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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-475/2022

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-475/2022

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-475/2022
Datum:03.03.2022
Leitsatz/Stichwort:Nichteintreten auf Asylgesuch (sicherer Drittstaat 31a I a,c,d,e) und Wegweisung
Schlagwörter : Griechenland; Recht; Wegweisung; Person; Beschwerdeführers; Behörde; Behörden; Schutz; Geburtsdatum; Sachverhalt; ZEMIS; Verfügung; Alter; Vorinstanz; Bericht; Personen; Vollzug; Minderjährigkeit; Akten; Zugang; Lebens; Beweis; Asylgesuch; Behandlung
Rechtsnorm: Art. 12 BV ;Art. 25 BV ;Art. 25 DSG ;Art. 48 BGG ;Art. 50 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Christoph Auer, Müller, Schindler, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Art. 13 VwVG ; Art. 8 AsylG; Art. 12 9; B, 2019

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-475/2022

U r t e i l v o m 3 . M ä r z 2 0 2 2

Besetzung Richterin Roswitha Petry (Vorsitz),

Richter David R. Wenger, Richter William Waeber, Gerichtsschreiberin Sandra Bodenmann.

Parteien A. , geboren am (…) 2000

(gemäss eigenen Angaben: geboren am […] 2004), Somalia,

vertreten durch Ass. iur. Marcus Hegelein, HEKS Rechtsschutz Bundesasylzentren B. , Beschwerdeführer,

Gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (sicherer Drittstaat; Art. 31a Abs. 1 Bst. a,c,d,e)

Datenänderung im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS);

Verfügung des SEM vom 25. Januar 2022 / N (…).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer verliess seinen Heimatstaat gemäss eigenen Angaben auf dem Luftweg am 29. Mai 2017 und reiste in die Türkei. Anschliessend gelangte er auf dem Seeweg nach Griechenland, wo er sich ein Jahr lang aufhielt. Nach einem rund dreijährigen Aufenthalt in Frankreich reiste er am 12. Juli 2021 in die Schweiz ein und suchte am 16. Juli 2021 im Bundesasylzentrum (BAZ) B. um Asyl nach. Dabei gab er an, am (...) 2004 geboren und somit minderjährig zu sein.

B.

Ein am 21. Juli 2021 durchgeführter Abgleich mit der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (Eurodac) ergab, dass der Beschwerdeführer am

13. Oktober 2017 in Griechenland ein Asylgesuch eingereicht und am

24. November 2017 dort internationalen Schutz erhalten hat. Zudem wurde in der Eurodac ein weiteres Asylgesuch des Beschwerdeführers in Frankreich vom 24. September 2018 registriert.

C.

Dem Beschwerdeführer wurde im BAZ eine Rechtsvertretung zugeteilt; er unterzeichnete am 22. Juli 2021 die entsprechende Vollmacht.

D.

Gemäss Formular «Zuweisung zur medizinischen Abklärung (F2)» vom

24. Juli 2021 (vgl. SEM-Verfahren […]-10; Akte 10) wurde festgehalten, der Beschwerdeführer sei psychisch angeschlagen. Er könne nicht schlafen, fühle viel Stress und mache sich grosse Sorgen. Er habe geäussert, keinen Lebenswillen mehr zu haben. Er wurde an Dr. med. C. , Innere Medizin, D. , überwiesen.

E.

In seinem Bericht über eine ambulante Behandlung vom 28. Juli 2021 hielt Dr. med. C. die Diagnose «Verdacht auf posttraumatische Störung infolge Gewaltanwendung in Somalia und in gewissen Staaten der EU (zum Beispiel Griechenland)» fest. Dem Beschwerdeführer wurden Medikamente verordnet und als weiteres Vorgehen eine Überweisung an die KJPD vorgeschlagen.

F.

Das SEM führte aufgrund der vorgeblichen Minderjährigkeit des Beschwerdeführers am 9. August 2021 eine Erstbefragung für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (EB UMA) durch (vgl. Akte A12)

Der Beschwerdeführer wurde dabei summarisch zu seiner Person, seinen Asylgründen und zu seinem Reiseweg befragt. Er trug im Wesentlichen Folgendes vor: Er habe sein Geburtsdatum ([…] 2004) von seiner Mutter erfahren, als er etwa siebenoder achtjährig gewesen und zur Schule gegangen sei. Er habe während seines einjährigen Aufenthaltes in Griechenland einen Aufenthaltsstatus und einen entsprechenden Ausweis erhalten, welcher in Frankreich zusammen mit seinem Gepäck gestohlen worden sei. Weil sein Transportboot auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland gekentert sei, sei er traumatisiert gewesen und habe sich an nichts mehr erinnern können. Ein somalischer Jugendlicher habe die Formulare für ihn ausgefüllt, auf welchen sein Geburtsdatum mit «(…) 1997» registriert worden sei.

Er habe Somalia aus familiären Gründen verlassen. Sein Vater sei von dessen Brüdern getötet worden. In der Folge sei es zu Streitigkeiten im Zusammenhang mit Landbesitz gekommen und der Beschwerdeführer sei von seinen Onkeln zusammengeschlagen und verletzt worden. Er sei seit vier Jahren unterwegs auf Reisen, habe keine Familie mehr, fühle sich einsam und nehme zurzeit Medikamente.

Das SEM teilte dem Beschwerdeführer mit, es bestünden Zweifel an seiner behaupteten Minderjährigkeit und setzte ihn darüber in Kenntnis, dass die Durchführung einer Altersabklärung beabsichtigt werde. Gleichzeitig wurde ihm das rechtliche Gehör zu einem allfälligen Nichteintretensentscheid und zur Rückführung in einen sicheren Drittstaat (gemäss Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG), namentlich nach Griechenland, gewährt.

Dabei brachte dieser vor, man habe in Griechenland keine Unterkunft oder Arbeit und könne keine Schule besuchen. Sobald man – wie er – eine Aufenthaltsbewilligung besitze, werde keine Unterstützung mehr gewährt. Er wäre nicht ausgereist, wenn er finanziell für sich hätte sorgen können. Gegen die Durchführung einer Altersabklärung habe er keine Einwendungen (vgl. Akte A12, Ziffer 8.01).

G.

Ein vom SEM am 14. April 2021 in Auftrag gegebenes rechtsmedizinisches

Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Kantonsspitals E. vom 18. August 2021 ergab, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Untersuchung am 12. August 2021 aufgrund der erhobenen Befunde (Untersuchungen von Hand und Schlüsselbein-Brustbeingelenken sowie zahnärztliche Untersuchung) ein Mindestalter von 21 Jahren (21.6 Jahren) aufweise. Das von ihm angegebene Geburtsdatum (chronologisches Lebensalter von 17 Jahren und 5 Monaten) könne aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage nicht zutreffen (vgl. Akte A14).

H.

Der Beschwerdeführer reichte einen weiteren Arztbericht von Dr. med. C. vom 20. August 2021 zu den Akten. In diesem Bericht wird die im Arztbericht vom 28. Juli 2021 festgehaltene Diagnose (vgl. Sachverhalt oben, Bst. E) bestätigt.

I.

Mit Schreiben vom 24. August 2021 (vgl. Akte A17) gewährte das SEM dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zum Altersgutachten, zu den Zweifeln des SEM an seiner vorgebrachten Identität und Minderjährigkeit sowie zur beabsichtigen Anpassung seiner Daten im ZEMIS (mit Bestreitungsvermerk). Dem Beschwerdeführer wurde dabei das forensische Gutachten vom 18. August 2021 in anonymisierter Form zugestellt.

J.

Mit Stellungnahme seines Rechtsvertreters vom 2. September 2021 (Akte A21) hielt der Beschwerdeführer an seiner Minderjährigkeit und seinem Geburtsdatum vom (...) 2004 fest. Er führte aus, die von ihm in der Erstbefragung angegebenen Altersangaben und Daten hätten nur ungefähre Werte dargestellt. Er habe schlüssig erklärt, weshalb er keine Identitätspapiere habe einreichen können. Es sei kein Widerspruch zwischen seinen Altersangaben und dem im forensischen Bericht festgehaltenen Zahnalter vorhanden. Das Gutachten sei insgesamt widersprüchlich, unverwertbar, beruhe auf veralteten Sachlagen und sei auf eine fehlerhafte wissenschaftliche Art durchgeführt worden. Im Bericht werde festgestellt, dass keine speziellen Referenzdaten für eine männliche Population aus Somalia vorliegen würden, weshalb fraglich sei, welche Abweichungen durch ethnische Unterschiede berücksichtigt werden müssten. Die Handknochenanalyse habe ein Mindestalter von 16.1 Jahren angegeben. Eine Beurteilung der sexuellen Reifezeichen sei nicht möglich gewesen, weil der Beschwerdeführer die diesbezügliche Untersuchung verweigert habe. Auf der Basis des vorliegenden Altersgutachtens könnten keine Aussagen zur Minder-

oder Volljährigkeit gemacht werden, weshalb von der Minderjährigkeit auszugehen sei. Eventualiter sei im ZEMIS ein Bestreitungsvermerk anzubringen, diesbezüglich eine beschwerdefähige Verfügung zu erlassen und der Beschwerdeführer in der Unterkunft in den UMA-Strukturen zu belassen.

K.

Gemäss Mutationsformular für Personendaten im ZEMIS vom 6. September 2021 wurde das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit (...) 2000 registriert.

L.

Gestützt auf die Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger und das Abkommen vom 28. August 2006 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Hellenischen Republik über die Rückübernahme von Personen mit irregulärem Aufenthalt (SR 0.142.113.729) ersuchte die Vorinstanz Griechenland am

7. September 2021 um Rückübernahme des Beschwerdeführers.

M.

Mit Schreiben vom 8. September 2021 hielt das SEM fest, der Antrag betreffend Verbleib des Beschwerdeführers in den UMA-Strukturen der Unterkunft sei dem amtsintern zuständigen Fachbereich «Partner & Administration» weitergeleitet worden. Mit Schreiben vom 6. September 2021 sei dieser über den beantragten Bestreitungsvermerk in ZEMIS informiert worden. Der Antrag auf Erlass einer anfechtbaren Verfügung werde zu einem späteren Zeitpunkt behandelt.

N.

Am 9. September 2021 stimmten die griechischen Behörden dem Übernahmeersuchen der Vorinstanz zu. Gleichzeitig wurde dem SEM mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer von den griechischen Behörden mit Geburtsdatum vom (…) registriert worden sei und er in Griechenland am 24. November 2017 subsidiären Schutz erhalten habe.

O.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben des SEM vom 13. September 2021 hierzu das rechtliche Gehör gewährt.

P.

Mit Eingabe der Rechtsvertretung vom 20. September 2021 wurde ausgeführt, es sei Aufgabe des SEM, den adäquaten Sachverhalt bezüglich Wegweisungsvollzugshindernisse in Griechenland zu erstellen. Der Beschwerdeführer sei hierzu nicht angehört worden; in der Erstanhörung seien keine diesbezüglichen Fragen gestellt worden. Er habe angegeben, sich umzubringen, falls er nach Griechenland weggewiesen werde. Er habe trotz Schutzstatus auf der Strasse gelebt, keine medizinische Hilfe erhalten und sei von der Unterkunft weggewiesen worden. Er könne nicht mit Unterstützung der griechischen Behörden rechnen. Bei einer Wegweisung nach Griechenland bestehe das erhöhte Risiko, dass er obdachlos werde und eine menschenunwürdige Bettelexistenz führen müsse. Der Unterbringungsanspruch ende 30 Tage nach dem Asylentscheid und es gebe kein Anschlussprojekt. Auch das HELIOS-Mietschutzprogramm gelte nur, wenn bereits eine Wohnung vorliege und die erste Miete bezahlt worden sei. Eine psychische Behandlung ohne Dolmetscher sei nicht gewährleistet. Der Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung sei vom Erhalt einer Sozialversicherungsnummer abhängig, welche schwierig zu beschaffen sei. Hierzu wurde auf die Urteile des BVGer E-436/2021 vom 19. März 2021 und E-4866/2019 vom 2. Oktober 2019 verwiesen.

Der den Beschwerdeführer behandelnde Arzt habe in seinen Abklärungen vom 28. Juli und 20. August 2021 den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert. Trotz der nach wie vor bestehenden Anzeichen für eine psychische Erkrankung habe das SEM versäumt, den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers durch eine psychiatrische Facharztperson abzuklären. Dem Rechtsvertreter sei mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer nach der ursprünglich vorgenommenen Anmeldung beim KJPD wieder abgemeldet worden sei. Er habe lediglich einen Termin bei einem Allgemeinmediziner bekommen. Es werde die Anordnung einer psychologischen Abklärung des Gesundheitszustands durch einen Fachspezialisten unter Beizug eines Dolmetschers beantragt.

Der Eingabe wurde eine Geburtsurkunde des Beschwerdeführers in Kopie, mit Geburtsdatum vom (...) 2004, ausgestellt am 14. September 2021, beigelegt.

Q.

Am 29. September 2021 wurden zwei Kurzberichte von MedBase AG, F. , zu den Akten gereicht, aus welchen hervorgeht, dass sich der

Beschwerdeführer in einem körperlich guten Allgemeinzustand befinde und der Verdacht einer PTBS bestehe.

R.

Gemäss Bericht des Spitals G. , Externe Psychiatrische Dienste (EPD), F. , vom 18. November 2021 wurde beim Beschwerdeführer die Diagnose: « 1) Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion DD mittelgradige depressive Episode, 2) Trauerreaktion bei uneindeutigem Verlust der Mutter; 3) PTBS» gestellt und festgehalten, der Beschwerdeführer werde medikamentös behandelt.

S.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2021 (Akte A35) teilte das SEM dem Beschwerdeführer mit, bei Asylgesuchen mit einem durch Eurodac ausgewiesenen Schutzstatus würden im BAZ B. seit einigen Monaten keine mündlichen Befragungen mehr durchgeführt. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, sich ergänzend zu seinen bisherigen Eingaben zu äussern.

T.

Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 9. Dezember 2021 (Akte A39) liess der Beschwerdeführer eine Kopie des Arztberichts der EPD F. vom 18. November 2021 zu den Akten reichen. Er teilte dem SEM gleichzeitig mit, aufgrund des heutigen Austritts in den Kanton könne er den ursprünglich vorgesehenen Termin bei den Psychiatrischen Diens-

ten vom 21. Dezember 2021 nicht wahrnehmen. Er werde sich weiterhin um medizinische Betreuung kümmern, es sei jedoch Aufgabe des SEM, den medizinischen Sachverhalt zu ermitteln.

U.

Der Beschwerdeführer wurde am 13. Dezember 2021 dem Kanton H. zugewiesen.

V.

Am 18. Januar 2021 wurde der Rechtsvertretung ein Entwurf des Nichteintretensentscheids des SEM zur Stellungnahme unterbreitet.

W.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2022 (Akte A44) nahm die Rechtsvertretung Stellung zum beabsichtigten Nichteintretensentscheid. An der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wurde festgehalten und weiter ausgeführt, ein Altersgutachten sei gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein sehr schwaches Indiz für die Volljährigkeit. Die Altersspannen

der beiden vorgenommenen Untersuchungen (zahnärztlicher Befund und Schlüsselbeinanalyse) würden sich nicht überlappen und im Gutachten sei keine plausible Erklärung hierfür enthalten. Die Formulare mit den Angaben des Beschwerdeführers zur Identität in Griechenland seien von einem anderen Jugendlichen ausgefüllt worden. Eine Bekannte in Somalia habe die zu den Akten gereichte Geburtsurkunde für ihn beantragt.

Der Beschwerdeführer habe trotz seines schlechten psychischen Zustandes in Griechenland keinen Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt und dort ohne Unterkunft und mit mangelhafter Ernährung gelebt. Er leide an einer akuten PTBS, wie im Bericht vom 22. Januar 2022 diagnostiziert worden sei. Eine Wegweisung nach Griechenland wäre mit Verweis auf die europäische und schweizerische Rechtsprechung unzulässig. Ihm sei am

24. November 2017 subsidiärer Schutz gewährt worden, womit er ein Kriterium für die Inanspruchnahme der HELIOS-Unterstützung nicht erfülle.

Er habe am 25. Januar 2022 einen Ersttermin bei I. , weshalb der medizinische Sachverhalt noch nicht hinreichend erstellt sei.

Ein Kurzbericht des Ärzte-Teams (…) vom 22. Dezember 2021 sowie eine E-Mail des kantonalen Sozialdienstes in G. vom 20. Januar 2022 wurden nachgereicht. Im Bericht wird eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion sowie eine PTBS diagnostiziert.

X.

Mit Verfügung vom 25. Januar 2022 (gleichentags eröffnet) trat das SEM gestützt auf Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein, ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie deren Vollzug an und hielt fest, dass sein Geburtsdatum im ZEMIS auf den (...) 2000, mit Bestreitungsvermerk, laute (vgl. Akte A45).

Y.

Mit Beschwerde seines Rechtsvertreters vom 31. Januar 2022 an das Bundesverwaltungsgericht beantragte der Beschwerdeführer, die SEM-Verfügung vom 25. Januar 2022 sei aufzuheben; auf sein Asylgesuch sei einzutreten und die vorläufige Aufnahme anzuordnen; das im ZEMIS eingetragene Geburtsdatum sei auf den (...) 2004 abzuändern. Eventualiter sei die Sache zur rechtsgenüglichen Sachverhaltsabklärung an das SEM zurückzuweisen; subeventualiter sei die Verfügung vollständig aufzuheben und

die Sache zur Einholung individueller Zusicherungen der griechischen Behörden betreffend adäquate Unterkunft, Ernährung und Zugang zur medizinischen Grundversorgung ans SEM zurückzuweisen.

In prozessualer Hinsicht wurde die unentgeltliche Prozessführung unter Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses beantragt.

Als Beweismittel reichte der Beschwerdeführer Kopien seiner Geburtsurkunde vom 14. September 2021 sowie der bereits bei den Akten befindlichen Arztberichte und seine Stellungnahme vom 20. September 2021 zu den Akten.

Z.

Die vorinstanzlichen Akten lagen dem Bundesverwaltungsgericht am

  1. Februar 2022 in elektronischer Form vor (vgl. Art. 109 Abs. 3 AsylG).

    AA.

    Mit Eingabe vom 4. Februar 2022 reichte der Beschwerdeführer seine Geburtsurkunde im Original, ausgestellt am 14. September 2021, nach, in welcher das Geburtsdatum vom (...) 2004 aufgeführt ist.

    Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

    1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – so auch vorliegend – endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG); soweit die ZEMIS-Berichtigung betreffend, steht gegen den vorliegenden Beschwerdeentscheid hingegen ein Rechtsmittelweg an das Schweizerische Bundesgericht offen.

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist

      durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 3 AsylG; Art. 48 Abs. 1, Art. 50 und Art. 52 VwVG).

    4. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

    5. Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

2.

2.1.1 Die vorliegende Beschwerde richtet sich sowohl gegen den Nichteintretensentscheid betreffend das Asylgesuch als auch gegen die Änderung der ZEMIS-Eintragung. Vorliegend kann aufgrund der Verfahrenskonstellation und des Prozessausgangs in einem Urteil über beide Rechtsbegehren befunden werden.

2.2

      1. Mit asylrechtlicher Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

        Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das SEM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 31a Abs. 1–3 AsylG), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2017 VI/5 E. 3.1; 2012/4 E. 2.2, je m.w.H.).

        Hinsichtlich der Frage der Wegweisung und des Wegweisungsvollzugs hat die Vorinstanz eine materielle Prüfung vorgenommen, weshalb das Bundesverwaltungsgericht diese Punkte insoweit ohne Einschränkung prüft.

      2. Über die beantragte ZEMIS-Berichtigung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich mit uneingeschränkter Kognition. Es überprüft die angefochtene Verfügung auf Rechtsverletzungen – einschliesslich unrichtiger oder unvollständiger Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und Rechtsfehler bei der Ermessensausübung – sowie auf Angemessenheit hin (Art. 49 VwVG).

3.

Der Verfügung des SEM vom 25. Januar 2022 liegt eine mangelhafte Rechtsmittelbelehrung zugrunde, beträgt doch die Rechtsmittelfrist in Verfahren betreffend Datenänderung im ZEMIS 30 Tage (Art. 50 Abs. 1 VwVG). In diesem Sinne liegt eine fehlerhafte Eröffnung vor. Vorliegend hat dies jedoch keine Folgen, bewirkte doch die falsche Rechtsmittelbelehrung keine Rechtsnachteile für den Beschwerdeführer, zumal er den ZEMIS-Eintrag mittels Beschwerde anfechten konnte und seit seiner Beschwerdeeingabe genügend Zeit hatte, Ergänzungen einzureichen (vgl. Urteil des BVGer F-5170/2020 vom 16. März 2021 E. 2, vgl. zum Ganzen UHLMANN/SCHILLING-SCHWANK, in: Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, Art. 38 N 22 f.). Überdies hat der Beschwerdeführer selbst die falsche Rechtsmittelbelehrung nicht gerügt.

4.

    1. Die Vorinstanz führt zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben das ZEMIS, welches der Bearbeitung von Personendaten aus dem Ausländerund dem Asylbereich dient. Wer Personendaten bearbeitet, hat sich über deren Richtigkeit zu vergewissern (Art. 5 Abs. 1 Datenschutzgesetz [DSG, SR 235.1]). Werden Personendaten von Bundesorganen bearbeitet, kann jede betroffene Person insbesondere verlangen, dass unrichtige Personendaten berichtigt werden (Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 Abs. 3 Bst. a DSG). Grundsätzlich hat die das Berichtigungsbegehren stellende Person die Richtigkeit der von ihr verlangten Änderung, die Bundesbehörde im Bestreitungsfall dagegen die Richtigkeit der von ihr bearbeiteten Personendaten zu beweisen. Nach den massgeblichen Beweisregeln des VwVG gilt eine Tatsache als bewiesen, wenn sie in Würdigung sämtlicher Erkenntnisse so wahrscheinlich ist, dass keine vernünftigen Zweifel bleiben; unumstössliche Gewissheit ist dagegen nicht erforderlich.

    2. Kann bei einer verlangten beziehungsweise von Amtes wegen beabsichtigten Berichtigung weder die Richtigkeit der bisherigen noch diejenige der neuen Personendaten bewiesen werden, dürfen grundsätzlich weder die einen noch die anderen Daten bearbeitet werden (vgl. Art. 5 Abs. 1 DSG). Dies ist jedoch nicht immer möglich, müssen doch bestimmte Personendaten zur Erfüllung wichtiger öffentlicher Aufgaben notwendigerweise bearbeitet werden. Dies gilt namentlich auch für die im ZEMIS erfassten Namen und Geburtsdaten. In solchen Fällen überwiegt das öffentliche Interesse an der Bearbeitung möglicherweise unzutreffender Daten das Interesse an deren Richtigkeit. Unter diesen Umständen sieht Art. 25 Abs. 2 DSG deshalb das Anbringen eines Vermerks vor, in dem

darauf hingewiesen wird, dass die Richtigkeit der bearbeiteten Personendaten bestritten ist. Erscheint die Richtigkeit der bisher eingetragenen Daten als wahrscheinlicher oder zumindest nicht als unwahrscheinlicher, sind diese zu belassen und mit einem Bestreitungsvermerk zu versehen (vgl. zum Ganzen BVGE 2018 VI/3 E. 3).

5.

    1. Die Vorinstanz führte zur Begründung ihrer Verfügung aus, der Beschwerdeführer trage die materielle Beweislast für die behauptete Minderjährigkeit. Er habe keine Reisepapiere eingereicht und sei nachweislich bei den griechischen Behörden mit dem Geburtsdatum (…) 1997 registriert worden, was er bei der EB UMA auch selbst angegeben habe. Es widerspreche der allgemeinen Erfahrung, dass man – unabhängig vom Gemütszustand – das eigene Geburtsdatum nicht korrekt wiedergeben könne. Zudem sei abwegig, dass die griechischen Behörden einen angeblich erst 13Jährigen als 20-jährige Person erfasst haben sollten. Die Zweifel am angegebenen Alter würden weiter durch das medizinische Gutachten vom 18. August 2021 bestätigt. Die Ausführungen im Rahmen der Stellungnahme vom 2. September 2021 vermöchten die Minderjährigkeit nicht glaubhaft darzutun. Aufgrund der aktuellen Forschungslage seien die vorgetragenen innerethnischen Differenzen im zeitlichen Verlauf der Skelettreifung vernachlässigbar. Der (...) 2000 sei das wahrscheinlichere Geburtsdatum als der geltend gemachte (...) 2004. Nachdem der Beschwerdeführer angeblich über keine Verwandte mehr im Heimatland verfüge, bleibe unklar, wie er in Besitz der am 14. September 2021 ausgestellten Geburtsurkunde gelangt sei.

      Der Bundesrat habe Griechenland als sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG bezeichnet. Der Beschwerdeführer habe dort subsidiären Schutz erhalten und das Land habe sich am 9. September 2021 bereit erklärt, ihn zurückzunehmen. Es bestünden vorliegend zwar Anzeichen, dass er die Bedingungen für eine vorläufige Aufnahme erfüllen würde. Für ein allfälliges Ersuchen um Wiedererwägung des Asylentscheides sei jedoch nicht die Schweiz, sondern Griechenland zuständig. Der Beschwerdeführer könne dorthin zurückkehren, ohne eine Rückschiebung in Verletzung des Non-Refoulement-Prinzips zu befürchten.

      Er könne in einen sicheren Drittstaat zurückkehren, weshalb vorliegend das Non-Refoulement-Gebot bezüglich seines Heimatstaates nicht weiter zu prüfen sei. Der Vollzug der Wegweisung nach Griechenland sei auch

      zumutbar und möglich. Er könne sich mit seinem Schutzstatus in Griechenland auf die Richtlinie 2011/95/EU des Parlaments und des Rates vom

      13. Dezember 2011 (sog. Qualifikationsrichtlinie) berufen, wonach er griechischen Staatsbürgern bezüglich der Fürsorge, Zugang zu Gerichten, den öffentlichen Schulunterricht und medizinischer Versorgung respektive mit anderen ausländischen Personen in Bezug auf Erwerbstätigkeit und Gewährung einer Unterkunft gleichgestellt sei. Die in Griechenland im Allgemeinen schwierigen ökonomischen Lebensbedingungen sowie die herrschende Wohnungsnot würden die ganze Bevölkerung treffen und vermöchten die Zumutbarkeit des Vollzugs der Wegweisung nicht zu widerlegen. Sollte Griechenland seinen Verpflichtungen ihm gegenüber nicht nachkommen, sei es ihm unbenommen, seine Rechte bei den griechischen Behörden geltend zu machen. Ausserdem könne er sich auch an eine der zahlreichen karitativen Organisationen wenden. Das HELIOS-Programm bilde ein Zusatzprogramm zur Qualifikationsrichtlinie, welches von der Organisation für Migration (IOM) und ihren Partnern mit Unterstützung der griechischen Regierung und mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission durchgeführt werde. Auf der Website von IOM Griechenland würden die Zugangskriterien dargelegt und explizit festgehalten, dass auch Personen, welche die Kriterien nicht erfüllten, Zugang zum Programm gewährt werden könne.

      Er habe sich rund ein Jahr lang in Griechenland und anschliessend ohne gültigen Aufenthaltsstatus drei Jahre lang in Frankreich aufgehalten. Diese Umstände liessen darauf schliessen, dass er sich gut selbständig zurechtfinden könne. Die medizinische Versorgung für Personen mit Schutzstatus sei in Griechenland sichergestellt. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Behandlung psychischer Beschwerden inklusive PTBS in Griechenland verfügbar sei. Mit Sicherheit seien die Medikamente, die der Beschwerdeführer einnehme, in Griechenland in gleicher oder gleichwertiger Art erhältlich. Auch die Sozialversicherungsnummer sei über die entsprechenden Websites beschaffbar und es gebe verschiedene Akteure, die im medizinischen Bereich Dolmetschertätigkeiten leisten würden. In Griechenland drohe ihm keine ernsthafte, rapide und irreversible Verschlechterung seiner Lage oder eine bedeutende Verkürzung seines Lebens. Für das weitere Verfahren sei einzig die Reisefähigkeit ausschlaggebend, welche erst kurz vor der Überstellung definitiv beurteilt werde. Das SEM informiere die griechischen Behörden vor der Überstellung über den Gesundheitszustand und die notwendige medizinische Behandlung. Die ausgestossene Suiziddrohung verpflichte die Schweiz nicht, vom Vollzug einer

      Wegweisung abzusehen. Die vom Völkerrecht geforderten aussergewöhnlichen Umstände für die Feststellung der Unzulässigkeit seien nicht gegeben.

      Die Indizien, die aus der forensischen Lebensaltersbestimmung hervorgingen, würden klar gegen die Minderjährigkeit sprechen. Die Angaben zum skelettalen Alter würden sich mit den Angaben zum Zahnalter überlappen.

      Für die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges sei einzig die Einhaltung der Qualifikationsrichtlinie relevant. Es stünden nebst HELIOS auch weitere Unterstützungsleistungen zur Verfügung. In Griechenland sei der Migrationsdruck in den letzten Monaten stark zurückgegangen. Eine adäquate Behandlung stehe dem Beschwerdeführer in Griechenland offen. Aus dem letzten Arztbericht vom 22. Dezember 2021 gingen keine zusätzlichen Hinweise hervor, die gegen seine Reisefähigkeit sprechen würden.

    2. In seiner Rechtsmitteleingabe äusserte sich der Beschwerdeführer nochmals zur Beweislast des im ZEMIS einzutragenden Geburtsdatums. Gelinge keiner Partei der sichere Nachweis des Geburtsdatums, sei dasjenige im ZEMIS festzuhalten, dessen Richtigkeit wahrscheinlicher sei. Das SEM habe sich vorliegend auf das Altersgutachten gestützt, gemäss welchem er mindestens das 21. Lebensalter erreicht haben solle. Das herangezogene Altersgutachten sei ein sehr schwaches, fragiles Indiz für die Volljährigkeit. Der Umstand, dass er in Griechenland für 20-jährig gehalten worden sei, spreche dafür, dass das dort – nicht von ihm persönlich, sondern von einem anderen Jugendlichen – angegebene Alter nicht stimme. Bei der eingereichten somalischen Geburtsurkunde würden keine Hinweise auf einen käuflichen Erwerb vorliegen.

Die in Griechenland im April 2020 beschlossene Gesetzesänderung habe massive Auswirkungen auf Personen mit Schutzgewährung. Geldund Sachleistungen würden ab Erhalt des positiven Entscheides enden und es existierten administrative Hürden, welche den Zugang zu Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt verhinderten. Die Gewährung von Mietzuschüssen im Rahmen des HELIOS-Programms setze voraus, dass Betroffene bereits eine Wohnung und mindestens die erste Monatsmiete bezahlt hätten. Es sei praktisch aussichtslos, in den übrigen Obdachlosenunterkünften einen Platz zu erhalten.

Dem Beschwerdeführer sei am 24. November 2017 in Griechenland subsidiärer Schutz gewährt worden. Er erfülle damit die Voraussetzungen für

die Inanspruchnahme des HELIOS-Programms nicht, denn dieses stehe nur für Gesuchsteller offen, die ihren Entscheid nach dem (...) 2018 erhalten hätten. Es sei nicht klar, ob der Zugang gemäss der Website der IOM, auf welche das SEM verwiesen habe, gewährleistet sei.

Trotz seines schlechten psychischen Zustands habe der Beschwerdeführer in Griechenland keinen Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt. Er leide an einer im Arztbericht vom 22. Dezember 2021 diagnostizierten akuten PTBS, weshalb ihm dort eine unmenschliche Behandlung drohe. Es sei stossend, dass das SEM auf karikative Hilfsorganisationen verweise, wenn es um elementarste Grundbedürfnisse und die medizinische Grundversorgung gehe. Er habe in Griechenland und in Frankreich unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen, weshalb es zynisch sei, dass das SEM auf seine mehrjährigen Aufenthalte dort verweise.

Der medizinische Sachverhalt sei nicht genügend erstellt worden. Angesichts seiner diagnostizierten PTBS sei der Beschwerdeführer der I. zugewiesen worden und er hätte am 25. Januar 2022 einen Ersttermin dort gehabt. Ein diesbezüglicher Bericht sei im Laufe der Woche zu erwarten. Er sei bereits zwei Mal kurz vor Beginn der geplanten Therapie in den Psychiatrischen Diensten verlegt worden. Er habe unverschuldet die Therapien nicht beginnen können. Das SEM hätte vor seiner Entscheidfindung die Arztberichte abwarten müssen. Vorliegend sei der rechtliche Gehörsanspruch verletzt worden, wozu auf die fünf bei den Akten befindlichen Arztberichte verwiesen wurde. Die vorinstanzliche Einschätzung des Zugangs zu medizinischen Behandlungen in Griechenland decke sich nicht mit anerkannten Berichten; ohne Sozialversicherungsnummer sei der Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung nicht möglich. Zudem sei die psychosoziale Unterstützung für ihn schwer zugänglich. Der Wegweisungsvollzug sei daher unzulässig und unzumutbar. Subeventualiter sei eine Garantieerklärung der griechischen Behörden einzuholen, wonach diese eine nahtlose Rückübererstellung sowie eine adäquate Unterkunft des Beschwerdeführers zusicherten.

6.

    1. Ein Abgleich der Fingerabdrücke des Beschwerdeführers mit der "Eurodac"-Datenbank ergab, dass er am 13. Oktober 2017 in Griechenland um Asyl ersucht hatte. Das SEM ersuchte deshalb die griechischen Behörden am 7. September 2021 um Rückübernahme des Beschwerdeführers. Die griechischen Behörden stimmten diesem Gesuch am 9. September

      2021 zu und teilten dem SEM mit, dass der Beschwerdeführer in Griechenland mit Geburtsdatum vom (…) 1997 registriert worden ist und am 24. November 2017 subsidiären Schutz erhalten hat.

    2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, in Griechenland ein Asylgesuch eingereicht und dort subsidiären Schutz erhalten zu haben. Wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, sind seine Vorbringen nicht geeignet, die vorinstanzlichen Erwägungen umzustossen.

    3. Soweit der Beschwerdeführer auf seine Minderjährigkeit verweist, ist Folgendes festzustellen:

      1. Eine geltend gemachte Minderjährigkeit ist von der asylsuchenden Person zu beweisen, soweit ihr ein Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen, da sie die Beweislast dafür trägt, auch wenn das SEM die entscheidrelevanten Sachverhaltsmomente von Amtes wegen festzustellen hat (vgl. BVGE 2018 VI/3 E. 4.2.3 m.w.H., Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2004 Nr. 30 E. 5.3.3). Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist eine Abwägung aller Anhaltspunkte, die für oder gegen die Richtigkeit der betreffenden Altersangabe sprechen, vorzunehmen (vgl. BVGE 2009/54

        E. 4.1). Wurde der Sachverhalt abschliessend festgestellt und ist es der betroffenen Person nicht gelungen, die behauptete Minderjährigkeit glaubhaft zu machen, hat sie die Folgen zu tragen und wird als volljährig betrachtet (vgl. BVGE 2019 I/6 E. 5.4).

      2. Der Beschwerdeführer hat keinerlei Identitätspapiere oder andere Dokumente zum Beleg des von ihm behaupteten Alters eingereicht. In der EB UMA trug er diesbezüglich zunächst vor, nie einen Reisepass besessen zu haben. Bei der Befragung zu einer allfälligen Identitätskarte gab er dann zu Protokoll, ein Freund seines Vaters respektive sein Schlepper habe ihm einen somalischen Reisepass beschafft; er habe diesen auf dem Seeweg weggeworfen (vgl. Akte A12. Ziffer 4.02). Es befinden sich keinerlei Reisepapiere bei den Akten, die die behauptete Minderjährigkeit stützen würden.

      3. Hingegen wurde im Altersgutachten vom 18. August 2021 bezüglich des Skelettalters des Beschwerdeführers festgehalten, dass die Wachstumsfugen der inneren Schlüsselbeinanteile einem durchschnittlichen Lebensalter von 29 Jahren sowie einem Mindestalter von 21.6 Jahren entsprächen. Bezüglich des Zahnalters wurde unter anderem angeführt, dass an den Zähnen 1 bis 7 im dritten Quadranten ein vollständiger Abschluss

        des Wurzelwachstums festgestellt werden könne. An den Weisheitszähnen seien Mineralisationsrespektive Entwicklungsstadien festgestellt worden, welche auf ein Durchschnittsalter von 22 Jahren schliessen liessen.

        Als Fazit hält das Gutachten sodann fest, dass der Beschwerdeführer ein durchschnittliches Lebensalter von 18 bis 29 Jahren aufweise. In Zusammenschau aller Untersuchungsbefunde ergebe sich im Zeitpunkt der Untersuchung ein Mindestalter von 21 Jahren (21.6 Jahren). Das von ihm angegebene Geburtsdatum könne aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage nicht zutreffen (vgl. Sachverhalt oben, Bst. G, A14).

        Praxisgemäss stellt dieses Ergebnis des Altersgutachtens ein starkes Indiz dafür dar, dass die Altersangaben des Beschwerdeführers nicht zutreffen und er entgegen seiner Behauptung volljährig ist.

      4. Sodann wies die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass der Beschwerdeführer gemäss Auskunft der griechischen Behörden mit Geburtsdatum vom (…) 1997 registriert wurde, was mit seinen Identitätsangaben gegenüber den schweizerischen Asylbehörden nicht übereinstimmt. Bei der EB UMA gab der Beschwerdeführer zwar auch zu Protokoll, dass er bei den griechischen Behörden mit diesem Geburtsdatum (und somit als volljährig) registriert worden sei (vgl. A12, Ziffer 2.06). Seine Behauptung, dass das in Griechenland vermerkte Geburtsdatum aber nicht von ihm persönlich, sondern von einem anderen Jugendlichen angegeben worden sei, ist nicht plausibel. Das SEM wies zu Recht darauf hin, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung widerspreche, dass man das eigene Geburtsdatum – unabhängig vom aktuellen Gemütszustand – nicht korrekt angeben könne.

    1. In Bezug auf die nachgereichte Geburtsurkunde führte die Vorinstanz zutreffend aus, es bleibe im Dunkeln, wie der Beschwerdeführer in den Besitz dieses Dokumentes gekommen sei, nachdem er angegeben habe, in Somalia über keine Verwandte mehr zu verfügen. Die Geburtsurkunde weist keine Sicherheitsmerkmale auf und ist somit nicht fälschungssicher, weshalb diesem Beweismittel unabhängig von der Art seiner Beschaffung ein nur geringer Beweiswert zukommt.

    2. Nach dem Gesagten gelangt das Gericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände (vgl. EMARK 2004 Nr. 30 E. 5.3.4 S. 210) in Übereinstimmung mit der Vorinstanz zum Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, die von ihm geltend gemachte Minderjährigkeit

      zum Zeitpunkt seiner Gesuchseinreichung in der Schweiz glaubhaft zu machen.

    3. Bezüglich des Antrags um Berichtigung des ZEMIS-Eintrages (Rechtsbegehren 1, zweiter Teilsatz) ist die Beschwerde abzuweisen. Vorliegend lässt sich das exakte Geburtsdatum des Beschwerdeführers nicht beweisen. Somit sind diejenigen Daten einzutragen, welche am wahrscheinlichsten – respektive überwiegend wahrscheinlich – sind. Aufgrund aller Beweismittel und Indizien steht nach dem oben Gesagten fest, dass die Volljährigkeit des Beschwerdeführers wahrscheinlicher ist als die behauptete Minderjährigkeit (vgl. E. 6.3). Das im ZEMIS (mit einem Bestreitungsvermerk) eingetragene Geburtsdatum vom (...) 2000 ist daher unverändert zu belassen.

    4. Im Nachfolgenden ist der Frage nachzugehen, ob der Nichteintretensentscheid des SEM zu Recht ergangen ist.

7.

    1. Gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG wird auf ein Asylgesuch in der Regel nicht eingetreten, wenn die asylsuchende Person in einen nach Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG als sicher bezeichneten Drittstaat zurückkehren kann, in welchem sie sich vorher aufgehalten hat.

    2. Der Bundesrat bezeichnet Staaten, in denen nach seinen Feststellungen effektiver Schutz vor Rückschiebung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 AsylG besteht, als sichere Drittstaaten (Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG). Mit Beschluss des Bundesrates vom 14. Dezember 2007 wurden sämtliche Länder der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) als sichere Drittstaaten bezeichnet.

    3. Die Vorinstanz stellt in der angefochtenen Verfügung zutreffend fest, dass der Bundesrat Griechenland als sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG bezeichnet hat. Den vorinstanzlichen Akten ist sodann zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Griechenland subsidiären Schutz erhalten hat und die griechischen Behörden seiner Rückübernahme ausdrücklich zugestimmt haben. Demnach sind die Voraussetzungen für einen Nichteintretensentscheid nach Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG erfüllt, weshalb das SEM auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers zu Recht nicht eingetreten ist.

8.

Tritt das SEM auf ein Asylgesuch nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

Der Beschwerdeführer verfügt insbesondere weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4, 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

9.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).

      Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

    2. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz (insb. Art. 5 Abs. 1 AsylG, Art. 33 Abs. 1 FK, Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [FoK, SR 0.105] und Art. 3 EMRK) einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG). Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind.

      1. Gemäss Art. 6a AsylG besteht zugunsten sicherer Drittstaaten – wie Griechenland einer ist – die (widerlegbare) Vermutung, dass diese ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen, darunter im Wesentlichen das Refoulement-Verbot und grundlegende menschenrechtliche Garantien, einhalten (vgl. FANNY MATTHEY, in: Cesla Amarelle/Minh Son Nguyen, Code annoté de droit des migrations, Bern 2015, Art. 6a AsylG N 12 S. 68). Gestützt auf Art. 83 Abs. 5 AIG besteht ferner die Vermutung, dass eine Wegweisung in

        einen EUoder EFTA-Staat in der Regel zumutbar ist. Es obliegt der betroffenen Person, diese beiden Legalvermutungen umzustossen. Dazu hat sie ernsthafte Anhaltpunkte dafür vorzubringen, dass die Behörden des in Frage stehenden Staates im konkreten Fall das Völkerrecht verletzen, ihr nicht den notwendigen Schutz gewähren oder sie menschenunwürdigen Lebensumständen aussetzen würden respektive, dass sie im in Frage stehenden Staat aufgrund von individuellen Umständen sozialer, wirtschaftlicher oder gesundheitlicher Art in eine existenzielle Notlage geraten würde (vgl. statt vieler das Urteil des BVGer E-5435/2021 vom 22. Januar 2022 E. 7.2.1).

      2. Zwar anerkennt das Bundesverwaltungsgericht, dass die Lebensbedingungen in Griechenland für dort anerkannte Schutzberechtigte in fast allen Bereichen des täglichen Lebens äusserst schwierig sind und sich die Alltagsbewältigung als beschwerlich gestaltet. Es ist aber nicht von einer Situation auszugehen, in der jeder Person mit Schutzstatus in Griechenland eine unangemessene und erniedrigende Behandlung im Sinne einer Verletzung von Art. 3 EMRK drohen würde. Wie das SEM in der angefochtenen Verfügung zutreffend festhielt, sind Personen mit Schutzstatus griechischen Bürgern und Bürgerinnen grundsätzlich gleichgestellt in Bezug auf Fürsorge, den Zugang zu Gerichten und den öffentlichen Schulunterricht respektive gleichgestellt mit anderen Ausländern und Ausländerinnen, beispielsweise in Bezug auf Erwerbstätigkeit oder Gewährung einer Unterkunft (vgl. Art. 16-24 FK). Unterstützungsleistungen und weitere Rechte können direkt bei den zuständigen Behörden eingefordert werden, falls notwendig auf dem Rechtsweg. Es kann trotz der eheblichen Schwächen nicht von einem völlig dysfunktionalen Aufnahmesystem gesprochen werden. Immerhin ist nicht von der Hand zu weisen, dass gewisse Angebote für Schutzberechtigte in Griechenland bestehen, wenn auch die Kapazitäten knapp sind und Infrastrukturhilfen und Angebote bisher vor allem von internationalen Akteuren, zuvorderst der Europäischen Union, dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) und der IOM abhängen, die – in Zusammenarbeit mit der lokalen Zivilgesellschaft – Leistungen erbringen und finanzieren. Nicht zuletzt können Schutzberechtigte sich auch auf die Garantien in der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU berufen, auf die sich Griechenland als EU-Mitgliedstaat behaften lassen muss. Von Interesse sind diesbezüglich insbesondere die Regeln betreffend den Zugang von Personen mit Schutzstatus zu Beschäftigung (Art. 26), Bildung (Art. 27), Sozialhilfeleistungen (Art. 29), Wohnraum (Art. 32) und medizinischer Versorgung (Art. 30). Im Falle einer Verletzung

        der Garantien der EMRK steht gestützt auf Art. 34 EMRK sodann letztinstanzlich der Rechtsweg an den EGMR offen (vgl. Referenzurteil D-559/2020 vom 13. Februar 2020 E. 8).

      3. Der Beschwerdeführer hat in Griechenland subsidiären Schutz erhalten. Es besteht daher kein Anlass zur Annahme, es drohe ihm eine Verletzung des in Art. 33 Abs. 1 FK verankerten Grundsatzes der Nichtrückschiebung. Aufgrund der Akten liegen ferner keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er für den Fall einer Ausschaffung nach Griechenland dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer machte anlässlich der EB UMA geltend, er habe in Griechenland eine Aufenthaltsbewilligung besessen und deswegen keine Unterstützung mehr erhalten; man habe keine Unterkunft und keine Arbeit.

        Er brachte jedoch nicht konkret vor, sich während seines Aufenthalts in Griechenland vergeblich um Hilfe oder Unterstützung seitens der Behörden bemüht zu haben. Unter diesen Umständen ist im heutigen Zeitpunkt nicht von einem «real risk» auszugehen, dass er bei einer Rückkehr nach Griechenland einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt wäre. Auch unter Berücksichtigung der Schwächen des griechischen Aufnahmesystems vermag allein die blosse Möglichkeit, in nicht absehbarer Zeit aus nicht voraussehbaren Gründen in eine missliche Lebenssituation zu geraten, die hohe Schwelle zum «real risk» nicht zu erreichen.

      4. In Bezug auf den medizinischen Sachverhalt rügt der Beschwerdeführer zunächst eine unvollständige Abklärung des medizinischen Sachverhalts. Die Vorinstanz habe den rechtlichen Gehörsanspruch des Beschwerdeführers verletzt.

        1. Im Verwaltungsund namentlich im Asylverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz, das heisst die Behörde stellt den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen fest (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 12 VwVG; vgl. Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG). Für das erstinstanzliche Asylverfahren bedeutet dies, dass das SEM zur richtigen und vollständigen Ermittlung und zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts verpflichtet ist und auch nach allen Elementen zu forschen hat, die zugunsten der asylsuchenden Person sprechen. Der Untersuchungsgrundsatz gilt nicht uneingeschränkt, zumal er sein Korrelat in der Mitwirkungspflicht des Asylsuchenden findet (Art. 13 VwVG und Art. 8 AsylG; vgl. Christoph Auer, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das

          Verwaltungsverfahren [VwVG], 2. Aufl. 2019, Art. 12 Rz. 9; BVGE 2012/21

          E. 5.1). Die entscheidende Behörde darf sich trotz des Untersuchungsgrundsatzes in der Regel darauf beschränken, die Vorbringen einer asylsuchenden Person zu würdigen und die von ihr angebotenen Beweise abzunehmen, ohne weitere Abklärungen vornehmen zu müssen. Nach Lehre und Praxis besteht eine Notwendigkeit für über die Befragung hinausgehende Abklärungen insbesondere dann, wenn aufgrund der Vorbringen der asylsuchenden Person und der von ihr eingereichten oder angebotenen Beweismittel Zweifel und Unsicherheiten am Sachverhalt weiterbestehen, die voraussichtlich mit Ermittlungen von Amtes wegen beseitigt werden können (vgl. BVGE 2009/50 E. 10.2.1 S. 734 m.H.a. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1995 Nr. 23 E. 5a).

        2. Aus den insgesamt sechs Berichten von Facharztpersonen geht hervor, dass beim Beschwerdeführer eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion und «Verdacht» einer PTBS festgestellt wurde. Im neusten Bericht des Ärzte-Teams (…) vom 22. Dezember 2021 wurde eine PTBS diagnostiziert. Er wurde respektive wird medikamentös behandelt.

        3. Abgesehen von diesen Diagnosen liegen keine Hinweise auf eine lebensbedrohende psychische Erkrankung vor. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer die geschilderten Leiden schon seit längerer Zeit hat, ohne dass dies beispielsweise seine Reisetätigkeit beeinträchtigt hätte. Er hat anlässlich der EB UMA nicht geltend gemacht, in Griechenland auf medizinische Versorgung angewiesen gewesen zu sein, sich konkret um eine ärztliche Behandlung bemüht und diese nicht erhalten zu haben. Seine Einwendungen gegen eine Rückweisung nach Griechenland bezogen sich einzig auf die Unterkunftsund Arbeitssituation (vgl. A12, Ziffer 8.01).

        4. Es liegen bereits sechs Arztberichte bei den Akten, die sich zum psychischen und physischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers äussern. In der Beschwerdeschrift wird zwar die Einreichung eines weiteren Berichts in Aussicht gestellt (vgl. S. 11 Mitte). Nachdem bereits in den Arztberichten vom 18. November 2021 und 22. Dezember 2021 das Vorliegen einer PTBS festgestellt worden waren, durfte das SEM aber von einem erstellten medizinischen Sachverhalt ausgehen. Entgegen den Vorbringen in der Rechtsmitteleingabe ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz nicht noch weitere Untersuchungen des Gesundheitszu-

          standes einleitete. Eine Verletzung der Pflicht zur Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts liegt nicht vor. Es ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern das SEM diesbezüglich den rechtlichen Gehörsanspruch des Beschwerdeführers verletzt haben sollte, nachdem es vom Vorliegen einer PTBS-Erkrankung ausgegangen ist, jedoch deren Behandelbarkeit in Griechenland unter Bezugnahme auf das Urteil des BVGer E-1985/2021 bejaht hat (vgl. SEM-Verfügung, Ziff. III/2, S. 8 unten).

      5. Weder die psychischen Beschwerden noch die übrigen gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers geben zur Befürchtung Anlass, dass bei einer Überstellung nach Griechenland eine ernsthafte, rapide und irreversible Verschlechterung seiner Lage, verbunden mit übermässigem Leiden oder einer bedeutenden Verkürzung der Lebenserwartung, zu erwarten wäre, wie sie zur Annahme der Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs aus medizinischen Gründen gefordert wird.

      6. Insgesamt erweist sich der Vollzug der Wegweisung somit als zulässig.

    1. Der Vollzug der Wegweisung kann nach Art. 83 Abs. 4 AIG für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wie bereits erwähnt, besteht gestützt auf Art. 83 Abs. 5 AIG die Vermutung, dass eine Wegweisung in einen EUoder EFTA-Staat in der Regel zumutbar ist.

      1. Die Vorinstanz hat in ihrer Verfügung den Vollzug der Wegweisung auch unter dem Aspekt der Zumutbarkeit mit zutreffender Begründung bejaht. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann vorab auf die betreffenden Erwägungen in der angefochtenen Verfügung verwiesen werden. In der Beschwerde finden sich keine über diejenigen in der Stellungnahme vom

        21. Januar 2022 substanziell hinausgehenden Einwendungen, welche zu einer anderen Betrachtungsweise führen könnten. Soweit vorgebracht wird, der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr die zwingend vorgesehenen Dienstleistungen in Griechenland nicht erhalten, weshalb der Wegweisungsvollzug zumindest unzumutbar sei, ist festzustellen, dass das griechische Fürsorgesystem zwar in der Kritik steht, Griechenland aber an die erwähnte Richtlinie 2011/95/EU gebunden ist. Selbst wenn die Lebensbedingungen in Griechenland aufgrund der herrschenden Wirtschaftslage nicht einfach sind, liegen keine Hinweise für die Annahme vor, dass

        der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Griechenland einer existenziellen Notlage ausgesetzt wäre, zumal er nicht geltend macht, sich je an die Behörden gewendet zu haben, um Leistungen einzufordern, die ihm dann verweigert worden wären. Vom Beschwerdeführer darf erwartet werden, sich bei Unterstützungsbedarf an die griechischen Behörden zu wenden und die erforderliche Hilfe nötigenfalls auf dem Rechtsweg einzufordern. Obschon es sich bei Griechenland um einen Rechtsstaat handelt, welcher an die Qualifikationsrichtlinie gebunden ist, ist es durchaus möglich, dass ihm der Zugang zu innerstaatlichen Instanzen nicht mühelos alleine gelingt. Aber auch in Griechenland existieren Nichtregierungsorganisationen, die ihm in dieser Hinsicht behilflich sein können. Bei einer Rückkehr nach Griechenland kann er sich – sollte er nicht in das HELIOS-Programm aufgenommen werden – um Zugang in ein anderes Unterstützungsprogramm bemühen. Auch wenn eine adäquate Eingliederung des Beschwerdeführers in die sozialen Strukturen Griechenlands als Person mit subsidiärem Schutz mit nicht zu verkennenden Erschwernissen verbunden ist, vermögen die Vorbringen die hohen Anforderungen an eine konkrete Gefährdung nicht zu erfüllen.

      2. Bezüglich des geltend gemachten medizinischen Sachverhalts ist nochmals festzuhalten, dass den Akten keine Hinweise zu entnehmen sind, dass die vorgebrachten psychischen Probleme in Griechenland nicht behandelt werden könnten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem bereits zitierten Urteil E-1985/2021 E. 7.4.1 die Behandlungsmöglichkeit psychischer Beschwerden inklusive PTBS in Griechenland, namentlich in Athen, bejaht.

        Die mit dem Vollzug der Wegweisung beauftragten schweizerischen Behörden werden die griechischen Behörden vor der Durchführung der Wegweisung über die besonderen medizinischen Bedürfnisse des Beschwerdeführers zu informieren und diesen Umständen bei der Bestimmung geeigneter Vollzugsmodalitäten Rechnung zu tragen haben. Der Beschwerdeführer ist seinerseits gehalten, bei der Vorbereitung seiner Rückkehr mit den Vollzugsbehörden zu kooperieren, was seine geordnete und gut vorbereitete Rückkehr erleichtern würde. Es steht ihm auch frei, von den Möglichkeiten der Rückkehrhilfe Gebrauch zu machen (vgl. Art. 93 Abs. 1 Bst. d AsylG, Art. 75 der der Asylverordnung 2 vom 11. August 1999 [AsylV 2, SR 142.312]). Bei dieser Sachlage besteht keine Veranlassung, individuelle Zusicherungen der griechischen Behörden einzuholen, weshalb das betreffende Rechtsbegehren (vgl. Beschwerde, Rechtsbegehren 3) abgewiesen wird.

      3. Aufgrund der Aktenlage ist somit nicht davon auszugehen, er gerate bei einer Rückkehr nach Griechenland zwangsläufig in eine seine Existenz gefährdende Situation. Damit ist der Vollzug der Wegweisung auch zumutbar.

    2. Der Vollzug der Wegweisung ist schliesslich nach Art. 83 Abs. 2 AIG möglich, da die griechischen Behörden einer Rückübernahme des Beschwerdeführers ausdrücklich zugestimmt haben, er dort über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt und den Akten keine Hinweise auf eine Reiseunfähigkeit zu entnehmen sind.

    3. Zusammenfassend hat das SEM zu Recht den Wegweisungsvollzug nach Griechenland als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet, weshalb die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme ausser Betracht fällt.

10.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und – soweit diesbezüglich überprüfbar – angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

11.

    1. Der Antrag auf Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses erweist sich mit vorliegendem Urteil als gegenstandslos.

    2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten grundsätzlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da die Beschwerde nicht als von Vornherein aussichtslos betrachtet werden kann und von der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers auszugehen ist, ist das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG gutzuheissen. Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde betreffend Nichteintreten auf das Asylgesuch und Wegweisung wird abgewiesen.

2.

Die Beschwerde betreffend Datenänderung im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) wird abgewiesen.

3.

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird gutgeheissen.

4.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

5.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde, das Generalsekretariat des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartements (EJPD) sowie den EDÖB.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Roswitha Petry Sandra Bodenmann

(Rechtsmittelbelehrung nächste Seite)

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen Ziffer 2 dieses Entscheids kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind beizulegen, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat (Art. 42 BGG).

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