Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-4575/2019 |
Datum: | 21.01.2022 |
Leitsatz/Stichwort: | Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung |
Schlagwörter : | Einbürgerung; Kinder; Familie; Vorinstanz; Ehegatte; Ehemann; Ex-Ehemann; Familien; Recht; Ehegatten; Bürger; Thema; Familienplanung; Behörde; Vermutung; Ex-Ehegatte; Bürgerrecht; Verfahren; Schweiz; Sommer; Verfügung; Bundesverwaltungsgericht; Rechts; Person; Beweis; ätten |
Rechtsnorm: | Art. 12 B?G; Art. 13 VwVG ; Art. 15 ZGB ; Art. 159 ZGB ; Art. 20 B?G; Art. 36 B?G; Art. 48 BGG ; Art. 48 VwVG ; Art. 50 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 62 VwVG ; Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | 119 II 1; 130 II 169; 135 II 161; 135 II 163; 140 II 65 |
Kommentar: | -, Berner , Art. 8 ZGB, 2012 |
Abteilung VI F-4575/2019
Besetzung Richter Fulvio Haefeli (Vorsitz), Richter Gregor Chatton,
Richterin Jenny de Coulon Scuntaro, Gerichtsschreiber Thomas Bischof.
Parteien A. ,
vertreten durch lic. iur. Simone Thöni, Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung.
A. ([…], geb. […] 1984; fortan: Beschwerdeführerin) ist kasachische Staatsangehörige. Sie erwarb gemäss ihrem Lebenslauf im Juni 2006 ein Diplom in Chemie der (…) Universität in (…)/Kasachstan und schloss daran ein Doktoratsstudium an der ETH Zürich (…) an (Akten der Vorinstanz [vi-act.] 0/9). Am 29. November 2013 verlieh ihr die ETH Zürich den Titel einer Doktorin der Wissenschaften (vi-act. 0/30). Sie heiratete am (…) 2011 den 1974 geborenen Schweizer Bürger B. (fortan: Ex-Ehemann oder Ex-Ehegatte); die Eheleute hatten sich 2007 bei einem Konzert kennengelernt. Die Ehe blieb kinderlos. Gemäss ihren Angaben wohnten sie seit 2008 in einem gemeinsamen Haushalt, ab Januar 2014 in einem Eigenheim in C. (vgl. vi-act. 0/2, 0/12 unten, 0/20).
Am 24. Oktober 2015 ersuchte die Beschwerdeführerin das damals zuständige Bundesamt für Migration (BFM, heute Staatssekretariat für Migration SEM; Vorinstanz) um erleichterte Einbürgerung gemäss Art. 27 des damals in Kraft stehenden Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 (aBüG, AS 1952 1087; aufgehoben per 1. Januar 2018, vgl. AS 2016 2561; vi-act. 0/1 ff.). Im Verlauf des Einbürgerungsverfahrens unterzeichneten die Ehegatten am
24. Oktober 2015 eine «Erklärung betreffend die eheliche Gemeinschaft», derzufolge eine eheliche Gemeinschaft im Sinne einer tatsächlichen, stabilen und auf Dauer ausgerichteten Gemeinschaft der an derselben Adresse wohnhaften Ehegatten bestehe; sie nahmen mit ihrer Unterschrift zur Kenntnis, dass falsche Angaben zur Nichtigerklärung der Einbürgerung führen können (vi-act. 0/8 f.).
Mit Verfügung vom 5. April 2016 wurde die Beschwerdeführerin in Anwendung von Art. 27 aBüG erleichtert eingebürgert. Neben dem schweizerischen Bürgerrecht erwarb sie die Bürgerrechte des Kantons D. und der Gemeinde E. . Die Verfügung erwuchs am 7. Mai 2016 in Rechtskraft (vi-act. 0/5 ff.).
Nachdem das SEM im Laufe des Jahres 2017 dessen gewahr wurde, dass die Ehegatten sich getrennt hatten und die Beschwerdeführerin per 1. Ja-
nuar 2017 nach F.
gezogen war (vi-act. 1-8), eröffnete es am
23. Januar 2018 ein Verfahren auf Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung (gemäss Art. 36 des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht vom 20. Juni 2014, Bürgerrechtsgesetz, BüG, SR 141.0; vgl. angefochtener Entscheid, S. 3 Ziff. 1). Es lud die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme ein (vi-act. 9).
Die Beschwerdeführerin liess sich am 4. Februar 2018 vernehmen (vi-act. 10). Der Ex-Ehemann reichte am 28. Februar 2018 eine Stellungnahme zu den Akten (vi-act. 11).
Am 27. April 2018 teilte das regionale Zivilstandsamt G. dem SEM die am 24. Februar 2018 erfolgte, inzwischen rechtskräftig gewordene, Scheidung der Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ex-Gatten mit (vi-act. 14 f.).
Spezifische Nachfragen des SEM zu den Umständen der Trennung vom
19. März 2018 (vi-act. 13) beantwortete die Beschwerdeführerin am
28. April 2018. Am 28. Juni 2018 forderte das SEM den Ex-Ehemann auf, spezifische Fragen zu beantworten (vi-act. 17), was dieser mit Eingabe vom 27. Juli 2028 tat (vi-act. 18). Nachfragen vom 25. September 2018 (viact. 19) beantwortete der Ex-Ehemann wiederum am 27. Oktober 2018 (viact. 20). Ferner holte das SEM am 29. November 2018 eine Auskunft bei der nunmehrigen Wohngemeinde H. ein (vi-act. 22), die es am selben Tag erhielt (vi-act. 23). Am 30. November 2018 unterbreitete das SEM der Beschwerdeführerin die Auskünfte ihres Ex-Gatten im Rahmen des rechtlichen Gehörs zur Stellungnahme (vi-act. 23). Die Beschwerdeführerin teilte mit E-Mail vom 17. Dezember 2018 mit, keine Ergänzungen vorbringen zu wollen, ihr Ex-Gatte habe «ehrlich und ausführlich» geantwortet. Am 17. April 2019 richtete das SEM weitere Nachfragen an die Beschwerdeführerin (vi-act. 25). Am 8. Mai 2019 teilte lic.iur. Jawed Sharif mit, inskünftig die Beschwerdeführerin zu vertreten und ersuchte um Akteneinsicht (vi-act. 26). Nachdem diese erfolgt war (vi-act. 27), nahm er am
27. Mai 2019 namens der Beschwerdeführerin Stellung (vi-act. 28).
Das SEM nahm Einsicht in die Ehescheidungsakten (vi-act. 29 f.).
Mit Verfügung vom 9. August 2019 (eröffnet am 13. August 2019) erklärte das SEM die am 5. April 2016 erfolgte erleichterte Einbürgerung als nichtig, entzog ihr gemäss Art. 36 Abs. 7 BüG die Ausweise, regelte die Kosten und hielt fest, die Nichtigkeit beziehe sich auf alle Familienmitglieder, deren Schweizer Bürgerrecht auf der nichtig erklärten Einbürgerung beruhten.
Mit Eingabe vom 9. September 2019 liess die Beschwerdeführerin, nun vertreten durch Rechtsanwältin Simone Thöni, gegen diese Verfügung Beschwerde erheben. Sie beantragte, es sei die angefochtene Verfügung vollumfänglich aufzuheben und ihr die schweizerische Staatsbürgerschaft zu belassen, eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz liess sich am 1. November 2019 vernehmen; sie beantragte, es sei die Beschwerde abzuweisen und die angefochtene Verfügung zu bestätigen.
Der Ex-Gatte reichte am 31. Oktober 2021 unaufgefordert eine Stellungnahme zu den Akten.
Die Beschwerdeführerin replizierte am 17. Dezember 2019; sie hielt an den Beschwerdeanträgen fest.
In ihrer Duplik vom 10 Januar 2020 bestätigte die Vorinstanz ihrerseits die Anträge auf Beschwerdeebene.
Die Beschwerdeführerin reichte am 21. Januar 2020 eine Triplik zu den Akten.
Eine Sachstandsanfrage vom 4. November 2021 beantwortete der Instruktionsrichter am 21. November 2021.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört als Behörde nach Art. 33 VGG zu den Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist folglich für die Beurteilung der vorliegenden Sache zuständig.
Die Beschwerdeführerin hat als Partei am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen. Sie ist durch die angefochtene Verfügung besonders betroffen und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie ist folglich zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Die Beschwerde wurde fristund formgerecht eingereicht, der Gerichtskostenvorschuss fristgerecht beglichen (Art. 50 Abs. 1 VwVG, Art. 52 Abs. 2 VwVG, Art. 63 Abs. 4 VwVG).
Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und – sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat – die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG).
Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG nicht an die Begründung der Begehren gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides.
Am 20. Juni 2014 verabschiedete die Bundesversammlung das total revidierte Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0). Per 1. Januar 2018 trat dieses in Kraft und hob das Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (aBüG; AS 1952 1087) auf (vgl. Art. 49 BüG i.V.m.
Ziff. I Anhang BüG). Nach Art. 50 BüG wirkt das neue Gesetz – den allgemeinen Grundsätzen folgend (vgl. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2020 Rz. 269) – nicht rückwirkend. So richten sich Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts gemäss dessen Abs. 1 nach dem Recht, das bei Eintritt des massgebenden Tatbestandes in Kraft steht bzw. stand.
Die Vorinstanz schliesst aufgrund der Verfahrenseröffnung am
19. März 2018 (recte: 23. Januar 2018) auf die Anwendbarkeit des neuen Bürgerrechtsgesetzes (angefochtene Verfügung, E. 23 i.V.m. E. 1).
Ob dies zutrifft, kann vorliegend offen bleiben, da sich die gesetzliche Regelung des alten und des neuen Bürgerrechtsgesetzes entsprechen und folglich die Rechtsprechung zum alten Recht in der Anwendung des neuen Rechts weiterhin zu beachten ist (vgl. Urteil des BGer 1C_410/2021 vom
21. Dezember 2021 E. 2 m.w.H.).
Gemäss Art. 21 BüG respektive Art. 27 Abs. 1 aBüG kann eine ausländische Person nach der Eheschliessung mit einem Schweizer Bürger ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen, wenn sie insgesamt fünf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, seit einem Jahr hier wohnt und seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit einem Schweizer Bürger lebt. In allgemeiner, für alle Formen der erleichterten Einbürgerung geltenden Weise setzt Art. 20 Abs. 1 BüG mit Verweis auf Art. 12 Abs. 1 und 2 BüG respektive Art. 26 Abs. 1 aBüG namentlich voraus, dass die ausländische Person in der Schweiz integriert ist, die schweizerische Rechtsordnung beachtet und die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet. Sämtliche Einbürgerungsvoraussetzungen müssen sowohl bei Einreichung des Gesuchs als auch anlässlich der Einbürgerungsverfügung erfüllt sein. Fehlt es im Zeitpunkt des Einbürgerungsentscheids an der ehelichen Gemeinschaft, darf die erleichterte Einbürgerung nicht ausgesprochen werden (BGE 140 II 65 E. 2.1 m.H.).
Der Begriff der ehelichen Gemeinschaft bedeutet nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mehr als das formelle Bestehen einer Ehe. Verlangt wird vielmehr eine tatsächliche Lebensgemeinschaft, die vom beidseitigen Willen der Ehepartner getragen wird, ihre Ehe auch künftig aufrecht zu erhalten. Zweifel am Willen der Ehegatten, die eheliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten, können sich dann ergeben, wenn kurze Zeit
nach der erleichterten Einbürgerung die Trennung erfolgt oder die Scheidung eingeleitet wird (BGE 135 II 161 E. 2 m.H.), ein Ehegatte während der Ehe ein aussereheliches Kind zeugt (vgl. Urteil des BGer 1C_27/2011 vom 21. März 2011 E. 6.4.1) oder eine Zweitehe schliesst, der Prostitution nachgeht oder sich in einer anderen Weise verhält, die in grobem Widerspruch steht zum traditionellen Bild der Ehe als einer ungeteilten, von Treue und Beistand getragenen Geschlechtergemeinschaft zwischen Mann und Frau (vgl. Urteil des BVGer F-2182/2015 vom 18. Oktober 2016 E. 3.2 m.H.).
Nach Art. 36 BüG respektive Art. 41 Abs. 1 aBüG kann die Einbürgerung vom Bundesamt (gemäss altem Recht: mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons) nichtig erklärt werden, wenn sie durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt voraus, dass diese "erschlichen", das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten erwirkt worden ist. Andererseits ist keine Arglist im Sinne des Strafrechts erforderlich. Es genügt, dass die gesuchstellende Person bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es unterlassen zu haben, über eine erhebliche Tatsache zu informieren (vgl. BGE 140 II 65 E. 2.2 m.H.).
Weiss die betroffene Person, dass die Voraussetzungen für die erleichterte Einbürgerung auch im Zeitpunkt der Verfügung vorliegen müssen, so muss sie die Behörde unaufgefordert über eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse orientieren, von der sie weiss oder wissen muss, dass sie einer Einbürgerung entgegensteht. Die Pflicht dazu ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach Art. 5 Abs. 3 BV und aus der verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflicht nach Art. 13 Abs. 1 Bst. a VwVG. Die Behörde ihrerseits darf sich darauf verlassen, dass die vormals erteilten Auskünfte bei passivem Verhalten der gesuchstellenden Person nach wie vor der Wirklichkeit entsprechen (vgl. BGE 140 II 65 E. 2.2 m.H.).
Die Täuschungshandlung der gesuchstellenden Person muss sich auf einen erheblichen Sachverhalt beziehen. Erheblich im Sinne von Art. 36 BüG respektive Art. 41 Abs. 1 aBüG ist ein Sachverhalt nicht nur, wenn seine pflichtgemässe Offenlegung dazu geführt hätte, dass die mit der Einbürgerung befasste Behörde das Vorliegen einer Einbürgerungsvoraussetzung verneint und die Einbürgerung verweigert hätte. Es genügt, wenn der
Sachverhalt, wäre er der Behörde bekannt gewesen, begründete Zweifel am Vorliegen einer solchen Voraussetzung geweckt und die Einbürgerung ernsthaft in Frage gestellt hätte bzw. eine solche nicht ohne weitere Beweismassnahmen hätte verfügt werden können (vgl. Urteil des BVGer F- 2375/2016 vom 29. März 2018 E. 5.3 m.H.).
Die Möglichkeit der Nichtigerklärung geht durch Zeitablauf unter. Art. 41 Abs. 1bis aBüG statuierte hierfür seit dem 1. März 2011 eine differenzierte Fristenregelung, die vom neuen Recht unverändert übernommen wurde (vgl. Art. 36 Abs. 2 BüG). Demnach kann die Einbürgerung innert zwei Jahren, nachdem das SEM vom rechtserheblichen Sachverhalt Kenntnis erhalten hat, spätestens aber innert acht Jahren nach dem Erwerb des Schweizer Bürgerrechts, nichtig erklärt werden. Nach jeder Untersuchungshandlung, die der eingebürgerten Person mitgeteilt wird, beginnt eine neue zweijährige Verjährungsfrist zu laufen. Während eines Beschwerdeverfahrens stehen die Fristen still (vgl. dazu Urteil des BVGer F-2182/2015 vom 18. Oktober 2016 E. 5).
Die natürliche Vermutung gehört zur freien Beweiswürdigung (Art. 19 VwVG i.V.m. Art. 40 BZP [SR 273]). Sie stellt eine Beweiserleichterung dar, indem eine bereits vorhandene, aber nicht mit letzter Schlüssigkeit mögliche Beweisführung unterstützt wird. Eine Umkehr der Beweislast hat sie nicht zur Folge. Wenn daher bestimmte Tatsachen - bspw. die Chronologie der Ereignisse - die natürliche Vermutung begründen, dass die erleichterte Einbürgerung erschlichen wurde, muss die betroffene Person nicht den Beweis für das Gegenteil erbringen. Sie bringt die natürliche Vermutung bereits mit dem Gegenbeweis zu Fall (HANS PETER WALTER, Berner Kommentar, 2012, N. 476 zu Art. 8 ZGB). Hierfür genügt es, dass die betroffene Person einen Grund anführt, der es dem Gericht plausibel erscheinen lässt, dass sie die Behörde nicht getäuscht hat. Bei diesem Grund kann es sich um ein ausserordentliches, nach der erleichterten Einbürgerung eingetretenes Ereignis handeln, das zum raschen Scheitern einer vormals intakten Ehe führte, oder die betroffene Person kann plausibel darlegen, dass sie die Ernsthaftigkeit ehelicher Probleme nicht erkannte und den wirklichen Willen hatte, mit dem Schweizer Ehepartner auch weiterhin in einer stabilen ehelichen Gemeinschaft zu leben (vgl. BGE 135 II 161 E. 3 m.H.; statt Vieler: Urteil des BVGer F-2236/2020 vom 18. Februar 2021 E. 9.2).
Bezogen auf den Bestand einer intakten ehelichen Ehegemeinschaft lautet der auf dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse basierende Erfahrungssatz, welcher der natürlichen Vermutung zugrunde liegt, folgendermassen: Ausserordentliche Umstände vorbehalten, führen Probleme zwischen Ehegatten nicht innerhalb weniger Monate zum definitiven Scheitern einer zuvor intakten Ehe. Bis der Punkt erreicht ist, an dem die Ehe augenfällig als gescheitert betrachtet werden muss, bedarf es gewisser Zeit. Die natürliche Vermutung ist demnach umso überzeugender, je kürzer die Zeitspanne zwischen dem Einbürgerungszeitpunkt und der Trennung der Ehegatten beziehungsweise der Einleitung der Scheidung ausfällt. Die aktuelle Rechtsprechung geht von einer hinreichend raschen chronologischen Verkettung der Ereignisse aus, wenn zwischen dem Einbürgerungszeitpunkt und der Trennung der Ehegatten beziehungsweise der Einleitung der Scheidung bis zu 20 Monate vergehen, wobei der Schwerpunkt bei einigen wenigen Monaten liegt. Als nicht mehr ausreichend werden von der Rechtsprechung 23 bzw. 24 Monate betrachtet (vgl. Urteil des BGer 2C_220/2019 vom
30. Oktober 2019 E. 4.2; ferner Urteile des BVGer F-789/2019 vom 19. Februar 2021 E. 5.2, F-2236/2020 vom 18. Februar 2021 E. 9.1; je m.H.).
Vorliegend sind die Fristen von Art. 36 Abs. 2 respektive Art. 41 Abs. 1bis aBüG - sowohl die zweijährige relative als auch die achtjährige absolute Verjährungsfrist - eingehalten. Auch die von Art. 41 Abs. 1 aBüG verlangte Zustimmung des zuständigen Heimatkantons liegt vor. Die formellen Voraussetzungen für die Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung sind somit erfüllt.
7.1 Den Akten ist zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin und ihr Ex-Ehegatte am (…) 2011 – nach gut vierjähriger Bekanntund Partnerschaft – verheirateten. Mit am 7. Mai 2016 rechtskräftig gewordener Verfügung vom 5. April 2016 wurde sie erleichtert eingebürgert. Am (…) 2016 stellten die Ehegatten dem Gerichtspräsidium I. ein gemeinsames Scheidungsbegehren. Die Gerichtspräsidentin schied die Ehe, gestützt auf die Vereinbarung vom (…) 2016 und die im Laufe des Verfahrens geschlossene Zusatzvereinbarung vom (…) 2018, mit Entscheid vom (…) 2018. Zwischen der Erklärung betreffend das Bestehen einer stabilen ehelichen Gemeinschaft vom 24. Oktober 2015 und dem gemeinsamen Scheidungsbegehren verstrich wenig mehr als ein Jahr. Dieser zeitliche Abstand ist nach Massgabe der vorstehend skizzierten Rechtsprechung geeignet, die natürliche Vermutung zu begründen, dass die Ehe der Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt der erleichterten Einbürgerung nicht mehr intakt war und die Behörde über diesen Umstand getäuscht wurde (vgl. vorstehend,
E. 5.2). Die Beschwerdeführerin bestreitet diese Annahme. Es ist somit zu prüfen, ob es ihr gelingt, die natürliche Vermutung durch Gegenbeweis zu erschüttern (vorne, E. 5.1).
Im vorinstanzlichen Verfahren gaben die Beschwerdeführerin und ihr Ex-Ehemann zusammengefasst übereinstimmend an, die bis dahin harmonisch und glücklich verlaufene Ehe sei an unterschiedlichen Auffassungen zur Kinderfrage gescheitert. Das Thema sei im Sommer 2016, nach gemeinsamen Ferien in J. (im Juni 2016, vgl. vi-act. 18 mit Beilagen), erstmals von Grund auf angesprochen worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Beschwerdeführerin den unbedingten Wunsch hege, eine Familie mit Kindern zu haben. Demgegenüber sei der Ex-Ehemann mit dem Gedanken nicht klargekommen, dass die für ihn im Zentrum stehende Paarbeziehung für längere Zeit – 20 Jahre – zugunsten der Interessen der Kinder in den Hintergrund hätte rücken sollen. Davor hätten sie das Thema nicht vertieft angesprochen; sie seien vollzeitlich in recht anspruchsvollen
und fordernden Positionen tätig gewesen, so dass sich das Thema in der Hektik des Alltages nicht im Zentrum befunden habe. Es sei davor also eher beiläufig angeschnitten worden. Der Ex-Ehemann gab an, dem Thema eher ausgewichen zu sein. Die Beschwerdeführerin ihrerseits habe sich aufgrund der vermeintlich entspannten Reaktion des Ex-Ehegatten auf einen zuerst positiven Schwangerschaftstest ca. 2010-2012 und seiner Mithilfe beim Aufbau eines Webshops (den sie sich langfristig als Erwerb neben der Familienarbeit vorgestellt habe) in der falschen Sicherheit gewogen, er teile ihr Ziel. Bei der vermeintlichen Schwangerschaft habe ihr schon geschienen, das Thema käme für ihren Mann etwas früh und er sei innerlich noch nicht soweit, sie habe aber darauf gebaut, dass er sich entwickeln werde. Der Ex-Ehemann seinerseits sei dem Thema bei früheren Gelegenheiten eher ausgewichen respektive habe es verdrängt. Dabei sei für ihn klar gewesen, dass dieser Wunsch bei seiner Ex-Gattin bestehen könnte, insbesondere angesichts der Geschwister, die ihrerseits Familien gegründet hätten. Der Kauf des Einfamilienhauses in eher ländlicher Umgebung sei der gemeinsame Wunsch gewesen, unter dem Strich sei die Initiative eher von ihr ausgegangen – die Umgebung wäre für eine Familie mit Kindern sehr geeignet gewesen. Man sei nicht auf einen gemeinsamen Nenner in dieser nun – auch aufgrund ihres Lebensalters – zentralen Frage gekommen. Nach mehreren Monaten (es ist von einem eigentlichen «Prozess» die Rede) sei man sich klar geworden, dass es keine gangbare Lösung gebe, weshalb man sich im Herbst 2016 entschieden habe, getrennte Wege zu gehen.
Die Vorinstanz geht im angefochtenen Entscheid aufgrund der Schilderungen der Ex-Ehegatten davon aus, die Ehegemeinschaft sei schon bei der erleichterten Einbürgerung «im bürgerrechtlichen Sinne instabil gewesen» und es hätten erhebliche Zweifel an deren Zukunftsgerichtetheit bestanden. Die Beschwerdeführerin hätte sich nach der mehrjährigen Ehe vor der Einbürgerung der «eingetretenen Entwicklung der Ehe» bewusst sein müssen. Die unterschiedlichen Vorstellungen und Erwartungen betreffend die Familienplanung seien schon früher bekannt gewesen. Es erstaune, dass die Gatten sich in der langjährigen Beziehung nicht vertieft über die Familienplanung unterhalten haben sollten – dies angesichts des Umstandes, dass dieser Punkt für die Beschwerdeführerin zentral gewesen sein solle, angesichts der vermeintlichen Schwangerschaft und auch angesichts dessen, dass beim Kauf des Einfamilienhauses im Jahr 2013 die kinderfreundliche Umgebung ausschlaggebend gewesen sei. Auch der Ex-Gatte gab an, es sei ihm bewusst gewesen, dass sich seine Ex-Gattin
ein Familienleben mit Kindern durchaus vorstellen könne, dass ihm verständlich erscheine, wenn sie davon ausgegangen sei, wie ihre Geschwister eine Familie zu haben. Hinzu komme der gemeinsam aufgebaute Webshop, auf dem «nicht zuletzt auch Taufartikel» angeboten worden seien und der im Hinblick auf eine selbständige Erwerbstätigkeit neben der Familienarbeit eröffnet worden sei. Gerade auch, nachdem die Ex-Gatten angegeben hätten, in der Freizeit sehr aktiv und oft in der Natur unterwegs gewesen zu sein, überzeuge nicht, dass sich in der Hektik des Alltags keine passende Gelegenheit gefunden habe, das Thema in Ruhe anzusprechen. Aus den Stellungnahmen der Ex-Gatten gehe hervor, dass die Familienplanung sehr wohl – wenn auch nicht vertieft – angesprochen worden sei; die Beschwerdeführerin habe darauf gehofft, dass ihr Ex-Ehemann seinen nicht vorhandenen Kinderwunsch ändern würde. Der Kinderwunsch der Beschwerdeführerin sei ihrem damaligen Gatten so bekannt gewesen wie ihr infolge dessen Ausweichens seine ablehnende Haltung. Ein konkretes Bemühen, die Ehe – etwa durch Besuchen einer Ehetherapie – zu retten sei kaum erkennbar. Trotz der langjährigen und angeblich glücklichen Beziehung hätten sie sich wenige Wochen nach Feststellen der unterschiedlichen Vorstellungen zur Familienplanung getrennt und rasch die Scheidung beschlossen. Das Vorgehen spreche nicht für eine stabile und zukunftsgerichtete Ehe respektive für ein «ehestabilisierendes Verhalten im bürgerrechtlichen Sinne». Könnten die Ex-Ehegatten schon während der Ehe nicht offen miteinander kommunizieren, so sei dies ein deutliches Zeichen für fehlendes Vertrauen unter ihnen und Instabilität der Ehe, auch wenn sie selbst dies womöglich noch nicht wahrnähmen. Die geschilderte zeitliche Abfolge, also das Einsetzen der Probleme im Sommer 2016, sei insgesamt wenig glaubwürdig; die Uneinigkeit der Gatten über ein derart wesentliches Element sei für die Beurteilung der Stabilität der Ehe bedeutsam. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung sei nicht glaubhaft, dass sich eine derartige Frage erst nach mehreren Ehejahren stelle. Das Erlöschen des Ehewillens sei Ergebnis und Abschluss eines Zerrüttungsprozesses, der nicht erst im Sommer 2016 begonnen habe. Die Einheit des Bürgerrechts solle die gemeinsame Zukunft der Ehegatten auch nach der Einbürgerung fördern, was hier nicht der Absicht der Gatten entsprochen habe. Ausgehend vom «traditionellen und vom Gesetzgeber vertretenen Bild einer Ehe als ungeteilte von Treue und Beistand getragene Geschlechtergemeinschaft zwischen Mann und Frau» stelle sich die Frage, warum die Familienplanung trotz der seit 2007 bestehenden Beziehung erst 2016 ernsthaft diskutiert worden sein solle und die Trennung die «natürlichste Folge» der Divergenzen gewesen sein solle. Diese Probleme seien tatsächlich vor dem Sommer 2016 bewusst gewesen und hätten die Ehe über
Jahre belastet. Folglich habe die Beschwerdeführerin die Einbürgerung durch falsche Angaben und Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen.
Auf Beschwerdeebene macht die Beschwerdeführerin in ihren Rechtsschriften zusammengefasst was folgt geltend:
Zur Annahme der Vorinstanz, die divergierenden Ansichten betreffend die Familienplanung seien vor der Einbürgerung bekannt gewesen, erwidert sie, es sei mit den Erklärungen im Verfahren nachvollziehbar dargetan, weshalb die Familienplanung erst spät zum Thema geworden sei. Der Kinderwunsch sei lange Zeit zwar vorhanden, aber nicht gefestigt gewesen und habe nicht in die Lebensplanung gepasst. Bei der Heirat sei sie 27 Jahre alt und frisch doktoriert gewesen. Vorerst habe die Karriereund nicht die Familienplanung im Vordergrund gestanden. Die Ex-Ehegatten seien beruflich stark (faktisch je zu über 100%) eingebunden gewesen. Sie habe sich während des Doktorats respektive daran anschliessend umorientiert in Richtung IT-Bereich und deshalb erhebliche Zeit in entsprechende Ausbildungen investiert; erst Ende 2015 habe sie sich genügend etabliert gefühlt, «um neben den gelernten ‘IT-lern’ bestehen zu können». Daneben hätten sie den Webshop aufgebaut – auch sie selbst habe sich in dieser Phase eine Mutterschaft nicht vorstellen können. Während der Ferien in J. habe sie sich erholen und in sich gehen können. Zumal der Webshop gut angelaufen sei und sie mittlerweile fast 32 Jahre alt, sei das Thema in den Vordergrund gerückt. Nach einigem Überlegen sei für sie klar gewesen, dass der Zeitpunkt für Kinder gekommen sei. Der ExEhemann habe sich damit aber nicht anfreunden können. Da der Kinderwunsch früher nicht gefestigt gewesen sei, hätte ein früher entdeckter Dissens auch nicht schon zur Zerrüttung der Ehe geführt und hätte sie auf eine Änderung seiner Auffassung mit fortschreitender Reifung der Beziehung vertraut. Die Vorinstanz habe nicht abgeklärt, ob beim Ex-Ehemann vor dem Sommer 2016 ein eventueller Kinderwunsch bestanden habe; seine Aussage, er habe eine «fixe Vorstellung», keine Kinder zu wollen, stamme von 2018, da seine Meinung gefestigt sei. Die Vorinstanz mutmasse «ins Blaue hinaus», dass der Ex-Ehemann seit Beginn der Ehe keine Kinder wollte. Sein Verhalten – die Unterstützung beim Aufbau des Webshops und der Hauskauf – lasse den Schluss zu, dass er die Kinderfrage zuerst offen lassen wollte und sich erst, als ihn seine Ex-Ehefrau «in die Ecke drängte», damit effektiv auseinandergesetzt habe. Sei aber für ihn schon unklar gewesen, ob er Kinder wolle, könne die Beschwerdeführerin auch nicht gewusst haben, dass er keine wolle. Erstmals aufgetaucht sei die Kinderfrage
bei der vermeintlichen Schwangerschaft ca. 2010-2012. Die überraschend gelassene Reaktion des Ex-Ehemannes habe die Beschwerdeführerin in der Vermutung bestärkt, dass er Kindern gegenüber aufgeschlossen, der Moment aber für ihn noch zu früh sei. Für sie auch, sie seien beide über den negativen zweiten Schwangerschaftstest erleichtert gewesen. Gleichermassen habe der Ehemann Entscheide mitgetragen, die sie im Hinblick auf die fernere Familienplanung getroffen habe, so den Aufbau des Webshops und die Spezifikationen beim Hauskauf. Motiv für letzteres seien der Wunsch, im Grünen zu wohnen und die tiefen Zinsen gewesen, indes habe sie die künftige Eignung des Hauses und der Umgebung für eine Familie mit Kindern im Auge gehabt. Dies alles habe sie glauben lassen, er trage einen künftigen Kinderwunsch mit.
Zum Vorhalt, man habe die Ehe nicht zu retten versucht, wendet die Beschwerdeführerin ein, dass sich das unterstellte Scheitern im Einbürgerungszeitpunkt eben noch gar nicht realisiert habe. Die Probleme hätten erst im Sommer 2016 nach dem ernsthaften Gespräch zur Kinderfrage begonnen. Es habe sich ein mehrmonatiger Prozess angeschlossen, dabei seien auch Gespräche mit Dritten (Freunden und Angehörigen) geführt worden. Schliesslich habe keiner der Gatten über seinen Schatten springen können. Im Zeitpunkt der Einbürgerung habe es sich um eine intakte und zukunftsgerichtete Ehe gehandelt. Zudem hätte sich die Beschwerdeführerin auch ordentlich einbürgern lassen können – es mangle mithin an einem Motiv für das Erschleichen.
Für den Entzug der Staatsbürgerschaft müsste die Beschwerdeführerin im Einbürgerungszeitpunkt mit einem Scheitern der Ehe gerechnet und die Behörden diesbezüglich angelogen habe. Das fehlende Bewusstsein von Eheproblemen reiche nicht aus. Das sei nicht der Fall und könne auch nicht aufgrund der Umstände geschlossen werden. Sähe man das Scheitern der Ehe kommen, würde man keine gemeinsamen Pläne – kostspielige Reisen in den Jahren 2015 und 2016, den gemeinsamen Webshop – verwirklichen. Die Vorinstanz bediene sich lebensfremder Mutmassungen und würdige den Sachverhalt willkürlich.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Einvernahme ihrer selbst als Partei und ihres Ex-Ehemannes als Zeugen.
Die Vorinstanz bringt auf Beschwerdeebene vor – zusammengefasst und, soweit es über die Begründung des Entscheides hinausgeht:
Es sei nicht glaubhaft, dass sich die Beschwerdeführerin während des Aufbaus des Webshops eine Mutterschaft nicht habe vorstellen können – gemäss Schlussstellungnahme habe sie sich über die vermeintliche Schwangerschaft gefreut. Die Rechtsprechung respektiere, dass Betroffene in der Ausbildung oder kurz danach vorerst im Beruf arbeiten und sich keine Gedanken zur Familienplanung machen wollten. Im Zeitpunkt der Gesuchstellung im Oktober 2015 seien die Ex-Ehegatten nicht mehr am Beginn ihrer beruflichen Karriere gestanden und der 2012 eröffnete Webshop («u.a. für Taufgeschenke») sei gut angelaufen gewesen. Insbesondere sei die Beschwerdeführerin damals nicht in einer Ausbildung oder am Beginn ihrer Berufskarriere gewesen, sondern habe mehrjährige Berufserfahrung aufgewiesen und habe nebenberuflich Weiterbildungen absolviert. Unglaubwürdig sei auch die Darstellung, dass die Beschwerdeführerin erst in den Ferien im Sommer 2016 habe in sich gehen und die weitere Entwicklung reflektieren können, habe das Paar doch davor und während des Einbürgerungsverfahrens gemeinsame Ausflüge, Wanderungen, Sport und Ferien unternommen. Dass zuerst die Karriereplanung im Vordergrund gestanden und es dann – mit 32 Jahren mit der «biologischen Uhr» konfrontiert – plötzlich geeilt haben soll, stehe im Widerspruch zur Darstellung, dass das Thema Kinder « wieder » in den Fokus gerückt sei und sie den ExEhemann mit dem « nun gefestigten» Wunsch konfrontiert habe. Die vermeintliche Schwangerschaft ca. 2010-2012 habe gerade gezeigt, dass die Kinderfrage bereits früher ein Thema gewesen sei. Die angebliche Überraschung über die Ablehnung seitens des Ex-Ehegatten sei unglaubwürdig. Sie hätten ein erfolgreiches Leben geführt, alles sei bereit für die Familiengründung gewesen – es gebe demnach keine Gründe, weshalb die unüberbrückbaren Differenzen erst im Sommer 2016 hätten erkennbar sein sollen. Die fixe Vorstellung des Ex-Ehemannes sei bereits im Zeitpunkt der Einbürgerung bekannt gewesen. Nicht plausibel sei angesichts des Aufbaus des Webshops und des Kaufs eines Einfamilienhauses, dass die Familienplanung nicht in die Lebensplanung des Paares gepasst habe. Auch die Darstellung des noch nicht gefestigten Kinderwunsches überzeuge nicht, handle es sich hierbei doch um einen Prozess, der längere Zeit in Anspruch nehme und es bestehe eine Grundhaltung, die nicht Jahre später erstmals besprochen werde, besonders, wenn ein Eigenheim erworben und ein häuslicher Nebenerwerb aufgebaut werde – die Kinderfrage sei besprochen und bei Gesuchstellung seien die Haltungen bekannt gewesen. Es sei weder glaubwürdig noch nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin sich darin bestärkt gesehen haben wolle, dass der Ex-Ehemann auch einmal Kinder wolle und sie gar ihre Entscheidungen hierauf abgestützt habe, obwohl sie angeblich den Kinderwunsch noch nicht festgelegt
habe. Die Enttäuschung der Beschwerdeführerin darüber, dass der ExEhegatte seine Ängste und Bedenken nicht zu überwinden vermochte, zeigten klar, dass die ablehnende Haltung davor bekannt gewesen sei. Man habe die Konsequenz aus der bestehenden Divergenz – die Trennung
– gezielt auf die Zeit nach der Einbürgerung verschoben, um diese zu sichern. Anders sei die Trennung so kurz nach der Einbürgerung nicht zu erklären. Gemeinsame Ferien würden dem nicht widersprechen, sondern könnten auch Ausfluss von Bemühungen sein, eine belastete Beziehung wieder zu festigen. Vorliegend könnten diese durchaus auch auf freundschaftlicher Basis erfolgt sein, verstünden und respektierten sich die Gatten doch offenkundig nach wie vor gut.
Unter Verweis auf die vorzitierte Praxis (BGE 135 II 161, vorne, E. 5.2) hält die Vorinstanz fest, die Ex-Gatten hätten eine gute, langjährige gemeinsame Basis gehabt, Interessen geteilt, seien im gleichen beruflichen Umfeld tätig gewesen, hätten eine harmonische Beziehung geführt, einen Webshop aufgezogen und ein Eigenheim erworben. Es sei davon auszugehen, dass die Kommunikation funktionierte und die Familienplanung
«zumindest angesprochen» worden sei. Im Zeitpunkt der Gesuchstellung und der Einbürgerung sei die Divergenz bekannt gewesen, es handle sich nicht um ein ausserordentliches Ereignis im Sinne der Rechtsprechung. Die Beschwerdeführerin sei einer Konfrontation bewusst aus dem Weg gegangen, weil ihr die fixe Vorstellung des Ex-Gatten von einer kinderlosen Zukunft bewusst gewesen sei, sie aber die Einbürgerung nicht durch eine Trennung habe gefährden wollen. Sie könne also auch nicht anführen, die Schwere der ehelichen Probleme wären ihr nicht bekannt gewesen. Die Ehe sei nicht stabil und zukunftsgerichtet gewesen, die Diskussion im Sommer 2016 als nachheriges Ereignis habe die Zerrüttung abgeschlossen, nicht ausgelöst.
Der Ex-Ehemann schliesslich teilte dem Gericht am 31. Oktober 2019 mit, es hätten bei Unterzeichnung der Erklärung zuhanden des SEM «keinerlei Trennungsabsichten» und auch kein ehelicher Konflikt bestanden. Das Thema der Familienplanung sei vor der Einbürgerung infolge beruflicher Einbindung «nicht eingehend» besprochen worden. Seine Ex-Frau habe nach den Ferien im Sommer 2016 das Gespräch gesucht, mitgeteilt, das Thema werde jetzt für sie konkret und sie wolle wissen, wo er stehe.
«Erst, als sie [ihm] das Messer auf die Brust setzte» habe er «Pros und Cons» erstmals abgewogen, davor sei er unschlüssig gewesen und habe das Thema gemieden. Im Übrigen ist der Ex-Ehegatte der Auffassung, die Vorinstanz gehe über die Persönlichkeit seiner Ex-Ehefrau hinweg und er
bemängelt, dass diese auf das Angebot, die Hintergründe im Gespräch darzulegen, nicht eingegangen sei. Zudem habe sie angesichts ihrer Qualifikationen und der Möglichkeit der ordentlichen Einbürgerung kein Motiv, sich die Staatsbürgerschaft zum persönlichen Vorteil zu erschleichen.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt nach Durchsicht der Akten und Würdigung der Einlassungen der Beschwerdeführerin, ihres Ex-Ehemannes und der Vorinstanz zum Schluss, dass Letztere den Sachverhalt unrichtig gewürdigt und folglich die erleichterte Einbürgerung der Beschwerdeführerin zu Unrecht für nichtig erklärt hat. Im Einzelnen:
Die Vorinstanz geht verschiedentlich von einer bindend normativen Wirkung von Quellen aus, die nicht geteilt werden kann.
Art. 21 BüG respektive Art. 27 aBüG setzt eine eheliche Gemeinschaft voraus, die über den formellen Bestand hinausgeht. Gefordert ist eine tatsächliche Lebensgemeinschaft, in der der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft intakt ist (BGE 135 II 163 E. 2 m.w.H.). Es trifft zu, dass das Bundesverwaltungsgericht verschiedentlich Verhaltensweisen, die «in grobem Widerspruch […] zum traditionellen Bild der Ehe als einer ungeteilten, von Treue und Beistand getragenen Geschlechtergemeinschaft zwischen Mann und Frau» stehen, als Gründe für Zweifel am Ehewillen annahm (Nachweise vorne, E. 3.2 a.E.). Dabei ging es aber wie gesagt jeweils um Verhaltensweisen, die diesem traditionellen Bild klar zuwiderliefen (siehe die a.a.O. zitierten Fallkonstellationen). Mit Blick auf die gesellschaftliche Realität und die Zivilgesetzgebung ist indessen Zurückhaltung zu üben, aus einem wenig greifbaren Ehebild normative Erwartungen an den rechtsunterworfenen Bürger ableiten zu wollen. Der Zivilgesetzgeber mag bei Erlass des Zivilgesetzbuches noch ein konkretes Familienmodell vor Augen gehabt haben. Das Vorhaben, den Ehegatten ein traditionelles Ehebild verbindlich vorzuschreiben, wurde mit Inkrafttreten des neuen Eherechts (AS 1986 122) zu Recht aufgegeben; seitherige Revisionen – namentlich die Revision des Scheidungsrechts (AS 1999 1118), des Namensund Bürgerrechts (AS 2012 2569) und die Ehe für Alle (AS 2021 747) – bilden (auch) den gesetzgeberischen Nachvollzug der gesellschaftlichen Liberalisierung ab. Programmatische Generalklauseln wie Art. 159 Abs. 3 ZGB («Sie [scil. die Ehegatten] schulden einander Treue und Beistand») verstehen sich denn auch nach modernem Verständnis so, dass es den Ehepartnern aufgetragen ist, der von ihnen gelebten Ehe ei-
nen bestimmten Sinn und Inhalt zu geben und tradierte Vorstellungen werden – mutatis mutandis – nurmehr als subsidiär verstanden (SCHWANDER, Basler Kommentar ZGB I, 6. Aufl. 2018, N 5-5e zu Art. 159 ZGB). Das gilt namentlich für die Familienplanung (a.a.O. N 5d f.). Es ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar, weshalb aus einbürgerungsrechtlicher Sicht gestützt auf ein – wie auch immer zu definierendes – traditionelles Ehebild Erwartungen zu formulieren sein sollen, binnen welcher Zeiträume die Familienplanung zu thematisieren sei – respektive warum nicht glaubwürdig sein soll, dass sie es im konkreten Einzelfall nicht wurde (so aber wohl angefochtener Entscheid, Ziff. 18).
Bei der vorliegend zu beurteilenden Grundhypothese (E. 7.1) handelt es sich um eine tatsächliche Vermutung (E. 5.2). Bei tatsächlichen (oder natürlichen) Vermutungen handelt es sich um Erfahrungsvermutungen, um Wahrscheinlichkeitsfolgerungen, die das Gericht auf Grund der individuellen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles glaubt ziehen zu können. Es ist das Abwägen, ob eine Sachbehauptung durch bewiesene umliegende Sachumstände so wahrscheinlich gemacht ist, dass sie sich zur richterlichen Überzeugung verdichtet (KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts,
2. Aufl. 1974, S. 123; derselbe, Berner Kommentar, 1966, Einleitungsband, N 362 ff. zu Art. 8 ZGB, zusammenfassend BGE 119 II 1 E. 3.b). Als Vermutung versteht sich auch die Aussage des Gerichts in seinem Urteil C- 1440/2013 vom 1. Oktober 2015, in welcher es als «verständlich» erklärte, dass «Ehegatten, die noch in Ausbildung sind bzw. ihre Ausbildung noch nicht lange abgeschlossen haben, erst einmal eine gewisse Zeit auf ihrem neu erlernten Beruf arbeiten wollen, bevor sie sich über Kinder Gedanken machen» (E. 9.2). Es handelt sich (auch) hier um eine tatsächliche Vermutung im Einzelfall, nicht um eine mit normativer Wirkung (zur Unterscheidung eingehend JUNGO, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2018, NN 278 ff., insb. 280, 282). Diese mag im Kern verallgemeinerungsfähig sein, entbindet aber nicht von der Würdigung des Einzelfalles. Jedenfalls aber lässt sich aus dieser Passage nicht – wie seitens der Vorinstanz auf Beschwerdeebene insinuiert – der Umkehrschluss ziehen, es sei davon auszugehen, die Kinderfrage stelle sich unweigerlich innert bestimmter Frist nach Abschluss einer (ersten) vollständigen Ausbildung.
Der Ex-Ehemann studierte demzufolge von 1994 bis 2001 Physik in (…), absolvierte von 2003 bis 2005 eine Ausbildung zum Linienpiloten und 2013 eine Ausbildung als Financial Risk Manager. Er war kurzzeitig als Physiklehrer (…), von 2006 bis 2009 als Linienpilot und im Übrigen als Unternehmensund IT-Berater (inkl. Projektleitung und Entwicklung) tätig. Die Beschwerdeführerin schloss 2006 ein Studium in Chemie in Kasachstan ab und erlangte 2013 (mit 29 Jahren) an der ETH Zürich einen Doktortitel in Chemie. Während des Doktorates lernte sie den Ex-Ehemann kennen; bei der Verheiratung 2011 war sie 27 Jahre alt. Ab Mai 2011 war sie – teilweise neben dem Doktorat – ununterbrochen berufstätig, indes nicht im Bereich der Chemie, sondern (zusammengefasst) im Bereich der Software-Entwicklung. Von 2011 bis 2014 sind Weiterbildungen im Bereich Strategie und Führung, Rechnungswesen und Software-Entwicklung ausgewiesen. Ab Oktober 2011 baute sie einen Online-Shop «für Hochzeitsdekoration, Gastgeschenke, Polterabend & Taufe» (Lebenslauf vi-act. 10, Beilage) auf, der im November 2017 an einen Dritten übertragen wurde (viact. 20).
Fragen der Familienplanung stellen sich im akademischen Umfeld wegen des späteren Ausbildungsabschlusses tendenziell später. Das gilt auch für die hier konkret zu beurteilenden Verhältnisse: Zwischen dem Abschluss des Doktorates der Beschwerdeführerin 2013 und der bekannten J. -Reise 2016 vergingen drei Jahre. Seit 2011 ist die Beschwerdeführerin in einem Sektor tätig, der mit dem ursprünglichen Studiengang nichts zu tun hat; zwischen dem Abschluss der diesbezüglich letzten (berufsbegleitenden) Ausbildung und besagter Reise vergingen nicht ganz zwei Jahre. Im Dezember 2015 war letztmals vor dem Bruch eine neue Anstellung angetreten worden. Im Sommer 2016 war die Beschwerdeführerin 32 Jahre alt.
In den Jahren der Bekanntschaft der Ex-Ehegatten und seit Abschluss des Doktorates respektive der Arbeitsaufnahme im fachfremden Bereich ist Vieles in (berufs-)biographischer Hinsicht geschehen – und zwar in zentralen Punkten. Insbesondere ist der radikale Berufswechsel hervorzustreichen. Diesen zu bewerten ist nicht Sache der rechtsanwendenden Behörden im Verfahren um Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung. Die Vorinstanz greift zu kurz, wenn sie in ihrer Beurteilung ein bestehendes Ausbildungsverhältnis verneint, die Dauer der Berufstätigkeit hervorstreicht und die Ausbildungen im Zusammenhang mit dem neuen Berufsfeld als untergeordnete berufsbegleitende Weiterbildungen ansieht.
Es ist bei der dargestellten Biographie alles andere als abwegig, wenn sich die Beschwerdeführerin erst nach Einarbeitung in der ersten Stelle nach Abschluss der Informatik-Ausbildungen als einigermassen etabliert anschaute. Die im Laufe des Verfahrens vielfach zitierte Frage nach dem biologischen Alter für die Mutterschaft stellten sich Akademikerinnen häufig jenseits des 30. Altersjahres – die Frage ist im Allgemeinen mit 32 Jahren keineswegs schon dermassen akut, das sie sich angesichts der hier vorliegenden Verhältnisse nicht in glaubwürdiger Weise dann erst stellen könnte. Gemeinsame Freizeitaktivitäten und die damit verbundene Gelegenheit, Gespräche zu führen, ändern daran nichts Grundsätzliches.
Es bleiben die Aussagen der Beschwerdeführerin und ihres Ex-Ehemannes zu würdigen. Diese liegen in schriftlicher Form vor, was die bundesgerichtliche Rechtsprechung im Verfahren vorliegender Natur als Verwaltungsverfahren als gegenüber der mündlichen und formellen Parteioder Zeugenbefragung vorrangig ansieht (BGE 130 II 169 E. 2.3.3 f.). Im Bestreben, ein authentisches Bild zu gewinnen, ist vorab von den mehreren, durch die Parteien eigenhändig, teils anhand sehr detaillierter Fragekatalogen, erstellten Stellungnahmen auszugehen; die durch den ersten Rechtsvertreter mediatisierten Darlegungen in der Schlussstellungnahme sind als Würdigung aus juristischer Sicht nicht geeignet, in sachverhaltlicher Sicht auf die Goldwaage gelegt zu werden.
Aus der ersten – und wohl authentischsten – Darlegung des Ex-Ehemannes vom 28. Februar 2018 (vi-act. 11) ergibt, sich, dass die Frage vor dem Sommer 2016 nie richtig ausdiskutiert worden sei; er sei angesichts der Vorstellung, das Paarleben bis zu seiner Pensionierung gegenüber den Interessen der Kinder hintanstellen zu müssen, in Panik geraten, er sei unfähig gewesen, seine «Ängste und Bedenken» zu überwinden. Der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 28. April 2018 (vi-act. 16) ist das Bild eines Mannes zu entnehmen, der dieser Frage auswich, sich zurückzog, sich aber angesichts einer vermeintlichen Schwangerschaft recht gelassen zeigte. Sie habe mit der sich schliesslich zeigenden Totalverweigerung nicht gerechnet, sie habe sich in ihm «extrem getäuscht». Sie habe bei der Heirat und auch im Eheverlauf «nie angezweifelt», dass er ihren Wunsch nach Familiengründung teile. Den Stellungnahmen des Ex-Ehemannes vom 27. Juli 2019 (vi-act. 18) und 27. Oktober 2018 (vi-act. 20) ist
sodann zu entnehmen, dass er beim Eheschluss die gemeinsame Zeit als Paar im Vordergrund sah, und der Diskussion der Familienplanung gerne ausgewichen sei, bis die Beschwerdeführerin im Sommer 2016 Klarheit wollte. Davor habe keiner wirklich das Thema angesprochen, man habe sich «erst im Laufe des Sommers 2016 zum ersten Mal ernsthaft beschäftigt und [die] Ansichten und Erwartungen diesbezüglich intensiv zusammen diskutiert», man habe früher wohl «dem Thema ‘Kinder’ viel zu wenig Platz eingeräumt» (vi-act. 18 Fragen 7, 9), er habe das Thema «wohl auch immer etwas verdrängt und [sei] der Diskussion ausgewichen» (vi-act. 20 Frage 3). Den früher spürbaren Kinderwunsch seiner Ex-Ehefrau konnte er zeitlich nicht lokalisieren, aufs Zusammenleben habe er sich nicht ausgewirkt (vi-act. 20 Frage 8).
Es lässt sich den Aussagen beider Ex-Ehegatten kein belastbarer Beleg dafür finden, dass sich der Ex-Ehemann vor dem Sommer 2016 eine über «Ängste und Bedenken» hinausgehende klare Meinung zur Kinderfrage gebildet hatte. Es zeigt sich eher das Bild eines Mannes, der sich bei der Heirat mit 37 Jahren und in der Folge arbeitsamen ersten Ehejahren in einem Leben in einer glücklichen Paarbeziehung eingerichtet hatte und Fragen nach einer Familiengründung vorzugsweise aus dem Weg ging. 2016 – im Alter von 42 Jahren – erwies er sich mit der Vorstellung als überfordert, sein Leben umzukrempeln. Eine davor gefestigte Meinung ist nicht nachgewiesen (und wurde durch die Vorinstanz auch nicht erfragt).
Frühere einlässliche Gespräche zu dem Thema werden von beiden Seiten verneint. Die diesbezüglichen Aussagen sind konsistent, kohärent und decken sich sowohl inhaltlich als auch in der Begründung. Angesichts der vorstehend (E. 8.2) dargelegten Einordnung der Berufsbiographien erscheint auch nicht als abwegig, dass die anderweitig fokussierte Beschwerdeführerin den scheinbar unschlüssigen Ex-Ehegatten nicht früher zu einem klaren Bekenntnis auffordern wollte.
Die Vorinstanz hält fest, «der starke Kinderwunsch der Ex-Ehegattin sowie das ausweichende Verhalten des Ex-Ehegattenen haben die Ehe über Jahre belastet» (angefochtener Entscheid, E. 18). Dieser Befund lässt sich auf die Akten nicht stützen. Die Beschwerdeführerin nahm das ausweichende Verhalten ihres Ex-Ehemannes – nach allem was aus den Akten zu ersehen ist – keineswegs als Belastung für die Beziehung wahr; sie baute auf die Wirkung der Zeit, bestärkt dadurch, dass er Schritte für ein Familienleben im grösseren Rahmen mittrug. Neben dem Aufbau eines
Webshops (der als Geschenkartikel-Shop, dessen Name schon auf Hochzeitspaare als Zielgruppe abzielte, ohne weitere Bedeutung auch die Sortimentskategorie «Taufartikel» beinhalten kann) war dies insbesondere der gemeinsame Kauf eines familiengeeigneten Eigenheimes. Dabei ist zu bemerken, dass Partner, die sich ihrer Beziehung nicht sicher sind, beim Erwerb eines Eigenheims tendenziell nicht die schwerfällige rechtliche Form des Gesamteigentums (vgl. Eheakten, vi-act. 30/148) wählen. Der Ex-Ehemann, der in letzterem Zusammenhang vorab auf die Lage im Grünen und die günstigen Zinsen verweist, scheint der Frage nicht nur ausgewichen, sondern sie nachgerade verdrängt zu haben.
Die Vorinstanz mag mit dem soeben zitierten Befund aus einem retrospektiven Blickwinkel abstrakt eine vertretbare These entwickelt haben: Das nicht angesprochene Kinderthema hing wie ein unbewusstes Damoklesschwert über der Beziehung. Indessen ist mit dieser Feststellung in der Rückschau über das Wissen im Zeitpunkt, da die Gatten die «Erklärung betreffend die eheliche Gemeinschaft» abgaben, nichts gesagt.
Es ist nach dem Gesagten nicht nachgewiesen, dass bei Abgabe dieser Erklärung der abschliessende Wille des Ex-Ehemannes in der Kinderfrage feststand. Selbst wenn er schon innerlich im Sinne einer «Grundhaltung» festgestanden haben sollte, so erscheint nach dem Gesagten als plausibel, dass dies der Beschwerdeführerin nicht erkennbar war respektive dass sie sich im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung der für die Beziehung drohenden Gefahr nicht bewusst sein konnte. Sie konnte in jenem Moment in guten Treuen die Erklärung zum Bestand einer intakten und stabilen Ehe abgeben.
Die seitens der Vorinstanz auf Beschwerdeebene geäusserte These, die Ehe sei nachgerade zerrüttet gewesen, man habe die Trennung bewusst auf einen Zeitpunkt nach erfolgter Einbürgerung verlegt, um diese zu sichern, und gemeinsame grössere Reisen (2015 K. , 2015 L. , 2016 J. ) könnten auch auf freundschaftlicher Ebene unternommen worden sein, wird ohne Bezug auf die Akten vorgetragen. Es handelt sich um eine rein theoretische Möglichkeit ohne tragbares Fundament im Sachverhalt und ist als spekulativ nicht weiterzuverfolgen.
Die Beschwerdeführerin beantragt auf Beschwerdeebene die Befragung der Ex-Ehegatten als Zeuge respektive als Partei. Nach der verstrichenen Zeit und den zahlreichen schriftlichen Äusserungen der beiden ExEhegatten ist nicht mehr mit authentischen Aussagen zu rechnen und es
kann ein weiterer Erkenntnisgewinn ausgeschlossen werden. Es ist in antizipierter Beweiswürdigung von solchen Befragungen abzusehen.
Im Resultat ist die Beweiswürdigung der Vorinstanz auf der Grundlage der natürlichen Vermutung und erst recht im Sinne eines Vollbeweises als gescheitert anzusehen. Entsprechend der Beweislastverteilung ist davon auszugehen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 36 BüG respektive Art. 41 Abs. 1 aBüG für eine Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung nicht erfüllt sind. Indem die angefochtene Verfügung vom Gegenteil ausgeht, verletzt sie Bundesrecht.
Die angefochtene Verfügung vom 9. August 2019 ist ersatzlos aufzuheben.
Das Bundesverwaltungsgericht auferlegt die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG). Vorinstanzen werden keine Verfahrenskosten auferlegt (Art. 63 Abs. 2 VwVG). Beim gegebenen Verfahrensausgang sind somit keine Kosten zu erheben. Der geleistete Gerichtskostenvorschuss von Fr. 1'200.– ist der Beschwerdeführerin zurückzuerstatten.
Der vertretenen Beschwerdeführerin ist angesichts ihres Obsiegens in Anwendung von Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 und 8 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihr notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen.
Die Beschwerdeführerin reichte keine Kostennote zu den Akten. Auf deren Nachforderung kann verzichtet und die Parteientschädigung auf Grund der Akten und in Anwendung der massgeblichen Grundsätze (Art. 8-11 i.V.m. Art. 14 Abs. 2 VGKE) festgesetzt werden auf Fr. 2'500.– (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die angefochtene Verfügung vom
9. August 2019 wird aufgehoben.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der von der Beschwerdeführerin geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1'200.– wird zurückerstattet.
Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht mit Fr. 2'500.– zu entschädigen.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz, die Zivilstandesbehörde des Einbürgerungskantons, das kantonal zuständige Migrationsamt und die Wohngemeinde.
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Fulvio Haefeli Thomas Bischof
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
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