Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-6351/2020 |
Datum: | 04.02.2022 |
Leitsatz/Stichwort: | Schengen-Visum |
Schlagwörter : | Visum; Einreise; Schweiz; Person; Kosovo; Verordnung; Visums; Vorinstanz; Staat; Recht; Personen; Aufenthalt; BVGer; Wiederausreise; Bundesverwaltungsgericht; Risiko; SEM-act; Pristina; BVGer-act; Voraussetzung; Migration; Staatsangehörige; Lebenspartner; Aufenthalts; Begründung; Buchungsbestätigung; üllt |
Rechtsnorm: | Art. 21 BV ; Art. 32 BV ; Art. 48 VwVG ; Art. 62 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 135 II 1 |
Kommentar: | -, Hand zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Art. 5 BV BVG, 2014 |
Abteilung VI F-6351/2020
Besetzung Richterin Claudia Cotting-Schalch (Vorsitz),
Richter Fulvio Haefeli, Richterin Regula Schenker Senn, Gerichtsschreiberin Ulrike Raemy.
Parteien A. ,
Beschwerdeführer,
gegen
Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Schengen-Visum zu Besuchszwecken für
Die kosovarische Staatsangehörige B.
([…]; nachfolgend: Ge-
suchstellerin oder Antragstellerin) beantragte am 7. August 2020 bei der Schweizerischen Botschaft in Pristina die Ausstellung eines Schengen-Visums für einen Besuchsaufenthalt vom 29. August 2020 bis 25. November 2020 bei ihrem im Kanton (…) lebenden «boyfriend A. (nachfolgend: Beschwerdeführer bzw. Gastgeber; vgl. Akten der Vorinstanz [SEMact.] 3/118-123). Der Gastgeber hatte zuvor ein entsprechendes Einladungsschreiben zuhanden der Schweizer Vertretung verfasst und sich als Lebenspartner der Gesuchstellerin zu erkennen gegeben (SEMact. 3/110).
Im Antragsformular gab die Gesuchstellerin an, verheiratet, jedoch von ihrem Ehemann getrennt zu sein. Sie lebe in (…) und sei arbeitslos (SEMact. 1/121 sowie 1/123).
Mit Formularverfügung vom 21. August 2020 lehnte die Botschaft den Visumsantrag ab. Sie begründete ihre Haltung einerseits mit der ihrer Auffassung nach fehlenden Gewähr für die fristgerechte Wiederausreise der Gesuchstellerin aus dem Schengen-Raum nach einem Besuchsaufenthalt; andererseits hielt die Auslandvertretung fest, die Angaben über den Zweck und die Bedingungen des beabsichtigten Aufenthalts seien nicht glaubhaft (SEM-act. 1/51-53).
Gegen diesen Entscheid erhob der Beschwerdeführer am 24. August 2020 Einsprache (SEM-act. 1/54 f.).
Begründend führte er aus, er und die Gesuchstellerin hätten sich bereits vor der Pandemie mehrere Male im Kosovo getroffen. Seit Ende Januar 2020 stünden sie in engem Kontakt und seien ein Paar. Zwischen Februar 2020 und April 2020 hätten sie sich dreimal im Kosovo getroffen (vom 7. –
9. Februar 2020, vom 6. – 9. März 2020 sowie vom 17. März – 11. April 2020). Ausserdem sei die Gesuchstellerin in der Vergangenheit bereits zweimal mit einem Visum in die Schweiz eingereist und innert Frist wieder nach Kosovo zurückgekehrt.
Die Vorinstanz leitete die Gesuchunterlagen zu weiteren Abklärungen und
Stellungnahmen an die kantonale Migrationsbehörde weiter, welche daraufhin weitere Abklärungen zum Sachverhalt vornehmen liess (SEM-act. 6/147 f.).
Mit Entscheid vom 25. November 2020 wies die Vorinstanz die Einsprache ab. Zur Begründung führte sie aus, die fristgerechte Wiederausreise der Gesuchstellerin könne angesichts der wirtschaftlichen Lage im Kosovo und ihrer persönlichen, insbesondere finanziellen und beruflichen Situation nicht als hinreichend gesichert erachtet werden (SEM-act. 7/152-156).
Ein Wiedererwägungsgesuch des Beschwerdeführers lehnte die Vorinstanz am 8. Dezember 2020 ab (SEM-act. 8/159).
Mit Rechtsmitteleingabe vom 16. Dezember 2020 beantragt der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht sinngemäss die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung vom 25. November 2020 sowie die Ausstellung des beantragten Schengen-Visums an die Gesuchstellerin. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, seine Partnerin verfüge in ihrer Heimat über ein soziales Netzwerk und ihr dreijähriges Kind bedeute ihr sehr viel. Ausserdem sei ihre finanzielle Lage gesichert, da er sie unterstütze.
Der Beschwerde waren unter anderem folgende Unterlagen in Kopie beigelegt:
verschiedene Fotos mit handschriftlicher Datierung,
eine Buchungsbestätigung vom (…) für einen Hinflug von Zürich nach Pristina vom (…) sowie einen Rückflug von Pristina nach Zürich vom (…) sowie die Flugtickets,
ein Flugticket vom (…) von Zürich nach Pristina sowie eine Buchungsbestätigung vom (…) für einen Flug vom (…) von Pristina nach Zürich,
eine Buchungsbestätigung vom (…) für einen Flug vom (…) von Genf nach Tirana,
eine Buchungsbestätigung vom (…) für eine Übernachtung vom (…) in einem Hotel in (…) (Kosovo),
eine Buchungsbestätigung vom 9. April 2020 für einen Flug vom 11. April 2020 von Pristina nach Zürich,
ein Kommunikationsauszug aus einem Kurznachrichtendienst mit Fotos, (vgl. zum Ganzen: Akten des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer-act.] 1).
Am 25. Januar 2021 teilte der Beschwerdeführer mit, die Gesuchstellerin sei seit dem 2. Januar 2021 geschieden (BVGer-act. 6).
Mit Vernehmlassung vom 15. Februar 2021 beantragte die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde (BVGer-act. 7).
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, gemäss der Liste im Anhang 1 der COVID-19Verordnung 3 (Verordnung 3 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus vom 20. Juni 2020; SR 818.101.24) gehöre der Kosovo zu den Risikoländern. Gestützt auf eine Weisung des SEM zur Umsetzung dieser Verordnung sei Staatsangehörigen dieser Länder, die für einen bewilligungsfreien Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit bis zu 90 Tagen in die Schweiz einreisen wollten, die Einreise zu verweigern. Davon ausgenommen seien Einreisen in einer Situation äusserster Notwendigkeit. Der angegebene Aufenthaltszweck falle zwar unter die Definition der Ausnahmeregelung für unverheiratete Paare im Sinne der erwähnten Weisung. Doch die dafür kumulativ erforderlichen ordentlichen Einreisevoraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt.
In seiner Replik vom 1. März 2021 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass der Kosovo seit längerem nicht mehr auf der Risikoliste des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) figuriere. Unter Hinweis auf den beigelegten Arbeitsvertrag seiner Partnerin hielt er fest, dass sie seit
Januar 2021 eine Arbeitsstelle habe (BVGer-act. 9).
In ihrer Duplik vom 30. April 2021 sowie einer Triplik vom 20. Mai 2021 hielten die Parteien an ihren gegensätzlichen Standpunkten fest (BVGer-act. 11 und 13).
Auf den weiteren Akteninhalt – einschliesslich der beigezogenen kantonalen Akten – wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.
Verfügungen des SEM betreffend Schengen-Visa sind beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Art. 31 ff. VGG i.V.m. Art. 5 VwVG). In diesem Bereich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 BGG).
Das Rechtsmittelverfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
Der Beschwerdeführer ist als Gastgeber zur Beschwerde legitimiert (vgl. Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (vgl. Art. 50 Abs. 1 und 52 Abs. 1 VwVG).
Der angefochtenen Verfügung liegt das Gesuch einer kosovarischen Staatsangehörigen um Erteilung eines Visums für einen einmonatigen Besuchsaufenthalt in der Schweiz zugrunde. Da sich die Gesuchstellerin nicht auf die EU/EFTA-Personenfreizügigkeitsabkommen berufen kann und die beabsichtigte Aufenthaltsdauer 90 Tage nicht überschreitet, fällt die vorliegende Streitsache in den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Schengen-Assoziierungsabkommen, mit denen die Schweiz den
Schengen-Besitzstand und die dazugehörigen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte übernommen hat (BVGE 2014/1 E. 3; 2011/48 E. 3). Das Ausländerund Integrationsgesetz (AIG, SR 142.20) und dessen Ausführungsbestimmungen gelangen nur soweit zur Anwendung, als die SchengenAssoziierungsabkommen keine abweichenden Bestimmungen enthalten (Art. 2 Abs. 4 AIG).
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums präsentieren sich im Anwendungsbereich der vorerwähnten Rechtgrundlagen wie folgt:
Das schweizerische Ausländerrecht kennt weder ein allgemeines Recht auf Einreise noch gewährt es einen besonderen Anspruch auf Erteilung eines Visums. Die Schweiz ist daher – wie andere Staaten auch
grundsätzlich nicht gehalten, ausländischen Personen die Einreise zu gestatten. Vorbehältlich völkerrechtlicher Verpflichtungen handelt es sich bei der Visumserteilung um einen autonomen Entscheid (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002 3774; BGE 135 II 1 E. 1.1 m.H.; BVGE 2014/1 E. 4.1). Das
Schengen-Recht schränkt die nationalstaatlichen Befugnisse insoweit ein, als es einheitliche Voraussetzungen für Einreise und Visum aufstellt und die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Einreise bzw. das Visum zu verweigern, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Einen Anspruch auf Einreise bzw. Visum vermittelt auch das Schengen-Recht nicht (vgl. BVGE 2014/1
E. 4.1.5; a.M. PHILIPP EGLI / TOBIAS D. MEYER, in: Stämpflis Handkommentar zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Bern 2010, Art. 5 N. 3 f.).
Drittstaatsangehörige dürfen über die Aussengrenzen des SchengenRaums für einen Aufenthalt von höchstens 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen einreisen, wenn sie im Besitz gültiger Reisedokumente sind, die zum Grenzübertritt berechtigen. Ferner benötigen sie ein Visum, falls ein solches nach Massgabe der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 (Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Aussengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumspflicht befreit sind [ABl. L 303/39 vom 28.11.2018; nachfolgend: Verordnung [EU] 2018/1806; in Kraft seit 15. Februar 2019]) erforderlich ist (Art. 6 Abs. 1 Bst. b der Verordnung [EG] Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das
Überschreiten der Grenzen durch Personen [Kodifizierter Text] [nachfolgend: Schengener Grenzkodex, SGK, Abl. L 77/1 vom 23.03.2016]; Art. 6 Abs. 1 der Verordnung über die Einreise und die Visumserteilung vom
15. August 2018 [VEV]; vgl. auch Art. 2 Ziff. 6 SGK; Art. 5 Abs. 1 Bst. a AIG). Kein Visum benötigen Drittstaatsangehörige, die Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels sind oder über ein gültiges Visum für den längerfristigen Aufenthalt verfügen (vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst. a AIG, Art. 2 Abs. 1 Bst. b Verordnung über die Einreise und Visumerteilung vom 15. August 2018 [VEV, SR 142.204]), resp. Art. 3 Abs. 1 VEV i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und 2 SGK).
Im Weiteren müssen Drittstaatsangehörige den Zweck und die Umstände ihres beabsichtigten Aufenthalts belegen und hierfür über ausreichende finanzielle Mittel verfügen (Art. 5 Abs. 1 Bst. b AIG, Art. 3 Abs. 1 VEV, Art. 6 Abs. 1 Bst. c und Abs. 4 SGK sowie Art. 14 Abs. 1 Bst. a–c der Verordnung [EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [nachfolgend: Visakodex, VK]). Voraussetzung zur Visumserteilung und zur Einreise ist unter anderem auch, dass die drittstaatsangehörige Person keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt (Art. 6 Abs. 1 Bst. e SGK) und Gewähr für die gesicherte Wiederausreise bietet (Art. 32 Abs. 1 Bst. b VK; Art. 5 Abs. 2 AIG; BVGE 2011/48
E. 4.5; 2009/27 E. 5.2). Wenn die betreffende Person nicht bereit ist, das Hoheitsgebiet des Schengen-Raums fristgerecht wieder zu verlassen, ist eine Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Bst. e SGK anzunehmen (BVGE 2014/1 E. 4.3 m.H.). Die Behörden haben daher zu prüfen und drittstaatsangehörige Personen zu belegen, dass die Gefahr einer rechtswidrigen Einwanderung oder einer nicht fristgerechten Ausreise nicht besteht respektive dass die gesuchstellende Person für die gesicherte Wiederausreise Gewähr bietet (Art. 14 Abs. 1 Bst. d VK; Art. 21 Abs. 1 VK; BVGE 2014/1 E. 4.4; Art. 5 Abs. 2 AIG; BVGE 2009/27 E. 5.2).
Sind sämtliche Voraussetzungen für die Visumserteilung erfüllt, ist das Schengen-Visum auszustellen. Ist hingegen einer der in Art. 32 Abs. 1 VK (nicht abschliessend) aufgelisteten Tatbestände gegeben, darf ein einheitliches Visum nicht erteilt werden (vgl. Art. 21 Abs. 1 und Abs. 3 VK; Art. 32 Abs. 1 VK; BVGE 2014/1 E. 4.5; 2011/48 E. 4.6; Urteil des BVGer
F-7617/2016 E. 4.1). Das Schengen-Visum ist deshalb unter anderem zu verweigern, wenn Zweifel an der von der drittstaatsangehörigen Person bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums wieder zu verlassen (Art. 32
Abs. 1 Bst. b VK; BVGE 2014/1 E. 4.4). Den Behörden kommt bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Visumserteilung erfüllt sind, ein weiter Beurteilungsspielraum zu (BVGE 2014/1 E. 4.1.5 in fine; Urteil des BVGer F-7617/2016 E. 4.1).
Sind – abgesehen vom Visum selbst – die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt, kann in Ausnahmefällen ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit erteilt werden, das nur für das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats gilt. Von dieser Möglichkeit kann der betreffende Mitgliedstaat unter anderem Gebrauch machen, wenn er es aus humanitären Gründen, aus solchen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen für erforderlich hält (vgl. Art. 3 Abs. 4 VEV; Art. 25 Abs. 1 Bst. a VK; Art. 6 Abs. 5 Bst. c SGK).
Aufgrund ihrer Staatszugehörigkeit unterliegt die Gesuchstellerin der Visumspflicht.
Im Rahmen der Prüfung der Einreisevoraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 SGK ist die Frage der gesicherten Wiederausreise zentral. Bei deren Beurteilung muss ein zukünftiges Verhalten beurteilt werden, weshalb lediglich Prognosen gestellt werden können. Dabei sind einerseits die allgemeine Lage im Herkunftsland und andererseits die individuelle Situation der gesuchstellenden Person in die Beurteilung miteinzubeziehen. Es rechtfertigt sich, Einreisegesuchen von Personen aus Regionen mit politisch oder wirtschaftlich eher ungünstigen Verhältnissen mit einer gewissen Zurückhaltung zu begegnen, da die persönliche Interessenlage in solchen Fällen häufig nicht mit dem Ziel und Zweck einer zeitlich befristeten Einreisebewilligung in Einklang steht (vgl. BVGE 2014/1 E. 6.1 m.H.).
Im Zusammenhang mit der allgemeinen Lage im Kosovo wies die Vorinstanz in ihrem Entscheid auf die nachteiligen wirtschaftlichen Verhältnisse und den damit einhergehenden Migrationsdruck hin. Diese Einschätzung ist nicht zu beanstanden (vgl. etwa Urteil des BVGer F-18/2020 vom 12. März 2021 E. 5.3 m. H.). Nach Angaben der Weltbank lag das Pro-Kopf-Einkommen im Kosovo im Jahr 2015 bei 4'000 USD, das Brutto-Inland-Produkt (BIP) bei insgesamt etwa 5,5 Mrd. Euro. Damit bleibt der Kosovo das ärmste Land auf dem Balkan. Offiziellen Angaben zufolge liegt die Arbeitslosigkeit bei über 35 %, bei Jugendlichen sogar deutlich höher. Hauptmotor der Wirtschaft bilden nach wie vor die aus der Diaspora fliessenden Transferleistungen (Website der Deutschen Botschaft Pristina:
https://pristina.diplo.de > Themen > Wirtschaft > Wirtschaftsübersicht Kosovo [Artikel], zuletzt besucht im August 2021).
Statistisch gesehen sind allein im Jahr 2019 2'149 Personen kosovarischer Staatsangehörigkeit in die Schweiz eingewandert. Die grosse Mehrheit dieser Personen gehört zur Altersgruppe der 20- bis 39-jährigen (1'613 Personen) (vgl. dazu Bundesamt für Statistik (BFS): https://www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > Bevölkerung > Migration und Integration > Internationale Wanderung > Weiterführende Informationen > Tabellen > Einwanderung der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeit, Geschlecht und Alter, 1991-2019, zuletzt besucht im August 2021).
Aufgrund des erhobenen statistischen Materials, der hohen Arbeitslosigkeit bei kosovarischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie der Tatsache, dass Transferzahlungen aus der Diaspora eine wichtige Rolle in der Wirtschaft des Kosovos zukommt, ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Risiko einer nicht fristgerechten Wiederausreise allgemein als erheblich einschätzt. Dieses Risiko wird erfahrungsgemäss noch akzentuiert, wenn durch die Anwesenheit von Verwandten oder Freunden in der Schweiz bereits ein soziales Beziehungsnetz besteht. Angesichts der restriktiven Zulassungsregelung führt dies nicht selten zur Umgehung von ausländerrechtlichen Bestimmungen, indem nach erfolgter Einreise versucht wird, den Aufenthalt auf eine andere rechtliche oder faktische Basis zu stellen (BVGE 2014/1 E. 6.2.2 m.H.).
Bei der Risikoanalyse sind nicht nur die allgemeinen Umstände, sondern auch sämtliche Gesichtspunkte des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen. Durch besondere berufliche, gesellschaftliche oder familiäre Verpflichtungen kann die Prognose für eine anstandslose Wiederausreise begünstigt werden. Umgekehrt muss bei Personen, die in ihrer Heimat keine derartigen Verpflichtungen haben, das Risiko eines ausländerrechtlich nicht regelkonformen Verhaltens nach einer bewilligten Einreise als hoch eingeschätzt werden (BVGE 2014/1 E. 6.3.1).
Bei der Gesuchstellerin handelt es sich um eine fast 29-jährige, mittlerweile geschiedene Mutter eines knapp vierjährigen Kindes. Während ihres geplanten Aufenthalts in der Schweiz würde sich ihr geschiedener Ehemann um das gemeinsame Kind kümmern (SEM-act. 7/154). Seit ihrer Geburt lebt sie in der Region (…), wo auch ihr Familie, Freunde und Bekannte
leben (BVGer-act. 1). Aus diesen Angaben lässt sich zwar eine gewisse soziale Einbindung der Gesuchstellerin in ein familiäres Gefüge erblicken. Allerdings ist nicht von einem eigentlichen Abhängigkeitsverhältnis unter Verwandten auszugehen, wenn man vom Verhältnis zu ihrem Kind absieht. Was letzteres anbelangt, so verweist die Vorinstanz zu Recht auf den Umstand, dass in Verhältnissen wie den vorliegenden die Existenz eigener Kinder – zumindest solange intakte Aussichten auf einen späteren Nachzug bestehen – in aller Regel nicht von einem Entschluss zur Emigration abhalten kann.
Damit ist der wirtschaftlichen Situation der Gesuchstellerin ein besonderes Augenmerk zu widmen.
In ihrem Visumsantrag gab die Gesuchstellerin an, arbeitslos zu sein (vgl. Sachverhalt Bst. A). Im Rahmen der kantonalen Abklärungen führte der Beschwerdeführer aus, sie habe einen Bachelorabschluss in Psychologie (SEM-act. 6/150). In seiner Replik vom 1. März 2021 machte er geltend, die Antragstellerin arbeite seit 1. Januar 2021 als Beraterin im sozialen Bereich und legte eine Kopie des Arbeitsvertrages bei. Da dieser angeblich am 31. Dezember 2021 erstellt wurde, obwohl er bereits am
1. März 2021 eingereicht wurde, und keine weiteren das Arbeitsverhältnis betreffenden Unterlagen eingereicht worden sind, erachtete die Vorinstanz in ihrer Duplik vom 30. April 2021 das Arbeitsverhältnis als nicht genügend gefestigt (SEM-act. 11).
Mit Triplik vom 20. Mai 2021 kam der Beschwerdeführer der impliziten Forderung der Vorinstanz nach weiteren Unterlagen zwar nach, und reichte einen Kontoauszug der Bank (…) vom 1. Januar 2021 bis 11. Mai 2021 sowie ein Schreiben des Arbeitgebers, der «C. » vom 18. Mai 2021 («Ferienzuspruch») ins Recht. Dennoch ist das geltend gemachte Arbeitsverhältnis weiterhin zweifelhaft. So geht aus dem eingereichten Kontoauszug zwar hervor, dass der Gesuchstellerin am 15. Februar 2021 von der
«C. » ein Lohn für den Monat Januar («PAGA PER MUAJIN JANAR») überwiesen wurde. Zudem tätigte die gleiche Unternehmung am
12. April 2021 zwei weitere Einzahlungen mit der Begründung «moga mars» und am 29. April 2021 noch ein weiteres Mal mit der Begründung
«moga prili». Obwohl der Grund der ersten Überweisung vom 12. April 2021 handschriftlich auf «Februar» geändert wurde, vermag dieses Dokument den Beweis nicht zu erbringen, dass die Antragstellerin in einem gefestigten Arbeitsverhältnis steht. Das gleiche gilt auch für das Schreiben
vom 18. Mai 2021. Diesem ist lediglich zu entnehmen, dass die Gesuchstellerin neben den arbeitsvertraglich festgelegten Ferien auch unbezahlte Ferientage beziehen kann. Da dieses Schreiben jedoch weder die Anzahl der festgelegten Ferientage noch die Dauer des unbezahlten Urlaubs erwähnt, ist dessen Beweiswert gering. Hinzu kommt, dass aus der Kopie des eingereichten Arbeitsvertrages vom 31. Dezember 2021 ersichtlich ist, dass es sich um eine befristete Anstellung («Kontratë Pune») handelt. Zudem entspricht die in diesem Dokument beschriebene Stelle in keiner Weise jener die der Beschwerdeführer in seiner Replik vom 1. März 2021 geltend machte. Darin führte er aus, dass die Antragstellerin – eine ausgebildete Psychologin seit 1. Januar 2021 als Beraterin im sozialen Bereich arbeite. Aus dem Arbeitsvertrag geht jedoch hervor, dass die Verantwortlichkeiten und Aufgaben hauptsächlich kaufmännische Tätigkeiten, wie beispielsweise die Information und Beratung der Kunden über Produkte und Dienstleistungen oder die Pflege elektronischer Daten aus Kundenkontakten umfassen. Es ist daraus auch zu entnehmen, dass die «C. » durch «A. » vertreten ist, der nachfolgend als Arbeitgeber («Punëdhënësi») bezeichnet wird. Es handelt sich somit um eine Person mit den selben Personalien wie der Beschwerdeführer. Dass ein im Staat («Shteti») Schweiz («Zvicer») residierender «A. » der Eigentümer («Pronari») der «C. » ist, ergeben auch Recherchen im Internet (vgl. …). Aufgrund der eingereichten Unterlagen lässt sich somit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine geregelte und langfristige Erwerbstätigkeit schliessen. Wie die Vorinstanz zu recht festgehalten hat, kann somit nicht von gefestigten beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen werden.
Der Gesuchstellerin wurden bereits in der Vergangenheit zweimal Schengen-Visa für Besuchsaufenthalte erteilt (im Dezember 2015 für 24 Tage und im 2016 für 30 Tage [vgl. Beilagen zu BVGer-act. 1]). Sie hat damals die Schweiz gewiss fristgerecht verlassen, was die Prognose für eine anstandslose Wiederausreise sicher begünstigt. Dieser Umstand ist jedoch per se nicht ausschlaggebend, zumal der Grund und die Umstände der Einreise nun völlig anders sind.
Am 22. Juni 2020 trat die Verordnung 3 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) vom 19. Juni 2020 (Covid-19-Verordnung 3, SR 818.101.24) in Kraft. Gemäss Anhang 1 dieser Verordnung galt Kosovo vom 19. Juli 2021 bis zum 12. September 2021 nicht mehr als Risikoland (vgl. Anhang 1 der Verordnung 3 [Stand 19. Juli 2021 / 21. Juli
2021 / 2. August 2021 / 25. August 2021 / 30. August 2021 / 1. September
2021 / 13. September 2021]). Mittlerweile zählt Kosovo wieder zu den Risikoländern (vgl. Anhang 1 der Verordnung 3 [ Stand 25. Januar 2022]). Staatsangehörigen eines Risikolandes ist indes nicht jede Einreise in die Schweiz schlichtweg untersagt. Vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Ausnahmeregelungen gemäss Art. 4 Abs. 2 Bst a und b der Verordnung 3 anzuwenden sind.
Zwar hat der Schweizerische Bundesrat am 20. Juli 2020 die coronabedingten Einreisebeschränkungen für Drittstaatenangehörige, die eine Lebenspartnerin und einen Lebenspartner in der Schweiz haben gelockert. Diese können seit dem 3. August 2020 in die Schweiz einreisen, wenn ihre Partnerschaft seit längerem besteht und belegt werden kann (vgl. zum Ganzen: Staatssekretariat für Migration, sem.admin.ch > Medien > Medienmitteilungen > Medienmitteilung vom 30. Juli 2020, Coronavirus: Lebenspartnerinnen und Lebenspartner aus Drittstaaten können ab 3. August in die Schweiz einreisen, Stand 17.12.2021, besucht im Januar 2022). Gemäss der Weisung Nr. 323.7-5040/3 des SEM zur Umsetzung der Covid19-Verordnung in der Fassung vom 3. August 2020 muss dafür eine Einladung des in der Schweiz wohnhaften Lebenspartners sowie eine Bestätigung der bestehenden Partnerschaft vorliegen und mindestens ein persönlicher physischer Besuch (Treffen) in der Schweiz oder im Ausland vor Erlass der Einreisebeschränkungen nachgewiesen werden. Reine Ferienbekanntschaften berechtigen nicht zur Einreise. Es muss sich vielmehr um eine bereits länger dauernde Beziehung handeln, die regelmässig gepflegt wird. Die betroffenen Personen müssen glaubhaft machen können, dass sie schon vor und während der Coronakrise regelmässig in Kontakt gestanden sind (vgl. ebd. S. 4).
Der Beschwerdeführer macht geltend, er und die Gesuchstellerin seien seit Ende Januar 2020 ein Paar. Seither hätten sie sich dreimal im Kosovo getroffen. Die von ihm zu diesem Zweck ins Recht gelegten Unterlagen vermögen indes die geltend gemachte Beziehungsdauer sowie die Häufigkeit der Treffen nicht zu belegen. Vielmehr geht aus den eingereichten Buchungsbestätigungen verschiedener Flugtickets sowie einer Hotelübernachtung lediglich hervor, dass Flugreisen in den Kosovo beziehungsweise ein Hotelaufenthalt gebucht wurden. Ob die Flugreisen tatsächlich angetreten wurden oder zu welchem Zweck sie angetreten wurden, geht daraus nicht hervor. Gleiches gilt für den gebuchten Hotelaufenthalt. Die eingereichten Fotografien beweisen zwar, dass sich der Beschwerdeführer und die Gesuchstellerin getroffen haben. Wann und wie oft ein Treffen der bei-
den stattgefunden hat, belegen sie hingegen nicht. Auch der Kommunikationsauszug eines Kurznachrichtendiensts vermag zu keiner anderen Einschätzung zu führen. So vermittelt dieser lediglich, dass zwischen Januar 2020 und Juli 2020 ein – immer wieder von Pausen unterbrochener – Kontakt zwischen den betroffenen Personen stattgefunden hat, und sie ferner am 8. März 2020 zahlreiche Fotos ausgetauscht haben. Hinzu kommt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Ehescheidung der Gesuchstellerin vom 2. Januar 2021 durch die ins Recht gereichte Kopie des Zivilstandsregisterauszugs vom 21. Januar 2021 nicht belegt ist. So enthält die Kopie unter der Rubrik «marital status» lediglich die Angabe «divorced» ohne indes das Datum der Ehescheidung explizit zu nennen. Mangels eindeutiger Belege bezüglich der geltend gemachten Ehescheidung der Gesuchstellerin sowie der Dauer ihrer Beziehung mit dem Beschwerdeführer kann aus der erwähnten Ausnahmeregelung nichts zu ihren Gunsten abgeleitet werden.
Vor diesem Hintergrund durfte die Vorinstanz zu Recht annehmen, die Wiederausreise der Gesuchstellerin sei nicht gesichert. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Schengen-Visa sind somit nicht erfüllt. Der angefochtene Einspracheentscheid ist als rechtmässig zu bestätigen und die Beschwerde abzuweisen.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 900.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie sind durch den in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
Dieses Urteil geht an:
den Beschwerdeführer (Einschreiben)
die Vorinstanz (Ref-Nr. …)
[die zuständige kantonale Migrationsbehörde]
Der vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Claudia Cotting-Schalch Ulrike Raemy
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