Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-1520/2024 |
Datum: | 06.09.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | Asylverfahren (Übriges) |
Schlagwörter : | Revision; Gesuch; Gesuchstellende; Urteil; Beweismittel; Bundesverwaltungsgericht; Gesuchstellenden; Eingabe; Gesuchsteller; Bundesverwaltungsgerichts; Entscheid; Verfahren; Rechtsmittel; Revisionsgr; Richter; Türkei; Wegweisung; Source; Bericht; Ermittlungsbüros; Terrorismus; Vorbringen; Gericht; Frist; Revisionsgesuch |
Rechtsnorm: | Art. 12 BGG ; Art. 121 BGG ; Art. 123 BGG ; Art. 67 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: |
Abteilung V E-1520/2024
Besetzung Richterin Esther Marti (Vorsitz),
Richterin Regina Derrer, Richter David R. Wenger, Gerichtsschreiber Janic Lombriser.
Parteien A. , geboren am (…), B. , geboren am (…), C. , geboren am (…), D. , geboren am (…), alle Türkei,
alle vertreten durch Ali Tüm,
(…),
Gesuchstellende,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asylverfahren (Revision);
Urteil des BVGer E-5871/2023 vom 9. Januar 2024
dass das SEM mit Verfügung vom 29. September 2023 das Asylgesuch der Gesuchstellenden vom 14. Mai 2023 ablehnte, die Wegweisung aus der Schweiz verfügte und deren Vollzug anordnete,
dass das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil E-5871/2023 vom 9. Januar 2024 abwies,
dass die Gesuchstellenden am 2. Februar 2024 mit einer als «Wiedererwägungsgesuch» bezeichneten Eingabe an das SEM gelangten und unter Beilage von Beweismitteln geltend machten, der Gesuchsteller sei aufgrund der bereits im ordentlichen Verfahren vorgebrachten Asylgründe in der Türkei gefährdet beziehungsweise er könne dies nun belegen, zumal dort gegenwärtig gegen ihn wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten sowie allenfalls Propaganda für eine Terrororganisation ermittelt werde; bei einer Wegweisung in die Türkei würde er daher festgenommen und würde ein Gerichtsverfahren gegen ihn eingeleitet,
dass sie der Eingabe die folgenden Beweismittel beilegten: einen Open Source Bericht vom (…), ein Schreiben der Staatsanwaltschaft E. vom (…) an das Büro für Terrorbekämpfung, ein Schreiben des Ermittlungsbüros für Terrorismus und organisierte Kriminalität E. vom (…) sowie drei Anwaltsschreiben datierend vom (…), (…) und (…),
dass sie unter anderem die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Gewährung von Asyl beantragten,
dass das SEM mit Verfügung vom 1. März 2024 (eröffnet am 5. März 2024) feststellte, die Gesuchstellenden brächten Beweismittel und Ereignisse vor, welche vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-5871/2023 vom 9. Januar 2024 datierten, weshalb diese Vorbringen rund um die Schreiben der Staatsanwaltschaft E. an das Büro für Terrorbekämpfung vom (…) und die Bestätigungsschreiben seiner türkischen Anwälte vom (…), (…) und (…) im Rahmen eines allfälligen Revisionsverfahrens gegen das Urteil des BVGer vom 9. Januar 2024 zu beurteilen wären und das SEM folglich auf diese Vorbringen mangels funktioneller Zuständigkeit nicht eintreten könne,
dass es die weiteren Vorbringen, wonach der Gesuchsteller mit dem Open Source Bericht vom (…) und dem Schreiben des Ermittlungsbüros für Terrorismus und organisierte Kriminalität E. vom (…) die ursprüngliche Fehlerhaftigkeit des SEM-Entscheides nachzuweisen vermöge, als
qualifiziertes Wiederwägungsgesuch entgegen nahm, auf das Gesuch mangels hinreichender Begründung nicht eintrat und die Rechtskraft sowie die Vollstreckbarkeit des negativen Asylentscheids vom 29. September 2023 feststellte, wobei es in der Rechtsmittelbelehrung eine fünftägige Beschwerdefrist auswies,
dass die Gesuchstellenden in der Folge durch den rubrizierten Rechtsvertreter mit Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 9. März 2024 (elektronischer Eingang beim Gericht) eine als «Revisionsgesuch» bezeichnete Eingabe einreichten, worin sie beantragen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-5871/2023 vom 9. Januar 2024 sei vollumfänglich aufzuheben und das Beschwerdeverfahren sei wiederaufzunehmen; im Rahmen des wiederaufzunehmenden Beschwerdeverfahrens sei er (der Gesuchsteller) als Flüchtling anzuerkennen und ihm sei Asyl zu gewähren, eventualiter sei er als Flüchtling infolge subjektiver Nachfluchtgründe vorläufig aufzunehmen,
dass der Eingabe der Open Source Bericht vom (…), das Schreiben der Staatsanwaltschaft E. vom (…) an das Büro für Terrorbekämpfung, das Schreiben des Ermittlungsbüros für Terrorismus und organisierte Kriminalität E. vom (…) sowie die drei Anwaltsschreiben datierend vom (…), (…) und (…) beilagen,
dass das Bundesverwaltungsgericht am 11. März 2024 gestützt auf Art. 126 BGG per sofort die einstweilige Aussetzung des Wegweisungsvollzugs verfügte,
dass die Instruktionsrichterin mit Zwischenverfügung vom 26. März 2024 den Rechtsvertreter der Gesuchstellenden aufforderte, eine Vollmacht für die Ehefrau des Gesuchstellers einzureichen, die ihn berechtige, auch in ihrem Namen ein Rechtsmittelverfahren zu führen, den allfälligen Beschwerdewillen gegen die Verfügung des SEM vom 1. März 2024 kundzutun und diesfalls eine Beschwerdeverbesserung nachzureichen,
dass sie das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung aufgrund der Aussichtslosigkeit der Rechtsmitteleingabe abwies und die Gesuchstellenden zur Leistung eines Kostenvorschusses innert Frist aufforderte,
dass die Gesuchstellenden mit Eingabe vom 2. April 2024 mitteilten, dass sie keine Beschwerde gegen die Verfügung des SEM vom 1. März 2024
erheben, sie aber an der Revision festhalten wollten, sie innert Frist den Kostenvorschuss leisteten und die Vollmacht nachreichten,
dass der Rechtsvertreter mit derselben Eingabe verschiedene türkischsprachige Unterlagen einreichte, und dazu ausführte, er sei überlastet und könne daher die Übersetzung und Zusammenfassung der Dokumente erst später bewerkstelligen,
dass er diesbezüglich um Ansetzung einer Frist bis Ende Mai 2024 ersuchte,
dass mit Eingabe vom 6. Mai 2024 weitere Beweismittel in türkischer Sprache und mit rudimentärer Inhaltsangabe zu den Akten gereicht wurden,
dass gemäss Art. 45 VGG für die Revision von Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts die Art. 121 – 128 BGG sinngemäss gelten und auf Inhalt, Form, Verbesserung und Ergänzung von Revisionsgesuchen Art. 67 Abs. 3 VwVG Anwendung findet,
dass die Revision eines Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts nur aus den in Art. 121 – 123 BGG aufgeführten Gründen verlangt werden kann,
dass an die Begründung ausserordentlicher Rechtsmittel – wie der Revision – erhöhte Anforderungen gestellt werden,
dass Gründe, welche die Partei, die um Revision nachsucht, bereits im ordentlichen Beschwerdeverfahren hätte geltend machen können, nicht als Revisionsgründe gelten (sinngemäss Art. 46 VGG), und auch das Verlangen einer neuen Würdigung keinen solchen Grund darstellt,
dass der Revisionsgrund von Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG zwei alternative Tatbestandsvarianten enthält und das Revisionsgesuch sich entweder auf nachträglich erfahrene Tatsachen oder auf nachträglich aufgefundene Beweismittel stützen kann, wobei in beiden Tatbestandsvarianten die geltend gemachten Tatsachen respektive Beweismittel bereits vor der in Revision zu ziehenden Entscheidung bestanden haben (sog. unechte Noven, vgl. BVGE 2013/22) und zudem rechtserheblich sein müssen, mithin geeignet sein müssen, den rechtserheblichen Sachverhalt so massgeblich zu verändern, dass die Entscheidung anders ausfallen könnte,
dass der Revision auch diejenigen Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG nicht zugänglich sind, die von der
ersuchenden Partei bei genügender Sorgfalt bereits in das frühere Verfahren hätten eingebracht werden können (vgl. Art. 46 VGG sowie NIKLAUS OBERHOLZER in: Bundesgerichtsgesetz, Handkommentar, 2. Aufl. 2015, Art. 123 BGG N. 8 S. 663),
dass die Gesuchstellenden zwar ausführen, dass sie den Revisionsgrund von Art. 123 Abs. 2 Bst. a BGG anrufen würden, weil die Beweismittel, die nun vorlägen, vor dem Gerichtsurteil vom 9. Januar 2024 entstanden seien, und sie zur Begründung im Wesentlichen geltend machen, sie hätten einige Tage vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von ihren Anwälten erfahren, dass Beweismittel in Form von Anklagen gegen den Gesuchsteller bestünden; per E-Mail und WhatsApp hätten sie diese Beweismittel erhalten, welche sie vorliegend einreichten; zuvor hätten sie nicht gewusst, dass gegen den Gesuchsteller Ermittlungen aufgrund seiner Äusserungen auf Facebook im Jahr 20(…) liefen, sondern dies nur vermutet, und sie hätten die Beweismittel dem SEM übermittelt, welches auf dieses Gesuch nicht eingetreten sei, mit der Begründung, dass diese Dokumente vor dem Entscheid ausgestellt worden seien und somit einen Revisionsgrund darstellen würden, weshalb die Voraussetzungen für eine Revision erfüllt seien,
dass verschiedene Beweismittel – namentlich der Open Source Bericht vom (…), ebenso ein Schreiben des Ermittlungsbüros für Terrorismus und organisierte Kriminalität E. vom (…) – revisionsrechtlich nicht relevant sein können, da sie erst nach dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Januar 2024 entstanden sind (vgl. BVGE 2013/22 E. 13.1),
dass zwar das Schreiben der Staatsanwaltschaft E. vom (…) an das Büro für Terrorbekämpfung und die drei Anwaltsschreiben datierend vom (…), (…) und (…) vor dem Urteil vom 9. Januar 2024 entstanden sind, diese jedoch von den Gesuchstellenden bereits im Verfahren BVGer E- 5871/2023 eingereicht und durch das Bundesverwaltungsgericht gewürdigt worden sind,
dass der Einwand in der Rechtsmitteleingabe, «in dem Urteil vom 9. Januar 2024 behaupteten die Richter, dass in den eingereichten Dokumenten der Name des Gesuchstellers nicht erwähnt worden sei», nicht durchdringt, da damit einzig die dortige Sachverhaltsfeststellung kritisiert wird,
dass im Übrigen dieser Einwand aktenwidrig ist, da im fraglichen Schreiben eines türkischen Staatsanwalts vom (…) tatsächlich – wie vom
Bundesverwaltungsgericht richtigerweise festgestellt – der Name des Gesuchstellers nicht erwähnt wird (vgl. Urteil des BVGer E-5871/2023 S. 8),
dass die Eingaben im Revisionsverfahren sich somit – soweit sie überhaupt Berücksichtigung finden können – im Wesentlichen auf appellatorische Kritik am Urteil vom 9. Januar 2024 beschränken, welches die bestehende Gefährdung verkannt habe,
dass jedoch – wie bereits in der Zwischenverfügung vom 26. März 2024 festgehalten – für appellatorische Urteilskritik im Rahmen der Überprüfung eines Rechtsmittelentscheides unter dem Blickwinkel der Revision von vornherein kein Raum besteht,
dass die Gesuchstellenden mit Eingabe vom 2. April 2024 eine Vielzahl weiterer türkischsprachiger Beweismittel eingereicht haben,
dass diese neuen Beweismittel allesamt in fremder Sprache und ohne Übersetzung eingereicht worden sind,
dass die Übersetzungen weder, wie angekündigt bis Ende Mai 2024 noch bis zum heutigen Tag nachgereicht worden sind,
dass Revisionsgründe grundsätzlich innerhalb der massgeblichen Fristen hinreichend zu substanziieren sind, was vorliegend nicht geschehen ist, zumal in der Eingabe vom 2. April 2024 unbesehen der fehlenden Übersetzung nicht einmal ansatzweise erläutert wird, inwiefern die betreffenden Beweismittel revisionsrechtlich von Belang sein könnten,
dass unbesehen davon auch daraus hervorzugehen scheint, dass die nachgereichten Unterlagen wiederum teils nach dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Januar 2024 und teils zwar vor dem genannten Urteil entstanden sind, jedoch bei genügender Sorgfalt bereits im ersten Asylverfahren eingebracht hätten werden können, weshalb sie der Revision nicht zugänglich sind,
dass mit Eingabe vom 6. Mai 2024 erneut hauptsächlich Beweismittel – ein Polizeiprotokoll sowie ein Schreiben des Ermittlungsbüros für Terrorismus vom (…) und ein Festnahmeund Vorführbefehl inklusive Begleitschreiben vom (…) – eingereicht worden sind, die erst nach dem Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Januar 2024 entstanden und somit der Revision nicht zugänglich sind,
dass zwar der neu eingereichte und ungenügend übersetzte Open Source Bericht vom (…) vor dem Urteil vom 9. Januar 2024 entstanden ist, jedoch die Gesuchstellenden erneut nicht ansatzweise darlegen, weshalb sie diesen bei genügender Sorgfalt nicht bereits im früheren Verfahren beibringen konnten,
dass unter den genannten Umständen keine Frist zur Nachreichung der übersetzten Beweismittel anzusetzen ist, zumal der Beschwerdeführer, wie in anderem Zusammenhang bereits erwähnt, hinreichend Gelegenheit dazu hatte,
dass nach dem Gesagten festzustellen ist, dass die Gesuchstellenden einerseits keine taugliche Revisionsgründe angerufen haben und andererseits keine revisionsrechtlich zugelassenen Gründe dargetan sind,
dass demzufolge das Revisionsgesuch abzuweisen ist, soweit darauf einzutreten ist,
dass revisionsweise Vorbringen, die verspätet sind, dennoch zur Revision eines rechtskräftigen Urteils führen können, wenn aufgrund dieser Vorbringen offensichtlich wird, dass der gesuchstellenden Person Verfolgung oder menschenrechtswidrige Behandlung droht und damit ein völkerrechtliches Wegweisungshindernis besteht (vgl. BVGE 2013/22 E. 9.3.1 f. mit Verweis auf EMARK 1995 Nr. 9 E. 7),
dass es aus Gründen der Rechtssicherheit praxisgemäss nicht genügt, eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK respektive Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.30) lediglich zu behaupten,
dass es den Gesuchstellenden offenkundig nicht gelingt, schlüssig nachzuweisen, dass ihnen in der Türkei aktuell eine verbotene Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder eine Rückschaffung in die Türkei das flüchtlingsrechtliche Refoulementverbot verletzen würde, zumal sie in der Revisionseingabe über vage Behauptungen hinaus keine stichhaltigen Anhaltspunkte hierfür vorbringen,
dass mit Ergehen dieses Urteils die am 11. März 2024 angeordnete superprovisorische Massnahme (einstweiliges Aussetzen des Wegweisungsvollzugs) hinfällig ist,
dass bei diesem Ausgang des Revisionsverfahrens die Kosten den Gesuchstellenden aufzuerlegen (Art. 37 VGG i.V.m. 63 Abs. 1 VwVG) und auf
insgesamt Fr. 2'000.– festzusetzen sind (Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]); der am 2. April 2024 in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden.
(Dispositiv nächste Seite)
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Die Verfahrenskosten von Fr. 2'000.– werden den Gesuchstellenden auferlegt. Der in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
Dieses Urteil geht an die Gesuchstellenden, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Esther Marti Janic Lombriser
Versand:
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