Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-1971/2019 |
Datum: | 22.05.2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Familienzusammenführung (Asyl) |
Schlagwörter : | Vater; Flüchtling; Familie; Flüchtlings; Beschwerdeführers; Flüchtlingseigenschaft; Einbezug; Mutter; Vaters; Eltern; Bundesverwaltungsgericht; Verfügung; Schweiz; Vorinstanz; Sorgerecht; Urteil; Eingabe; Zeitpunkt; Beziehung; Sohnes; Besuchsrecht; Gericht; Verfahren; EMARK; Voraussetzung; Richter; Fragen; Vermerk |
Rechtsnorm: | Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-1971/2019
Besetzung Einzelrichterin Gabriela Freihofer,
mit Zustimmung von Richter Grégory Sauder; Gerichtsschreiberin Evelyn Heiniger.
Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,
handelnd durch B. , ( ), Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Familienzusammenführung (Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft und das Asyl des Kindsvaters C. ); Verfügung des SEM vom 28. März 2019 / N ( ).
C. (Vater des Beschwerdeführers, nachfolgend: Vater) wurde am 17. Dezember 2013 als Flüchtling anerkannt und ihm wurde Asyl gewährt.
Im Rahmen des Familiennachzugs gelangte B. (Mutter des Beschwerdeführers, nachfolgend: Mutter) am 20. September 2017 in die Schweiz. Da ihr vom Kanton D. bereits am 24. August 2017 eine B-Bewilligung ausgestellt worden war, zog sie ihr Asylgesuch mit Erklärung vom 26. September 2017 zurück.
Am ( ) wurde der Beschwerdeführer in der Schweiz geboren. Mit Schreiben vom 18. Januar 2019 der Dienststelle Asylund Flüchtlingswesen des Kantons D. ersuchten die Eltern beim SEM um Einbezug des Beschwerdeführers in die Flüchtlingseigenschaft der Eltern. Mit Eingabe vom
31. Januar 2019 ersuchte die Dienststelle Asylund Flüchtlingswesen zusammen mit dem Vater um Einbezug des Beschwerdeführers in die Flüchtlingseigenschaft des Vaters.
Das SEM forderte den Vater und die Mutter des Beschwerdeführers, welche zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr an derselben Adresse wohnhaft waren, je mit Schreiben vom 28. Januar 2019 zur Beantwortung offener Fragen zu ihrer Beziehung, zur Beziehung des Vaters zum Beschwerdeführer und über das Sorgerecht auf.
Das an den Vater adressierte Schreiben erhielt das SEM von der schweizerischen Post mit dem Vermerk „nicht abgeholt“ zurück.
Die Mutter beantwortete die Fragen mit einem undatierten Schreiben (Eingang beim SEM am 6. Februar 2019). Sie gab dabei an, sie stehe aktuell in einem schlechten Verhältnis zum Kindsvater. Der Beschwerdeführer lebe bei ihr, sie kümmere sich um ihn. Der Vater sehe ihn einmal pro Woche, nehme aber kaum an seinem Leben teil und sein Umgang mit dem Beschwerdeführer sei sehr schlecht. Das Sorgerecht müsse noch geregelt werden.
Das SEM sandte dem Vater die Aufforderung zur Stellungnahme erneut mit Einschreiben vom 11. Februar 2019, welches wiederum mit dem Vermerk „nicht abgeholt“ zurückkam.
Mit Eingabe vom 19. Februar 2019 beantwortete der Vater die vom SEM gestellten Fragen und hielt dabei fest, er und seine Ehefrau hätten eigentlich am 1. Februar 2019 erneut zusammenziehen wollen, es sei aber zu weiteren Streitigkeiten gekommen, weshalb sie sich gemeinsam für eine Trennung entschieden hätten. Zusammen mit der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) strebten sie eine Besuchsrechtsregelung an. Sie würden das Sorgerecht gemeinsam ausüben, die Obhut über den Beschwerdeführer werde jedoch die Mutter haben. Er wolle seinen Sohn regelmässig, wenn möglich, alle zwei Wochen, sehen. Da er und seine Frau sich seit der Geburt bereits zwei Mal getrennt hätten, sei dies jedoch schwierig. Sie seien auf die Unterstützung einer Drittperson angewiesen, welche die Besuche mit ihnen bespreche und regle.
Das SEM forderte den Vater mit Schreiben vom 25. Februar 2019 auf, eine Kopie der Besuchsrechtsregelung sowie Belege für die aktive Teilnahme am Leben seines Sohnes zum aktuellen Zeitpunkt einzureichen.
Am 8. März 2019 erhielt das SEM auch dieses Schreiben mit dem Vermerk „nicht abgeholt“ zurück.
Mit Eingabe vom 21. März 2019 teilte die KESB der Stadt E. dem SEM im Auftrag des Vaters mit, die Abklärungen betreffend Besuchsrecht seien noch im Gange und es liege noch keine definitive Regelung vor. Die KESB sei damit betraut. Künftige Treffen seien vorgesehen und geplant. Der Vater verfüge aktuell über keine Fotos seines Sohnes.
Mit Verfügung vom 28. März 2019 lehnte das SEM das Gesuch um Einbezug des Beschwerdeführers in die Flüchtlingseigenschaft und das Asyl des Vaters ab.
Mit Eingabe vom 16. April 2019 (Eingang bei Gericht am 26. April 2019) fochten die Eltern des Beschwerdeführers diese Verfügung an und beantragten den Einbezug des Beschwerdeführers in die Flüchtlingseigenschaft des Vaters.
Zum Beweis legten sie der Beschwerde ein Foto des Beschwerdeführers zusammen mit seinem Vater sowie eine am 16. April 2019 unterzeichnete
„Vereinbarung über Besuche und Kontakte“ bei.
Mit Schreiben vom 1. Mai 2019 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde.
Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG (SR 142.31) in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend - endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (aArt. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
Gemäss Art. 51 Abs. 3 AsylG werden in der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen. Dem Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft und der Asylgewährung entgegenstehende „besondere Umstände“ sind beispielsweise anzunehmen, wenn das Familienmitglied Bürger eines anderen Staates als der Flüchtling ist und die Familie in diesem Staat nicht gefährdet ist, wenn der Flüchtling seinen Status derivativ erworben hat, oder wenn das Familienleben während einer längeren Zeit nicht gelebt wurde und erkennbar ist, dass die Familienmitglieder nicht den Willen haben, als Familie zusammenzuleben. Die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft bedingt zudem, dass die anspruchsberechtigte Person ihren Heimatoder Herkunftsstaat verlassen hat (vgl. zum Ganzen BVGE 2012/32 E. 5.1).
Grundgedanke des Familienasyls gemäss Art. 51 AsylG ist es, der gesamten Familie eines Flüchtlings einen einheitlichen Rechtsstatus zu gewährleisten (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2002 Nr. 20 E. 4b und EMARK 2000 Nr. 22 E. 7). Dies setzt aber ein Zusammenleben respektive eine effektiv gelebte Familienbeziehung des den Einbezug beantragenden Kindes mit dem Elternteil, dem die Flüchtlingseigenschaft originär zuerkannt wurde, voraus (vgl. hierzu die Urteile des BVGer D-4520/20187 vom 22. August 2018 m.w.H., D-273/2017 vom 26. Januar 2017, E-846/2014 vom 11. Au-
gust 2014).
Massgeblicher Zeitpunkt zur Feststellung, ob die Voraussetzungen des Familienasyls erfüllt sind, ist derjenige des Entscheides (vgl. EMARK 2002 Nr. 20 E. 5a).
Die Vorinstanz führt zur Begründung ihres Entscheides an, ein besonderer Grund im Sinne des Gesetzes, der gegen den Einbezug eines Kindes in die Flüchtlingseigenschaft eines Elternteils spreche, liege vor, wenn die Familiengemeinschaft nicht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt werde und auch ausserhalb des gemeinsamen Haushaltes keine intakte, tatsächlich gelebte Familiengemeinschaft zwischen dem den Einbezug beantragenden Kind und dem betroffenen Elternteil bestehe.
Die Mutter habe in ihrem Schreiben vom 6. Februar 2019 angegeben, ihr Verhältnis zum Kindsvater sei schlecht. Ein Sorgerechtsvertrag sei in Ausarbeitung. Der Beschwerdeführer lebe bei ihr, sie kümmere sich um ihn, der Vater sehe seinen Sohn lediglich einmal pro Woche und nehme nicht aktiv an dessen Leben teil. Den Umgang des Vaters mit dem Sohn habe die Mutter als schlecht beurteilt. Der Vater habe in seinem Schreiben vom
22. Februar 2019 ebenfalls angegeben, eine Besuchsrechtsregelung sei in Ausarbeitung. Er werde das Sorgerecht gemeinsam mit der Mutter ausüben, wolle seinen Sohn gerne regelmässig sehen, aktuell sei dies jedoch schwierig.
Die Vorinstanz stellte fest, es seien keine Belege für die aktive Teilnahme des Vaters am Leben des Sohnes eingereicht worden. Aufgrund der Aktenlage sei nicht davon auszugehen, dass ein intaktes, tatsächliches Familienleben zwischen Vater und Sohn vorliege, was einen besonderen Umstand im Sinne des Asylgesetzes darstelle. Somit könne der Vater seine Flüchtlingseigenschaft nicht auf den Sohn übertragen.
In der Beschwerdeeingabe bringen die Eltern vor, ihnen sei das Wohl des Beschwerdeführers wichtig. Mit Hilfe der KESB könnten sich trotz ihrer Trennung miteinander unterhalten und hätten eine Besuchstagsregelung gefunden. Mit dieser Regelung werde gezeigt, dass der Vater aktiv am Leben des Sohnes teilnehmen wolle und die Kindsmutter damit einverstanden sei. Damit sei ein aktives Familienleben entstanden.
Da der Vater des Beschwerdeführers in der Schweiz als Flüchtling anerkannt und ihm Asyl gewährt worden ist, erfüllt der in der Schweiz geborene Beschwerdeführer damit grundsätzlich die Voraussetzungen für die Zuerkennung der derivativen Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 51 Abs. 3 AsylG. Es bleibt zu prüfen, ob ein besonderer Umstand gegeben ist, der gegen den Einbezug des Beschwerdeführers in den seinem Vater zuerkannten Flüchtlingsstatus spricht.
Alleine aufgrund des Vorliegens von unterschiedlichen Wohnadressen kann zwar nicht unmittelbar das Bestehen einer Familieneinheit verneint werden (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-4520/2018 vom
22. August 2018 E. 5.2 mit Verweis auf E-2537/2017 vom 29. Mai 2017). Aus den Akten geht aber nicht hervor, dass der Vater tatsächlich eine Beziehung zu seinem Kind unterhält. Im vorinstanzlichen Verfahren ist er diesbezügliche Beweismittel und Belege nach Aufforderung der Vorinstanz
schuldig geblieben. Die Mutter gab sodann an, das Verhältnis zum Vater und der Umgang des Vaters mit dem Sohn seien schlecht. Dieser beteilige sich kaum an dessen Leben. Der Vater selbst führte aus, es sei schwierig, Zeit mit seinem Sohn zu verbringen. Die am 16. April 2019 geschlossene Besuchsvereinbarung und die nachgereichte Fotografie vermögen daran nichts zu ändern. Zum aktuellen Zeitpunkt kann der Vater nicht glaubhaft machen, dass er den Kontakt zu seinem Sohn regelmässig pflegt, womit es an der Voraussetzung einer effektiv gelebten und schützenswerten Beziehung zwischen Vater und Sohn mangelt.
Aufgrund des Gesagten hat die Vorinstanz zu Recht erkannt, dass besondere Umstände im Sinne von Art. 51 Abs. 3 AsylG gegeben sind, die gegen den Einbezug des Beschwerdeführers in die seinem Vater zuerkannte Flüchtlingseigenschaft und das Asyl sprechen.
Der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass, nachdem die Voraussetzungen des Familienasyls im Sinn von Art. 51 Abs. 3 AsylG nicht erfüllt sind, die Bestimmungen von Art. 8 EMRK vorliegend nicht ergänzend angewendet werden können (vgl. EMARK 2002 Nr. 6 E. 5).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Gabriela Freihofer Evelyn Heiniger
Versand:
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