Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-5139/2024 |
Datum: | 13.09.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung (beschleunigtes Verfahren) |
Schlagwörter : | ätte; Partner; Türkei; Beziehung; Partnerin; Verfahren; Recht; Schutz; Behörde; Ex-Mann; Familie; Schweiz; Wegweisung; Sachverhalt; Behörden; Ehefrau; Anzeige; Beweis; Verfügung; Person; Vorinstanz; Asylgesuch; Beschwerdeführers; Verfolgung |
Rechtsnorm: | Art. 25 BV ; Art. 30 VwVG ; Art. 44 BV ; Art. 49 BV ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 138 I 246; 139 I 330 |
Kommentar: | Müller, Schindler, Auer, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Art. 49 VwVG, 2019 |
Abteilung IV D-5139/2024
Besetzung Richterin Susanne Bolz-Reimann (Vorsitz), Richter Yanick Felley, Richter Walter Lang, Gerichtsschreiberin Regula Aeschimann.
Parteien A. , geboren am (…), Türkei,
vertreten durch Fernando Arévalo Menchaca,
(…),
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung (beschleunigtes Verfahren); Verfügung des SEM vom 8. August 2024.
Der Beschwerdeführer ersuchte am 18. Juni 2024 zusammen mit
B.
(N […]), eigenen Angaben zufolge seine religiös angetraute
Ehefrau, in der Schweiz um Asyl. Ein Abgleich seiner Fingerabdrücke mit der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (EURODAC) ergab, dass er am 19. Februar 2015 in Italien ein Asylgesuch gestellt hatte.
Am 26. Juni 2024 fand ein persönliches Gespräch gemäss Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin-III-VO), statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, er sei seit dem (…) Juni 2023 mit B. religiös verheiratet, welche er seit etwa einem Jahr kenne. Wegen des Ex-Mannes seiner Ehefrau seien sie aus der Türkei geflüchtet. Verschiedene Zwischenfälle hätten auch dazu geführt, dass sie nicht offiziell hätten heiraten können. Am 12. Mai 2024 sei er mit seiner Ehefrau nach Bosnien geflogen. Der Schlepper habe dann gesagt, zuerst würden die Frauen und Kinder nach Kroatien gebracht, weshalb seine Ehefrau ohne ihn, zusammen mit anderen Personen, nach Kroatien gegangen sei. Von dort aus habe sie ihn kontaktiert und erzählt, dass ihr die Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Daraufhin habe er mit den Schleppern abgemacht, dass sie sofort wieder nach Bosnien gebracht werde. Gemeinsam seien sie zurück in die Türkei geflogen, wo sie sich bis am 15. Juni 2024 aufgehalten hätten. Mithilfe eines anderen Schleppers seien sie dann erneut nach Bosnien geflogen und in einem Auto nach Frankreich gebracht
worden, bevor sie schliesslich mit dem Zug nach C.
gefahren
seien. Sein Asylgesuch in Italien gehe auf die Zeit zurück, als er auf einem Schiff gearbeitet habe. Er sei dort an Land gegangen, später betrunken eingeschlafen und das Schiff habe ohne ihn abgelegt. Landsleute, die er dort kennengelernt habe, hätten ihm gesagt, er solle doch bleiben und ein Asylgesuch stellen. Nach zehn Tagen sei er jedoch in die Türkei zurück geflogen, der Ausgang des Verfahrens habe ihn gar nicht weiter interessiert. Nun habe er sich bewusst die Schweiz als Zielland ausgesucht, da es sich um ein sicheres Land handle und er in der Türkei durch den ExMann seiner Frau mit dem Tod bedroht worden sei. Zum medizinischen
Sachverhalt führte er aus, es gehe ihm sowohl psychisch als auch physisch gut.
C.a Mit Schreiben vom 26. Juni 2024 forderte das SEM den Beschwerdeführer und B. auf, verschiedene Beweismittel – Nachweise für die religiöse Heirat, für die gelebte Beziehung sowie die Einund Ausreisen in die Türkei – einzureichen.
Das SEM ersuchte die italienischen Behörden am 5. Juli 2024 um Übernahme der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2024 gewährte das SEM dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zur beabsichtigten Trennung seines Verfahrens von jenem von B. . Es führte aus, die eingereichten Beweismittel, namentlich die undatierten Fotos, stellten keine hinreichenden Belege für die geltend gemachte gelebte Beziehung dar. Die Akten ihrer Verfahren würden daher separiert und unter jeweils eigenen N-Nummern weitergeführt.
Der Beschwerdeführer reichte mir Eingabe seiner Rechtsvertretung vom 10. Juli 2024 eine Stellungnahme zum rechtlichen Gehör ein. Darin machte er geltend, er habe alles Zumutbare unternommen, um einige relevanten Dokumente zu beschaffen. Weitere Unterlagen gebe es nicht, da er und seine Ehefrau beziehungsweise Lebenspartnerin die Türkei umgehend hätten verlassen müssen, weil sie von ihrem Ex-Mann bedroht worden seien. Es könnten weitere Fotos vorgelegt werden, welche vor der Ausreise aus der Türkei aufgenommen worden seien und zeigten, dass sie bereits damals per Videocall in Kontakt gestanden hätten. In der Schweiz führten sie ihre Beziehung weiter. Es werde daher beantragt, ihre Dossiers unter einer einheitlichen N-Nummer zu führen und ihre Asylgesuche in der Schweiz zu prüfen.
Mit Eingabe vom 11. Juli 2024 wurden Fotos der vor der Ausreise aufgenommenen Videocalls nachgereicht.
Die italienischen Behörden lehnten das Übernahmeersuchen des SEM am 12. Juli 2024 ab, namentlich weil die einzige Spur des Beschwerdeführers in Italien auf das Jahr 2015 zurückgehe und er angegeben habe, das Territorium der Mitgliedstaaten wenige Tage nach der Asylgesuchstellung verlassen zu haben.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2024 teilte das SEM dem Beschwerdeführer mit, dass sein Asylgesuch in der Schweiz geprüft werde.
Der Rechtsvertreter reichte mit Eingabe vom 23. Juli 2024 weitere Beweismittel, alle in englischer Sprache übersetzt aus dem Türkischen, ein. Es handelt sich dabei um drei als «behördliches Dokument» bezeichnete Schreiben, einen Zeitungsauschnitt vom 17. September 004 sowie mehrere Drohnachrichten.
Das SEM hörte den Beschwerdeführer am 31. Juli 2024 zu seinen Asylgründen an. Dabei machte er geltend, er stamme aus D. (Provinz E. ), habe aber seit seinem siebten Lebensjahr in F. gelebt. Nach dem Abschluss des Gymnasiums habe er mehrere Jahre lang als (…) gearbeitet, etwa in (…), aber auch auf Yachten für Touristen, weshalb er viel unterwegs gewesen sei. Mitte 2023 habe er seine heutige Ehefrau kennengelernt. Sie hätten sich vor einem Jahr religiös getraut und sie sei nun schwanger, wovon sie erst in der Schweiz erfahren hätten. Der ExMann seiner Frau sei jedoch ein problematischer Mensch und habe ihn mit SMS-Nachrichten sowie in den sozialen Medien mit dem Tod bedroht.
Der Vater seiner Ehefrau habe ihre Mutter – nachdem sie sich von ihm getrennt habe – sowie deren Freund mit einem Messer angegriffen und erstochen. Der Ex-Mann seiner Frau habe ihnen gesagt, ihr Ende werde auch so aussehen. Aufgrund der wiederholten Drohungen sei er im Dezember nach G. gereist und habe seine Ehefrau gebeten, eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu machen, was sie auch getan habe. Im Februar sei er in die Türkei zurückgekehrt und sie hätten versucht, einen Weg zu finden, um auszureisen. Sie seien sicher gewesen, dass der ExMann sie umbringen werde und der türkische Staat sie ebenso wenig schützen könne wie damals die Mutter und deren Freund. Als sie am 5. Mai mit dem Auto ans Meer gefahren seien, hätten sie festgestellt, dass der ExMann mit einer Pistole hinter ihnen her gewesen sei. Er habe sie umbringen wollen, weshalb sie sofort ins Auto eingestiegen und weitergefahren
seien, um sich zu verstecken. In der Türkei würden oft Frauen umgebracht und die Behörden griffen zu deren Schutz nicht ein, bis schliesslich jemand umgebracht werde. Sie hätten nicht getötet werden wollen und daher entschieden, die Türkei zu verlassen. Seit einem Jahr sei seine Freiheit eingeschränkt und er könne nicht einmal etwas in den sozialen Medien posten. Er habe auch den Kontakt zu seiner eigenen Familie abgebrochen, um zu verhindern, dass dieser etwas zustosse. Der Ex-Mann seiner Frau sei IT-Spezialist und habe immer herausgefunden, welche Telefonnummer sowie Social-Media-Accounts er verwende, und ihn auf diesem Weg mit dem Tod bedroht. Zwar habe seine Frau eine Anzeige erstattet, aber die türkischen Behörden würden nichts unternehmen, weshalb er auch nicht wisse, wo das Verfahren stehe. Es gebe keine Organisation und kein System, welches sie hätte schützen können, da dieser Mann «gestört» sei. Unabhängig davon, an welchem Ort in der Türkei sie sich aufgehalten hätten, hätte der Ex-Mann als IT-Spezialist sie überall gefunden. Die Schweiz dagegen könne ihnen Sicherheit.
Das SEM übermittelte der zugewiesenen Rechtsvertretung am 6. August 2024 einen Entwurf für den Asylentscheid. Diese reichte mit Schreiben vom
7. August 2024 eine Stellungnahme dazu ein.
Mit gleichentags eröffneter Verfügung vom 8. August 2024 stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte sein Asylgesuch ab. Es wies ihn aus der Schweiz weg und ordnete den Vollzug der Wegweisung an.
Zur Begründung seines Entscheids führte das SEM aus, die Schilderungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Bedrohungen durch den Ex-Mann seiner Partnerin wiesen weder auf eine behördliche Verfolgung noch auf eine Verweigerung behördlichen Schutzes hin. In eigenem Namen habe er nie Anzeige gegen den Ex-Mann erstattet und auch nicht bei einer bestimmten Organisation um Schutz nachgesucht. Dies habe er damit begründet, dass er seine eigene Familie habe schützen wollen, was indessen eine reine Behauptung sei. Es scheine keine Hinweise gegeben zu haben, dass seine Familie in Gefahr gewesen wäre. Das SEM gehe davon aus, dass es durchaus zu seinem Nutzen gewesen wäre, sich an die Polizei zu wenden. Die türkischen Behörden seien als schutzfähig und schutzwillig zu erachten, insbesondere in der Stadt F. . Sie seien grundsätzlich bereit, Frauen vor Angriffen privater Dritter im familiären Kontext zu
schützen. Vor diesem Hintergrund sei nicht von einer dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Partnerin drohenden Reflexverfolgung auszugehen. Darüber hinaus mache er Nachteile geltend, die sich aus lokal oder regional beschränkten Verfolgungsmassnahmen ableiteten. Es wäre ihm daher möglich und zumutbar gewesen, sich diesen durch einen Wegzug in einen anderen Teil seines Heimatlandes zu entziehen. Die Angabe, der Ex-Mann seiner Frau könnte ihn aufgrund seiner IT-Kenntnisse überall in der Türkei ausfindig machen, sei eine reine Behauptung. Seine Vorbringen hielten damit den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft nicht stand. Hinsichtlich des Antrags seiner Rechtsvertretung, sein Asylgesuch im erweiterten Verfahren zu behandeln und mit jenem seiner Partnerin zu koordinieren, sei festzuhalten, dass die Beziehung bislang erst ein Jahr gedauert habe und nicht als gefestigt gelten könne. Daran ändere auch die Schwangerschaft seiner Partnerin nichts, zumal die Vaterschaft noch nicht feststehe. Schliesslich seien auch keine Wegweisungsvollzugshindernisse ersichtlich. Der Beschwerdeführer stamme aus F. , welches vom schweren Erdbeben im Februar 2023 nicht betroffen gewesen sei. Seine Familie besitze mehrere Wohnungen und es sei ihm in der Türkei immer gut gegangen. Zudem sei er jung, gesund und verfüge über langjährige Berufserfahrung als (…).
Der Beschwerdeführer erhob mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom
19. August 2024 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen diesen Entscheid. Darin beantragte er, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, es sei seine Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen und ihm sei Asyl zu gewähren. Eventualiter sei ihm eine vorläufige Aufnahme zu gewähren, subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Weiter seien die Dossiers N (…) und N (…) unter einer einheitlichen N-Nummer zu führen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er zudem um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Der Beschwerde lagen – neben einer Vollmacht und der angefochtenen Verfügung – diverse Fotos betreffend Videocalls sowie eine Anzeige vom (…) Dezember 2023 samt Drohnachrichten bei.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte am 20. August 2024 den Eingang der Beschwerde. Die vorinstanzlichen Akten lagen dem Gericht gleichentags in elektronischer Form vor (Art. 109 Abs. 1 AsylG).
Für die Beurteilung des vorliegenden Verfahrens wurden die Akten von B. (N […]) beigezogen.
Am 26. August 2024 meldete das Bundesasylzentrum Ostschweiz den Beschwerdeführer als verschwunden.
Mit Beschluss D-5143/2024 vom 13. September 2024 wurde das Beschwerdeverfahren von B. infolge des von ihrem Rechtsvertreter mit Eingabe vom 29. August 2024 erklärten Rückzugs der Beschwerde als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist folglich zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – so auch vorliegend – endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG und dem VGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen
richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Gestützt auf Art. Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
In der Beschwerde wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer sei seit einem Jahr religiös mit B. verheiratet und sie erwarteten ein gemeinsames Kind. Das SEM habe dennoch nur in seinem Fall ein nationales Asylverfahren eröffnet und im Verfahren der Ehefrau, welche in Kroatien aufgegriffen worden sei, ein Dublin-Verfahren durchgeführt und die Wegweisung nach Kroatien verfügt. Im Rahmen seiner Untersuchungspflicht hätte das SEM jedoch abklären müssen, ob zwischen ihm und seiner Partnerin eine gelebte Beziehung bestehe. Dies sei für die Beurteilung der Asylgründe sowie der Wegweisungsvollzugshindernisse relevant und stelle ein wesentliches Tatbestandsmerkmal dar. Er sei mit B. religiös verheiratet und habe mit ihr auch in der Türkei zusammengelebt; zudem sei sie von ihm schwanger und sie hätten in der Schweiz gemeinsam Arzttermine wahrgenommen. Sie führten offensichtlich eine lange bestehende, auf Dauer angelegte und durch die religiöse Trauung sowie den
gemeinsamen Kinderwunsch geprägte Familienbeziehung. Auf entsprechende Aufforderung des SEM hin hätten sie verschiedene Fotos vorgelegt, welche zeigten, dass sie sich in der Türkei oft über Videochats unterhalten hätten. Die Vorinstanz bemängle, dass keine hinreichenden Beweise für die Beziehung eingereicht worden seien. Die Partnerschaft sei indessen ein Tatbestandselement, welches eng mit den Asylgründen verknüpft sei, weshalb das Beweismass von Art. 7 AsylG gelte und diese lediglich glaubhaft zu machen sei. Sie hätten alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um nachzuweisen, dass eine eheähnliche Beziehung bestehe. Die Feststellung des SEM, dass die Vaterschaft noch nicht feststehe, sei angesichts des Umstands, dass sie seit längerem eine Beziehung führten und religiös verheiratet seien, eine willkürliche und kränkende Unterstellung. Durch die Trennung der Dossiers ohne ausreichende Abklärungen greife es in das Recht auf Familienleben gemäss Art. 8 EMRK ein. Dessen Schutzbereich beschränke sich nicht auf eheliche Beziehungen, sondern könne auch nicht formalisierte eheähnliche Lebensgemeinschaften umfassen. Die Vorinstanz habe die gelebte Partnerschaft des Beschwerdeführers heruntergespielt, um sein Asylverfahren möglichst rasch beschleunigt abschliessen zu können. Sie habe die beiden Dossiers ohne ausreichende Abklärung und Begründung getrennt und damit das Recht auf Achtung des Familienund Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK verletzt.
Der Beschwerdeführer sei in der Türkei in den sozialen Medien sowie in SMS-Nachrichten vom Ex-Partner seiner Ehefrau bedroht worden. Der psychische Druck sei derart gross gewesen, dass er nach G. gereist sei, während seine Ehefrau sich in ihrer Wohnung versteckt habe. Weiter sei der Ex-Mann mit einer Pistole hinter ihnen her gewesen, als sie am 5. Mai ans Meer gefahren seien. Zwar hätten sie entkommen können, die Situation sei aber kritisch gewesen und die Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft hätten nichts gebracht. Sie hätten keinen Schutz erhalten und nicht warten können, bis sie irgendwann ermordet würden. Obwohl das Dossier des Beschwerdeführers von jenem seiner Ehefrau getrennt worden sei, habe er bei der Anhörung zu seinen Asylgründen Ausführungen machen müssen, welche direkt mit der bestehenden Beziehung zu seiner Partnerin zusammenhingen. Letztere sei aber nie zu ihren Asylgründen befragt worden, womit wesentliche Sachverhaltselemente nicht ermittelt worden seien. Um eine Reflexverfolgung verneinen zu können, hätte das SEM B. als direkt verfolgte Person anhören müssen. Indem sie dies im Zuge der Trennung der Dossiers unterlassen habe, habe es den Sachverhalt nicht ausreichend abgeklärt.
Trotz des unvollständig ermittelten Sachverhalts gebe es Elemente, welche für die Asylrelevanz der Vorbringen des Beschwerdeführers sprächen. Er sei vom Ex-Mann seiner Partnerin schriftlich bedroht sowie – als dieser sie bei einem Ausflug mit einer Pistole verfolgt habe – direkt mit einer Todesdrohung konfrontiert worden. Dies stelle eine Vorverfolgung dar, wobei die Regelvermutung gelte, dass in einem solchen Fall auch begründete Furcht vor einer zukünftigen Verfolgung bestehe. Entscheidend für die Ausreise seien auch der grosse psychische Druck sowie die Untätigkeit der türkischen Behörden trotz eingereichter Anzeigen gewesen. Sodann erwähne das SEM in der angefochtenen Verfügung mit keinem Wort, dass sein Vorgehen mit der Trennung der Dossiers dazu führe, dass seine schwangere Lebenspartnerin aufgrund ihres Dublin-Verfahrens in Verletzung von Art. 8 EMRK nach Kroatien überstellt werde. Die separaten Entscheide führten zu einer erzwungenen Trennung der Familie und stellten eine Verletzung des Grundsatzes der Einheit der Familie gemäss Art. 44 AsylG dar.
In der Beschwerde werden formelle Rügen erhoben, welche vorab zu beurteilen sind, da sie allenfalls geeignet sein könnten, eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu bewirken. Bemängelt wird insbesondere, dass das SEM seine Untersuchungspflicht im Hinblick auf die Frage, ob zwischen ihm und B. eine gelebte Beziehung bestehe, verletzt habe. Dies habe dazu geführt, dass ihre Dossiers zu Unrecht getrennt voneinander behandelt worden seien. Ferner sei seine Partnerin auch nicht angehört worden, obwohl ihre Asylgründe zusammenhingen und dies für die Beurteilung des vorliegenden Asylgesuchs erforderlich gewesen wäre.
Gemäss Art. 6 AsylG in Verbindung mit Art. 12 VwVG stellen die Asylbehörden den Sachverhalt von Amtes wegen fest (Untersuchungsgrundsatz). Dabei muss die Behörde die für das Verfahren erforderlichen Sachverhaltsunterlagen beschaffen, die rechtlich relevanten Umstände abklären und darüber ordnungsgemäss Beweis führen (vgl. dazu auch Art. 30-33 VwVG). Unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung dann, wenn der Verfügung ein falscher und aktenwidriger oder nicht weiter belegbarer Sachverhalt zugrunde gelegt wurde. Unvollständig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn die Behörde trotz Untersuchungsmaxime den Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt hat, oder wenn nicht alle für die Entscheidung wesentlichen Sachumstände berücksichtigt wurden (vgl. dazu BENJAMIN SCHINDLER, in Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2. Aufl. Zürich/St. Gallen 2019, Rz. 29 zu Art. 49).
Vorliegend stellt sich die Frage, ob sich der Beschwerdeführer und seine Partnerin B. auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK berufen können. Dies ist gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur dann möglich, wenn eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung vorliegt. Als wesentliche Faktoren sind diesbezüglich das gemeinsame Wohnen respektive der gemeinsame Haushalt, die finanzielle Verflochtenheit, die Länge und Stabilität der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander zu berücksichtigen (vgl. Urteil des BGer 2C_1194/2012 vom 31. Mai 2013 E. 4.1 m.H.). Zudem ist es grundsätzlich erforderlich, dass das in der Schweiz lebende Familienmitglied über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügt (vgl. BGE 139 I 330 E. 2.1). In Ausnahmesituationen können sich auch Personen auf den Schutz des Privatund Familienlebens berufen, deren Anwesenheit rechtlich nicht geregelt ist beziehungsweise die allenfalls über kein (gefestigtes) Anwesenheitsrecht verfügen, deren Anwesenheit aber faktisch als Realität hingenommen wird respektive aus objektiven Gründen hingenommen werden muss (vgl. BGE 138 I 246 E. 3.3.1 m.H., zur Berücksichtigung von Art. 8 EMRK im Dublin-Kontext vgl. BVGE 2021 IV/1 E. 11–13.6). Praxisgemäss rechtfertigt es sich im Fall von nicht verheirateten Paaren, beim Nachweis der gelebten Familiengemeinschaft restriktivere Kriterien vorauszusetzen, als bei einer formellen Ehegemeinschaft, da die Eheähnlichkeit durch eine gewisse Dauerhaftigkeit und Verflochtenheit noch unter Beweis zu stellen ist. Das Bundesgericht setzt in seiner Rechtsprechung zum ausländerrechtlichen Bewilligungsanspruch die Messlatte mit dem Erfordernis des Zusammenlebens von mehreren Jahren sehr hoch (vgl. etwa Urteil des Bundesgerichts 2C_880/2017 vom 3. Mai 2018 E. 3.2 m.w.H.). Die partnerschaftliche Beziehung muss seit langem bestehen oder es müssen konkrete Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Eheschliessung hindeuten. Zentrale Kriterien sind das Zusammenleben im gleichen Haushalt, die Natur und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung aneinander.
Der Beschwerdeführer gab im Rahmen seines Dublin-Gesprächs am
26. Juni 2024 an, er kenne B. seit etwa einem Jahr, sei mit ihr seit dem (…) Juni 2023 religiös verheiratet und sie hätten in der Türkei zusammengelebt (vgl. SEM-Akte […]-15/3 [nachfolgend Akte 15], Seite 1). Das SEM forderte die sowohl den Beschwerdeführer als auch seine Partnerin auf, ihre religiöse Heirat zu belegen, etwa durch eine Heiratsurkunde, ein Familienbüchlein, Fotografien oder andere Dokumente (vgl. SEM-Akte […]-16/2). Sie waren jedoch nicht in der Lage, ent-sprechende
Beweismittel beizubringen. Ein Foto von B. , welches sie (allein) beim Beten nach der religiösen Zeremonie zeige, reicht offensichtlich nicht aus, um eine religiöse Trauung zu belegen. Die Fotos, welche als Belege für eine Beziehung vor der religiösen Heirat eingereicht wurden (vgl. Beweismittelverzeichnis zu Vorhaben […], ID-006/5), sind nicht datiert und mindestens eines davon wurde offensichtlich in der Schweiz aufgenommen. Ferner geht aus den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht klar hervor, weshalb keine offizielle Heirat erfolgte. Er beschränkt sich darauf, anzugeben, dies sei «wegen all diesen Zwischenfällen» nicht möglich gewesen (vgl. Akte 15, Seite 1). B. erklärte im Rahmen ihres DublinGesprächs, sie hätten wegen «Problemen» keine offizielle Ehe schliessen können und es sei bei ihrer Scheidung ein Fehler passiert, was besage, dass sie noch verheiratet sei (vgl. SEM-Akte […]-13/4, S. 1 f.). Letzteres widerspricht indessen dem von ihr eingereichten e-Devlet-Auszug, welcher festhält, dass ihre zweite Scheidung am (…) Juli 2023 erfolgte (vgl. Beweismittelverzeichnis zum Vorhaben […], ID-002/1). Auch in der Anzeige gegen den Ex-Mann wird der Zivilstand von B. mit «geschieden» angegeben (vgl. Beschwerdebeilage 4). Es mutet überdies seltsam an, dass die religiöse Heirat – für die es keinerlei Belege gibt – noch vor der Scheidung stattgefunden haben soll. Sodann fällt auf, dass der Beschwerdeführer anlässlich des Dublin-Gesprächs zwar erklärte, dass er in der Türkei mit seiner Partnerin zusammengewohnt habe. Bei der Anhörung führte er demgegenüber bei der Frage nach den Aufenthaltsorten aus, er habe zuletzt mit seinen Eltern im gleichen Haushalt gelebt (vgl. SEM-Akte […]- 31/13 [nachfolgend Akte 31], F12), ohne in diesem Zusammenhang seine angebliche Ehefrau zu erwähnen. Im Rahmen der Asylgründe gab er dagegen wiederum an, dass er in derselben Wohnung wie seine Ehefrau gewohnt habe (vgl. Akte 31, F55). Ferner wird in der Anzeige von B. vom Dezember 2023 sowie dem dazugehörigen Aussageprotokoll die Stadt H. (Provinz I. ) als Wohnort aufgeführt; die Anzeige wurde auch bei den Behörden von I. aufgegeben. Der Beschwerdeführer erwähnte jedoch zu keinem Zeitpunkt, dass er in H. respektive I. gelebt habe (vgl. Akte 31, F6 ff.). Angesichts dieser teilweise widersprüchlichen Angaben bestehen erhebliche Zweifel daran, dass das Paar in der Türkei tatsächlich in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Die vorgelegten Screenshots von Videocalls datieren von Januar respektive März; sie enthalten zwar keine Jahreszahl, müssen aber – nachdem sich das Paar erst vor ungefähr einem Jahr kennenlernte – im Jahr 2024 entstanden sein. Sie sind indessen lediglich als Hinweis dafür zu werten, dass sie per Videocall in Kontakt standen. Eine langanhaltende, enge und tatsächlich gelebte Beziehung vermögen sie jedoch nicht zu
belegen. Auch der Umstand, dass B. ein Kind vom Beschwerdeführer erwarte, lässt noch nicht auf eine solche schliessen. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob die Schwangerschaft überhaupt bestätigt wird – was gemäss den vorliegenden Akten noch nicht der Fall war (vgl. SEM-Akte […]-29/4 und -31/1) – und ob der Beschwerdeführer der Vater des Kindes ist. Das Paar kennt sich erst seit gut einem Jahr, die von ihnen behauptete religiöse Heirat ist mit keinerlei Unterlagen belegt und es erscheint zweifelhaft, ob sie in der Türkei in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, würde ein knapp einjähriges Zusammenleben angesichts der oben skizzierten Rechtsprechung aufgrund der kurzen Dauer nicht ausreichen, um von einer eheähnlichen Beziehung auszugehen. Weitere Hinweise auf eine besonders enge Beziehung, etwa durch eine starke finanzielle Verflochtenheit oder eine besondere Abhängigkeit, werden weder geltend gemacht noch sind diese ersichtlich. Auch wenn es verschiedene Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beschwerdeführer und B. derzeit ein Paar sind, erfüllt ihre Beziehung noch nicht die Kriterien, um in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK zu fallen. An dieser Stelle ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass keiner der Beiden über eine Anwesenheitsberechtigung in der Schweiz verfügt. Zusammenfassend erweist sich die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Beziehung zu B. als nicht genügend eng, um sich auf Art. 8 EMRK berufen zu können. Vor diesem Hintergrund bestand für das SEM keine Veranlassung, über das dem Beschwerdeführer und seiner Partnerin gewährte rechtliche Gehör hinaus weitere Abklärungen hinsichtlich deren Beziehung vorzunehmen. Es ist bei dieser Sachlage auch als zulässig zu erachten, dass das SEM die beiden Verfahren getrennt und unter je eigenen N-Nummern weitergeführt hat.
Des Weiteren bringt der Beschwerdeführer vor, seine Asylgründe seien stark mit jenen seiner Partnerin verknüpft, da die Bedrohungslage von deren Ex-Mann ausgegangen sei. Entsprechend wäre es für die Erstellung des Sachverhalts erforderlich gewesen, B. ebenfalls anzuhören. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass es den Asylsuchenden obliegt, die Gründe für ihr Asylgesuch und allfällige Verfolgungshandlungen, die sie erlitten haben respektive die ihnen drohen, darzulegen. Auch eine Person, welche eine Reflexverfolgung geltend macht, hat auszuführen, inwiefern sich eine Verfolgung, die in erster Linie auf eine andere Person abzielt, auf sie auswirkt. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass die von der Verfolgung direkt betroffene Person ebenfalls befragt wird, zumal dies unter Umständen gar nicht möglich ist, namentlich wenn sich diese nicht in der Schweiz befindet. Der Beschwerdeführer erhielt anlässlich der Anhörung
die Möglichkeit, seine Asylgründe in einem freien Bericht sowie im Rahmen präzisierender Nachfragen umfassend darzulegen. Bei seinen Akten befinden sich auch Unterlagen, welche seine Partnerin betreffen, darunter etwa die englischen Übersetzungen ihrer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Zudem wurden die Akten von B. für die Beurteilung des vorliegenden Verfahrens beigezogen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass es für die Erstellung des rechtserheblichen Sachverhalts unerlässlich gewesen wäre, seine Partnerin ebenfalls anzuhören.
Nach dem Gesagten erweisen sich die formellen Rügen als unbegründet. Der Sachverhalt ist als richtig und vollständig festgestellt zu erachten und es besteht keine Veranlassung, die Sache für weitere Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der diesbezügliche (Subeventual-)Antrag ist daher abzuweisen. Auch die Trennung des vorliegenden Verfahrens von jenem von B. ist nicht zu beanstanden, weshalb auch der Antrag, ihre Dossiers unter einer einheitlichen N-Nummer zu führen, abzuweisen ist.
Nach Lehre und Rechtsprechung erfüllt eine asylsuchende Person die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG, wenn sie Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat, beziehungsweise solche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft befürchten muss, sofern ihr die Nachteile gezielt und aufgrund bestimmter, in Art. 3 Abs. 1 AsylG aufgezählter Verfolgungsmotive zugefügt worden sind, respektive zugefügt zu werden drohen. Aufgrund der Subsidiarität des flüchtlingsrechtlichen Schutzes setzt die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausserdem voraus, dass die betroffene Person in ihrem Heimatoder Herkunftsstaat keinen ausreichenden Schutz finden kann (vgl. BVGE 2008/12 E. 5.1). Eine Garantie für langfristigen individuellen Schutz der von nichtstaatlicher Verfolgung bedrohten Person kann dabei nicht verlangt werden. Es kann keinem Staat gelingen, seinen Bürgerinnen und Bürgern jederzeit und überall eine absolute Sicherheit zu gewährleisten. Demgegenüber muss der Staat eine funktionierende und effiziente Schutzinfrastruktur zur Verfügung stellen, deren Inanspruchnahme der betroffenen Person objektiv möglich und individuell zumutbar sein muss, was jeweils im Rahmen einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des länderspezifischen Kontexts zu beurteilen ist (vgl. BVGE 2011/51 E. 7.3 f.; 2008/4 E. 5.2 m.H.).
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei vom Ex-Ehemann seiner
Partnerin B.
mit dem Tod bedroht worden (vgl. Akte 31, F55).
Dabei handelt es sich nicht um eine staatliche Verfolgung, sondern um eine solche durch eine private Drittperson. Wie das SEM in der angefochtenen Verfügung zutreffend feststellte, ist diese nur dann asylrechtlich relevant, wenn sich der Heimatstaat als nicht schutzwillig oder -fähig erweisen würde. Das Bundesverwaltungsgericht geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die türkischen Behörden willens und in der Lage sind, Schutz vor Verfolgung durch Dritte zu gewähren und eine funktionierende Schutzinfrastruktur zur Verfügung zu stellen (vgl. statt vieler Urteile des BVGer D-6861/2023 vom 25. April 2024 E. 7.3 und D-1725/2024 vom 23. April 2024 S. 5, je m.H.). Es hat sich auch mehrfach zum Umgang der türkischen Behörden mit Opfern von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat geäussert. Dabei stellte das Gericht fest, dass die türkischen Behörden entschlossen sind, gegen diese Phänomene effektiv vorzugehen und grundsätzlich in der Lage seien, Schutz zu gewähren (vgl. zum Ganzen Referenzurteil E-1948/2018 vom 12. Juni 2018, E. 5.2, bestätigt etwa im Urteil des BVGer D-4762/2023 vom 20. September 2023 E. 5.2).
In der Anhörung machte der Beschwerdeführer geltend, der türkische Staat könne ihn und seine Partnerin nicht schützen, wie er auch deren Mutter und ihren Freund nicht habe schützen können (vgl. Akte 31, F55). Gemäss dem eingereichten Zeitungsbericht wurde die Mutter von B. im Jahr 2004 von ihrem Ex-Ehemann mit Messerstichen getötet. Daraus lässt sich indessen nicht ableiten, dass es dem türkischen Staat (auch) nicht gelingen würde, den Beschwerdeführer und seine Partnerin zu schützen. Zwar erscheint es angesichts eines solchen Ereignisses innerhalb der Familie nachvollziehbar, dass sie subjektiv Angst haben, ihnen könnte dasselbe Schicksal drohen. Diese Furcht erweist sich jedoch nicht als objektiv begründet, da der betreffende Vorfall, welcher sich vor rund zwanzig Jahren ereignet habe, keine Rückschlüsse auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers und seiner Partnerin zulässt. Zudem ist unklar, ob sich die Mutter damals überhaupt an die Behörden gewandt und um Schutz gebeten hat. Den Akten lässt sich entnehmen, dass sich vorliegend nur B. im Dezember 2023 mit einer Anzeige an die Justizbehörden gewandt hat, nachdem sie – gemäss dem in diesem Zusammenhang erstellten Aussageprotokoll – über mehrere Monate hinweg von ihrem ExEhemann bedroht worden sei (vgl. Beschwerdebeilage 4). Demgegenüber hat der Beschwerdeführer selbst zu keinem Zeitpunkt eine Anzeige erstattet oder eine Organisation um Hilfe gebeten (vgl. Akte 31, F67 ff.). Seine diesbezügliche Erklärung, die Anzeige seiner Frau gelte auch für ihn – obwohl er darin nicht namentlich erwähnt werde – und er habe damit
verhindern wollen, dass seine Familie gefährdet werde (vgl. Akte 31, F72 f.), erweist sich als wenig überzeugend. Es scheint denn auch keine konkreten Hinweise darauf gegeben zu haben, dass der Ex-Mann von B. die Familie des Beschwerdeführers bedroht hätte (vgl. Akte 31, F74 f.). Wäre dieser tatsächlich aufgrund seiner IT-Kenntnisse in der Lage gewesen, die vom Beschwerdeführer verwendeten Telefonnummern und Social-Media-Konten zu eruieren (vgl. Akte 31, F7), wäre es ihm wohl auch problemlos möglich gewesen, die Identität von dessen Angehörigen herauszufinden und diese zu bedrohen. Dazu kam es indessen nicht. Insgesamt gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, nachvollziehbar darzulegen, weshalb er sich nach den angeblichen Todesdrohungen zu keinem Zeitpunkt an die heimatlichen Behörden gewandt und diese um Schutz ersucht hat. Der Vorfall vom 5. Mai 2024, bei welchem er und seine Partnerin bei einem Ausflug an den Strand von deren Ex-Mann mit einer Pistole bedroht worden sein sollen (vgl. Akte 31, F55 S. 8), wurde offenbar ebenfalls nicht zur Anzeige gebracht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer von den türkischen Behörden der Schutz – wenn er denn darum ersucht hätte – aus einem der in Art. 3 AsylG genannten Motive verweigert worden wäre, lassen sich weder seinen Aussagen noch den Akten entnehmen. Vor diesem Hintergrund kam das SEM zu Recht zum Schluss, dass sich die geltend gemachte private Verfolgung als nicht asylrelevant erweist.
Des Weiteren weist die Vorinstanz zutreffend darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, sich allfälligen Bedrohungen durch den Ex-Mann seiner Partnerin durch einen Wegzug in einen anderen Landesteil zu entziehen. Die unsubstanziierte Befürchtung, dieser könnte sie überall in der Türkei ausfindig machen, erweist sich als nicht überzeugend. Er begründet dies lediglich mit der vagen Angabe, der Ex-Mann sei IT-Spezialist und könnte von ihrem Aufenthaltsort über das Versicherungsamt oder «irgendwelche Behörden» erfahren (vgl. Akte 31, F78 f.). Konkretere Angaben in diesem Zusammenhang vermochte er jedoch nicht zu machen (vgl. Akte 31, F80) und es bleibt unklar, wie der Ex-Mann sie nach einem allfälligen Umzug innerhalb des Heimatstaates auffinden können sollte. Entsprechend lässt sich in diesen pauschalen Befürchtungen keine drohende Verfolgung erkennen, die sich mit erheblicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft verwirklichen würde. Vielmehr ist anzunehmen, dass es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, sich an einem anderen Ort in der Türkei niederzulassen, ohne dass der Ex-Mann seiner Partnerin davon erfahren und ihn weiterhin bedroht hätte. Ferner handelt es sich bei ihm um einen gesunden Mann, welcher über eine gute Ausbildung und mehrjährige Arbeitserfahrung als (…) verfügt sowie bereits früher
beruflich viel unterwegs gewesen sei (vgl. Akte 31, F5, F7, F13 und F20 ff.). Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass es ihm möglich und zumutbar gewesen wäre, sich an einem Ort ausserhalb seiner Herkunftsregion eine Existenz aufzubauen.
Nach dem Gesagten ist festzustellen, dass die Vorinstanz zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint und sein Asylgesuch abgelehnt hat.
Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.). Die Wegweisung wurde demnach ebenfalls zu Recht angeordnet.
Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG). So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]). Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf
niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die Vorinstanz weist in der angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, welche die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung keine Anwendung finden.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06,
§§ 124–127 m.w.H.). Dies ist ihm – unter Hinweis auf die obenstehenden Erwägungen zur Flüchtlingseigenschaft und zum Asylpunkt – jedoch nicht gelungen. Auch die allgemeine Menschenrechtssituation im Heimatstaat lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht unzulässig erscheinen. Der Vollzug der Wegweisung ist damit sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren.
Gemäss konstanter Praxis ist in der Türkei nicht von einer flächendeckenden Situation allgemeiner Gewalt oder bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen auszugehen. Die allgemeine Sicherheitslage steht einem Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat somit nicht entgegen (vgl. etwa Urteil des BVGer D-1011/2024 vom 16. April 2024 E. 9.3.2 m.H.).
Der Beschwerdeführer stammt ursprünglich aus der Provinz K. , lebte jedoch seit seiner Kindheit in F. (vgl. Akte 31, F6). Später war er beruflich unter anderem auf Schiffen tätig und in verschiedenen Ländern unterwegs (vgl. Akte 31, F13). Er ist gesund, verfügt über langjährige Berufserfahrung und es ging ihm finanziell gut (vgl. Akte 31, F5, F21, F24 und F43). Zudem leben seine Angehörigen nach wie vor in F. , wo sein Vater mehrere Immobilien besitzt (vgl. Akte 31, F10 und F26), womit er im Heimatstaat über ein familiäres Beziehungsnetz verfügt. Auch wenn er aufgrund der aktuellen Situation nicht in Kontakt mit seiner Familie stehe, ist davon auszugehen, dass er diesen gegebenenfalls wiederaufnehmen könnte. Insgesamt gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in eine Notlage geraten könnte. Der Vollzug der Wegweisung ist folglich als zumutbar zu erachten.
Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet hat. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AIG).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt und – soweit diesbezüglich überprüfbar – angemessen ist. Die Beschwerde ist demnach abzuweisen.
Das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses wird mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache gegenstandslos. Weiter wurde in der Beschwerde um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ersucht. Gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG wird eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Prozesskosten befreit, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint. Aufgrund der Aktenlage ist von der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers auszugehen und seine Anträge waren nicht zum Vornherein aussichtlos, weshalb
das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gutzuheissen ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da jedoch das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gutgeheissen wird, sind keine Verfahrenskosten zu erheben.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird gutgeheissen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Susanne Bolz-Reimann Regula Aeschimann
Versand:
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