Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-2902/2016 |
Datum: | 24.05.2016 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Wegweisung; Vollzug; Bruder; Vorinstanz; Verfügung; Heimat; Bundesverwaltungsgericht; Ausländer; Heimatstaat; Schweiz; Bruders; Verfahren; Situation; Gericht; Gewalt; Person; Arbeit; Asylgesuch; Flüchtlingseigenschaft; Lebens; Flucht; Asylrelevanz; Verfahrens; Parteien; Sachverhalt; ürde |
Rechtsnorm: | Art. 25 BV ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-2902/2016
Besetzung Einzelrichter David R. Wenger,
mit Zustimmung von Richterin Barbara Balmelli; Gerichtsschreiber Sascha Marcec.
Parteien A. , geboren am ( ), Irak,
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 7. April 2016/ N ( ).
Eigenen Angaben zufolge verliess der kurdische Beschwerdeführer im August 2015 seinen Heimatstaat legal in Richtung Türkei (mit eigener Identitätskarte und Reisepass) und gelangte schliesslich am 20. September 2015 über Istanbul sowie weitere ihm unbekannte Länder mit einem Personenwagen ohne Reisedokumente illegal in die Schweiz, wo er am selben Tag um Asyl nachsuchte. Anlässlich der Befragung zur Person (BzP) im Empfangsund Verfahrenszentrum Basel vom 29. September 2015 sowie der einlässlichen Anhörung zu den Asylgründen vom 18. Februar 2016 machte er zur Begründung seines Asylgesuchs folgenden Sachverhalt geltend:
Er habe im nordirakischen B. zusammen mit seinen Eltern, zwei Schwestern sowie seinem Bruder und dessen Ehefrau zusammengelebt. Sein Bruder habe infolge einer psychischen Erkrankung oft Wutanfälle und würde ihn jeweils schlagen, da er glaube, er würde seiner Frau schöne Augen machen. Er habe den Gesundheitszustand, die Aggressivität sowie die Wutanfälle seines Bruders nicht mehr ausgehalten und sich Ruhe gewünscht. Deswegen habe er sich entschieden, den Irak zu verlassen. Er trage zudem die Verantwortung für die ganze Familie, weil sein Bruder aufgrund seiner psychischen Verfassung nicht in der Lage sei, einer Arbeit nachzugehen. Es sei im Irak zur Zeit schwierig, eine Arbeit zu finden.
Mit am 11. April 2016 eröffneter Verfügung vom 7. April 2016 lehnte das SEM das Asylgesuch des Beschwerdeführers unter Verneinung der Flüchtlingseigenschaft ab, wies ihn aus der Schweiz weg und ordnete den Vollzug der Wegweisung an.
Mit Eingabe vom 10. Mai 2016 erhob der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Verfügung der Vorinstanz Beschwerde und beantragte in der Sache, der Entscheid des SEM sei aufzuheben, es sei die Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen und es sei ihm Asyl zu gewähren. Eventualiter sei festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung unzumutbar oder unzulässig sei, und es sei die vorläufige Aufnahme zu gewähren. In prozessualer Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung einschliesslich der Entbindung von der Vorschusspflicht und Ausrichtung einer Parteientschädigung.
Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet über die vorliegende Beschwerde endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung einer zweiten Richterin (Art. 111 Bst. e AsylG), ohne Weiterungen und mit summarischer Begründung zu behandeln (Art. 111a Abs. 1 und 2 AsylG).
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG). Diese Massnahmen können staatlicher oder nicht-staatlicher Natur sein und sind asylrelevant, wenn infolge ihrer Art und Intensität ein menschenwürdiges Leben im Verfolgerstaat verunmöglicht oder in unzumutbarer Weise erschwert wird, so dass sich die verfolgte Person dieser Zwangssituation nur durch Flucht entziehen kann.
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die
Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
Die Vorinstanz hält in der angefochtenen Verfügung fest, den gegen den Beschwerdeführer gerichteten Gewaltausbrüchen des Bruders komme keine Asylrelevanz zu. Auch wenn die Lebenssituation für den Beschwerdeführer nicht einfach sei, stelle sie keine Zwangslage dar, welcher er sich nur durch Flucht ins Ausland entziehen könne. Namentlich habe er den Wutausbrüchen ausweichen können und bei Freunden von Zeit zu Zeit Unterkunft gefunden. Letztlich habe der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben den Irak wegen der schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt verlassen. Zudem habe er sich nach Möglichkeiten für einen Nachzug des Bruders umsehen wollen, damit diesem im Ausland eine bessere medizinische Behandlung zuteil werden würde. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten problematischen Lebensumstände seien Ausdruck allgemeiner erschwerter wirtschaftlicher Bedingungen, die in seinem Heimatstaat herrschten und seien deshalb nicht asylrelevant im Sinne von Art. 3 AsylG.
Nach Prüfung der Akten schliesst sich das Gericht der Auffassung der Vorinstanz ohne Einschränkung an, dass der vom Beschwerdeführer geltend gemachten schwierigen Lebenssituation keine Asylrelevanz zukommt. Diese hat sich aufgrund der erschwerten wirtschaftlichen Situation im Irak ergeben. Ausserdem befand sich der Beschwerdeführer nicht in einer Zwangssituation, welcher er sich nur durch Flucht ins Ausland hätte entziehen können. Er lebte über zehn Jahre mit der Krankheit des Bruders und konnte vor dessen Gewaltausbrüchen jeweils zu Freunden ausweichen. In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was geeignet wäre, an dieser Einschätzung etwas zu ändern, zumal er im Wesentlichen seine bereits bekannten Vorbringen wiederholt. Er fügt lediglich an, dass sich das Verhalten seines Bruders in den vergangenen Jahren verschlimmert habe, und dieser mit einem Messer auf ihn habe einstechen wollen. Diesbezüglich hätte sich der Beschwerdeführer jedoch an die Polizei von B. wenden können, nachdem den Behörden die Probleme mit dem Bruder bekannt waren (vgl. Beschwerdeschrift, S. 2). Es mutet ausserdem seltsam an, dass der Beschwerdeführer einen dermassen schweren Vorfall, der sich kurz vor seiner Flucht ereignet haben soll, weder in der BzP noch
in der einlässlichen Anhörung erwähnte, weshalb diese Behauptung als nachgeschoben gelten muss. Die Schwierigkeit, Arbeit zu finden, ist schliesslich Ausdruck der allgemeinen wirtschaftlichen Lage im Nordirak, welcher keine Asylrelevanz zukommt. Zusammengefasst hat die Vorinstanz somit zu Recht die Asylrelevanz verneint und das Asylgesuch abgelehnt.
Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (BVGE 2009/50 E. 9). Die Wegweisung ist nicht zu beanstanden.
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG).
Der Vollzug der Wegweisung ist nach Art. 83 Abs. 3 AuG unzulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen. Da dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukommt, ist das flüchtlingsrechtliche Rückschiebungsverbot von Art. 33 Abs. 1 FK und Art. 5 AsylG nicht anwendbar. Die Zulässigkeit des Vollzuges beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen verfassungsund völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [FoK, SR 0.105]; Art. 3 EMRK).
Nach den erfolgten Erwägungen und aufgrund der Akten liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer für den Fall einer Ausschaffung in seinen Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Der Vollzug der Wegweisung ist demnach sowohl im Sinne der landesals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
Der Vollzug der Wegweisung kann nach Art. 83 Abs. 4 AuG unzumutbar sein, wenn der Ausländer oder die Ausländerin im Heimatoder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind.
Die Vorinstanz hielt in ihrer Verfügung fest, dass in den nordirakischen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymanyia keine Situation allgemeiner Gewalt herrsche, und verwies dabei auf das jüngste Referenzurteil des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil des BVGer E-3737/2015 vom 14. Dezember 2015 E. 7.4.5). Nach Erkenntnissen des Gerichts ist in den vier Provinzen der Autonomen Kurdischen Region heute nach wie vor nicht von einer Situation allgemeiner Gewalt im Sinn von Art. 83 Abs. 4 AuG auszugehen. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz geht das Gericht auch in individueller Hinsicht davon aus, dass es dem Beschwerdeführer, als jungem und gesundem Mann mit einem tragfähigen Beziehungsnetz in seiner Heimat, zuzumuten ist, dorthin zurückzukehren. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch als zumutbar.
Der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in den Heimatstaat ist schliesslich auch möglich, zumal es dem Beschwerdeführer obliegt, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12).
Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1 bis 4 AuG).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.
Die gestellten Begehren erweisen sich als aussichtslos, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ungeachtet einer allfälligen prozessualen Bedürftigkeit abzuweisen ist (Art. 65 Abs. 1 VwVG).
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird dem Beschwerdeführer keine Parteientschädigung zugesprochen (Art. 64 Abs. 1 VwVG).
Bei diesem Ausgang sind die Verfahrenskosten von Fr. 600.- (Art. 1 bis 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE], SR 173.320.2) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Mit dem vorliegenden Entscheid wird das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses gegenstandslos.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:
David R. Wenger Sascha Marcec
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