Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-6304/2020 |
Datum: | 21.02.2022 |
Leitsatz/Stichwort: | Einreiseverbot |
Schlagwörter : | Einreise; Einreiseverbot; Schweiz; Recht; Vorinstanz; Ausschaffung; Ausschaffungs; Bundesverwaltungsgericht; Verfügung; Einreiseverbots; Ausschaffungshaft; Schengen; Interesse; Beschwerdeführers; Familie; Gehör; Urteil; Begründung; Sicherheit; Verhältnis; Wegweisung; BVGer; Fernhaltemassnahme; Möglichkeit |
Rechtsnorm: | Art. 11 AIG ;Art. 112 AIG ;Art. 29 BV ;Art. 30 VwVG ;Art. 32 VwVG ;Art. 35 VwVG ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 62 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 67 AIG ;Art. 75 AIG ;Art. 76 AIG ;Art. 83 BGG ;Art. 96 AIG ; |
Referenz BGE: | 139 II 121; 139 II 534; 142 II 324 |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Abteilung VI F-6304/2020
Besetzung Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz), Richter Yannick Antoniazza-Hafner, Richterin Susanne Genner, Gerichtsschreiberin Fabienne Hasler.
Parteien A. ,
vertreten durch MLaw Leonie Haug, AsyLex, (…),
Beschwerdeführer,
gegen
Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Einreiseverbot.
Der Beschwerdeführer (geb. […], albanischer Staatsangehöriger) reiste am 17. Juli 2017 zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in die Schweiz und suchte um Asyl nach.
Mit Verfügung vom 20. Dezember 2018 lehnte das SEM das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab, verfügte dessen Wegweisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug der Wegweisung an. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ab (Urteil des BVGer D-7471/2018 vom 8. Februar 2019).
Auf das daraufhin eingereichte Revisionsgesuch trat das Bundesverwaltungsgericht nicht ein (Urteil des BVGer D-1024/2019 vom 12. März 2019).
Am 2. Mai 2019 ersuchten der Beschwerdeführer und seine Familie das SEM um Wiedererwägung des ablehnenden Asylentscheids. Mit Verfügung vom 12. August 2019 wies das SEM das Wiedererwägungsgesuch ab und stellte die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Asylentscheids vom 20. Dezember 2018 fest. Auf eine dagegen erhobene Beschwerde trat das Bundesverwaltungsgericht nicht ein (Urteil des BVGer D-4776/2019 vom 26. September 2019).
Am 2. Oktober 2019 reichte die Familie des Beschwerdeführers beim SEM ein Gesuch betreffend «Feststellung der Flüchtlingseigenschaft» ein, mit dem sie um Gewährung von Asyl, eventuell um vorläufige Aufnahme in der Schweiz ersuchten. Das SEM trat auf diese Eingabe nicht ein. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ab (Urteil des BVGer D-193/2020 vom 6. Februar 2020).
Am 10. März 2020 reichte der Beschwerdeführer ein weiteres Wiedererwägungsgesuch ein. Auf dieses trat das SEM aufgrund des nicht geleisteten Gebührenvorschusses nicht ein. Die gegen diesen Nichteintretensentscheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ab (Urteil des BVGer D-2889/2020 vom 12. Juni 2020).
Mit Verfügung vom 6. August 2020 schrieb das SEM ein neuerliches Wiedererwägungsgesuch der Familie des Beschwerdeführers betreffend den ablehnenden Asylentscheid formlos ab.
Am 1. Oktober 2020 wurden die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers in ihr Heimatland zurückgeführt. Der Beschwerdeführer konnte anlässlich dieses Wegweisungsvollzugs nicht in der Wohnung seiner Familie angetroffen werden.
Am 18. November 2020 wurde der Beschwerdeführer anlässlich einer Kontrolle durch die Kantonspolizei B. aufgegriffen. Im Rahmen der Einvernahme wurde ihm das rechtliche Gehör bezüglich einer allfälligen Entfernungsund Fernhaltemassnahme gewährt.
Am 20. November 2020 verfügte das Migrationsamt gestützt auf Art. 76 Abs. 1 AIG die Haftanordnung gegen den Beschwerdeführer.
Ebenfalls am 20. November 2020 erliess die Vorinstanz gegen den Beschwerdeführer ein dreijähriges Einreiseverbot (vom 20. November 2020 bis zum 19. November 2023), welches für die Schweiz, das Fürstentum Liechtenstein und aufgrund der Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS II) für den ganzen Schengen-Raum gilt. Gleichzeitig entzog sie einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
Am 21. November 2020 erfolgte die Rückführung des Beschwerdeführers per Sonderflug nach C. .
Am 11. Dezember 2020 erhob der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die vorinstanzliche Verfügung betreffend das Einreiseverbot und beantragte deren Aufhebung sowie die Löschung des Eintrags im SIS. Eventualiter sei das Einreiseverbot räumlich auf das Gebiet der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein und zeitlich auf allerhöchstens sechs Monate zu beschränken. Im Weiteren ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung.
Mit Zwischenverfügung vom 5. Januar 2021 hiess die Instruktionsrichterin das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gut.
Die Vorinstanz beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 14. Januar 2021 die Abweisung der Beschwerde.
In seiner Replik vom 15. Februar 2021 hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen und deren Begründung fest.
Verfügungen des SEM, die ein Einreiseverbot im Sinne von Art. 67 AIG (SR 142.20) zum Gegenstand haben, unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 112 Abs. 1 AIG i.V.m. Art. 31 ff. VGG).
Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
Der Beschwerdeführer ist zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 50 Abs. 1 VwVG; Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der vorliegenden Sache endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 BGG).
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG nicht an die Begründung der Begehren gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt des Entscheids (BGE 139 II 534 E. 5.4.1; BVGE 2014/1 E. 2).
Zu prüfen ist vorab, ob die Vorinstanz – wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht – seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nie die effektive Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs habe, trotz seines entsprechenden Wunsches, nicht in Anwesenheit seiner Rechtsvertretung stattgefunden. Auch der mandatierten Rechtsvertretung sei keine Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt worden. Dem Protokoll der Kantonspolizei B. sei zu entnehmen, dass er sämtliche Fragen nicht beantwortet habe, nachdem er klar ausgesagt habe, nicht ohne seine Rechtsvertretung antworten zu wollen. Es sei offensichtlich, dass er als junger fremdsprachiger Asylsuchender nicht im Stande gewesen sei, um Mitternacht ohne Rechtsvertretung das rechtliche Gehör wahrzunehmen. Er hätte sich aber durchaus äussern wollen. Wenn schon kein Rechtsbeistand hinzugezogen worden sei, hätte man ihm verdeutlichen müssen, dass er Gründe gegen den Erlass einer Fernhaltemassnahme vorbringen könnte und dass seine Aussagen nicht gegen ihn verwendet würden. Zudem sei den Behörden in Anbetracht seines gesundheitlichen Zustands bekannt gewesen, dass die mit der Inhaftierung einhergehende psychische Belastung die Möglichkeit zur selbstständigen Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs massiv einschränken würde. Ausserdem habe die Vorinstanz das Einreiseverbot lediglich mit Verweis auf die Gesetzesbestimmung begründet. Dies habe eine tatsächliche Wahrnehmung des Beschwerderechts verunmöglicht. Im Übrigen sei auch keine Verhältnismässigkeitsprüfung durchgeführt worden. Die Vorinstanz habe es versäumt, eine einzelfallgerechte Gefährdungsprognose zu erstellen und diese nachvollziehbar darzulegen. Bereits aufgrund der formellen Natur des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei die angefochtene Verfügung aufzuheben.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 VwVG) umfasst das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache äussern zu können (Art. 30 Abs. 1 VwVG). Er verlangt von der Behörde, dass sie die Vorbringen des Betroffenen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigt (Art. 32 Abs. 1 VwVG). Die Begründung einer Verfügung (Art. 35 Abs. 1 VwVG) muss so abgefasst sein, dass die betroffene Person diese gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Sie muss wenigstens kurz die Überlegungen darstellen, von denen sich die Behörde leiten liess und
auf welche sie ihren Entscheid stützt. Die Anforderungen an die Begründung sind umso höher, je grösser der Entscheidungsspielraum der Behörde ist (BGE 142 II 324 E. 3.6).
Anlässlich der beiden Einvernahmen durch die Kantonspolizei B. am 18. November 2020 um 23.39 Uhr sowie am 19. November 2020 um 00.34 Uhr wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, sich sowohl zur ihm vorgeworfenen Widerhandlung gegen das Ausländergesetz als auch zur allfälligen Anordnung einer Fernhaltemassnahme zu äussern. Von diesem Recht hat er keinen Gebrauch gemacht. Daraus kann er für das vorliegende Verfahren jedoch nichts zu seinen Gunsten ableiten. Dies gilt auch für die Tatsache, dass seine Rechtsvertretung nicht an der Einvernahme zugegen war. Aus dem Einvernahmeprotokoll vom 18. November 2020 ist ersichtlich, dass er die Möglichkeit erhielt, vorab telefonisch Kontakt mit seinem Rechtsvertreter aufzunehmen. Zudem wurde ein Strafverteidiger aufgeboten und kontaktiert. Auch wenn die beiden Rechtsbeistände schliesslich nicht an der Einvernahme teilgenommen haben, ändert dies nichts daran, dass der Beschwerdeführer sich vor Erlass des Einreiseverbots zur Sache hätte äussern können. Bezüglich des Vorbringens, er sei als junger fremdsprachiger Asylsuchender nicht im Stande gewesen, ohne Rechtsvertretung das rechtliche Gehör wahrzunehmen, ist festzuhalten, dass er selber vorbringt, er habe einen wesentlichen Teil seiner Jugend in der Schweiz verbracht, seine schulische Ausbildung abgeschlossen und hier erste Arbeitserfahrung gesammelt. Auch seine geltend gemachte psychische Erkrankung, die mit Hyperventilation und Angststörungen einhergehe, vermag nichts daran zu ändern, dass dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur vorgängigen Äusserung eingeräumt wurde. Bei einer zu befürchtenden eingeschränkten Möglichkeit, das rechtliche Gehör selbstständig wahrzunehmen, hätte ausserdem seine Rechtsvertretung an der Einvernahme teilnehmen können. Zwischen der Gehörsgewährung und dem Verfügungserlass bestand im Übrigen ein enger zeitlicher Zusammenhang (vgl. Urteil des BVGer F-5736/2015 vom 6. Januar 2017 E. 3.3). Die Rüge betreffend Verletzung des Äusserungsrechts erweist sich angesichts der vorliegenden Umstände als unbegründet.
Die Vorinstanz hat in ihrer Verfügung den Grund für die Verhängung des Einreiseverbots, nämlich die Anordnung der Ausschaffungshaft, dargelegt und ausgeführt, die Stellungnahme im Rahmen des rechtlichen Gehörs enthalte keine Gründe, die es rechtfertigen würden, von einer Fernhaltemassnahme abzusehen. Auch wenn die entsprechenden Ausführungen knapp ausgefallen sind, ist nachvollziehbar, auf welcher Grundlage
und weshalb das Einreiseverbot ausgesprochen wurde. Dementsprechend war es dem juristisch vertretenen Beschwerdeführer ohne weiteres möglich, die Verfügung sachgerecht anzufechten. Dies bestätigt im Übrigen seine Beschwerdeeingabe vom 11. Dezember 2020. Folglich erweist sich die Rüge betreffend Verletzung der Begründungspflicht ebenfalls als ungerechtfertigt.
Zusammenfassend hat die Vorinstanz das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers nicht verletzt.
Nach Art. 67 Abs. 2 AIG kann das SEM ein Einreiseverbot gegenüber Ausländerinnen und Ausländern verfügen, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen haben oder diese gefährden (Bst. a), Sozialhilfekosten verursacht haben (Bst. b) oder in Vorbereitungs-, Ausschaffungsoder Durchsetzungshaft genommen worden sind (Bst. c). Ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt insbesondere vor bei einer Missachtung von gesetzlichen Vorschriften oder behördlichen Verfügungen (Art. 77a Abs. 1 Bst. a der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]). Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist anzunehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Aufenthalt der betroffenen Person in der Schweiz mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Nichtbeachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führt (Art. 77a Abs. 2 VZAE). Das Einreiseverbot wird grundsätzlich für eine Dauer von höchstens fünf Jahren verfügt (Art. 67 Abs. 3 erster Satz AIG). Es kann für eine längere Dauer angeordnet werden, wenn die betroffene Person eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (Art. 67 Abs. 3 zweiter Satz AIG). Aus humanitären oder anderen wichtigen Gründen kann die zuständige Behörde von der Verhängung eines Einreiseverbots absehen oder ein solches vollständig oder vorübergehend aufheben (Art. 67 Abs. 5 AIG).
Wird gegen eine Person, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation besitzt, ein Einreiseverbot verhängt, so wird sie nach Massgabe der Bedeutung des Falles im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben (vgl. Art. 21 und 24 der Verordnung [EU] 2018/1861 des europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems [SIS] im Bereich der Grenzkontrollen,
zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen und zur Änderung und Aufhebung der Verordnung [EG] Nr. 1987/2006 [SIS-II] Abl. L 312/14 vom 7.12.2018, nachfolgend: SIS-II-VO) und Art. 21 der N-SIS-Verordnung vom 8. März 2013 (SR 362.0).
Die Vorinstanz führt zur Begründung des Einreiseverbots an, der Beschwerdeführer sei weggewiesen worden, wobei die Ausschaffungshaft angeordnet worden sei. Gemäss Art. 67 Abs. 2 Bst. c AIG sei eine Fernhaltemassnahme anzuordnen.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe nie die Absicht gehabt, unrechtmässig in der Schweiz zu verweilen. Aus dem Anmeldeformular für seinen Rückreiseflug gehe sodann ausdrücklich hervor, dass er reisewillig gewesen und kein Risiko von ihm ausgegangen sei. Zwar könne die Vorinstanz in Fällen nach Art. 75-78 AIG eine Fernhaltemassnahme verfügen, eine solche sei aber vorliegend nicht angezeigt gewesen. Zudem sei keine ungünstige Prognose zu seinen Lasten ersichtlich, da von ihm keine Gefahr von zukünftigen Ordnungsverstössen oder Störungen ausgehe. Die Vorinstanz habe keine Verhältnismässigkeitsprüfung vorgenommen. Darüber hinaus sei das Einreiseverbot ungerechtfertigterweise im SIS eingetragen worden. Auch die Dauer des Einreiseverbots sei nicht gerechtfertigt. Es sei kein öffentliches Interesse an einer langfristigen Fernhaltung ersichtlich, da von ihm zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen sei. Nicht strafrechtlich motivierte Einreiseverbote seien zudem nur im unteren Bereich des fünfjährigen Rahmens verhältnismässig. Es würden keine Anhaltspunkte vorliegen, die ein dreijähriges Einreiseverbot rechtfertigen würden, weshalb dieses auf höchstens sechs Monate zu begrenzen sei.
In der Vernehmlassung führt die Vorinstanz aus, die Beschwerde enthalte keine neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, die eine Änderung des Entscheids rechtfertigen könnten. Die Familie des Beschwerdeführers sei am 22. September 2020 nach abgeschlossenem Asylverfahren für den Vollzug der Wegweisung in Ausschaffungshaft genommen worden, da aufgrund der gesamten Sachlage davon ausgegangen worden sei, dass sie sich der Ausschaffung entziehen wolle. Der Beschwerdeführer habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht in der gemeinsamen Wohnung befunden und seine Familie habe keine Auskunft zu seinem Aufenthaltsort machen können/wollen, weshalb sein Vater, seine Mutter und die Geschwister
ohne ihn ins Herkunftsland zurückgeführt worden seien. Der Beschwerdeführer selbst sei am 18. November 2020 anlässlich einer Kontrolle betreffend illegale Erwerbstätigkeit festgenommen worden. Er habe auf einer Internet-Webseite unter dem Profil «D. » Liebesdienste angeboten und habe unter der dort angegebenen Adresse angetroffen werden können. Der untergetauchte Beschwerdeführer habe sich somit neben dem illegalen Aufenthalt auch der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung schuldig gemacht. Folglich sei er in Ausschaffungshaft gesetzt worden. In der Konstellation «abgewiesenes Asylgesuch und Vollzug der Wegweisung mittels Ausschaffungshaft» entspreche die Verhängung eines dreijährigen Einreiseverbots der gefestigten Praxis der Vorinstanz und der Rechtsprechung. Dazu gehöre bei Drittstaatsangehörigen ebenfalls die Ausschreibung der Massnahme im SIS, sofern keine besonderen Gründe vorliegen würden. Solche seien vorliegend nicht festgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe jedoch jederzeit die Möglichkeit, die Einreise in einen SchengenStaat zu beantragen. Im Weiteren sei das dreijährige Einreiseverbot im Verhältnis zum in der Schweiz ausgereizten Instanzenzug im Asylverfahren und der in diesem Zusammenhang entstandenen sehr hohen Kosten als nicht überaus harte Massnahme zu beurteilen, zumal er auch noch der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung überführt worden sei. Wenn dies im Zeitpunkt der Verhängung der Fernhaltemassnahme bereits bekannt gewesen wäre, wäre sogar ein vierjähriges Einreiseverbot in Betracht gezogen worden. Die Verhältnismässigkeitsprüfung sei vorgenommen worden, auch wenn dies nicht speziell in der Begründung der Verfügung aufgeführt sei. Aufgrund der hohen Anzahl von Einreiseverboten müsse das SEM speditiv entscheiden und es dürften keine überhöhten Anforderungen an die Begründungsdichte gestellt werden. Der Vollständigkeit halber sei noch anzufügen, dass sich der Beschwerdeführer auf keine Rechtsgrundlage berufen könne, die ihm ein Anrecht auf Verbleib in der Schweiz zwecks Ausbildung einräumen würde.
In der Replik bringt der Beschwerdeführer in Bezug auf die Haftanordnung vom 22. September 2020 betreffend seine Familienangehörigen vor, diese sei vollkommen unverhältnismässig gewesen, da zwei seiner inhaftierten Geschwister minderjährig gewesen seien. Seine Brüder seien wegen der Inhaftierung verängstigt und schwer traumatisiert. Die Behörden hätten im Umgang mit seiner Familie komplett auf eine Verhältnismässigkeitsprüfung verzichtet. Seine eigene Verhaftung habe lediglich der Zuführung zum Flughafen und damit der Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs gedient; deshalb habe es sich um eine Ausschaffungsund nicht um
eine Strafhaft gehandelt. Keinesfalls dürfe diese als Begründung einer Gefahr oder eines zukünftigen Risikos berücksichtigt werden. Er sei kein Straftäter, sondern ein Asylsuchender, der aufgrund ausländerrechtlicher Bestimmungen verhaftet worden sei. Der Vorinstanz sei im Punkt der Schuldhaftigkeit entschieden zu widersprechen. Weiter gehe aus dem Verweis der Vorinstanz auf die «gefestigte Praxis des SEM» klar hervor, dass in casu keine Einzelfallprüfung stattgefunden habe, sondern ein selbst kreierter Automatismus zum Zuge gekommen sei. Dies verletze den Verhältnismässigkeitsgrundsatz. Der Argumentation der Vorinstanz betreffend Kompetenz der Schengen-Staaten zur Erteilung einer Einreisebewilligung sei zu widersprechen. Der Aufwand für den Erhalt eines Visums in den einzelnen Ländern sei extrem hoch und angesichts des bestehenden Einreiseverbots kaum realisierbar. Er könne aufgrund seiner Verfolgung in Albanien nur unter erheblichen Umständen und grosser Gefahr zu einer Botschaft reisen. In der Praxis sei die Möglichkeit, in ein anderes SchengenLand einzureisen, nicht mehr gegeben. Das Ergreifen von Rechtsmitteln im Asylverfahren und die damit verbundenen Kosten dürften ihm nicht zur Last gelegt werden und keinesfalls für die Begründung eines Einreiseverbots dienen. Andernfalls würde die Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV ausgehöhlt. Die von der Vorinstanz angeführten Punkte, insbesondere die Strafhaft und die Kosten im Zusammenhang mit der Ergreifung von Rechtsmitteln, würden für einen pönalen Charakter des Einreiseverbots sprechen und nicht für die Vorsorge vor künftigen Störungen. Zu ergänzen sei zudem, dass sein Interesse an einer legalen Einreise in den Schengen-Raum auch in Zukunft hoch sei, zumal seine Familie bedroht werde und deshalb habe polizeilich geschützt werden müssen, seit sie wieder in Albanien sei.
Der Beschwerdeführer hätte bereits am 1. Oktober 2020 gemeinsam mit seiner Familie die Schweiz verlassen sollen und war zu diesem Zweck zur Ausschaffungshaft ausgeschrieben gewesen. Da er jedoch zwischenzeitlich untergetaucht war und erst am 18. November 2020 anlässlich einer Polizeikontrolle aufgegriffen werden konnte, wurde am 20. November 2020 erneut eine Ausschaffungshaft angeordnet. Der Fernhaltegrund nach Art. 67 Abs. 2 Bst. c AIG ist somit gesetzt.
Darüber hinaus ist auch der in der Verfügung unerwähnt gebliebene Fernhaltegrund nach Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG erfüllt. Dies einerseits deshalb, da sich der Beschwerdeführer trotz des rechtskräftigen Asylund Wegweisungsentscheids weiterhin in der Schweiz aufgehalten hat und untergetaucht ist. Daran ändert auch seine Feststellung nichts, er habe nie
die Absicht gehabt, unrechtmässig in der Schweiz zu verweilen. Unter Bezugnahme auf das Einvernahmeprotokoll sowie den Polizeirapport der Kantonspolizei B. vom 18. November 2020 ist zudem davon auszugehen, dass er in der Schweiz durch Erbringung sexueller Dienstleistungen gegen Entgelt einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, ohne im Besitz der dazu notwendigen Bewilligung zu sein (Art. 11 Abs. 1 AIG). Dies wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten und es gibt auch sonst keinen Grund, die Ausführungen der Vorinstanz in der Vernehmlassung in Zweifel zu ziehen (vgl. Urteile des BVGer F-1473/2016 vom 15. Mai 2017 E. 4.3.1 und F-2377/2016 vom 1. Mai 2017). Folglich hat der Beschwerdeführer zusätzlich gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen.
Nach dem Gesagten hat der Beschwerdeführer sowohl den Fernhaltegrund gemäss Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG als auch denjenigen nach Art. 67 Abs. 2 Bst. c AIG gesetzt. Folglich ist die Verhängung des Einreiseverbots gerechtfertigt. Er beanstandet denn auch nicht die Anordnung des Einreiseverbots, sondern stellt dessen Verhältnismässigkeit in Frage.
E. 8.1). Ausgangspunkt der Überlegungen bilden die Stellung der verletzten oder gefährdeten Rechtsgüter, die Besonderheiten des ordnungswidrigen Verhaltens, die persönlichen Verhältnisse der betroffenen Person und das von ihr ausgehende, zukünftige Gefährdungspotenzial (Art 5 Abs. 2 BV, Art. 96 Abs. 1 AIG; BGE 139 II 121 E. 6.5.1; BVGE 2017 VII/2 E. 4.5).
Das öffentliche Interesse an einer befristeten Fernhaltung der betroffenen Person ist aus generalpräventiver Sicht von Bedeutung. Ein Einreiseverbot soll andere Ausländerinnen und Ausländer angesichts der nachteiligen Folgen dazu anhalten, sich an die ausländerrechtliche Ordnung des Gastlandes zu halten (Urteile des BVGer F-3963/2020 vom 10. Januar 2021 E. 6.3.1; F-5519/2015 vom 12. Juni 2017 E. 6.2). Ande-
rerseits ist eine spezialpräventive Zielsetzung der Massnahme darin zu sehen, dass sie die Betroffenen ermahnt, sich inskünftig an die geltenden Regeln zu halten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 8. Februar 2019 die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Asylentscheid abgewiesen und somit die Wegweisung des Beschwerdeführers bestätigt. Ab diesem Zeitpunkt reichte der Beschwerdeführer noch fünf ausserordentliche Rechtsmittel ein, welche er jeweils – sofern möglich – an das Bundesverwaltungsgericht weiterzog. Mit diesen von Vornherein aussichtslosen Verfahren hat er massive Kosten verursacht. Ein solches Verhalten ist als missbräuchlich zu bezeichnen. Zudem hat er sich weiterhin illegal in der Schweiz aufgehalten und sich sogar seiner Rückführung im Herbst 2020 entzogen, indem er untergetaucht ist. Nur durch Zufall hat ihn die Kantonspolizei B. im Rahmen einer Kontrolle betreffend illegale Erwerbstätigkeit aufgegriffen, weshalb die Wegweisung schliesslich vollzogen werden konnte. Darüber hinaus hat er sich während seines illegalen Aufenthalts auch noch ausländerrechtlich strafbar gemacht. Auch dies lässt auf seine Geringschätzung der schweizerischen Rechtsordnung schliessen. Im Übrigen ist anzumerken, dass es nur deshalb zur Anordnung der Ausschaffungshaft gekommen ist, weil der Beschwerdeführer nicht freiwillig ausgereist ist. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwiefern die Tatsache, dass eine Ausschaffungshaft und nicht eine Freiheitsstrafe angeordnet wurde, zu seinen Gunsten gewertet werden soll. Der Beschwerdeführer hat gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen und musste in Ausschaffungshaft gesetzt werden. Es besteht demnach ein generalund spezialpräventiv motiviertes Interesse an seiner Fernhaltung.
Den öffentlichen Fernhalteinteressen sind die privaten Interessen des Beschwerdeführers entgegenzuhalten. Er bringt vor, er habe sich in der Schweiz vorbildlich integriert, was auch die breite Unterstützung öffentlicher und privater Institutionen sowie seiner Freunde und Bekannten aufzeige. Er geniesse eine hervorragende Reputation in der Kunstszene der Schweiz, weshalb das Engagement namhafter Institutionen für sein Verweilen in der Schweiz gross sei. Auch er selbst habe ein grosses Interesse daran, sich legal in der Schweiz aufhalten zu können, um sein Studium zu absolvieren. Er müsse nun als junger Erwachsener, ohne eigenes Verschulden, die in der Schweiz aufgebaute Existenzgrundlage aufgeben und in ein ihm fremdes Land zurückkehren. Angesichts dessen, dass er als Minderjähriger in die Schweiz eingereist sei, hier die Schule besucht sowie sich sozialisiert habe und sogar einen Universitätsplatz mit Stipendium in Aussicht gehabt habe, wiege das Einreiseverbot besonders schwer und sei unverhältnismässig.
Der Beschwerdeführer hat von Juli 2017 bis zu seiner Ausschaffung im November 2020 in der Schweiz gelebt. Auch wenn der Zeitraum zwischen 17 und 20 Jahren für einen Jugendlichen eine prägende Zeit darstellt, hat er keine besonders lange Zeit hier verbracht. Hinzu kommt, dass das SEM sein Asylgesuch bereits am 20. Dezember 2018 abgewiesen hat. Weder er noch seine Familienangehörigen durften deshalb davon ausgehen, längerfristig in der Schweiz bleiben zu können. Auch wenn er sich in der Kunstszene in der Schweiz etabliert haben sollte und dort viele Kontakte geknüpft zu haben scheint, ist sein Heimatland für ihn keineswegs fremd, zumal er dort die ersten 17 Jahre seines Lebens verbracht und zuletzt das Gymnasium besucht hat. Im Übrigen sind seine Eltern und die beiden Geschwister ebenfalls in Albanien. Selbst die Aussicht auf einen Studienplatz in der Schweiz – was lediglich behauptet und nicht belegt ist – gibt ihm keinen Anspruch auf eine Einreise in die Schweiz, zumal es im vorliegenden Verfahren nicht um ein Aufenthaltsrecht geht, sondern um eine Fernhaltemassnahme. Auch aus dem Umstand, dass sein Vater im (…) in Albanien angeblich bedroht worden sei, kann der Beschwerdeführer für das vorliegende Verfahren nichts zu seinen Gunsten ableiten. Sofern sich die Ausführungen des Beschwerdeführers auf die Ausschaffungshaft seiner Familie beziehen, ist schliesslich festzuhalten, dass diese nicht Gegenstand des vorliegend zu beurteilenden Einreiseverbots sind.
Zu prüfen bleibt die Rechtmässigkeit der von der Vorinstanz angeordneten und vom Beschwerdeführer beanstandeten Ausschreibung des Einreiseverbots im SIS. Der Beschwerdeführer führt hierzu aus, er sei bislang wegen keiner Straftat rechtskräftig verurteilt worden. Selbst wenn eine Eintragung im SIS möglich sei, wenn nationale Einreiseund Aufenthaltsvorschriften verletzt worden seien, sei die Ausschreibung im vorliegenden Fall nicht verhältnismässig, denn Relevanz und Bedeutung des Falls müssten eine Ausschreibung erst rechtfertigen. Eine Verhältnismässigkeitsprüfung bezüglich des Eintrags im SIS sei indes nicht vorgenommen worden. Von ihm gehe keine Gefahr für andere Mitgliedstaaten aus. Es sei also kein öffentliches Interesse ersichtlich, das einen Eintrag im SIS rechtfertigen würde. Er habe sich stets vorbildlich verhalten. Angesichts der geographischen Nähe seines Heimatlands zum Schengen-Raum stelle der SIS-Eintrag einen massiven Einschnitt in seine Bewegungsfreiheit dar.
In Anbetracht der vorangegangenen Ausführungen ist ein überwiegendes öffentliches Interesse nicht nur der Schweiz, sondern sämtlicher Schengen-Staaten an der längerfristigen Fernhaltung des Beschwerdeführers gegeben. Es trifft nicht zu, dass er sich stets vorbildlich verhalten hat und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Allein die Tatsache, dass keine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung vorliegt, reicht als Begründung für einen Verzicht auf eine SIS-Ausschreibung nicht aus. Die Schweiz hat im Anwendungsbereich des Schengen-Rechts nicht nur eigene Interessen zu wahren, sondern ist als Folge des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit bei der Administration des gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, auf dem das Schengen-System beruht, zur Wahrung der Interessen der Gesamtheit der SchengenStaaten verpflichtet (BVGE 2011/48 E. 6.1). Die Ausschreibung des Beschwerdeführers im SIS ist gestützt auf Art. 21 und 24 Abs. 3 der SIS-II-VO und Art. 21 der N-SIS-Verordnung zu bestätigen.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.
Als unterliegende Partei hätte der Beschwerdeführer grundsätzlich die
Kosten des Verfahrens zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da ihm die unentgeltliche Rechtspflege gewährt worden ist, sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer und die Vorinstanz.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Regula Schenker Senn Fabienne Hasler
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