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Bundesverwaltungsgericht Urteil C-3774/2023

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung III
Dossiernummer:C-3774/2023
Datum:10.09.2024
Leitsatz/Stichwort:Rentenanspruch
Schlagwörter : Vorinstanz; Rente; Urteil; IVSTA; Zwischenverfügung; Leistung; Vorbescheid; IVSTA-act; Bundesverwaltungsgericht; BVGer; Recht; Entscheid; Verfahren; Renten; BVGer-act; Einstellung; Person; Parteien; Verfügung; Invalidenrente; Verfahrenskosten; Frist; Vorbescheidverfahren; Aufhebung; Begründung; Leistungen; Gehör
Rechtsnorm: Art. 46 VwVG ; Art. 48 BGG ; Art. 48 VwVG ; Art. 49 ATSG ; Art. 52 VwVG ; Art. 60 ATSG ; Art. 62 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 64 VwVG ; Art. 93 BGG ;
Referenz BGE:116 V 182; 130 V 253; 137 V 71; 138 II 331; 146 V 364
Kommentar:
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung III C-3774/2023

U r t e i l v o m 1 0 . S e p t e m b e r 2 0 2 4

Besetzung Richter Christoph Rohrer (Vorsitz), Richter David Weiss,

Richterin Caroline Bissegger, Gerichtsschreiber Milan Lazic.

Parteien A. , (Deutschland), Beschwerdeführerin, gegen

IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA,

Avenue Edmond-Vaucher 18, Postfach 3100, 1211 Genf 2, Vorinstanz.

Gegenstand Invalidenversicherung, vorläufige Renteneinstellung (Zwischenverfügung vom 15. Juni 2023).

Sachverhalt:

A.

Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (nachfolgend: IVSTA oder Vorinstanz) sprach A. (nachfolgend: Versicherte oder Beschwerdeführerin), geboren 1978, verheiratet, zwei Kinder (Jahrgang 2011, 2015), Ärztin, am 28. März 2019 ab dem 1. Dezember 2013 bis Ende Januar 2016 eine ganze Rente, vom 1. November 2016 bis Ende Januar 2018 eine Viertelsrente und anschliessend bei einem IV-Grad von 90% erneut eine ganze Rente der schweizerischen Invalidenversicherung samt zwei Kinderrenten zu (Akten der Vorinstanz [nachfolgend: IVSTA-act.] 131-139, 142, 146).

B.

    1. Mit Schreiben vom 8. August 2021 meldete die Versicherte ihre Arbeitstätigkeiten aus den Jahren 2018 bis 2020 und daraus erzielten Einkünfte nach und bat die Vorinstanz zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie viel sie an erhaltenen Renten zurückzuzahlen habe (IVSTA-act. 156 f.).

      Nach Aufforderung, weitere Unterlagen einzureichen, und nach einer ersten Mahnung drohte die Vorinstanz mit Schreiben vom 19. Januar 2022 an, bei weiterer Nichtmitwirkung die Rente einzustellen. Zugleich leitete sie im Januar 2021 ein Rentenrevisionsverfahren ein (IVSTA-act. 160-162).

    2. Im Rahmen der Überprüfung der Invalidität setzte die Vorinstanz mit Verfügungen vom 18. Mai 2022 den Rentenanspruch der Versicherten für die Zeit vom 1. Mai 2019 bis 29. Februar 2020 auf eine halbe Rente, für die Zeit vom 1. November 2020 bis 28. Februar 2021 auf eine Dreiviertelsrente und vom 1. März 2021 bis 30. September 2021 auf eine halbe Rente herab (IVSTA-act. 170-174); für die Zeit vom 1. März 2020 bis 31. Oktober 2020 und ab 1. Oktober 2021 blieb es beim Anspruch auf eine ganze IV-Rente (IVSTA-act. 176 f.).

Die in den Jahren 2018 bis 2020 infolge geänderten IV-Rentenanspruchs zu viel ausbezahlten Rentenbeträge im Umfang von Fr. 10'810 wurden auf Verfügung vom 20. September2022 hin von der Versicherten zurückerstattet (vgl. IVSTA-act. 183 f.).

C.

    1. Im Fragebogen für die im Februar 2023 eingeleitete Rentenrevision, unterzeichnet am 28. April 2023 und eingegangen bei der Vorinstanz am

      2. Juni 2023, hat die Versicherte angegeben, sie habe vom 1. April 2022 bis

      31. März 2023 in einem Pensum von 50% als Assistenzärztin in Weiterbildung in einem Anstellungsverhältnis gearbeitet (IVSTA-act. 193).

    2. Daraufhin hat die Vorinstanz wegen des Verdachts auf einen unrechtmässigen Leistungsbezug mit Zwischenverfügung vom 15. Juni 2023 die Zahlung der laufenden Invalidenrente (einschliesslich Kinderrenten) ab dem

1. Juli 2023 in Anwendung von Art. 52a ATSG (SR 830.1) vorläufig (während der weiteren Abklärungen, namentlich der Überprüfung des Einkommens und der gesundheitlichen Situation im laufenden Revisionsverfahren) eingestellt und gleichzeitig einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung gestützt auf Art. 49 Abs. 5 ATSG entzogen (IVSTA-act. 195).

D.

    1. Dagegen erhob die Versicherte mit Eingabe vom 1. Juli 2023 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte die sofortige Aufhebung der Zwischenverfügung vom 15. Juni 2023 und die Weiterausrichtung der Invalidenrente (BVGer-act. 1).

    2. Die Vorinstanz beantragte mit Vernehmlassung vom 12. Juli 2023 beschränkt auf die Frage der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, die aufschiebende Wirkung sei nicht wiederherzustellen (BVGer-act. 6).

    3. Mit Zwischenverfügung vom 25. Juli 2023 wurde das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung teilweise gutgeheissen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung im Umfang des Anspruchs auf vorläufige Weiterausrichtung einer halben IV-Rente einschliesslich der halben IV-Kinderrenten wiederhergestellt (BVGer-act. 7).

    4. Mit Vernehmlassung vom 5. September 2023 beantragte die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung brachte sie im Wesentlichen vor, die Beschwerdeführerin habe eine wesentliche Veränderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht gemeldet und es bestehe der begründete Verdacht, dass Leistungen unrechtmässig erwirkt wurden. Die vorsorgliche Einstellung der Rente gestützt auf Art. 52a IVG sei daher gerechtfertigt (BVGer-act. 11).

    5. Replikweise machte die Versicherte weiterhin geltend, dass sie sich trotz ihrer psychischen Erkrankung stets darum bemüht und dafür gekämpft habe, in den Arbeitsprozess zurückzukehren und sie es inzwischen sogar geschafft habe, zu 50% als Ärztin (in Weiterbildung) in einer kleinen Praxis zu arbeiten. Sie habe dabei alle Einkünfte wahrheitsgemäss und unaufgefordert

      angegeben und zurückbezahlt, was sie zu viel erhalten hatte. Sie habe gut nachvollziehbare Gründe, die vielen Wechseln in den Pensen erst im Nachhinein anzugeben, dies vollständig transparent und ohne Aufforderung, weshalb kein begründeter Verdacht auf unrechtmässigen Leistungsbezug vorliege (BVGer-act. 14).

    6. Mit Duplik vom 2. November 2023 hielt auch die Vorinstanz an ihrem Standpunkt fest (BVGer-act. 16).

    7. Auf die weiteren Vorbringen der Parteien und die Unterlagen wird – soweit rechtserheblich – in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

Das Bundesverwaltungsgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und ob auf eine Beschwerde einzutreten ist (Art. 7 Abs. 1 VwVG [SR 172.021]; BVGE 2016/15 E. 1 und 2014/4 E. 1.2).

    1. Gemäss Art. 31 VGG (SR 173.32) in Verbindung mit Art. 33 Bst. d VGG und Art. 69 Abs. 1 Bst. b IVG (SR 831.20) sowie Art. 5 VwVG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden von Personen im Ausland gegen Verfügungen der IVSTA. Eine Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor.

    2. Angefochten ist die Zwischenverfügung vom 15. Juni 2023, mit welcher die Vorinstanz die ganze Invalidenrente der Beschwerdeführerin per Beginn des Folgemonats, d.h. per 1. Juli 2023 vorläufig eingestellt hat. Beim Anfechtungsobjekt handelt es sich um eine Zwischenverfügung nach Art. 46 VwVG (vgl. Urteil des BVGer C-1439/2023 vom 16. Oktober 2023 E. 1.3). Gegen eine solche Zwischenverfügung ist die Beschwerde namentlich dann zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 46 Abs. 1 Bst. a VwVG), der – im Unterschied zum Anwendungsbereich von Art. 93 Abs. 1 Bst. a BGG – auch tatsächlicher Natur sein kann (vgl. Urteil des BVGer C-5367/2022 vom 26. Juni 2023 E. 2.2.1). Die vorsorgliche Einstellung der Zahlung einer Invalidenrente, die als Ersatzeinkommen den Lebensbedarf zumindest teilweise decken soll, stellt einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 46 Abs. 1 Bst. a VwVG dar (Urteil C-1439/2023 E. 1.3). Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 15. Juni 2023 ist daher zulässig.

    3. Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin der angefochtenen Verfügung durch diese besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Abänderung, weshalb sie zur Erhebung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 48 Abs. 1 VwVG; Art. 59 ATSG).

    4. Da die Beschwerde im Übrigen fristund formgerecht (Art. 52 Abs. 1 VwVG; Art. 60 Abs. 1 ATSG) eingereicht wurde und der Kostenvorschuss von Fr. 800.- in der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten fristgereicht geleistet wurde (vgl. BVGer-act. 10, 4), ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.

    1. Anfechtungsund Streitgegenstand beschränken sich auf die Frage, ob die Vorinstanz die Auszahlung der Invalidenrente der Beschwerdeführerin zu Recht vorläufig eingestellt hat (Art. 52a ATSG).

    2. Die Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsangehörige, wohnt in Deutschland und war von November 2009 bis 31. Januar 2019 in der Schweiz wohnhaft und hier auch erwerbstätig (IVSTA-act. 138, 140 S. 4). Ungeachtet des am 1. Juni 2002 in Kraft getretenen Abkommens vom

      21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) ist materiell schweizerisches Recht anzuwenden (BGE 130 V 253 E. 2.4; Urteil des BGer 8C_111/2020 vom 15. Juli 2020 E. 2).

    3. In zeitlicher Hinsicht sind – vorbehältlich besonderer übergangsrechtlicher Regelungen – grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 146 V 364 E. 7.1).

    4. Das Bundesverwaltungsgericht prüft die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit (Art. 49 VwVG; BGE 137 V 71 E. 5.2).

    5. Nach dem Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen ist das Bundesverwaltungsgericht nicht an die Begründung der Begehren der Parteien gebunden (Art. 62 Abs. 4 VwVG). Im Rahmen seiner Kognition kann es die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den angefochtenen Entscheid im Ergebnis mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (BGE 138 II 331

E. 1.3; 134 V 25 E. 1.2; je mit Hinweisen; vgl. MOSER ET AL., Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 3. Aufl. 2022, Rz. 1.54).

3.

Vorab ist von Amtes wegen zu prüfen, ob die Vorinstanz das Verfahren zum Erlass der angefochtenen Zwischenverfügung vom 15. Juni 2023 in formeller Hinsicht korrekt durchgeführt hat.

3.1

      1. Gemäss Art. 52a ATSG kann der Versicherungsträger die Ausrichtung von Leistungen vorsorglich einstellen, wenn die Abklärungen ergeben, dass ein Leistungsbezug mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht oder nicht mehr berechtigt ist, aber ein endgültiger Entscheid über die Leistung nicht innert nützlicher Frist möglich ist (so Botschaft vom 2. März 2018 zur Änderung des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, BBl 2018 1607, 1637). Der Zweck dieser vorsorglichen Massnahme liegt darin, die Wirksamkeit einer erst später zu treffenden definitiven Anordnung sicherzustellen, ohne jedoch den Endentscheid zu präjudizieren (vgl. eingehend Urteile C-1439/2023 E. 4.2, C-5367/2022 E. 2.1 und E. 4.3). Eine vorsorgliche Einstellung von Leistungen nach Art. 52a ATSG kann namentlich darin gründen, dass ein Versicherungsträger feststellt, dass eine versicherte Person zwar ein für den Leistungsanspruch erhebliches Einkommen erzielt, dieses aber nicht ordnungsgemäss gemeldet hat (BBl 2018 1607, 1638). Dabei müssen hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass die versicherte Person ihre Meldepflicht verletzt hat und ein rentenrelevantes Einkommen erzielt; blosse Verdachtsmomente, die auf vagen Anhaltspunkten beruhen, genügen nicht (Urteil C-65/2022 E. 5 mit Hinweisen; vgl. auch BGer-Urteil 8C_767/2023 vom 30. Januar 2024 E. 1; BBl 2018 1607, 1638).

      2. Die zuständige IV-Stelle teilt der versicherten Person den vorgesehenen Entscheid über die vorsorgliche Einstellung von Leistungen mittels Vorbescheids mit (Art. 57a Abs. 1 Satz 1 IVG, in Kraft seit 1. Januar 2021). Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass das Vorbescheidverfahren auch bei einer vorsorglichen Leistungseinstellung durchzuführen ist (BBl 2018 1607, 1648). Die versicherte Person hat Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 57a Abs. 1 Satz 2 IVG i.Vm. Art. 42 ATSG) und kann innerhalb einer Frist von 30 Tagen Einwände zum Vorbescheid vorbringen (Art. 57a Abs. 3 IVG). Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Frist. Die Begründung der Verfügung hat sich mit den für die Verfügung relevanten Einwänden zum Vorbescheid auseinanderzusetzen (vgl. Art. 74 Abs. 2 IVV; Urteil des BGer 8C_668/2018 vom 13. Februar 2019 E. 4.1 mit Hinweisen).

      3. Die Nichtbeachtung der gesetzlichen Pflicht zum Erlass des Vorbescheids wie überhaupt Verstösse gegen die bei der Durchführung des Vorbescheidverfahrens zu beachtenden Regeln über die Gehörsrespektive Akteneinsichtsgewährung sind, soweit es sich nicht um blosse Ordnungsvorschriften handelt, nach den Grundsätzen über die Verletzung des rechtlichen Gehörs zu sanktionieren (BGE 116 V 182). Dabei gilt die Unterlassung des gesetzlich gebotenen Vorbescheidverfahrens rechtsprechungsgemäss als schwere Verletzung des Gehörsanspruchs, bei welcher die Möglichkeit der Heilung im Rahmen des nachfolgenden Beschwerdeprozesses nur sehr zurückhaltend anzunehmen ist (Urteile des BGer 9C_551/2022 vom 4. März 2024 E. 4.3 und E. 5.3.2, 9C_555/2020 vom 3. März 2021 E. 4.4; vgl. auch Urteil des BVGer C-1331/2020 vom 28. April 2021 E. 5.3.5). Vorbehalten bleiben Situationen, in denen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids aus formellen Gründen zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichstellten) Interesse der betroffenen Partei an einer behördlichen Beurteilung der Sache nicht vereinbar wäre (Urteil 9C_551/2022 E. 4.3.1 und E. 5.3.2).

3.2

      1. Vorliegend hat die Vorinstanz von einem Vorbescheidverfahren abgesehen und direkt eine Zwischenverfügung erlassen (IVSTA-act. 193-195). Der ausdrücklich als «Zwischenverfügung» bezeichnete Verwaltungsakt vom 15. Juni 2023 ordnet die vorsorgliche Einstellung der Invalidenrente ab dem 1. Juli 2023 an und entzieht einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung (IVSTA-act. 195).

      2. Der direkte Erlass der Zwischenverfügung vom 15. Juni 2023 ohne vorangegangenes Vorbescheidverfahren stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar. Denn Art. 57a Abs. 1 IVG in der vorliegend seit dem 1. Januar 2021 geltenden und anwendbaren Fassung legt fest, dass auch der vorgesehene Entscheid hinsichtlich einer beabsichtigten vorsorglichen Einstellung von Versicherungsleistungen der versicherten Person mittels eines Vorbescheids mitzuteilen ist. Diese hat anschliessend nach dem Willen des Gesetzgebers die Möglichkeit, innert einer gesetzlich festgelegten Frist von 30 Tagen Einwände zum Vorbescheid betreffend vorsorgliche Leistungseinstellung vorzubringen (Art. 57a Abs. 3, in der Fassung seit dem 1. Januar 2021). Angesichts der einschneidenden Folgen einer vorsorglichen Leistungseinstellung im Bereich der Invalidenversicherung ist es entscheidend, dass die versicherte Person ihre Einwände im vorinstanzlichen Verfahren wirksam zur Geltung bringen kann und von der Vorinstanz gehört wird. Das war hier nicht der Fall. Die Verlagerung der im vorinstanzlichen Massnahme-

        verfahren durchzuführenden Anhörung ins Gerichtsverfahren widerspricht klar den geltenden gesetzlichen Vorgaben für das Verwaltungsverfahren (vgl. auch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts C-62/2023 vom 29. April 2024 E. 3, C-2399/2024 vom 12. Juli 2024).

      3. Der schwerwiegende Verfahrensfehler der Vorinstanz rechtfertigt eine Aufhebung des angefochtenen Entscheids aus formellen Gründen. Anders zu entscheiden hiesse, das Vorbescheidverfahren und den damit verbundenen Anspruch auf rechtliches Gehör seines Sinngehalts zu entleeren (Urteile 9C_551/2022 E. 5.3.2, 9C_555/2020 E. 5.3). Mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheids entfällt die Grundlage für die vorsorgliche Einstellung der IV-Rentenleistungen ab dem 1. Juli 2021, weshalb sich ein materieller Entscheid hierzu erübrigt.

4.

Zu befinden bleibt über die Verfahrenskosten und eine allfällige Parteientschädigung.

    1. Das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten über IV-Leistungen ist kostenpflichtig (Art. 69 Abs. 1bis i. V. m. Abs. 2 IVG). Gemäss Art. 63 Abs. 1 VwVG auferlegt das Bundesverwaltungsgericht die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei. Der obsiegenden Beschwerdeführerin sind demnach keine Verfahrenskosten aufzuerlegen. Der einbezahlte Kostenvorschuss von Fr. 800.- ist ihr nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückzuerstatten. Der Vorinstanz sind ebenfalls keine Verfahrenskosten aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 2 VwVG).

    2. Der obsiegenden, nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin sind keine verhältnismässig hohen Kosten entstanden, weshalb ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen ist (vgl. Art. 64 Abs. 1 VwVG; Art. 7 Abs. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 73.320.2]).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, gutgeheissen und die Zwischenverfügung vom 15. Juni 2023 aufgehoben.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der von der Beschwerdeführerin geleistete Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 800.- wird ihr nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet.

3.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen.

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Christoph Rohrer Milan Lazic

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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