des eingereichten Notenblatts durch die Vorinstanz aber korrekt ist, betrifft die Frage nach der materiellen Richtigkeit des angefochtenen Entscheids. Dies gilt auch für die weiteren Schlussfolgerungen des SEM, mit denen sich der Beschwerdeführer nicht einverstanden erklärt (insb. hinsichtlich des Grundes für die Verhaftung des Bruders und der asylrechtlichen Relevanz der Ermittlungsund Strafverfahren), welche nachfolgend im materiellen Teil zu beurteilen sein werden und nicht die formelle Richtigkeit des angefochtenen Entscheids beschlagen (vgl. hierzu nachfolgend E. 6.4 ff.). Alleine darin, dass das SEM aus sachlichen Gründen zu einer anderen Würdigung der Gesuchsvorbringen beziehungsweise eines Beweismittels gelangt als der Beschwerdeführer, liegt weder eine falsche Sachverhaltsfeststellung noch ein Ermessensmissbrauch.

      4. Weiter rügte der Beschwerdeführer, er sei an der Anhörung mehrmals unterbrochen worden respektive seien Aspekte gar nicht thematisiert worden, zu welchen er nach Ansicht des SEM nicht detailliert genug ausgesagt habe. Dieser Vorwurf erweist sich nach Prüfung des Anhörungsprotokolls und insbesondere der vom Beschwerdeführer diesbezüglich angeführten Protokollstellen als haltlos. Wo er einmal im Rahmen einer Frage zu seiner persönlichen Biografie unterbrochen wurde (vgl. vorinstanzliche Akten A19 F42-44) handelt es sich um einen legitimen und notwendigen Hinweis auf die spätere Möglichkeit, über die Asylgründe vertieft zu sprechen. Dieser

«Unterbruch» seitens des SEM diente offensichtlich dem Zweck der geordneten Befragungsführung. Weitere Unterbrüche im eigentlichen Sinn lassen sich dem Protokoll nicht entnehmen. Sodann erhielt der Beschwerdeführer im zweiten Teil der Anhörung Gelegenheit, vertieft und ausführlich über seine Asylgründe zu sprechen (vgl. A19 F64 ff.). Hierbei wurde explizit

nochmals der von ihm im Rahmen der Frage zu seiner Biografie erwähnte Bombenanschlag aufgegriffen (vgl. a.a.O. F106). Sodann wurden auch die eingereichten Dokumente im weiteren Verlauf der Anhörung übersetzt und ausführlich thematisiert (vgl. a.a.O. F51, F71-78, F83-90, F115 f.). Schliesslich bejahte er am Ende der Anhörung die Frage, ob er alles habe sagen können, was er für sein Asylgesuch als wesentlich erachte (vgl. a.a.O. F127). Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern gewisse Themen nicht gebührend thematisiert worden seien respektive dem Beschwerdeführer nicht ausreichend Gelegenheit gegeben worden wäre, diese zu besprechen. Bezeichnenderweise wurden diese Themenaspekte in der Beschwerde weder explizit benannt noch ausgeführt. Schliesslich geht auch aus der angefochtenen Verfügung klar hervor, auf welche Protokollstellen sich die Vorinstanz im Rahmen der Würdigung der Glaubhaftigkeit bezog, auch wenn die konkreten Fragenummern nicht explizit benannt wurden.

5.3 Nach dem Ausgeführten erweisen sich die formellen Rügen als unbegründet. Das SEM hat den rechtserheblichen Sachverhalt vollständig und korrekt erstellt und den angefochtenen Entscheid rechtsgenügend begründet. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht ersichtlich. Eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz fällt daher ausser Betracht und das Gericht entscheidet in der vorliegenden Sache materiell.

6.

    1. Die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG erfüllt eine asylsuchende Person nach Lehre und Rechtsprechung dann, wenn sie Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungsweise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft begründeterweise befürchten muss, welche ihr gezielt und aufgrund bestimmter Verfolgungsmotive durch Organe des Heimatstaates oder durch nichtstaatliche Akteure zugefügt worden sind beziehungsweise zugefügt zu werden drohen (vgl. BVGE 2008/4 E. 5.2). Begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG liegt vor, wenn konkreter Anlass zur Annahme besteht, letztere hätte sich – aus der Sicht im Zeitpunkt der Ausreise – mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zeit verwirklicht oder würden sich

      – aus heutiger Sicht – mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft verwirklichen (vgl. BVGE 2010/57 E. 2.5).

    2. Nach Prüfung der Akten gelangt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die angefochtene Verfügung im Resultat zu stützen ist. Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG darzulegen. Weder die auf Beschwerdeebene eingereichten

      Beweismittel noch die entsprechenden Vorbringen vermögen an dieser Einschätzung etwas zu ändern.

    3. Eingangs sind im Sinne einer Auslegeordnung die vorliegend relevanten Sachverhaltsaspekte und Beweismittel zu ermitteln, welcher der nachfolgenden Prüfung der flüchtlingsrechtlichen Beachtlichkeit (vgl. E. 6.4 ff.) zugrunde gelegt werden.

      1. Zunächst ist festzustellen, dass die zutreffende vorinstanzliche Schlussfolgerung, wonach die Bombenexplosionen im Jahr (…), die polizeilichen Befragungen im (…) und (…) 2016, der noch zu leistende Militärdienst sowie die temporäre Suspendierung von der Universität die Anforderungen von Art. 3 AsylG an die flüchtlingsrechtliche Beachtlichkeit nicht erfüllen, unbestritten blieb. Der Beschwerdeführer betonte auf Beschwerdeebene denn auch explizit, dass diese Ereignisse ihn nicht zur Flucht bewogen hätten (vgl. Beschwerde S. 6, 10 f.). Auf eine ausführliche Würdigung dieser Sachverhaltsaspekte kann daher verzichtet und auf die entsprechenden Erwägungen in der angefochtenen Verfügung verwiesen werden (vgl. a.a.O. Ziff. II.1-3). Wo erforderlich, wird nachfolgend auf einzelne Aspekte gesondert eingegangen. Die polizeilichen Befragungen im Jahr 2016 sind sodann im Rahmen der Beurteilung des Risikoprofils des Beschwerdeführers zu berücksichtigen.

      2. Den eingereichten Dokumenten ist zu entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft insgesamt (…) Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet hat, wobei hiervon (…) bereits abgeschlossen wurden (davon […] infolge Verfahrenseinstellung, […] durch Verfahrensvereinigung und […] weitere mittels Anklageerhebung, vgl. Zusammenstellung des türkischen Rechtsvertreters, Beilage 10, sowie die mit Eingabe vom

        4. August 2022 eingereichte Fotografie eines UYAP-Auszugs vom 29. Juli 2022, Beilage 34).

        Auf dem (vermutungsweise unvollständigen) UYAP-Auszug nicht ersichtlich sind allerdings die Ermittlungsverfahren mit den Nummern (…), (…) und (…), welche sich aus den eingereichten Justizdokumenten ergeben. Ersteres betrifft die Ermittlungen zu den Ereignissen vom (…) an der Universität (hinsichtlich der Straftaten «Propaganda für eine Terrororganisation», «Verhinderung der Erziehungsund Lehrtätigkeit unter Einsatz von Gewalt oder Drohung» sowie «Verhinderung des Betretens von oder Verbleibens in Gebäuden oder deren Nebengebäuden, wo die Schüler und Studenten sich gemeinsam befinden»). Diesem Verfahren entstammen

        auch die drei Vorführbefehle vom (…) 2019 sowie der spätere Trennungsbeschluss vom (…) 2020, mit welchem das gemäss UYAP-Auszug noch hängige Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (Ermittlungsnummer: […]) eröffnet wurde. Dieses betrifft soweit ersichtlich dieselben Straftatbestände wie das Verfahren (…). Aktuellere oder zusätzliche Dokumente betreffend die Ermittlung (…) wurden nicht eingereicht. Beim Ermittlungsverfahren (…) handelt es sich sodann um das Verfahren, welches vom Beschwerdeführer und anderen Mitklägern gegen die Polizei respektive das Innenministerium von D. angestrebt und per Verfügung vom (…) 2017 eingestellt wurde (vgl. A19 F89). Das Ermittlungsverfahren (…) bezog sich sodann auf die Straftatbestände des Art. 112 tStGB (türkisches Strafgesetzbuch; namentlich «Verhinderung der Erziehungsund Lehrtätigkeit unter Einsatz von Gewalt oder Drohung» sowie «Verhinderung des Betretens von oder Verbleibens in Gebäuden oder deren Nebengebäuden, wo die Schüler und Studenten sich gemeinsam befinden»), derer der Beschwerdeführer im Rahmen der Proteste an der Universität beschuldigt wurde respektive wird. Dieses resultierte nach Trennungsbeschluss vom (…) 2017 im Ermittlungsverfahren (…), zu welchem keinerlei Beweismittel eingereicht wurden.

        Die zweite – im Zeitpunkt der Erstellung des UYAP-Auszugs – hängige Ermittlung mit der Nummer (…) betrifft gemäss Beschwerde die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation (vgl. Beschwerde Ziff. 4.2.3). Dieser Schluss lässt sich jedoch auf Grundlage der eingereichten Dokumente nicht ziehen, worin lediglich von einem Verstoss gegen das Versammlungsund Demonstrationsgesetz («Toplanti ve gösteri yürüyüşleri kanunu», Gesetz Nr. 2911) im Rahmen der Proteste vom (…) die Rede ist (vgl. Beilage 19, insb. «Tutanak» vom […] 2016). Anlässlich der Anhörung nahm der Beschwerdeführer vermutlich auf diese Ermittlung Bezug (in deren Rahmen er einmal befragt wurde, vgl. Vernehmungsprotokoll [«Sorgulama Tutanagi»] vom […] 2016, Beilage 19), indem er ausführte, dass «gegen Ende 2015 eine andere Untersuchung eingeleitet [wurde], mit dem Vorwurf des Verstosses gegen das Veranstaltungsgesetz, also unerlaubte Veranstaltungen zu organisieren» (vgl. A19 F111). Die hierzu eingereichten Dokumente sind sodann zum einen unvollständig und zum anderen stammt das aktuellste Dokument vom (…) 2016 und ist damit über acht Jahre alt (vgl. Beilage 19, «Tutanak» vom […] 2016). Ein konkreter Tatvorwurf lässt sich diesen nicht entnehmen. Weitere (aktuelle) Beweismittel hierzu wurden ebenfalls keine eingereicht. Im Übrigen erstaunt, dass der Beschwerdeführer anlässlich der Befragungen zu keinem Zeitpunkt die Teilnahme an der Kundgebung vom (…) erwähnt hat, zumal er hierzu gar von der

        Staatsanwaltschaft vorgeladen und befragt worden sei (vgl. Einvernahmeprotokoll vom […] 2016, Beilage 19). Anlässlich der Anhörung erwähnte er lediglich eine Presseerklärung der E. vom (…) (vgl. A19 F74-78). Darüber hinaus handelt es sich bei der E. – im Gegensatz zur

        F.

        • entgegen dem Einwand in der Beschwerde (vgl. a.a.O.

          Ziff. 4.2.3) nicht um eine in der Türkei für illegal erklärte Partei. Die

          E.

          ist sodann auch nicht die Jugendbewegung der F. ,

          sondern der legalen J. ; (vgl. hierzu bspw. […] zuletzt abgerufen am 5. Juli 2024).

          Es folgen auf dem UYAP-Auszug zwei Ermittlungsverfahren, in welchen die Staatsanwaltschaft betreffend den Vorwurf der Präsidentenbeleidigung Klage eingereicht hat (Ermittlungsnummern: […] und […]; Verfahrensnummern: […] und […]). Die Ermittlungsverfahren (…) und (…) wurden sodann am gleichen Tag vereinigt, wobei mangels Beweismitteln respektive Erläuterungen des Beschwerdeführers unklar ist, was Gegenstand dieser Verfahren (insb. hinsichtlich […]) war und unter welchen Umständen die Verfahren von der Staatsanwaltschaft beendet respektive von der zuständigen Behörde weitergeführt worden sind. Die Verfahren mit den Ermittlungsnummern (…), (…) und (…) wurden sodann eingestellt, wobei auch hier der Gegenstand der Verfahren und die Gründe für die Einstellung grösstenteils offenbleiben. Diesbezüglich machte der Beschwerdeführer an der Anhörung geltend, dass alle (früheren) Ermittlungen wegen Beleidigung des Staatspräsidenten eingestellt worden seien und gegen Ende 2015 zudem eine (weitere) Untersuchung betreffend einen Verstoss «gegen das Veranstaltungsgesetz, also unerlaubte Veranstaltungen zu organisieren», eröffnet worden sei, wobei er diesbezüglich danach nichts mehr gehört habe (vgl. A19 F111 f.), was nahelegt, dass es sich hierbei womöglich um diese Verfahren gehandelt haben dürfte.

          Es wäre für den Beschwerdeführer wohl ohne weiteres möglich gewesen, sämtliche die genannten Ermittlungsund Gerichtsverfahren betreffenden Dokumente zu beschaffen und einzureichen. Nicht nachvollziehbar ist weiter, dass die vorliegenden Beweismittel teilweise nicht vollständig eingereicht wurden (vgl. vorstehend Bstn. A.c, C.b und N.), zumal der Beschwerdeführer respektive sein türkischer Anwalt offenkundig über vollumfänglichen Zugang zu den entsprechenden Verfahrensakten verfügen. Eine Erklärung seitens des Beschwerdeführers hierfür blieb aus. Die allfälligen Konsequenzen der Beweislosigkeit hat der Beschwerdeführer im Rahmen der Mitwirkungspflicht nach Art. 8 AsylG daher selbst zu tragen. Das

          Gericht stützt sich bei der nachfolgenden Prüfung praxisgemäss auf die eingereichten Dokumente und die entsprechenden Vorbringen.

      3. Das Gericht sieht sich aufgrund der eingereichten Beweismittel – trotz vereinzelter Auffälligkeiten (vgl. nachfolgend E. 6.4.1) – nicht veranlasst, daran zu zweifeln, dass der Beschwerdeführer im (…) und (…) 2016 durch die Polizei befragt wurde, im (…) am Boykott an der Universität C. sowie an einer Protestveranstaltung der E. respektive im (…) an einer weiteren Veranstaltung der E. teilgenommen hat und diesbezüglich gegen ihn wegen «Propaganda für eine Terrororganisation», «Verhinderung der Erziehungsund Lehrtätigkeit unter Einsatz von Gewalt oder Drohung» sowie «Verhinderung des Betretens von oder Verbleibens in Gebäuden oder deren Nebengebäuden, wo die Schüler und Studenten sich gemeinsam befinden» beziehungsweise aufgrund eines Verstosses gegen das Versammlungsund Demonstrationsgesetz Ermittlungen eingeleitet wurden respektive wegen Präsidentenbeleidigung Anklage erhoben wurde.

      4. Die nachfolgende Prüfung beschränkt sich demzufolge auf die genannten hängigen Ermittlungsverfahren (Ermittlungsnummern […] und […]) sowie das Gerichtsverfahren betreffend Präsidentenbeleidigung. Zu beachten ist hierbei, dass sämtliche dem Beschwerdeführer dabei vorgeworfenen Straftaten auf die Boykottaktion an der Universität sowie die Kundgebungen vom (…) respektive (…) zurückgehen.

    1. Hinsichtlich der hängigen Ermittlungsverfahren aufgrund der Ereignisse im (…) und (…) ist folgendes festzustellen:

      1. Entgegen den Ausführungen in der Replik wird gegen den Beschwerdeführer zufolge der eingereichten Beweismittel nicht wegen der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, sondern aufgrund der Propaganda für eine Terrororganisation ermittelt. Die beiden anderen ihm im Rahmen der Ermittlung (…) wohl vorgeworfenen Straftaten – namentlich (gemäss Wortlaut der eingereichten Übersetzungen) «Verhinderung der Erziehungsund Lehrtätigkeit unter Einsatz von Gewalt oder Drohung» sowie «Verhinderung des Betretens von oder Verbleibens in Gebäuden oder deren Nebengebäuden, wo die Schüler und Studenten sich gemeinsam befinden» – sind sodann entgegen den Beschwerdeausführungen und eingereichten Übersetzungen keine Tatbestände des Antiterrorgesetzes, sondern des türkischen Strafgesetzbuches, welche überdies als gemeinrechtliche Delikte zu qualifizieren sind (vgl. tStGB Art. 112). Hierbei ist im Übrigen

        hinsichtlich des Vorführbefehls betreffend die «Verhinderung des Betretens von oder Verbleibens in Gebäuden oder deren Nebengebäuden, wo die Schüler und Studenten sich gemeinsam befinden» festzustellen, dass die Straftat nicht mit dem darin angerufenen Gesetzesartikel Art. 112 Abs. 1 Bst. b tStGB, sondern eigentlich mit Bst. c desselben Artikels korrespondiert, vgl. Beilage 16 – es erstaunt, dass sich sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht hierzu konsequent auf den scheinbar falschen Straftatbestand berufen.

        Sodann handelt es sich bei den vom Beschwerdeführer als «Haftbefehle» bezeichneten Dokumenten (vgl. Beilagen 14-16) um eigentliche Vorführbefehle in der Ermittlungsphase mit dem Zweck, den Beschwerdeführer einer Befragung zuzuführen. Wie das SEM in der Vernehmlassung zu Recht festhielt, enthalten sämtliche eingereichten Vorführbefehle den Passus, wonach der Beschwerdeführer nach der Befragung wieder freizulassen sei. Deren Inhalt entspricht somit dem Antrag der Staatsanwaltschaft (vgl. Beilage 11). Entgegen der in der Replik geäusserten Ansicht bezieht sich dies nicht lediglich auf den Fall, dass er nicht innerhalb von 24 Stunden dem Staatsanwalt vorgeführt werden kann. Der Zweck der Vorführbefehle wird darin explizit unter «yakalama sebebi» aufgeführt, wobei dieser entweder die Einvernahme («fade alnmasna yönelik») oder die Verhaftung («tutuklamaya yönelik») einer Person sein kann. Vorliegend ergingen die Vorführbefehle dem klaren Wortlaut nach zwecks Einvernahme. Auch die vom Gericht im Rahmen des Verfahrens betreffend Präsidentenbeleidigung am (…) 2022 beschlossene Zwangsvorladung (vgl. Beilage 40) dient lediglich dem Zweck, die Anwesenheit des Beschwerdeführers an der Verhandlung sicherzustellen.

        Weiter handelt es sich hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Straftaten nach Art. 112 tStGB – wie das SEM zu Recht festhielt – um gemeinrechtliche Delikte. Eine Strafverfolgung solcher Delikte vermag daher in der Regel keine flüchtlingsrechtliche Relevanz zu entfalten (vgl. BVGE 2014/28

        E. 8.3.1 m.w.H.). Vorliegend erscheint die Strafverfolgung in dieser Hinsicht nicht illegitim, zumal der Beschwerdeführer seinen Aussagen im Asylverfahren zufolge tatsächlich an dieser Aktion beteiligt gewesen war und den eingereichten Akten aus dem türkischen Strafverfahren auch keine Hinweise zu entnehmen sind, dass diese Strafverfahren rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht zu genügen vermögen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass einige Ermittlungsverfahren zwischenzeitlich wieder eingestellt worden sind. Dieser Umstand spricht im Übrigen auch gegen die vom Beschwerdeführer eingebrachte Behauptung, aufgrund der Flucht ins

        Ausland, mit welcher er sich einer Strafverfolgung entzogen habe, würde eine allenfalls auszusprechende Strafe erhöht.

        Aufgrund dieser Dokumente ist daher nicht mit der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine Inhaftierung droht.

      2. Weiter lässt sich auch die Ansicht des Beschwerdeführers nicht bestätigen, wonach er von den türkischen Behörden als Drahtzieher respektive Hauptverantwortlicher der Uniproteste betrachtet wird. Er verweist hierzu auf die als Beilage 18 eingereichten Beweismittel. Im polizeilichen Vorfallsbericht werden die Protestteilnehmenden – soweit identifiziert – namentlich aufgelistet, wobei der Beschwerdeführer weder als erste Person aufgelistet noch als Hauptverantwortlicher benannt oder in einer besonders herausragenden Rolle beschrieben wird. Die hierzu eingereichten Übersetzungen, wonach jeweils «A. und seine Freunde» beteiligt gewesen seien, sind daher unzutreffend und geben nicht den wahren Inhalt des Berichts wieder (vgl. auch A19 F115).

      3. Sodann liegen hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens (…) keine aktuellen Beweismittel vor. Das aktuellste Beweismittel, welches zu dieser Ermittlung eingereicht wurde, stammt vom (…) 2016 (vgl. Beilage 19); im Übrigen handelt es sich bei den weiteren Beweismitteln um Dokumente aus einem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens, wie beispielsweise Korrespondenz zwischen der Staatsanwaltschaft und der Polizei mit dem Auftrag, den Beschwerdeführer zu befragen (vgl. Beilage 19). Dem hierzu eingereichten «Protokoll» («Tutanak») vom (…) 2016 – wobei es sich um eine einfache Mitteilung zweier Polizeibeamter an einen unbekannten Empfänger handelt – ist lediglich zu entnehmen, dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Straftat scheinbar nur «Widerstand gegen das Gesetz über Versammlungen und Demonstrationen» ist. Ein konkreter Strafvorwurf unter Bezugnahme auf einen gesetzlichen Straftatbestand lässt sich den hierzu eingereichten Dokumenten nicht entnehmen; ein wesentliches Verfahrensdokument wurde ebenfalls nicht eingereicht. Dies führt zur Annahme, dass in diesem Verfahren, im Gegensatz zur vorgenannten Ermittlung, bis dato weder ein Vorführbefehl erlassen noch die Ermittlung weiterverfolgt worden ist.

        Die eingereichten Dokumente bieten demzufolge auch hier keinen Grund zur Annahme, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit der massgeblichen Wahrscheinlichkeit eine Inhaftierung droht.

      4. Schliesslich befinden sich die genannten Verfahren soweit ersichtlich nach wie vor lediglich in der Ermittlungsphase. Die aktuellsten aktenkundigen Dokumente diesbezüglich sind ein Trennungsbeschluss vom (…) 2020 (Ermittlungsverfahren […], vgl. Beilage 23) respektive ein Protokoll («Tutanak») vom (…) 2016 (Ermittlungsverfahren […], vgl. Beilage 19). Daher ist ohnehin fraglich, ob es überhaupt jemals zu einer Anklage kommen wird. Dies scheint angesichts der bereits – ausgehend vom Tatzeitpunkt – über (…) Jahre dauernden Ermittlungen, wobei im Falle der Ermittlung (…) nicht einmal relevante Verfahrens(fort)schritte erkennbar sind, eher unwahrscheinlich, sofern nicht ohnehin bereits die Verjährung eingetreten ist (vgl. nachfolgend E. 6.9).

    2. Hinsichtlich der hängigen Gerichtsverfahren betreffend Präsidentenbeleidigung ist folgendes festzustellen:

      1. Der Beschwerdeführer wurde gemäss den vorliegenden Akten bis zum heutigen Zeitpunkt noch nie verurteilt und ist damit strafrechtlich nicht vorbelastet. Dementsprechend ist auch nicht davon auszugehen, er werde zu einer unbedingten mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Falle der Präsidentenbeleidigung (Art. 299 tStGB) dürfte analog der Praxis der türkischen Gerichte in solchen Fällen vielmehr davon auszugehen sein, dass eine allfällige Haftstrafe – sofern es überhaupt zu einer Verurteilung kommt

          • bedingt ausgesprochen respektive die Verkündung des Strafurteils aufgeschoben würde (vgl. statt vieler Urteile des BVGer E-3568/2023 vom

            19. September 2023 E. 7.2.5). Auf ein eingeleitetes Strafverfahren nach Art. 299 tStGB folgt sodann ohnehin nicht automatisch eine Verurteilung; seit dem Amtsantritt des aktuellen Staatspräsidenten dürften mittlerweile gegen rund 200'000 Personen Ermittlungsverfahren wegen «Präsidentenbeleidigung» eingeleitet worden sein, wobei insgesamt lediglich weniger als 10% der Verfahren zu einer Verurteilung führten (vgl. Urteil des BVGer E-3593/2021 vom 8. Juni 2023 E. 6.2 m.w.H.). Den offiziellen publizierten Statistiken des türkischen Justizministeriums lässt sich sodann beispielsweise entnehmen, dass es hinsichtlich der Straftatbestände nach Art. 299301 tStGB in lediglich 28% der eröffneten Gerichtsverfahren zu einer Verurteilung kommt (vgl. Ministry of Justice, Ankara, Justice Statistics 2023, März 2024, S. 100, < https://adlisicil.adalet.gov.tr/Home/SayfaDetay/ada let-istatistikleri-yayin-arsivi >, zuletzt abgerufen am 5. Juli 2024). Angesichts der verhältnismässig geringen Zahl der aus diesen Anzeigen resultierenden Anklageerhebungen respektive Verurteilungen im Rahmen eines Strafverfahrens besteht kein Grund zur Annahme, dass den von solchen

            Ermittlungen Betroffenen seitens der Art. 299 tStGB anwendenden Gerichtsbehörden grundsätzlich ein asylrechtlich relevanter Politmalus droht.

      2. Die hängigen Gerichtsverfahren betreffend Präsidentenbeleidigung sind demnach flüchtlingsrechtlich nicht relevant.

    1. Sodann besteht kein Grund zur Annahme, der Beschwerdeführer weise in den Augen der türkischen Justizbehörden ein besonders geschärftes politisches Profil auf, welches im Rahmen der gegen ihn hängigen Ermittlungsrespektive Strafverfahren zu einem Politmalus führen könnte:

      Der Beschwerdeführer hat sich den Akten zufolge in der Türkei zwar aktiv an verschiedenen Kundgebungen und Protestaktionen beteiligt, es ist jedoch nicht ersichtlich, dass er sich dabei besonders exponiert hätte oder gegen aussen erkennbar als ernsthafter Regimegegner in Erscheinung getreten wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er sich als einfacher Teilnehmer an den entsprechenden Kundgebungen beteiligt hat. Er gab zwar an, es sei sein Vorschlag gewesen, die Boykottveranstaltung direkt auf dem Campus der Universität durchzuführen und er habe als erster mit dem Protest begonnen, weshalb er als Einziger vom Unterricht suspendiert worden sei (vgl. A19 F49, 102 f., 105). Den eingereichten Justizdokumenten ist allerdings, wie vorstehend erwähnt (vgl. E. 6.4.2), nicht zu entnehmen, dass die türkischen Behörden ihn als Drahtzieher der Kundgebungen ausgemacht hätten. Sodann handelt es sich bei der Angabe, er sei als Einziger vom Unterricht suspendiert worden, um eine einfache Parteibehauptung. Anlässlich der Kundgebungen des E. sei er ebenfalls einfacher Teilnehmer gewesen (vgl. A19 F75 ff.). Er sei nie Mitglied der F. oder anderer Organisationen gewesen (vgl. a.a.O. F79). Des Weiteren lässt sich den Akten nicht entnehmen, dass seine Familienangehörigen sich politisch engagiert hätten, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass er aufgrund seines familiären Umfelds in den Fokus der türkischen Behörden geraten sein könnte. Sodann ist er in der Schweiz exilpolitisch nicht in Erscheinung getreten. Er engagiere sich lediglich gelegentlich im Rahmen des kurdischen Kulturvereins und organisiere Kurse (vgl. a.a.O. F80 ff.). Hierbei handelt es sich um äusserst niederschwellige Aktivitäten, welche kaum geeignet sein dürften, das Interesse der türkischen Behörden zu wecken. Schliesslich trägt auch die kurzzeitige Festnahme (…) 2016 mit den dabei erlittenen Schlägen nicht zu einer massgeblichen Schärfung des Risikoprofils bei, zumal er diesbezüglich keine weiteren Konsequenzen zu gewärtigen hatte (vgl. a.a.O. F125 f.). Nach dem Gesagten führt auch die Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils des Beschwerdeführers

      nicht zu der Annahme, dass ihm im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine asylrelevante Verfolgung droht.

    2. Vor diesem Hintergrund ist auch die Verhaftung des Bruders – selbst wenn diese in Tat und Wahrheit dem Beschwerdeführer hätte gelten sollen, zumal sich die beiden gemäss dem eingereichten Foto sehr ähnlich sehen

        • nicht geeignet, das Vorliegen einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung glaubhaft zu machen, weshalb eine vertiefte Prüfung der Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens offenbleiben kann. Immerhin ist mit dem SEM einig zu gehen, wonach zweifelhaft ist, dass effektiv ein Zusammenhang der Verhaftung mit den hängigen Verfahren betreffend den Beschwerdeführer besteht. Der hierzu eingereichte leere Strafregisterauszug des Bruders vermag nichts Gegenteiliges aufzuzeigen, zumal ein Strafregistereintrag erst mit einer rechtskräftigen Verurteilung erfolgt. Ein leerer Strafregisterauszug ist daher kein Indiz für die angebliche Unrechtmässigkeit der Verhaftung. Ebensowenig lässt sich dieser Schluss aus dem eingereichten Antwortschreiben der Polizei ziehen, in welchem die Festhaltung bestätigt, deren Zweck erläutert und hinsichtlich der Verweigerung der Herausgabe eines Berichts auf Art. 25 des Informationsgesetzes hingewiesen wird, wonach interne Akten nicht herausgegeben werden könnten (vgl. Beilage 24). Schliesslich vermag auch die eingereichte Bestätigung über den Wechsel des Wohnorts des Bruders den angeblichen polizeilichen Druck nicht glaubhaft zu machen.

    3. Ergänzend ist hinsichtlich der Suspendierung von der Universität anzufügen, dass diese gemäss dem eingereichten Beleg lediglich auf einen Monat befristet war. Dem Beschwerdeführer wurde darüber hinaus gemäss Schreiben der Universität Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wobei unklar ist, ob er von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht hat. Es erschliesst sich dem Gericht schliesslich auch nicht, weshalb der Beschwerdeführer sein Studium nach der lediglich einmonatigen Suspendierung nicht weitergeführt hat.

    4. Im Übrigen besteht hinsichtlich der hängigen Ermittlungsund Gerichtsverfahren die Möglichkeit, dass allenfalls die Verjährungsbestimmungen von Art. 66 tSTGB zur Anwendung kommen, zumal diese Verfahren auf Grundlage von angeblich bereits im (…) respektive (…) begangenen Straftaten eröffnet wurden. Ausgehend vom maximalen Strafmass für die jeweiligen Delikte (weniger als fünf Jahre Freiheitsstrafe) wäre diesfalls gemäss Art. 66 Abs. 1 Bst. e tStGB wohl von einer Klageverjährungsfrist von acht Jahren auszugehen – entsprechend wären die im Jahr (…)

      begangenen Straftaten bereits gegen Ende 2023 verjährt, weshalb die Möglichkeit besteht, dass die Staatsanwaltschaft die hängigen Ermittlungsverfahren mittlerweile eingestellt und das Gericht das Verfahren hinsichtlich der Präsidentenbeleidigung abgeschrieben hat. Der Beschwerdeführer hat denn auch seit der letzten Eingabe vom 22. August 2023 – enthaltend unter anderem einen Gerichtsbeschluss vom (…) 2023 zur Vertagung der Verhandlung betreffend Präsidentenbeleidigung auf den (…) 2023 – keine weiteren Beweismittel eingereicht, welche diese Möglichkeit auszuräumen vermöchten, obwohl er offensichtlich Zugang zu sämtlichen verfahrensrelevanten Informationen und Aktenstücken hat. Da allerdings ohnehin auf Grundlage der bestehenden Akten eine Verfolgung nach Art. 3 AsylG verneint werden kann, erübrigt sich eine weitergehende Prüfung in dieser Hinsicht.

    5. Gesamthaft betrachtet ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr im Sinne von Art. 3 respektive Art. 54 AsylG darzutun. Es ist mithin nicht davon auszugehen, dass ihm im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht. Die Vorinstanz hat daher zu Recht seine Flüchtlingseigenschaft verneint und das Asylgesuch abgelehnt.

7.

Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an (Art. 44 AsylG).

Der Beschwerdeführer verfügt insbesondere weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach ebenfalls zu Recht angeordnet (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

8.

8.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).

Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen,

wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

8.2

      1. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).

      2. So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).

      3. Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

      4. Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.

      5. Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr («real risk») nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien 28. Februar 2008, Grosse Kammer

        37201/06, §§ 124–127 m.w.H.). Nach den vorstehenden Ausführungen gelingt ihm das nicht. Auch die allgemeine Menschenrechtssituation im Heimatstaat lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen.

      6. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.

8.3

      1. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

      2. Die Vorinstanz befand den Vollzug der Wegweisung in der angefochtenen Verfügung mit zutreffenden Argumenten für zumutbar und wies insbesondere auch auf diverse innerstaatliche Aufenthaltsalternativen hin (vgl. a.a.O. Ziff. III.2). Die entsprechenden Ausführungen des SEM blieben seitens des Beschwerdeführers unbestritten, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Erwägungen des SEM verwiesen werden kann.

      3. Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch als zumutbar.

    1. Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG; vgl. BVGE 2008/34

      E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).

    2. Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AIG).

9.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und – soweit diesbezüglich überprüfbar – angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen. Angesichts dessen besteht auch keine Notwendigkeit für den vom

Beschwerdeführer in den Eingaben vom 27. März 2023 und 10. Oktober 2023 beantragten ergänzenden Schriftenwechsel.

10.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Nachdem mit Verfügung vom 3. Juni 2020 das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gutgeheissen worden ist und unter Berücksichtigung sämtlicher einzelfallspezifischer Umstände keine wesentliche Veränderung seiner finanziellen Verhältnisse ersichtlich ist, sind keine Kosten zu erheben.

    2. Mit Verfügung vom 3. Juni 2020 wurde auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung gutgeheissen und der rubrizierte Rechtsvertreter als amtlicher Rechtsbeistand des Beschwerdeführers eingesetzt. Es ist ihm demzufolge seitens des Gerichts ein amtliches Honorar auszurichten, wobei der Stundenansatz auf Fr. 220.– festzusetzen ist (vgl. Zwischenverfügung vom 3. Juni 2020 sowie Art. 12 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

In den eingereichten Kostennoten vom 6. August 2020, 14. März 2022 und

13. November 2023 wird ein Vertretungsaufwand von insgesamt rund 30 Stunden und 20 Minuten geltend gemacht. Dieser Aufwand ist indes auch im Lichte der Komplexität des Falls als deutlich zu hoch zu bewerten und ist angemessen zu kürzen. Zum einen um den nicht entschädigungsfähigen zukünftigen Aufwand von 30 Minuten, zum anderen um denjenigen Aufwand à 155 Minuten (inkl. Auslagen), welchen der Rechtsvertreter für die Zeit vor der Beschwerdeerhebung (und teils gar vor Eröffnung des angefochtenen Entscheids) geltend macht und welcher – insbesondere hinsichtlich der Schreiben an die Vorinstanz vom 24. und 27. April 2020 (vgl. Beilagen 6 und 7) – mit dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht in direktem Zusammenhang steht. Auch der geltend gemachte zeitliche Aufwand für die rund zwölfseitige Beschwerdeeingabe vom 22. Mai 2020, die stellenweise auch standardisierte Elemente (vgl. Seiten 1-3) enthält, ist zu hoch und angemessen zu kürzen. Gleiches gilt für die Replik vom 31. Juli 2020 sowie die kurze Eingabe vom 22. August 2023.

Angesichts dessen, dass das Gericht dem Beschwerdeführer respektive seiner Rechtsvertretung mehrfach mitteilte, dass ihm kein genauer Urteilszeitpunkt genannt werden könne, sind insbesondere die ausgewiesenen

Aufwendungen für die zahlreichen Verfahrensstandanfragen als nicht notwendig zu qualifizieren (vgl. hierzu beispielhaft Urteil BVGer D-894/2021 vom 14. September 2023 E. 8.2). Ferner stellt das Gericht fest, dass im Rahmen der Kostennote vereinzelt Kleinstpositionen in Rechnung gestellt werden, deren Aufwand diskutabel erscheint, so beispielsweise der geltend gemachte Betrag von Fr. 18.25 vom 13. Oktober 2022, bloss um den Inhalt des kurzen Geduldsschreibens des Gerichts zur Kenntnis zu nehmen, welcher infolge der erneuten eigenen Verfahrensstandanfrage erfolgt ist.

Der zeitliche Aufwand ist dementsprechend auf insgesamt 24 Stunden festzusetzen. In Anwendung der massgeblichen Bemessungsfaktoren (Art. 8– 11 VGKE) ist das amtliche Honorar auf (aufgerundet) Fr. 5'710.– (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Dem amtlichen Rechtsbeistand, Christian Bignasca, wird zulasten der Gerichtskasse ein Honorar von Fr. 5’710.– zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Lorenz Noli Kevin Schori

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