Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung II |
Dossiernummer: | B-1143/2024 |
Datum: | 10.09.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | Arbeitslosenversicherung |
Schlagwörter : | Arbeit; Mitarbeitende; Vorinstanz; Arbeitszeit; Kasse; Mitarbeitenden; Kassen; Quot;; Arbeitszeitkontrolle; Kurzarbeit; Beweis; Urteil; Kassenauswertung; Verkauf; Kurzarbeitsentschädigung; Kassenauswertungen; Namenstaste; System; Arbeitslosenversicherung; Recht; Verkaufsmitarbeitende; Einsprache; Verfahren; Arbeitsausfall; Bundesverwaltungsgericht; Zeiterfassung; Arbeitnehmende; Anspruch |
Rechtsnorm: | Art. 10 AVIG; Art. 31 AVIG; Art. 32 AVIG; Art. 47 AVIG; Art. 48 BGG ; Art. 52 VwVG ; Art. 60 ATSG ; Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: |
Abteilung II B-1143/2024
Besetzung Richterin Eva Schneeberger (Vorsitz),
Richter Pascal Richard, Richter Francesco Brentani, Gerichtsschreiberin Marina Reichmuth.
vertreten durch die Rechtsanwälte
Reto Allemann und/oder Marius Schläppi, Beschwerdeführerin,
gegen
vertreten durch die Rechtsanwälte Prof. Dr. iur. Isabelle Häner und/oder Dr. iur. Florian Brunner,
Vorinstanz.
Gegenstand Rückforderung Kurzarbeitsentschädigung.
Die A. AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) beschäftigt rund (Anzahl) Mitarbeitende und betreibt eine Backstube und mehrere Bäckerei-Filialen in X. . In den Monaten März bis Mai 2020 und Januar bis Juni 2021 bezog sie Kurzarbeitsentschädigung im Umfang von Fr. 165'405.80.
Am 27. Juli 2023 führte die von der Ausgleichsstelle der Arbeitslosenversicherung beauftragte Treuhandgesellschaft eine Arbeitgeberkontrolle im Betrieb der Beschwerdeführerin durch und überprüfte die beanspruchte Kurzarbeitsentschädigung auf ihre Rechtmässigkeit hin.
Mit Revisionsverfügung vom 18. Oktober 2023 kam das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO (nachfolgend: Vorinstanz) zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom März 2020 bis Juni 2021 Versicherungsleistungen in der Höhe von Fr. 106'480.60 unrechtmässig bezogen habe.
Mit Einsprache vom 20. November 2023 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der Revisionsverfügung.
Mit Entscheid vom 19. Januar 2024 wies die Vorinstanz die Einsprache der Beschwerdeführerin ab und bestätigte die Rückforderung in der Höhe von Fr. 106'480.60.
Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom
21. Februar 2024 Beschwerde vor Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragt, der Einspracheentscheid sei aufzuheben, mit Ausnahme der von ihr als unrechtmässig erhalten anerkannten Kurzarbeitsentschädigungen, namentlich derjenigen Entschädigungen für zwei Verwaltungsratsmitglieder, welche auf Grundlage eines tieferen massgebenden Verdienstes berechnet worden seien, und derjenigen für krankheitsbedingt arbeitsunfähige Angestellte.
Mit Vernehmlassung vom 6. Mai 2024 beantragt die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig (Art. 101 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 1982 [AVIG, SR 837.0] i.V.m. Art. 31 f. sowie Art. 33 Bst. d
des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]).
Das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021), soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG). Vorbehalten bleiben nach Art. 3 Bst. dbis VwVG die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG, SR 830.1). Gemäss Art. 1 Abs. 1 AVIG sind die Bestimmungen des ATSG auf die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung anwendbar, soweit das AVIG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht, was soweit in diesem Zusammenhang interessierend nur hinsichtlich der vom ATSG abweichend geregelten Beschwerdeinstanz zutrifft (vgl. Art. 101 AVIG).
Die Beschwerdeführerin ist im vorinstanzlichen Verfahren mit ihren Rechtsbegehren unterlegen und als Adressatin durch die angefochtene Verfügung offensichtlich beschwert. Sie ist daher zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 59 ATSG). Sie hat das Vertretungsverhältnis durch schriftliche Vollmacht nachgewiesen (Art. 11 VwVG), den Kostenvorschuss bezahlt (Art. 63 Abs. 4 VwVG) und die Beschwerde fristund formgerecht eingereicht (Art. 60 Abs. 1 ATSG; Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
Die Vorinstanz begründete ihre Rückforderung in der Revisionsverfügung vom 18. Oktober 2023 damit, dass für zwei Mitglieder des Verwaltungsrates Löhne von je Fr. 4'495.70 als massgebende Verdienste anstelle der Pauschale von brutto Fr. 4'150.– berücksichtigt und in die "AHV-pflichtige Lohnsumme aller anspruchsberechtigten Arbeitnehmenden" in der Abrechnung der Kurzarbeitsentschädigungen aufgenommen worden seien. Zudem sei aus Kassenauswertungen ersichtlich, dass für Mitarbeitende und Tage Kurzarbeitsentschädigungen geltend gemacht worden seien, an welchen diese gearbeitet hätten. Ebenso gehe aus Arztzeugnissen und
Krankentaggeldabrechnungen hervor, dass für Mitarbeitende wirtschaftlich bedingte Ausfallstunden abgerechnet worden seien, welche jedoch nicht wirtschaftlich bedingt, sondern aufgrund von Krankheit und Ferien entstanden seien. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei in den Abrechnungsperioden März 2020, Mai 2020 und Januar bis April 2021 kein Arbeitsausfall von mindestens 10 % der Arbeitsstunden, die von den Arbeitnehmenden des Betriebes normalerweise geleistet würden, erreicht. Insgesamt aberkennt die Vorinstanz daher bezogene Kurzarbeitsentschädigungen in der Höhe von Fr. 106'480.60.
Im Rahmen der Beschwerde nicht mehr strittig ist die Frage der Berücksichtigung der massgebenden Verdienste der beiden Verwaltungsratsmitglieder und die Beanstandung der Vorinstanz betreffend den Bezug von Kurzarbeitsentschädigung bei ferienoder krankheitsbedingten Ausfällen. Hingegen ist weiterhin umstritten, ob die Diskrepanzen zwischen den Kassenauswertungen und der betrieblichen Zeiterfassung die Glaubwürdigkeit der Arbeitszeitkontrolle in solch hohem Masse beeinträchtigt, dass der Arbeitsausfall als unkontrollierbar einzustufen ist.
Die Kurzarbeit ist im Arbeitslosenversicherungsgesetz geregelt, das durch die Verordnung vom 31. August 1983 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsverordnung [AVIV, SR 837.02]) konkretisiert wird. Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben nach Art. 31 Abs. 1 AVIG Arbeitnehmende, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, wenn sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben (Bst. a), der Arbeitsausfall anrechenbar (Art. 32 AVIG; Bst. b), das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt (Bst. c) und der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze erhalten werden können (Bst. d). Anrechenbar ist ein Arbeitsausfall gemäss Art. 32 Abs. 1 AVIG, wenn er auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen und unvermeidbar ist (Bst. a) und je Abrechnungsperiode mindestens 10 % der Arbeitsstunden ausmacht, die von den Arbeitnehmenden des Betriebs normalerweise insgesamt geleistet werden (Bst. b). Als Abrechnungsperiode gilt ein Zeitraum von einem Monat oder von vier zusammenhängenden Wochen (Art. 32 Abs. 5 AVIG). Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben u.a. Arbeitnehmende, deren Arbeitsausfall nicht
bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist (Art. 31 Abs. 3 Bst. a AVIG).
Die Verordnung des Bundesrates über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19) vom 20. März 2020 (Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, SR 837.033; einschliesslich ihrer bisherigen Änderungen [AS 2020 877, 1075, 1201]) legt Erleichterungen in Bezug auf die Kurzarbeit fest, enthält aber für die hier zu beurteilende Problematik keine Abweichungen vom dargelegten Recht (Urteil des BGer 8C_306/2023 vom
7. März 2024 E. 3.1.2, zur Publikation vorgesehen). Namentlich wurde die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht gelockert und es wurde etwa am Erfordernis der Kontrollierbarkeit der Anspruchsgrundlagen festgehalten. Insbesondere finden sich auch keine abweichenden Bestimmungen zur Sachverhaltsfeststellung und zur Beweiswürdigung (Urteile des BGer 8C_16/2024 vom 9. Juli 2024 E. 3.2.2, 8C_18/2024 vom 9. Juli 2024
E. 3.2.2, 8C_306/2023 vom 7. März 2024 E. 5.1.2 f., zur Publikation vorgesehen).
Dem Erfordernis der rechtsgenüglichen betrieblichen Arbeitszeitkontrolle wird ausschliesslich mit einer täglich fortlaufenden, zeitgleichen Arbeitszeiterfassung der von der Kurzarbeit betroffenen Mitarbeitenden Genüge getan (vgl. Urteile des BGer 8C_16/2024 vom 9. Juli 2024 E. 6.1, 8C_18/2024 vom 9. Juli 2024 E. 6.1, 8C_306/2023 vom 7. März 2024
E. 5.1.2, zur Publikation vorgesehen, 8C_276/2019 vom 23. August 2019
E. 5.1). Fehlen geeignete Unterlagen zum Arbeitszeitnachweis, können diese nicht durch nachträgliche Befragung der betroffenen Arbeitnehmer oder anderer Personen ersetzt werden (vgl. Urteil des BGer 8C_26/2015 vom 5. Januar 2016 E. 4.2.2 m.w.H.).
Unter einer täglich fortlaufenden Arbeitszeiterfassung versteht man ein System, bei welchem die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten für jeden einzelnen Tag und Arbeitnehmer in hinreichend verlässlichen Belegen wie Zeiterfassungskarten, Stunden-, Regieoder Reiserapporten stetig festgehalten werden (vgl. Urteil des BGer 8C_699/2022 vom 15. Juni 2023
E. 5.1.2 m.H., Urteil des BVGer B-4895 vom 19. April 2024 E. 3.5.2). Die gearbeiteten Stunden können elektronisch, mechanisch oder von Hand erfasst werden. Wesentlich ist allein, dass die Dokumentierung ausreichend detailliert ist und zeitgleich erfolgt (vgl. Urteile des BGer 8C_441/2023 vom 21. Dezember 2023 E. 5.2, 8C_699/2022 vom 15. Juni 2023 E. 5.1.2,
8C_681/2021 vom 23. Februar 2022 E. 3.3 m.H). Zeitgleich ist eine
Arbeitszeiterfassung dann, wenn die Einträge nachträglich nicht beliebig abgeändert werden können, ohne dass dies vermerkt wird (vgl. Urteil des BVGer B-4895/2023 vom 19. April 2024 E. 3.5.2).
Die Arbeitszeitkontrolle ist eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung (condition de fond; vgl. Urteile des BVGer B-741/2020 vom 28. Juni 2022 E. 4.3.5, B-4689/2018 vom 14. Januar 2019 E. 3.2,
B-2601/2017 vom 22. August 2018 E. 3.1.2 und B-1911/2014 vom
10. Juli 2015 E. 3, je m.w.H.). Folglich obliegt der Arbeitgeberin, die den Anspruch ihrer Arbeitnehmenden geltend macht (Art. 47 Abs. 1 AVIG), die objektive Beweislast hinsichtlich der zur Beurteilung der Anspruchsberechtigung und Berechnung der Entschädigung erforderlichen Unterlagen, welche sie fünf Jahre aufzubewahren hat (Art. 47 Abs. 3 Bst. a AVIG i.V.m. Art. 42 Abs. 3 und Art. 31 Abs. 3 Bst. a AVIG sowie Art. 46b Abs. 2 AVIV; vgl. Urteile des BGer 8C_16/2024 vom 9. Juli 2024 E. 3.2.1, 8C_18/2024 vom 9. Juli 2024 E. 3.2.1, 8C_306/2023 vom 7. März 2024 E. 3.1.1, zur
Publikation vorgesehen, 8C_276/2019 vom 23. August 2019 E. 3.1, 8C_26/2015 vom 5. Januar 2015 E. 2.3, je m.w.H). Zwar muss die Behörde bei begründeten Zweifeln am korrekten Einsatz einer grundsätzlich zum Beweis geeigneten Arbeitszeitkontrolle der Arbeitgeberin die Gelegenheit geben, die Zweifel zu entkräften. Es liegt aber nicht an der Aufsichtsbehörde, die Unrichtigkeit der Zeiterfassung für jede Person und jeden Tag individuell nachzuweisen. Dies würde letztlich eine Umkehr der Beweislast bedeuten (vgl. Urteil des EVG C 66/04 vom 18. August 2004 E. 3.2; Urteile des BVGer B-2279/2021 vom 14. Juni 2023 E. 2.4, B-6609/2016 vom
7. März 2018 E. 4.1). Hingegen trägt die Behörde, die eine Rückerstattungsforderung geltend macht, sowohl für die Voraussetzungen als auch für die Höhe des Anspruchs die Beweislast (Entscheid des BGer 8C_794/2016 vom 28. April 2017 E. 4.3.2).
Im vorinstanzlichen Einspracheverfahren erläuterte die Beschwerdeführerin die Funktionsweise ihrer Verkaufskassen. Sie beanstandete, dass gestützt auf die Kassenauswertungen keine Rückschlüsse auf die An-/Abwesenheit bzw. Arbeitstätigkeit der einzelnen Mitarbeitenden gezogen werden könnten. Für die Erfassung der Arbeitszeiten der Mitarbeitenden sei einzig und alleine das von ihr verwendete elektronische Arbeitszeiterfassungssystem "ZeitAssist" massgebend.
Die Vorinstanz stellte sich in ihrem Einspracheentscheid jedoch auf den Standpunkt, sie habe die Kassenauswertungen nicht für eine
Arbeitszeitkontrolle gehalten, jedoch hätten die vielen und massgeblichen Diskrepanzen zwischen den Arbeitszeitkontrollen und den Kassenbelegen die Glaubwürdigkeit der Arbeitszeitkontrolle in solch hohem Masse beeinträchtigt, dass einzig auf Unkontrollierbarkeit des Arbeitsausfalls habe geschlossen werden können.
Vorliegend ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Zeiterfassungssystem "ZeitAssist" grundsätzlich über eine genügende betriebliche Arbeitszeitkontrolle im Sinne der obenstehenden Erwägungen (vgl. E. 3.3) für die geltend gemachten Kurzarbeitsentschädigungen in den Abrechnungsperioden März bis Mai 2020 und Januar bis Juni 2021 verfügt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Kassenauswertungen die Glaubwürdigkeit dieser Arbeitszeiterfassung zu erschüttern vermögen und damit den Arbeitsausfall als nicht kontrollierbar erscheinen lassen.
Die Beschwerdeführerin führt bezüglich der Kassenauswertungen aus, es handle sich dabei um ausschliesslich für Buchhaltungszwecke erstellte Tagesabschlüsse, welche jedoch keine Informationen über die Anund Abwesenheit von Mitarbeitenden während ihrer Arbeitszeit enthielten. Die Mitarbeitenden müssten vor jeder Buchung (bzw. vor jedem Verkauf) eine Taste mit einem Benutzernamen anwählen. Diese Tasten seien aber nicht geschützt und es sei auch nicht für jeden Mitarbeitenden eine derartige Taste vorhanden. Die Mitarbeitenden würden häufig auf eine beliebige Benutzernamen-Taste tippen, nicht zwingend auf diejenige mit ihrem eigenen Namen. Die einzelnen Benutzernamen der Kassen spielten im Betriebsalltag keine Rolle, sondern hätten einzig und alleine den Zweck, dass eine Kasse zur gleichen Zeit von mehreren Mitarbeitenden bedient werden könne, damit ein gleichzeitiges Bedienen von mehreren Kunden durch verschiedene Mitarbeitende möglich sei. Überdies umfasse die tägliche Kassenauswertung Buchungen beziehungsweise Belege aus verschiedenen Tagen, da der Tagesabschluss zu unterschiedlichen Zeiten ausgeführt werde. Da die Entlöhnung der Mitarbeitenden auf der Grundlage ihrer Arbeitszeiterfassung im Zeiterfassungssystem "ZeitAssist" erfolge, hätten die Mitarbeitenden auch kein eigenes Interesse, im Betrieb zu arbeiten, aber auf eine Anund Abmeldung im Zeiterfassungssystem zu verzichten. Die Mitarbeitenden stempelten ihre Arbeitszeiten im System "ZeitAssist" in elektronischer Form. Diese Daten würden automatisch elektronisch gespeichert. Wenn Mitarbeitende das Einoder Ausstempeln ausnahmsweise vergessen würden, seien sie angewiesen, ihre Zeiten auf einem physischen Support handschriftlich einzutragen. Diese Ergänzungen würden
dann durch ein Geschäftsleitungsmitglied im System manuell nachgetragen und auch automatisch als solche gekennzeichnet.
Die Vorinstanz stellt sich dagegen auf den Standpunkt, die Vorbringen der Beschwerdeführerin seien reine Schutzbehauptungen, denn sie habe anlässlich der Arbeitgeberkontrolle keinerlei Ausführungen dazu gemacht, dass die Mitarbeitenden zufällig einen Benutzer und nicht hauptsächlich den eigenen Namen wählten. Für die Beschwerdeführerin wäre es ein Leichtes zu belegen, dass auch unter dem Benutzernamen von Mitarbeitenden getippt werde, welche krank oder ferienabwesend seien. 88 % der Mitarbeitenden tippten den eigenen Benutzernamen. Es sei nicht vorstellbar, dass zufällig am selben Tag über 100-mal ein Benutzername fälschlicherweise getippt werde. Auffällig sei auch, dass sich die Widersprüche immer auf denselben Personenkreis konzentrierten. Es sei völlig unglaubhaft, dass die Beschwerdeführerin an einem System festhalten würde, dass den Kassiervorgang erschwere und verzögere, wenn es angeblich keinen Sinn und Nutzen habe. Die Vorinstanz erklärt weiter, sie habe zugunsten der Beschwerdeführerin entschieden, bis zu drei Tippfehler pro Tag zu akzeptieren. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich dabei um Fehler infolge von Unachtsamkeit handle.
Wie die Vorinstanz selbst ausführt, wertete die von ihr beauftragte Treuhandgesellschaft die Daten aus dem Kassensystem erst nach erfolgter Arbeitszeitkontrolle aus. Die Beschwerdeführerin erfuhr damit erst nach erfolgter Arbeitgeberkontrolle, dass die Vorinstanz die Auffassung vertritt, aus den Kassenauswertungen ergäben sich relevante Informationen bezüglich der Anwesenheit der einzelnen Mitarbeitenden. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bestand für die Beschwerdeführerin daher anlässlich der Arbeitgeberkontrolle keinerlei Anlass, von sich aus vertiefte Ausführungen zur Benutzung des Kassensystems zu machen.
Aus der unbestrittenen Sachdarstellung der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass ihr Kassensystem mit den verschiedenen Namens-Tasten es den Verkaufsmitarbeitenden ermöglicht, über die gleiche Kasse gleichzeitig verschiedene Kunden zu bedienen. Indem vor jeder Buchung eine Namenstaste getippt wird, wird die Buchung dem betreffenden Mitarbeitenden und damit dem Kunden, den dieser gerade bedient, zugeordnet.
Es ist offensichtlich, dass es am praktischsten ist, wenn die Mitarbeitenden die Tasten mit ihrem eigenen Namen benützen, weil dies keine weitere Absprache mit den anderen anwesenden Mitarbeitenden erfordert. Ansonsten
ist nicht ersichtlich, was dagegensprechen sollte, dass jemand die Namenstaste eines anderen, insbesondere eines abwesenden Mitarbeitenden, benützen sollte, solange unter den anwesenden Mitarbeitenden durch Absprache geklärt ist, wer welche Namenstaste benützt. Vom Sinn und Zweck des Systems der Namenstasten her ist einzig relevant, dass die Einkäufe jedes Kunden über die gleiche Namenstaste und die Einkäufe der anderen, gleichzeitig anwesenden Kunden je über eine andere Namenstaste erfasst werden.
Wenn die Vorinstanz argumentiert, es sei unglaubhaft, dass die Beschwerdeführerin an einem System festhalte, dass den Kassiervorgang erschwere und verzögere, aber ansonsten keinen Sinn und Nutzen habe, drängt sich der Eindruck auf, dass sie nicht erkannt hat, was der Sinn dieses Systems ist, nämlich das gleichzeitige Bedienen mehrerer Kunden durch verschiedene Verkaufsmitarbeitende an derselben Kasse. Entgegen ihrer Annahme dient das System der Namenstasten nicht dazu zu dokumentieren, welche Mitarbeitenden effektiv zu diesem Zeitpunkt am Bedienen der Kunden sind. Wäre dies ein (weiterer) Zweck des Systems, so müssten die Namenstasten durch einen Code geschützt werden, der die Verwendung durch andere Mitarbeitende verhindern würde. Es ist aber unbestritten, dass die Namenstasten im vorliegenden Fall nicht geschützt sind und von jedem Mitarbeitenden verwendet werden können. Ohne eine derartige Sicherung hat die Verwendung einer bestimmten Namenstaste aber von vornherein nur einen sehr beschränkten Beweiswert im Hinblick auf die Frage, welcher Verkaufsmitarbeitende die betreffende Namenstaste verwendet hat.
Die Vorinstanz argumentiert in ihrem Einspracheentscheid sowie in ihrer Vernehmlassung weiter, dass die Kassendaten bei 88 % der Mitarbeitenden mit der Arbeitszeitkontrolle übereinstimmten, weshalb die Kassenauswertung eine zuverlässige Überprüfung der Arbeitstage der Mitarbeitenden erlaube. Diese Zahl habe die Beschwerdeführerin ausdrücklich anerkannt. Die Vorinstanz verkennt indessen bei ihrer Überlegung, dass die Kassen nur von den Verkaufsmitarbeitenden bedient werden und daher aufgrund der Auswertungen von Vornherein nur Rückschlüsse über eine mögliche Anwesenheit dieser Verkaufsmitarbeitenden gezogen werden könnten, jedoch nicht über diejenige der Mitarbeitenden in der Produktion und Administration. Wenn die Vorinstanz dennoch als Grundlage für ihre Berechnung von allen anspruchsberechtigten Arbeitnehmenden ausgeht, errechnet sie aufgrund einer falschen Basis eine zu hohe Übereinstimmung und misst den Kassenauswertungen gestützt darauf eine zu hohe
Bedeutung zu. So stellt sie denn auch selbst fest, dass sich die Diskrepanzen immer auf denselben Personenkreis konzentrierten.
Die Behauptung der Vorinstanz, dass in den Monaten März, Mai und Juni 2021 keine Widersprüche bestünden und bei sämtlichen Mitarbeitenden die Kassenauswertungen mit der Arbeitszeitkontrolle übereinstimmten, ist nicht nachvollziehbar, da sich für diese Monate keine Kassenauswertungsunterlagen in den Vorakten befinden.
Aus der Aufstellung der Vorinstanz ergibt sich, dass sie an 223 Tagen Kassenbelege gefunden hat, bei denen die Namenstasten von Verkaufsmitarbeitenden, welche gemäss der Arbeitszeitkontrolle der Beschwerdeführerin am betreffenden Tag nicht gearbeitet hatten, betätigt worden waren. An 112 der von der Vorinstanz angeführten 223 Tagen, also an über der Hälfte, betragen die Diskrepanzen indessen lediglich 10 oder weniger Kassenbelege.
Die Beschwerdeführerin ist ein Bäckereibetrieb und die in Frage stehenden Verkaufsmitarbeitenden verkaufen Backwaren in den verschiedenen Filialläden. Es liegt in der Natur dieser Geschäftsart, dass die einzelnen Verkäufe Waren von relativ geringem Wert beinhalten und die Anzahl der Verkaufstransaktionen demgegenüber entsprechend hoch sein muss, um einen vernünftigen Umsatz zu erzielen. Dies ergibt sich auch aus den Aufstellungen der Vorinstanz: In der Filiale "B. " variieren die getippten Belege zwischen 109 und 492 pro Tag und im Durchschnitt wurden 352 Belege pro Tag getippt. In der Filiale "C. " wurden zwischen 170 und 440 Belege (im Durchschnitt 297) pro Tag getippt. In der Filiale "D. " wurden zwischen 162 und 1272 (im Durchschnitt 704) pro Tag Belege getippt. In der Filiale "E. " wurden zwischen 143 und 421 (im Durchschnitt 256) pro Tag Belege getippt. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass eine Verkaufsmitarbeitende in einer Bäckerei während ihres ganzen Arbeitstages (selbst bei einer Teilzeitanstellung) weniger als zehn Buchungsvorgänge tippt. Eine derart geringe Anzahl Verkaufstransaktionen pro Verkaufsmitarbeitende widerspricht jeder wirtschaftlichen Plausibilität.
Weiter ergibt ein stichprobenweiser Vergleich der Arbeitszeitkontrollen mit den Kassenbelegen, dass Mitarbeitende zwar gemäss Arbeitszeitkontrolle gearbeitet hatten, jedoch in dieser Zeit keine Kassenbelege auf ihren Namen getippt wurden (z.B. [Name] am 7. April 2020 und am 14. April 2020). Andererseits wurde unter dem Namen von F. an Tagen, an
denen sie sich gemäss Arbeitszeitkontrolle in der Berufsschule befand, Kassenbelege getippt (3. März 2020, 17. März 2020, 31. März 2020).
All diese Umstände zeigen, dass den Kassenauswertungen im Hinblick auf die Frage, welche Mitarbeitenden effektiv am betreffenden Tag gearbeitet und die Verkaufstransaktion getippt haben, nicht die von der Vorinstanz behauptete Beweiskraft zugemessen werden kann. Vielmehr sind die Diskrepanzen zwischen der Identität des tippenden Mitarbeitenden und dem Namen auf der verwendeten Taste derart zahlreich, dass eine Korrelation zwar als häufig und daher wahrscheinlich, aber keineswegs als gesichert angesehen werden kann.
Es ist grundsätzlich richtig, dass die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin, welche Kurzarbeitsentschädigungen beantragt, die Beweislast für das Vorliegen einer rechtsgenüglichen betrieblichen Arbeitszeitkontrolle obliegt. Diesen Beweis hat die Beschwerdeführerin indessen vorliegend mit ihrem Zeiterfassungssystem "ZeitAssist" unbestrittenermassen erbracht. Es obliegt der Vorinstanz, den Gegenbeweis zu erbringen und die mit diesem System dokumentierten Daten beziehungsweise deren Glaubwürdigkeit zu widerlegen.
Dieser Beweis ist der Vorinstanz nicht gelungen: Aus den dargelegten Gründen kommt das Gericht zum Schluss, dass den von der Vorinstanz angeführten Kassenauswertungen keine hinreichende Beweiskraft in Bezug auf die Anwesenheit einzelner Mitarbeitender zukommt, um die Glaubwürdigkeit der von der Beschwerdeführerin geführten Arbeitszeitkontrolle zu erschüttern.
Bei diesem Ergebnis der Beweiswürdigung kann in antizipierter Beweiswürdigung auf die von der Beschwerdeführerin beantragten weiteren Beweisabnahmen verzichtet und von der Gewährung des Replikrechts und der Durchführung einer öffentlichen Gerichtsverhandlung abgesehen werden.
Die Beschwerde erweist sich daher als begründet und ist gutzuheissen.
Obwohl die Beschwerdeführerin mit ihrer Einsprache die Revisionsverfügung noch gesamthaft bestritten hatte, hat sie im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nun die im Zusammenhang mit krankheitsund ferienbedingten Abwesenheiten erfolgte Aberkennung von
Ausfallstunden sowie die tieferen Pauschalbeträge für die beiden Verwaltungsratsmitglieder zur Berechnung der AHV-pflichtigen Lohnsumme anerkannt.
Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie den Rückforderungsbetrag im Umfang der aufgrund der Kassenauswertungen aberkannten Ausfallstunden reduziere und im Sinne der vorstehenden Erwägungen erneut über die Rückforderung verfüge.
Beschwerdeverfahren betreffend den Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vor Bundesverwaltungsgericht sind kostenpflichtig, selbst wenn es sich dabei um Streitigkeiten über die Bewilligung oder Verweigerung von Leistungen der Sozialversicherungen handelt (Urteile des BVGer B-6609/2016 vom 7. März 2018 E. 7 und B-3364/2011 vom 14. Juni 2012
E. 7 m.H.). Entsprechend dem Verfahrensausgang hat die obsiegende Beschwerdeführerin keine Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VwVG e contrario sowie Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]); Vorinstanzen haben keine Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 2 VwVG). Entsprechend sind keine Verfahrenskosten zu erheben.
Die Beschwerdeführerin als obsiegende Partei hat Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihr erwachsenen notwendigen Kosten (Art. 7 Abs. 1 VGKE). Die Parteientschädigung umfasst die Kosten der Vertretung sowie allfällige weitere Auslagen der Partei (Art. 8 Abs. 1 VGKE). Da eine Kostennote nicht eingereicht wurde, ist die Parteientschädigung aufgrund der Akten (Art. 14 Abs. 2 VGKE) nach dem für das Verfahren notwendigen Zeitaufwand (Art. 10 Abs. 1 VGKE) festzusetzen. Der Stundenansatz beträgt für Anwälte mindestens Fr. 200.– und höchstens Fr. 400.– (Art. 10 Abs. 2 VGKE). Aufgrund der Schwierigkeit des Falles und unter Berücksichtigung der weitgehend deckungsgleichen Eingaben der Beschwerdeführerin im Einspracheund im vorliegenden Beschwerdeverfahren erscheint eine Entschädigung von Fr. 5'000.– für den vorliegenden Fall als angemessen.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Sache wird zur Neuberechnung des Rückforderungsbetrages im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der Beschwerdeführerin wird der von ihr geleistete Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 5'000.– nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet.
Der Beschwerdeführerin wird eine Parteientschädigung von Fr. 5'000.– zu Lasten der Vorinstanz zugesprochen.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin und die Vorinstanz und wird der zuständigen Arbeitslosenkasse mitgeteilt.
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Eva Schneeberger Marina Reichmuth
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
Versand: 13. September 2024
Zust ellung erf olgt an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde; Beilage: Rückerstattungsformular)
die Vorinstanz (Ref-Nr. […]; Gerichtsurkunde)
Das Urt eil wir d m it get eilt :
der Arbeitslosenkasse des Kantons Z.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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