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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-5029/2024

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-5029/2024

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-5029/2024
Datum:03.09.2024
Leitsatz/Stichwort:Erlöschen des Asyls
Schlagwörter : Verzicht; Beschwerdeführende; Beschwerdeführenden; Verzichts; Flüchtling; Verzichtserklärung; Flüchtlingseigenschaft; Schweiz; Migration; Aufenthalt; Vorinstanz; Aufenthaltsbewilligung; Willen; Irrtum; Verfügung; Migrationsamt; Urteil; Asyls; Bundesverwaltungsgericht; ändig
Rechtsnorm: Art. 23 OR ;Art. 24 OR ;Art. 29 OR ;Art. 48 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-5029/2024

U r t e i l v o m 3 . S e p t e m b e r 2 0 2 4

Besetzung Richterin Contessina Theis (Vorsitz),

Richter David R. Wenger, Richterin Giulia Marelli, Gerichtsschreiberin Aglaja Schinzel.

Parteien A. , geboren am (…), Sri Lanka,

B. , geboren am (…), Sri Lanka,

beide vertreten durch Dimitri Gaffuri, Teichmann International (Schweiz) AG, (…),

Beschwerdeführende,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Erlöschen des Asyls

(Wiedereinsetzung in den früheren Rechtszustand); Verfügung des SEM vom 10. Juli 2024 / N (…).

Sachverhalt:

A.

Die Beschwerdeführenden wurden mit Entscheid vom 17. April 2015 als Flüchtlinge anerkannt und ihnen wurde Asyl gewährt.

B.

Mit Schreiben vom 21. November 2022 gelangte der Beschwerdeführer ans SEM und erklärte, er sei von seinen früheren Vorgesetzten in Sri Lanka aufgefordert worden, eine Bestätigung für Rentenbezug bei der sri-lankischen Botschaft in Genf einzuholen, weshalb er sich am 14. November 2022 nach Genf begeben habe. Dort sei ihm mitgeteilt worden, aufgrund seines Flüchtlingspasses könne ihm keine entsprechende Bestätigung ausgestellt werden, er benötige dazu einen sri-lankischen Pass. In der Folge habe er erfahren, dass er einen Anspruch auf eine Rente von monatlich 19'340.59 Rupien habe, diese aber nicht beziehen könne, da er im Ausland lebe. Er wolle deshalb fragen, ob er seinen sri-lankischen Pass erhalten könne, um zu versuchen, diese Rente zu beanspruchen.

C.

Das SEM erklärte dem Beschwerdeführer in einem Schreiben vom 16. Dezember 2022, dass die freiwillige Unterschutzstellung zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft führen könne, wobei die Kontaktaufnahme mit den Behörden des Heimatstaates mit heimatlichem Reisepass einen Tatbestand darstelle, der als Unterschutzstellung gelten könne. Sollte er sich also einen heimatlichen Reisepass ausstellen lassen, würde das SEM ein Verfahren betreffend Prüfung eines Asylwiderrufs und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft einleiten. Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, dass er auf seine Flüchtlingseigenschaft und auf das Asyl verzichte, damit er sich einen heimatlichen Reisepass ausstellen lassen könne. Ein Verzicht würde allerdings bedeuten, dass er nicht mehr dem Asylgesetz, sondern den allgemeinen Bestimmungen des Ausländerrechts unterstehe. Auch würde er dann nicht mehr unter die Flüchtlingskonvention fallen. Bei Fragen zu einer allfälligen Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung solle er sich an die zuständige Migrationsbehörde wenden. Es werde ihm empfohlen, die Voraussetzungen seines weiteren Aufenthaltes vorab dort abzuklären. In der Beilage sandte das SEM dem Beschwerdeführer eine Verzichtserklärung zu, welche er unterschreiben und retournieren könne, sollte er sich für einen Verzicht entscheiden.

D.

Am 24. Dezember 2022 reichte der Beschwerdeführer die durch ihn unterzeichnete Verzichtserklärung beim SEM ein, wobei er gleichzeitig darum bat, gemäss Ausländerrecht weiterhin mit seiner Frau in der Schweiz bleiben zu dürfen. Er ziehe sein Asylgesuch zurück, damit er mit ausländerrechtlicher Aufenthaltsbewilligung zusammen mit seiner Ehefrau in der Schweiz bleiben könne.

E.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2022 teilte das SEM dem Beschwerdeführer mit, bei Personen mit einer Jahresaufenthaltsbewilligung (Ausweis

B) prüfe die kantonale Migrationsbehörde die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach einem Verzicht auf das Asyl nach den ordentlichen Bestimmungen des AIG (SR 142.20). Bei Fragen solle er sich an die zuständige Migrationsbehörde wenden, wobei ihm empfohlen werde, dies vorab zu tun um die Voraussetzungen des weiteren Aufenthaltes in der Schweiz abzuklären. Die Verzichtserklärung werde ihm erneut zugesendet, damit er diese, nach Abklärung bei der Migrationsbehörde, dem SEM erneut zusenden könne.

F.

Mit vom 4. Januar 2023 datierten Schreiben (Eingang beim Kanton am 31. August 2023) gelangte der Beschwerdeführer an das Migrationsamt des Kantons C. und bat um Überprüfung, ob er gemäss Ausländerrecht in der Schweiz bleiben dürfe. Er erklärte, weil er seine Familie sowie eine Kirche und verschiedene Tempel besuchen wolle, wolle er eine Reise nach Sri Lanka machen, weshalb er erwäge, auf die Flüchtlingseigenschaft zu verzichten. Er lebe von seiner Rente und Zusatzleistungen und könne seinen Lebensunterhalt selber decken. Vom Sozialamt sei er nicht unterstützt worden. Er bitte darum, seine Aufenthaltsbewilligung als Flüchtling in eine Aufenthaltsbewilligung gemäss Ausländerrecht umzuwandeln. Wenn diesem Anliegen zugestimmt werde, sei er bereit, sein Asylgesuch zurückzuziehen.

G.

Am 2. Oktober 2023 wandten sich die Beschwerdeführenden ans SEM und erklärten erneut, es sei ihr Wunsch, ihre Asylgesuche zurückzuziehen, auf ihre Flüchtlingseigenschaft zu verzichten und gemäss Ausländerrecht weiterhin in der Schweiz zu bleiben. Sie hätten beim Migrationsamt C. nachgefragt und dieses habe ihnen empfohlen, sich ans SEM zu wenden. Sie würden ihre Asylgesuche zurückziehen, damit sie basierend auf das

Ausländerrecht in der Schweiz bleiben könnten. In der Beilage reichten sie ein Schreiben des Migrationsamtes C. vom 25. September 2023 ein, mit welchem dieses dem Beschwerdeführer mitteilte, einen Antrag auf Verzicht der Flüchtlingseigenschaft könne er beim SEM einreichen, aufgrund einer summarischen Aktenprüfung dürfte ein solcher keinen Einfluss auf seinen Verbleib in der Schweiz haben, wobei dies erst nach erfolgtem Verzicht geprüft würde und diesbezüglich keine rechtsverbindliche Auskunft gegeben werden könne. Sofern er die Widerrufsgründe nach Art. 62 AIG nicht erfülle, sollte er die Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz beibehalten können. Im Zweifelsfall werde ihm empfohlen, mit einer Rechtsberatungsstelle in Kontakt zu treten.

H.

Mit einem mit «Folgen eines Verzichts auf das Asyl und die Flüchtlingseigenschaft» betitelten Schreiben vom 9. Oktober 2023 wies das SEM die Beschwerdeführenden erneut darauf hin, dass im Falle eines Verzichts die kantonale Migrationsbehörde die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den ordentlichen Bestimmungen des AIG prüfe. Sollten sie sich dazu entschliessen, könnten sie die beiliegende Erklärung unterschrieben retournieren. Im Anschluss an ihre Verzichtserklärung werde das SEM ihnen das Erlöschen des Asyls und gegebenenfalls der Flüchtlingseigenschaft schriftlich bestätigen. Es werde jedoch empfohlen, sich vorab mit den kantonalen Migrationsbehörden in Verbindung zu setzen und die Voraussetzungen des weiteren Aufenthaltes in der Schweiz abzuklären.

I.

Am 12. Oktober 2023 unterschrieben beide Beschwerdeführenden die Verzichtserklärung betreffend Asyl und Flüchtlingseigenschaft und reichten diese beim SEM ein. Mit Schreiben vom 20. November 2023 erkundigten sie sich nach dem Verfahrensstand.

J.

Mit Schreiben vom 29. November 2023 nahm das SEM vom freiwilligen Verzicht der Beschwerdeführenden auf das Asyl und die Flüchtlingseigenschaft Kenntnis und bestätigte, das ihnen in der Schweiz gewährte Asyl sei erloschen und sie würden nicht mehr als Flüchtlinge im Sinne der Flüchtlingskonvention gelten. Ihre heimatlichen Ausweisschriften würden ihnen durch das Migrationsamt C. ausgehändigt werden.

K.

Mit Eingabe vom 27. Juni 2024 gelangte der Rechtsvertreter der

Beschwerdeführenden ans SEM und erklärte, er wolle darauf hinweisen, dass der Verzicht der Beschwerdeführenden auf die Flüchtlingseigenschaft und Asyl ungültig sei. Im Mai 2024 sei der Sohn der Beschwerdeführenden darauf aufmerksam geworden, dass seine Eltern eine beunruhigende Erklärung abgegeben hätten, ohne zu wissen, was sie unterschrieben hatten. Trotz wiederholter Nachfrage hätten sich diese nicht mehr daran erinnern können, wer ihnen beim Verfassen der Schreiben geholfen habe. Offensichtlich hätten die Beschwerdeführenden verschiedene Schreiben unterzeichnet, ohne deren Inhalt zu kennen. Beim Verzicht handle es sich um eine einseitige Willenserklärung, die keinen Einfluss auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung beziehungsweise Aufrechterhaltung des Flüchtlingsstatus habe. Vorliegend hätten die Beschwerdeführenden etwas unterschrieben, ohne den Inhalt des Schreibens zu kennen. Ein wirksamer Verzicht auf den Asylstatus sei daher aufgrund des Vorliegens eines Irrtums nie erfolgt. Die Beschwerdeführenden seien der deutschen Sprache nicht mächtig und würden rechtlich-administrative Schriftstücke nicht verstehen. Der Beschwerdeführer leide ferner aufgrund eines erlittenen Schlaganfalls an einer kognitiven Beeinträchtigung, welche unter anderem zu besonderen Kommunikationsschwierigkeiten führe. So sei er beispielsweise nicht in der Lage, einen Sprachkurs zu besuchen. Es werde deshalb um die Feststellung gebeten, dass der Verzicht unwirksam sei und die Beschwerdeführenden weiterhin über die Flüchtlingseigenschaft verfügten. Sollte die Vorinstanz diese Auffassung nicht teilen, werde um Kenntnisnahme davon gebeten, dass der Verzicht widerrufen werde. Die Beschwerdeführenden hätten die Schweiz nie verlassen und seien nie nach Sri Lanka gereist. Dies wäre gar nicht möglich, da der Beschwerdeführer an verschiedenen gesundheitlichen Problemen leide, nicht Auto fahren könne und Schwierigkeiten beim Gehen habe. Sollte auch diese Auffassung nicht geteilt werden, werde um Erlass einer anfechtbaren Verfügung gebeten.

Als Beilagen wurden folgende Dokumente eingereicht: Schreiben des SEM vom 27. Dezember 2023 betreffend Erlöschen des Asyls und der Flüchtlingseigenschaft; Schreiben des Beschwerdeführers an das Migrationsamt C. vom 4. Januar 2023; Schreiben der Beschwerdeführenden an die Vorinstanz vom 2. Oktober 2023; Ärztliches Zeugnis vom 3. Januar 2024, mit welchem bestätigt wird, dass der Beschwerdeführer in seinen kognitiven Fähigkeiten und seiner Mobilität eingeschränkt sei; Austrittsbericht der Klinik für Neurologie D. vom 4. September 2017 (alles in Kopie).

L.

Mit Verfügung vom 10. Juli 2024 – eröffnet am 11. Juli 2024 – lehnte das SEM das Gesuch um Wiedereinsetzung in den früheren Rechtszustand ab.

M.

Am 9. August 2024 erhoben die Beschwerdeführenden beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die vorinstanzliche Verfügung vom

10. Juli 2024 und ersuchten um Aufhebung der Verfügung betreffend Wiedereinsetzung in den früheren Rechtszustand sowie Wiedereinsetzen in den früheren Rechtszustand der Beschwerdeführenden.

N.

Am 13. August 2024 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls – in der Regel und auch vorliegend – endgültig (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden (Art. 108 Abs. 6 AsylG; Art. 52 Abs. 1 VwVG). Die Beschwerdeführenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.

Mit Beschwerde in Asylsachen kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.

Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

4.

    1. Zur Begründung führte das SEM in der angefochtenen Verfügung aus, die Verzichtserklärung betreffend den Asylund Flüchtlingsstatus sei grundsätzlich unwiderruflich und bedingungsfeindlich. Zudem sei der Grund des Verzichts irrelevant und ein eventueller Irrtum darüber nicht als Grundlagenirrtum zu erachten (unter Verweis auf Urteil E-7456/2015 des BVGer vom 2. Februar 2016 E. 3.3). Gemäss ständiger Praxis der schweizerischen Asylbehörden könne eine Verzichtserklärung für ungültig erklärt werden, wenn sie auf einem sogenannten Willensmangel beruhe. Dabei seien die Bestimmungen über die Willensmängel bei Verträgen nach Art. 23 ff. OR analog anwendbar (unter Verwies auf Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1993 Nr. 5 E. 4a.; EMARK 1996 Nr. 33 E. 5.; Urteil D- 6909/2006 des BVGer vom

      19. August 2008 E. 2.1). Eine Verzichtserklärung in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft und den Asylstatus sei demnach dann ungültig, wenn diese auf einem wesentlichen Irrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 bis 4 OR), einer absichtlichen Täuschung (Art. 28 OR) oder einer begründeten Furcht (Art. 29 und 30 OR) beruhe. Aufgrund der vorliegenden Sachlage komme lediglich ein wesentlicher Irrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 OR, namentlich ein Erklärungsirrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1-3 OR oder aber ein wesentlicher Motivirrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR in Betracht.

      Ein Erklärungsirrtum liege vor, wenn etwas erklärt werde, was nicht dem Willen des/der Erklärenden entspreche. Die Beschwerdeführenden hätten geltend gemacht, sie hätten aufgrund fehlender Sprachkenntnisse den Inhalt der Schreiben nicht verstanden. Nach Prüfung der Akten sei es indes nicht glaubhaft, dass ihnen der Inhalt ihrer Verzichtserklärung nicht bewusst gewesen sei. Wie anhand der Prozessgeschichte ersichtlich sei, hätten die Beschwerdeführenden dem SEM wiederholt explizit mitgeteilt, aus verschiedenen Gründen auf die Flüchtlingseigenschaft und das Asyl verzichten zu wollen. Ebenso habe das SEM sie wiederholt über die

      Konsequenzen eines solchen Verzichts informiert. Es sei nicht überzeugend, dass sie all die Schritte unternommen und wiederholt den Willen zum Verzicht auf die Flüchtlingseigenschaft und das Asyl zum Ausdruck gebracht hätten, ohne sich der Konsequenzen des Verzichts oder auch nur des Inhalts ihrer Forderungen bewusst zu sein. Selbst bei angenommenen fehlenden Sprachkenntnissen sei davon auszugehen, dass sie sich mit Hilfe einer sprachkundigen Person über den Inhalt der Schreiben des SEM und der Verzichtserklärung hätten informieren können. Es scheine auch wenig plausibel, dass der von ihnen erwähnte Sohn vom ganzen, sich über mehr als ein Jahr hinziehenden Verzichtsprozess erst nach dessen Abschluss hätte erfahren sollen. Die Angabe, ein nicht näher genannter tamilischer Freund habe sämtliche Schreiben verfasst und von den Beschwerdeführenden unterschreiben lassen, ohne diese über deren Inhalt zu informieren, sei als Schutzbehauptung einzustufen. Bezüglich der geltend gemachten kognitiven Beeinträchtigung des Beschwerdeführers sei ferner festzustellen, dass der eingereichte Austrittsbericht diese nicht feststellt und abschliessend festhält, er sei nach einem stationären Aufenthalt in deutlich verbessertem neurologischem und allgemeinem Zustand nach Hause entlassen worden und das Rehabilitationsziel, dass er mit Unterstützung von Bezugspersonen und/oder externen Organisationen wieder zuhause wohnen könne, sei vollumfänglich erreicht worden. Dem ärztlichen Zeugnis sei lediglich zu entnehmen, er sei infolge eines vor Jahren erlittenen Schlaganfalls in seinen kognitiven Fähigkeiten und seiner Mobilität eingeschränkt und könne deshalb keine Sprachschule besuchen. Genauere Angaben zur Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten würden nicht gemacht. Somit sei nicht belegt, dass diese Einschränkung den Beschwerdeführer hätte daran hindern sollen, die von ihm unterzeichneten Schreiben und die Verzichtserklärung zu verstehen. Ein Erklärungsirrtum sei demnach nicht anzunehmen. Hinweise auf einen Motivirrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1-3 OR würden nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht.

      Das Gesuch um Wiedereinsetzung in den früheren Rechtszustand sei daher abzulehnen. Im Falle eines aktuellen Schutzbedarfs stehe es den Beschwerdeführenden jedoch frei, in der Schweiz ein neues Asylgesuch einzureichen.

    2. In ihrer Rechtsmitteleingabe führten die Beschwerdeführenden im Wesentlichen an, es sei zu beachten, dass die vorformulierte Verzichtserklärung nicht automatisch als unbedingt betrachtet werden könne, nur weil im gleichen Umschlag kein Begleitschreiben mehr vorhanden gewesen sei.

Aus der umfangreichen vorangehenden Korrespondenz gehe klar hervor, dass die Beschwerdeführenden mehrmals den Wunsch eines bedingten Verzichts kundgetan hätten. Dies sei der Vorinstanz bewusst gewesen. Darüber hinaus hätten sie lediglich zehn Tage vor dem 12. Oktober 2023 zu verstehen gegeben, dass ihnen nicht klar gewesen sei, dass ein bedingter Verzicht nicht möglich und die Vorinstanz für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach AIG nicht zuständig sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die Verzichtserklärung vom 12. Oktober 2023 entsprechend auszulegen und als erneuter, bedingter Verzicht zu behandeln. Da der Verzicht auf das Asyl und die Flüchtlingseigenschaft gemäss Rechtsprechung bedingungsfeindlich sei, sei ein solcher nicht wirksam. Deshalb sei der Verzicht vom 12. Oktober 2023 als ungültig zu betrachten und der frühere Rechtszustand wiederherzustellen.

Sollte dieser Argumentation nicht gefolgt werden, sei darauf hinzuweisen, dass der Verzicht wegen eines Grundlagenirrtums ungültig gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe einen Schlaganfall erlitten, weshalb seine kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt seien, insbesondere im sprachlichen Bereich. Auch leide er unter einer schwerwiegenden obstruktiven Schlafapnoe, was die kognitiven Funktionen ebenfalls beeinträchtigen könne. Die Beschwerdeführenden seien sodann der deutschen Sprache nicht mächtig. Es sei deshalb unwahrscheinlich, dass sie den Inhalt und die Folgen der Erklärungen verstanden hätten. Des Weiteren habe sich eine ihnen bekannte Person um die Korrespondenzführung gekümmert. Leider könnten sie sich nicht mehr daran erinnern, wer dies gewesen sei, weshalb keine entsprechenden Beweise erbracht werden könnten. Aus der Korrespondenz mit der Vorinstanz und dem Migrationsamt C. sei sodann ersichtlich, dass die Beschwerdeführenden nur auf ihr Asyl und ihre Flüchtlingseigenschaft verzichten wollten, wenn sie trotzdem in der Schweiz bleiben könnten. Dies ergebe sich aus zahlreichen Schreiben. Dass die letzte Verzichtserklärung ohne Begleitschreiben verschickt worden sei, ändere nichts an dieser klaren Willensäusserung der Beschwerdeführenden. Sie seien offensichtlich davon ausgegangen, dass ihnen dies gewährt würde. Damit seien sie klar einem subjektiv wesentlichen Irrtum unterlegen. Hätten sie verstanden, dass die Möglichkeit einer Wegweisung durch das Migrationsamt besteht, hätten sie den Verzicht nicht ausgesprochen. Auch die Voraussetzungen für das Vorliegen der objektiven Wesentlichkeit seien gegeben. Die Vorinstanz habe wiederholt versucht, über ihren Irrtum aufzuklären, leider ohne Erfolg. Das SEM habe den Irrtum offensichtlich erkannt und für wesentlich gehalten. Somit liege ein Grundlagenirrtum vor, der zur Ungültigkeit der Verzichtserklärung führen könne, wenn schwerwiegende

Nachteile drohen und die Rechtssicherheit nicht in unannehmbarer Weise beeinträchtigt werde. Vorliegend drohe den Beschwerdeführenden eine Wegweisung aus der Schweiz, womit schwerwiegende Nachteile auf dem Spiel stehen würden.

5.

    1. Gemäss Art. 64 Abs. 1 Bst. c AsylG erlischt das Asyl in der Schweiz, wenn die Flüchtlinge darauf verzichten. Nebst dem Verzicht auf das Asyl gemäss Art. 64 Abs. 1 Bst. c AsylG ist sodann grundsätzlich auch ein Verzicht mit Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft möglich, wobei ein entsprechender Verzicht explizit zu erklären ist (vgl. Urteile des BVGer D-1070/2020 vom 31. Januar 2022 E. 4.8 und D-1221/2021 vom 23. August 2021 E. 3.1). Das Erlöschen des Asyls – sowie auch der Flüchtlingseigenschaft – setzen nebst der Verzichtserklärung die Urteilsfähigkeit der Erklärenden voraus (vgl. Urteil des BVGer D-1070/2020 vom 31. Januar 2022 E. 3.1). Die Verzichtserklärung selbst ist grundsätzlich unwiderruflich und bedingungsfeindlich. Der Beweggrund des Verzichts ist dabei irrelevant (vgl. a.a.O. E. 3.1).

    2. Wird – wie vorliegend – ein Willensmangel bei Abgabe der Verzichtserklärung geltend gemacht, so sind praxisgemäss bei der Prüfung der materiellen Begründetheit des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den früheren Rechtszustand die einschlägigen vertragsrechtlichen Grundsätze des Obligationenrechts sinngemäss anzuwenden (vgl. EMARK 1993 Nr. 5 E. 4a und 1996 Nr. 33 E. 5). Die in Art. 23 ff. OR aufgezählten Willensmängeltatbestände – Irrtum (Art. 23 ff. OR), absichtliche Täuschung (Art. 28 OR) und Furchterregung (Art. 29 f. OR) –, die vor allem Verträge betreffen, sind auch auf einseitige Rechtsgeschäfte anwendbar. Auch wenn die Ausübung eines Gestaltungsrechts – im zu beurteilenden Fall eine Verzichtserklärung – nicht beliebig widerrufen werden kann, so darf doch die Ungültigkeitserklärung eines solchen Rechtsakts aufgrund eines Willensmangels nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Vorausgesetzt wird, dass einerseits für die sich auf Willensmängel berufende Partei schwerwiegende Nachteile auf dem Spiel stehen und andererseits die Rechtssicherheit nicht in unannehmbarer Weise beeinträchtigt wird. Der behauptete Willensmangel ist sodann nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Art. 8 ZGB und Art. 7 AsylG) zumindest glaubhaft zu machen (vgl. Urteil des BVGer E- 4100/2020 vom 21. Juli 2022 E. 2.2 m.w.H.).

    3. Ein wesentlicher Irrtum liegt unter anderem dann vor, wenn er einen bestimmten Sachverhalt betrifft, der vom Irrenden nach Treu und Glauben

im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags betrachtet wurde (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR, sog. Grundlagenirrtum respektive qualifizierter Motivirrtum). Vorausgesetzt wird damit nebst einem Irrtum als solchem, dass dieser einen Sachverhalt beschlägt, der für den Irrenden respektive die Irrende subjektiv eine unerlässliche Voraussetzung dafür war, den Vertrag überhaupt oder jedenfalls mit dem betreffenden Inhalt abzuschliessen. Der fragliche Sachverhalt muss ausserdem auch objektiv, vom Standpunkt oder nach den Anforderungen des loyalen Geschäftsverkehrs als notwendige Grundlage des Vertrags erscheinen (vgl. Urteil des BVGer D-1070/2020 vom 31. Januar 2022 E. 7.1 m.w.H.).

6.

    1. Wie sich aus den Akten ergibt, hat sich der Beschwerdeführer im November 2022 erstmals danach erkundigt, ob er seinen sri-lankischen Pass erhalten könne. In der darauffolgenden Korrespondenz klärte ihn die Vorinstanz mehrmals über die Möglichkeit des Verzichts und die Folgen eines solchen auf. Der Beschwerdeführer insistierte und unterzeichnete erstmals im Dezember 2022 eine Verzichtserklärung, wobei er diese mit einem Begleitschreiben einreichte, mit welchem er sinngemäss äusserte, er verzichte, da er eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung erhalte. Solange seine Schreiben diese Bedingung enthielten, nahm die Vorinstanz den Verzicht nicht entgegen, sondern erklärte mehrmals, dass eine solche Bedingung nicht möglich und sie nicht für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung zuständig sei. Erst als die Beschwerdeführenden eine am 12. Oktober 2023 unterzeichnete Verzichtserklärung ohne Begleitschreiben – und damit ohne die Äusserung der Bedingung, nur dann verzichten zu wollen, wenn sie dennoch in der Schweiz bleiben könnten – einreichten und am 20. November 2023 insistierten und sich nach dem Verbleib des Verfahrens erkundigten beziehungsweise anboten, das Formular erneut zu unterschreiben, ohne sich nach einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung zu erkundigen oder eine entsprechende Bedingung auszusprechen, nahm das SEM den Verzicht entgegen und bestätigte diesen am 29. November 2023 schriftlich.

    2. Dass sich die Beschwerdeführenden bei ihrer Verzichtserklärung vom

      12. Oktober 2023 oder ihrem Schreiben vom 20. November 2023 in einem Grundlagenoder Erklärungsirrtum befunden hätten, ist zu verneinen. Es kann diesbezüglich – zwecks Vermeidung von Wiederholungen – auf die ausführlichen und zutreffenden Erwägungen des SEM verwiesen werden. Insbesondere ist hervorzuheben, dass sich die Beschwerdeführenden nach den zahlreichen Informationsschreiben der Vorinstanz über die

      Konsequenzen des Verzichts hätten bewusst gewesen sein müssen. Dass sie schliesslich auf das Stellen der Bedingung, nur verzichten zu wollen, wenn sie eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung erhielten, verzichteten, muss als bewusste Handlung angesehen werden, zumal diese Willensäusserung zweimal – am 12. Oktober und am 20. November 2023

      – erfolgte. Entgegen der Auffassung in der Beschwerde muss somit angenommen werden, dass die Beschwerdeführenden sich schliesslich dazu entschlossen haben, trotz mangelnder Absicherung auf ihr Asyl und ihre Flüchtlingseigenschaft verzichten zu wollen. Auch kann das Vorliegen eines Irrtums nicht mit dem Schreiben des Migrationsamtes C. vom

      25. September 2023, mit welchem dieses mitteilte, nach einer summarischen Prüfung spreche nichts dagegen, dass sie weiterhin in der Schweiz bleiben könnten, begründet werden. Dies einerseits zumal dort festgehalten wurde, dies werde erst bei einem definitiven Verzicht genauer geprüft und es würden keine rechtsverbindlichen Auskünfte gegeben, sowie da diese Aussage auf den – falschen – Angaben des Beschwerdeführers vom

      4. Januar 2023 basierte, wonach dieser nie Sozialhilfe bezogen habe.

    3. Auch die in der Beschwerde geltend gemachte Sprachbarriere sowie die Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten stellen sodann keinen nachvollziehbaren Grund für das angebliche Unwissen über die Verzichtsfolgen dar, da sich die Beschwerdeführenden bereits seit mehreren Jahren in der Schweiz befinden, die genannten Probleme des Beschwerdeführers seit mehreren Jahren bestehen und sie mit Behörden korrespondiert haben, so dass von ihnen erwartet werden darf, dass sie sich über den Inhalt von behördlichen Schreiben genau erkundigen, gegebenenfalls bei einer sprachkundigen Person – wie beispielsweise ihrem Sohn – sowie allenfalls unter Zuhilfenahme von einer kostenlosen Rechtsberatungsstelle im Asylbereich (wie es ihnen denn auch vom Migrationsamt C. empfohlen worden war). Auch bezüglich der Argumentation, der Beschwerdeführer habe die Situation aufgrund seiner kognitiven und gesundheitlichen Einschränkungen nicht einschätzen können, kann im Weiteren auf die korrekten Ausführungen des SEM verwiesen werden. Die ärztlichen Zeugnisse lassen nicht auf eine Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten in einem Ausmass schliessen, dass dem Beschwerdeführer die Wichtigkeit von behördlichen Schreiben nicht bewusst wäre und es den Beschwerdeführenden nicht möglich gewesen wäre, Unterstützung zu beanspruchen.

    4. Aufgrund der Aktenlage und auch den weiteren Ausführungen auf Beschwerdeebene lässt sich im Übrigen ebenfalls kein Grund zur Annahme eines wesentlichen Grundlagenoder Erklärungsirrtums entnehmen. Die

      vorinstanzliche Verfügung ist daher zu bestätigen. Es steht den Beschwerdeführenden frei, ein weiteres Asylgesuch beim SEM einzureichen, wie dies das SEM bereits angezeigt hat.

    5. Die angefochtene Verfügung verletzt demzufolge Bundesrecht nicht und ist auch sonst nicht zu beanstanden (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.

7.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten den Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.– festzusetzen (Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden den Beschwerdeführenden auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

3.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Contessina Theis Aglaja Schinzel

Versand:

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