Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-2226/2020 |
Datum: | 27.05.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Vollzug der Wegweisung (verkürzte Beschwerdefrist) |
Schlagwörter : | Vorinstanz; Verfügung; Diagnose; Behandlung; Georgien; Bundesverwaltungsgericht; Verfahren; Abklärung; Wegweisung; Akten; Arztbericht; Abklärungen; Sachverhalt; Begründung; Situation; Probleme; Beschwerden; Beurteilung; Entscheid; Konsilium; Dispositiv; Vollzug; Schweiz; Zuweisungsentscheid; Bezug; Dispositivziffer; Erwägungen |
Rechtsnorm: | Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 61 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Müller, Schindler, Auer, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich, Art. 49 VwVG, 2008 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Abteilung V E-2226/2020
Besetzung Einzelrichter Lorenz Noli,
mit Zustimmung von Richter Gérard Scherrer, Gerichtsschreiber Kevin Schori.
Parteien A. , geboren am ( ), Georgien,
vertreten durch MLaw Michèle Angst, Rechtsschutz für Asylsuchende,
( ),
Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Vollzug der Wegweisung (verkürzte Beschwerdefrist); Verfügung des SEM vom 20. April 2020.
Die Beschwerdeführerin suchte am 3. November 2019 in der Schweiz um Asyl nach. In der Folge wurde sie dem Bundesasylzentrum (BAZ)
B.
zugewiesen. Anlässlich der Personalienaufnahme (PA) vom
7. November 2019 und der vertieften Anhörung zu den Asylgründen vom
6. März 2020 machte sie im Wesentlichen Folgendes geltend:
Sie stamme aus Tiflis und sei bei ihrem Vater und ihren Grosseltern aufgewachsen. Ihre Mutter habe sie und ihren Vater schon früh verlassen und eine neue Familie gegründet. Ihr Vater habe ungefähr im Jahr 2013 Suizid begangen, der Grossvater sei im selben Jahr ebenfalls verstorben. Daraufhin habe sie psychische Probleme bekommen, welche schliesslich zur ( ) geführt hätten. Sie selber habe zwei Selbstmordversuche unternommen und sei in Georgien in psychiatrischer Behandlung gewesen. Weil sie kein Geld mehr gehabt habe, sei sie im ( ) 2018 nach Italien gereist, um dort zu arbeiten. Dort habe sie verschiedentlich als Pflegerin für betagte Menschen und auch einmal kurz in einem Krankenhaus gearbeitet. Da sie sich in dieser Zeit in einem schlechten Zustand befunden habe, habe sie ihre Arbeitsstellen immer wieder verlassen oder sei entlassen worden. Nach ihrer letzten Entlassung habe sie sich entschieden, zwecks ihrer medizinischen Behandlung in die Schweiz zu kommen.
Die Beschwerdeführerin reichte ihren georgischen Pass sowie einen Bericht ihres früheren georgischen Arztes zu den Akten.
Mit Zuweisungsentscheid der Vorinstanz vom 11. März 2020 wurde die Beschwerdeführerin dem erweiterten Verfahren zugewiesen. Gemäss den Ausführungen im Zuweisungsentscheid bedürfe das Asylgesuch der Beschwerdeführerin weiterer Abklärungen in Bezug auf die geltend gemachten medizinischen Probleme.
Mit Schreiben vom 13. März 2020 informierte die rubrizierte Rechtsvertreterin das SEM über die Weiterführung ihres seit dem 6. November 2019 bestehenden Mandatsverhältnisses im erweiterten Verfahren.
Mit Verfügung vom 20. April 2020 - eröffnet gleichentags - verneinte die Vorinstanz die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin und lehnte
ihr Asylgesuch ab (Dispositivziffern 1-2). Gleichzeitig verfügte sie ihre Wegweisung aus der Schweiz (Dispositivziffer 3), ordnete den Vollzug an (Dispositivziffern 4-5) und händigte ihr die editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis aus (Dispositivziffer 6). Auf die Begründung wird - soweit wesentlich - in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Mit Beschwerde vom 27. April 2020 an das Bundesverwaltungsgericht beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur vollständigen Feststellung des Sachverhalts sowie eventualiter die vorläufige Aufnahme aufgrund der Unzulässigkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs. In prozessualer Hinsicht beantragte sie die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung inklusive Kostenvorschussverzicht. Auf die Begründung wird - soweit wesentlich - in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Mit Zwischenverfügung vom 29. April 2020 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin den Eingang der Beschwerde und verfügte, dass sie den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten könne.
Die vorinstanzlichen Akten lagen dem Bundesverwaltungsgericht am
28. April 2020 in elektronischer Form vor (vgl. Art. 109 Abs. 1 AsylG).
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; sie ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 3 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Vorliegend angefochten ist lediglich der angeordnete Vollzug der Wegweisung. Die angefochtene Verfügung ist demnach in Bezug auf die Dispositivziffern 1 bis 3 (Verneinung der Flüchtlingseigenschaft, Verweigerung des Asyls sowie die Wegweisung als solche) in Rechtskraft erwachsen. Auf die Wiedergabe der diesbezüglichen Erwägungen in der vorinstanzlichen Verfügung wird daher nachfolgend verzichtet.
Über offensichtlich begründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
Zur Begründung ihres Entscheids führte die Vorinstanz im Vollzugspunkt an, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG mangels Flüchtlingseigenschaft nicht angewandt werden könne. Ferner ergäben sich aus den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass ihr im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine durch Art. 3 EMRK verbotene Strafe oder Behandlung drohe. Im Weiteren spreche weder die in Georgien herrschende politische Situation
noch andere Gründe gegen die Zumutbarkeit der Rückführung. Selbst wenn gemäss dem Arztbericht vom ( ) Januar 2020 eine genaue Diagnose noch nicht habe gefällt werden können, sei davon auszugehen, dass in Georgien für ihre Symptomatik Behandlungsmöglichkeiten vorhanden seien. Sie habe zudem selbst angegeben, in Georgien in psychiatrischer Behandlung gewesen zu sein und dass diese zu einer Verbesserung ihrer Situation geführt habe. Ihre Angabe, dass man sie nicht weiter habe behandeln wollen, widerspreche dem von ihr eingereichten georgischen Arztbericht - vielmehr habe sie selbst einen stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik abgelehnt. Dass sie die angebotene Behandlung nicht als adäquat erachte, sei kein Grund für die Annahme, dass ihr die notwendige medizinische Behandlung in Georgien nicht zur Verfügung stehe. Aufgrund der vorliegenden Akten sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb sie keinen Zugang zum staatlichen Programm zur Eliminierung von ( ) haben sollte. Im Übrigen verfüge sie über eine Ausbildung als ( ), habe bereits Arbeitserfahrung als ( ) gesammelt und verfüge über eine gesicherte Wohnsituation bei ihrer Grossmutter.
Das SEM stützte seinen Entscheid auf Art. 108 Abs. 3 AsylG und Art. 40 AsylG in Verbindung mit Art. 6a Abs. 2 Bst. a AsylG.
Zur Begründung ihrer Beschwerde rügte die Beschwerdeführerin zunächst ein widersprüchliches Vorgehen der Vorinstanz. Mit Zuweisungsentscheid vom 11. März 2020 habe die Vorinstanz sie extra dem erweiterten Verfahren zugewiesen mit der unmissverständlichen Begründung, dass aus der Sicht der Vorinstanz ihr Asylgesuch in Bezug auf die geltend gemachten medizinischen Probleme weiterer Abklärungen bedürfe. Kurz darauf habe die Vorinstanz jedoch (in Anwendung von Art. 40 AsylG) gleichwohl direkt mit negativem Asylentscheid ihre Wegweisung aus der Schweiz verfügt, ohne in der Zwischenzeit die als notwendig angekündigten medizinischen Abklärungen überhaupt je vorgenommen zu haben. Noch zuvor habe ihre Rechtsvertretung mit Schreiben vom 13. März 2020 das SEM sogar noch ausdrücklich auf den Umstand hingewiesen, dass seit dem ( ) Januar 2020 entgegen den Ankündigungen in verschiedenen F2-Formularen keine Gespräche mit einem Psychiater stattgefunden hätten.
Im Resultat habe die Vorinstanz im vorliegenden Fall unzureichend abgeklärt, ob für die Beschwerdeführerin im Heimatland eine konkrete Gefährdung aufgrund einer medizinischen Notlage bestehe. Dem psychiatrischen Konsilium vom ( ) Januar 2020 sei denn auch klar zu entnehmen, dass in
ihrem Fall keine Diagnose betreffend den psychischen Gesundheitszustand möglich gewesen sei. Der behandelnde Arzt habe sogar vermerkt, dass eine genaue Differenzierung aufgrund der vielfältigen Symptomatik schwierig und weitere diagnostische Gespräche sicherlich notwendig seien. Dem Bericht sei ausserdem zu entnehmen, dass eine psychotherapeutische Behandlung indiziert sei. Zwar hätten im Anschluss an das psychiatrische Konsilium verschiedene Arzttermine stattgefunden, welche sich aber jeweils auf einen kurzen Termin bei einem Allgemeinarzt beschränkt hätten. Verschiedentlich geplante psychiatrische Gespräche beziehungsweise Verlaufskontrollen hätten gar nicht erst stattgefunden. Auch die weitergehenden F2-Formulare erschienen nicht sonderlich aufschlussreich. Das Prozedere sei an vielen Stellen nicht nachvollziehbar. Beispielsweise sei nach dem psychiatrischen Konsilium die Diagnose der ( ) angepasst und in den F2-Formularen vom ( ) und ( ) Januar 2020 mit einem Zusatz versehen worden. In den darauffolgenden F2-Formularen vom ( ) Februar 2020, ( ) März 2020 und ( ) April 2020 fehle hingegen die ( ) in der Auflistung der Diagnosen ohne nachvollziehbaren Grund. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Vorinstanz dies - nachdem ihre Rechtsvertretung sie darauf aufmerksam gemacht habe - nicht näher abgeklärt oder dies Niederschlag in der Begründung des Asylentscheids gefunden habe. Aufgrund ihrer heftigen emotionalen Reaktion im Zusammenhang mit einer möglichen Rückkehr nach Georgien sowie der regelmässig auftretenden Suizidgedanken und bereits erfolgter Suizidversuche sei zum heutigen Zeitpunkt von einer hohen Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass sich ihr Gesundheitszustand im Falle einer Rückkehr nach Georgien in lebensgefährlicher Weise verschlechtern würde. Schliesslich habe das SEM das Fehlen einer Diagnose nicht einmal bestritten. Eine solche sei jedoch elementar, um die weiteren Behandlungsmöglichkeiten einschätzen zu können. Die Beurteilung darüber falle überdies grundsätzlich nicht in die Kompetenz der Vorinstanz, sondern sei Fachärzten zu überlassen. Der pauschale Verweis auf das allgemeine Vorhandensein eines staatlichen Programms für psychische Erkrankung genüge angesichts ihrer offensichtlich komplexen psychischen Erkrankung nicht.
Im Weiteren habe die Vorinstanz ihre Ausführungen zum (aus ihrer Sicht nicht vorhandenen adäquaten) Zugang der benötigten psychiatrischen Behandlung in Georgien nicht gewürdigt und überprüft. Zudem habe das SEM nirgends Bezug auf ihre zahlreichen weiteren gesundheitlichen Probleme genommen und die weiteren Arztberichte nicht gewürdigt. Mit zwei Sätzen
klar ungenügend ausgefallen sei schliesslich auch die Prüfung ihrer individuellen Situation. Damit habe das SEM ebenfalls den Sachverhalt ungenügend abgeklärt und die Begründungspflicht verletzt.
Die Beschwerdeführerin äusserte sich in ihrer Beschwerdeeingabe in der Folge zu Behandlungsmöglichkeiten und den effektiven Zugang zu medizinischer Versorgung in Georgien und zu ihrer individuellen Situation.
Gemäss Art. 6 AsylG in Verbindung mit Art. 12 VwVG stellt die Asylbehörde den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Die Sachverhaltsfeststellung ist dabei unvollständig, wenn die Behörde trotz der geltenden Untersuchungsmaxime den Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt hat, oder nicht alle für den Entscheid wesentlichen Sachumstände berücksichtigt wurden (vgl. dazu BENJAMIN SCHINDLER, in: Auer/Müller/Schindler (Hrsg.), VwVG, Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich/St. Gallen 2008, Art. 49, Rz. 28, S. 676 f.). Ihre Grenze findet die Untersuchungspflicht allerdings in der Mitwirkungspflicht des Asylsuchenden (vgl. Art. 8 AsylG).
Hinsichtlich einer allfälligen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs aufgrund der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin erscheint der Sachverhalt nicht vollständig abgeklärt. Aufgrund der gegenwärtig vorliegenden Informationen ist es dem Gericht nicht möglich, sich ein verlässliches Bild über die tatsächliche Schwere der (psychischen) Er-
krankung der Beschwerdeführerin wie auch über die ihr in ihrem Heimatland zur Verfügung stehenden adäquaten Behandlungsmöglichkeiten zu machen.
So wurde im psychiatrischen Konsilium vom ( ) Januar 2020 ausdrücklich festgehalten, dass eine vielfältige Symptomatik bestehe, die eine genaue Differenzierung schwierig mache (vgl. zur ausführlichen diagnostischen Beurteilung die vorinstanzliche Akte [ ]-38/4; nachfolgend Akte 38). Dies zeigt sich auch, wie die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeeingabe zutreffend aufzeigte, im Wortlaut respektive der Formulierung der diagnostischen Beurteilung (hierzu ist auf die zutreffenden Ausführungen und den entsprechenden Hervorhebungen in der Beschwerdeeingabe zu verweisen, vgl. Beschwerdeeingabe S. 8 f.). Die psychischen Probleme der Beschwerdeführerin scheinen komplex und von gewisser Schwere zu sein, womit sich eine genauere Abklärung und Diagnose aufdrängt. Dieser Ansicht schien im Zeitpunkt des Zuweisungsentscheides auch das SEM gewesen zu sein, bevor es kurz darauf - aus nicht ersichtlichen Gründen - zum gegenteiligen Schluss kam und einfach den Asylentscheid erliess. Eine vollständige Prüfung der Therapiemöglichkeiten in Georgien - sowie der konkrete Zugang der Beschwerdeführerin hierzu - kann somit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorgenommen werden. Das SEM hat über das Asylgesuch - entgegen seiner ursprünglichen Einschätzung - entschieden, ohne die erforderlichen Abklärungen abzuwarten beziehungsweise vorzunehmen.
Nebst dem psychiatrischen Konsilium finden sich zahlreiche weitere Arztberichte in den Akten, welche ein vielfältiges Krankheitsbild der Beschwerdeführerin aufzeigen. So leide sie gemäss einem Arztbericht vom ( ) Januar 2020 - nebst den genannten psychischen Diagnosen - an einer chronischen ( ), ( ), ( ), (...), ( ) und ( ) (vgl. Akte 37). Im aktuellsten sich in den Akten befindlichen Arztbericht vom ( ) April 2020 findet sich eine weitere Präzisierung vorheriger Diagnosen respektive eine Addition von Diagnosen. Die Beschwerdeführerin leide demgemäss (zusätzlich) an einer ( ), einer ( ) und habe Schmerzen in den Extremitäten respektive der Schulterregion aufgrund eines «( )» (vgl. Akte 46). Im Arztbericht vom ( ) Februar 2020 wurde die (...) zwar unter Punkt 1.1 (Anamnese) und Punkt 1.4 (Verlauf) erwähnt; unter Punkt 2 (Diagnose) fehlt jedoch ein entsprechender Hinweis (vgl. Akte 40). Die Diagnose der (...) oder das Erwähnen einer entsprechenden ( ) fehlt sodann seit dem Arztbericht vom ( ) Februar 2020 vollständig (vgl. Akte 39). Es erschliesst sich dem Gericht nicht, weshalb diese zusätzliche Diagnose in den Arztberichten seither
keine Erwähnung mehr findet. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs sind sämtliche gesundheitlichen Beschwerden zumindest summarisch zu berücksichtigen, auch wenn ein Grossteil der Diagnosen dabei eine untergeordnete Rolle spielen dürfte. Aus der angefochtenen Verfügung geht indes nicht hervor, ob das SEM nebst den psychischen Beschwerden und der ( ) die übrigen gesundheitlichen Beschwerden der Beschwerdeführerin überhaupt zur Kenntnis genommen geschweige denn in ihrem Entscheid berücksichtigt hat.
Gemäss Art. 61 Abs. 1 VwVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück. Eine Kassation und Rückweisung an die Vorinstanz ist insbesondere angezeigt, wenn weitere Tatsachen festgestellt werden müssen und ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen ist. Die in diesen Fällen fehlende Entscheidungsreife kann grundsätzlich zwar auch durch die Beschwerdeinstanz selbst hergestellt werden, wenn dies im Einzelfall aus prozessökonomischen Gründen angebracht erscheint; sie muss dies aber nicht (vgl. BVGE 2012/21 E. 5). Vorliegend kann es nicht am Bundesverwaltungsgericht liegen, Fehler des SEM auf Beschwerdeebene systematisch zu beheben und damit die Vorinstanz gleichsam von einer sorgfältigen Verfahrensführung zu entbinden, zumal der Betroffenen durch ein solches Vorgehen eine Instanz verloren ginge. Somit fällt eine Heilung der festgestellten Mängel in der angefochtenen Verfügung nicht in Betracht (vgl. zum Ganzen BVGE 2009/53 E. 7.3). Angesichts der Rückweisung der Sache erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den in reformatorischer Hinsicht gestellten Eventualbegehren.
Im vorliegenden Fall ist es angezeigt, die Sache hinsichtlich der Prüfung etwaiger Vollzugshindernisse an das SEM zurückzuweisen, da die Erstellung des Sachverhalts bezüglich der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin weiterer Abklärungen bedarf.
Die Vorinstanz hat in einem ersten Schritt die psychischen Beschwerden der Beschwerdeführerin sowie die Therapienotwendigkeiten vollständig abzuklären. Hierzu sind aktuelle ärztliche (insb. psychiatrische) Berichte einzuholen. In einem weiteren Schritt hat die Vorinstanz einzelfallspezifisch abzuklären, ob beziehungsweise wo und in welcher Form und unter welchen Konditionen allenfalls notwendige Therapien im Heimatland der Beschwerdeführerin erhältlich sind. Gestützt auf diese Abklärungen ist sodann letztlich die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs neu
zu beurteilen, wobei das SEM auch die weiteren gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin zumindest in summarischer Weise zu berücksichtigen hat.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in ihrem Hauptbegehren gutzuheissen, die vorinstanzliche Verfügung vom 20. April 2020 aufzuheben und zur erneuten Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG). Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ist damit gegenstandslos geworden.
Der vertretenen Beschwerdeführerin ist keine Parteientschädigung auszurichten, da es sich vorliegend um eine zugewiesene unentgeltliche Rechtsvertretung im Sinne von Art. 102h AsylG handelt, deren Leistungen vom Bund nach Massgabe von Art. 102k AsylG entschädigt werden (vgl. auch Art. 111ater AsylG).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Der Entscheid vom 20. April 2020 wird aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
Lorenz Noli Kevin Schori
Versand:
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