Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung I |
Dossiernummer: | A-5204/2019 |
Datum: | 07.07.2021 |
Leitsatz/Stichwort: | Zölle |
Schlagwörter : | Tarifnummer; Urteil; Markierstift; Markierstifte; BVGer; Kapitel; Vorschrift; Einreihung; Bundesverwaltungsgericht; Vorschriften; Nummern; Apparate; Geräte; Recht; Medizinprodukt; Harmonisierte; System; Übereinkommen; Instrumente; Zolltarif; Urteile; Zollverwaltung; Vorinstanz; Tarifeinreihung; Auskunft; Wortlaut; Anmerkungen; Erläuterungen; Verfahren; Generaltarif |
Rechtsnorm: | Art. 116 ZG ;Art. 20 ZG ;Art. 25 VwVG ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ; |
Referenz BGE: | 137 II 199; 141 V 175; 142 II 433 |
Kommentar: | - |
B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t
T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l
T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l
Abteilung I
A-5204/2019
Besetzung Richterin Marianne Ryter (Vorsitz),
Richter Keita Mutombo, Richter Raphaël Gani, Gerichtsschreiberin Anna Strässle.
(…),
Beschwerdeführerin,
gegen
Gegenstand Zolltarif; chirurgische Markierstifte.
Die A. AG hat ihren Sitz in (Sitz) und ist seit dem 23. Dezember 1992 im Handelsregister des Kantons (…) eingetragen. Sie bezweckt gemäss Handelsregister unter anderem (Zweck).
Mit amtlichem Fragebogen stellte die A. AG (nachfolgend: Gesuchstellerin) am 1. April 2019 bei der Zollkreisdirektion (…) (nachfolgend: ZKD) eine Tarifanfrage im Sinne von Art. 20 des Zollgesetzes vom 18. März 2005 (ZG, SR 631.0). Sie beschrieb die Ware im Fragebogen wie folgt: Zum Einmalgebrauch bestimmte sterile chirurgische Markierstifte zur genauen und zuverlässigen Markierung der Einschnittstelle vor der Operation.
Der Tarifanfrage lag eine Konformitätserklärung des amerikanischen Lieferanten vom 24. September 2016 bei, in welcher bestätigt wird, dass die verschiedenen aufgeführten Erzeugnisse – so unter anderem auch die chirurgischen Markierstifte – die Anforderungen an Medizinprodukte im Sinne der Richtlinie 93/42/EWG Anhang V erfüllen.
Die Gesuchstellerin schlug zur Einreihung die Tarifnummer 9018.9000 vor.
Mit Schreiben vom 25. April 2019 (per E-Mail am 26. April 2019 verschickt) erteilte die ZKD der Gesuchstellerin eine verbindliche Zolltarifauskunft und reihte die chirurgischen Markierstifte – entgegen dem Vorschlag der Gesuchstellerin – in die Tarifnummer 9608.2000 ein. Sie begründete dies insbesondere damit, dass laut Erläuterungen zur Tarifnummer 9018 nur Waren zählten, «wenn ihre Bestimmung zu medizinischen und chirurgischen Zwecken eindeutig erkennbar» sei. Alleine mit der sterilen Aufmachung lasse sich eine Einreihung in die Tarifnummer 9018 aber nicht begründen. Somit erfolge eine solche als Markierstift ins Kapitel 96.
Mit Schreiben vom 30. April 2019 und unter Bezugnahme auf das gleichentags erfolgte Telefongespräch zwischen der Gesuchstellerin und dem für die Zolltarifauskunft verantwortlichen Sachbearbeiter teilte die Gesuchstellerin mit, dass sie die Einstufung in die Tarifnummer 9608.2000 nicht nachvollziehen könne und berief sich ferner auf Art. 21 der Zollverordnung vom
1. November 2006 (ZV, SR 631.01). Sodann machte die Gesuchstellerin auf die «fehlende» Rechtsmittelbelehrung aufmerksam und bat um entsprechende Informationen.
Die ZKD überwies die Sache zur Prüfung der Tarifierung bzw. der Einreihungspraxis und zum Erlass einer Auskunftsverfügung an die Oberzolldirektion (OZD) der Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) und informierte die Gesuchstellerin mit Schreiben vom 2. Mai 2019 darüber.
Mit Schreiben vom 16. Mai 2019 teilte die OZD/EZV der Gesuchstellerin mit, dass eine auf schriftliche Anfrage erteilte schriftliche Zolltarifauskunft keine beschwerdefähige Verfügung darstelle und daher keine Rechtsmittelbelehrung enthalte. Auf Ersuchen habe die Zollverwaltung allerdings – vorbehältlich des Grundsatzes der Subsidiarität der Feststellungsverfügung gegenüber der rechtsgestaltenden Verfügung – eine anfechtbare Auskunftsverfügung zu erlassen. Hinsichtlich der Zolltarifierung machte die OZD/EZV die Gesuchstellerin auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1635/2015 vom 11. April 2016 aufmerksam, gemäss welchem chirurgische Markierstifte in die Tarifnummer 9608.2000 einzureihen seien und führte aus, dass sich die von der Zolltarifauskunft vom 25. April 2019 erfassten Markierstifte in keiner für die Tarifierung relevanten Weise von den damalig streitgegenständlichen unterscheiden würden. Die OZD/EZV bat die Gesuchstellerin um Mitteilung, ob diese die Angelegenheit bei dieser Sachlage weiterverfolge wolle und gab ihr bejahendenfalls zudem Gelegenheit, ihren Standpunkt noch zu begründen. Schliesslich machte die OZD/EZV die Gesuchstellerin darauf aufmerksam, dass zwischen der Einreihung im Zolltarif und Art. 21 ZV kein Zusammenhang bestehe.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2019 liess die Gesuchstellerin verlauten, bei den in der Konformitätserklärung aufgeführten Erzeugnissen handle es sich eindeutig um Medizinprodukte. Sie – die Gesuchstellerin – verwies diesbezüglich einerseits auf die CE-Kennzeichnung «CE-0086», welche für die Konformität als Medizinprodukt gemäss Medizinprodukteverordnung vom 1. Juli 2020 (MepV, SR 812.213) stehe und andererseits auf die Gebrauchsanweisung, welche das Produkt als Medizinprodukt bezeichne. Schliesslich machte sie auf die Tatsache aufmerksam, dass das Produkt für seinen Verwendungszweck als Medizinprodukt steril geliefert werde.
Mit Auskunftsverfügung vom 30. September 2019 reihte die OZD/EZV die streitgegenständlichen chirurgischen Markierstifte in die Tarifnummer 9608.2000 ein. Darin hielt sie unter anderem fest, die chirurgischen Markierstifte seien in die Nummer mit der genaueren Warenbezeichnung – vorliegend in die Tarifnummer 9608 – einzureihen.
Gegen die Auskunftsverfügung vom 30. September 2019 erhob die Gesuchstellerin (nachfolgend: Beschwerdeführerin) mit Eingabe vom 7. Oktober 2019 vor Bundesverwaltungsgericht Beschwerde. Sie beantragt sinngemäss, die angefochtene Auskunftsverfügung sei aufzuheben und die chirurgischen Markierstifte in die Tarifnummer 9018.9000 einzureihen. Letztere gälten nämlich als Medizinprodukte.
Mit Vernehmlassung vom 20. November 2019 beantragt die OZD/EZV (nachfolgend auch: Vorinstanz) die kostenfällige Abweisung der Beschwerde vom 7. Oktober 2019 und verweist zur Begründung vollumfänglich auf die Erwägungen der angefochtenen Verfügung.
Auf die Vorbringen der Verfahrensbeteiligten und die vorliegenden Akten wird – soweit entscheidrelevant – im Folgenden eingegangen.
9. Dezember 2012 E. 3.7; vgl. nachfolgend eingehender: E. 2.1). Die Vorinstanz ist eine Behörde im Sinne von Art. 33 VGG. Das Bundesverwaltungsgericht ist somit zur Behandlung der Beschwerde zuständig.
Die Tarifeinreihung einer Ware erfolgt grundsätzlich im Rahmen der Zollveranlagung anlässlich der Einfuhr (vgl. nachfolgend zur verbindlichen Tarifauskunft: E. 2.1). Die Vorschriften des VwVG finden gemäss dessen Art. 3 Bst. e auf das Verfahren der Zollveranlagung keine Anwendung. Dieser Vorbehalt gilt jedoch nicht für das Rechtsmittelverfahren (inkl. das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren), sondern nur für das eigentliche bzw. ergänzende Zollveranlagungsverfahren (vgl. auch: Art. 116 Abs. 4 ZG; statt vieler: Urteile des BVGer A-1635/2015 vom 11. April 2016
E. 1.2.1 f. und A-5907/2013 vom 4. April 2014 E. 1.3.1 f., je mit weiteren Hinweisen; MARTIN KOCHER, in: Kocher/Clavadetscher, Zollgesetz [ZG], Bern 2009 [nachfolgend: Kommentar ZG], Art. 116 N. 9 f.).
Das vorliegende Verfahren richtet sich somit – soweit das VGG nichts anderes bestimmt – nach den Vorschriften des VwVG (Art. 37 VGG).
Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Beschwerdeführung legitimiert. Die Beschwerde wurde zudem fristund formgerecht eingereicht (vgl. Art. 20 i.V.m. Art. 50 Abs. 1 VwVG; Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Auf das Rechtsmittel ist somit einzutreten.
Das Bundesverwaltungsgericht überprüft den angefochtenen Entscheid grundsätzlich in vollem Umfang. Die Beschwerdeführerin kann mit der Beschwerde neben der Verletzung von Bundesrecht auch die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie die Unangemessenheit rügen (vgl. Art. 49 VwVG).
Die Tarifierung kann mitunter schwierig und aufwändig sein, weshalb die Wirtschaftsteilnehmenden die Möglichkeit haben, einen schriftlichen Antrag für eine verbindliche Tarifauskunft bei der Zollverwaltung zu stellen (BARBARA SCHMID, Kommentar ZG, Art. 19 N. 22 mit Hinweisen). Laut Art. 20 Abs. 1 ZG erteilt die Zollverwaltung auf diese schriftliche Anfrage hin eine schriftliche Auskunft unter anderem über die zolltarifarische Einreihung. Hierbei kommt unter Vorbehalt von Art. 20 Abs. 3-5 ZG einzig schriftlich erteilten Auskünften Rechtsverbindlichkeit zu (vgl. zur Geltung in zeitlicher und sachlicher Hinsicht: KOCHER, Kommentar ZG, Art. 20 N. 9 ff.). Gerichtlich überprüfbar ist die Auskunft jedoch erst, wenn sie in Form einer anfechtbaren Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG ausgestaltet ist. Das
Bundesgericht hat in seinem Urteil 2C_423/2012 vom 9. Dezember 2012
E. 3.7 erkannt, dass die Zollverwaltung auf Ersuchen eine Auskunftsverfügung im Sinne von Art. 5 VwVG zu erlassen hat. Die Behörde kann jedoch auch von Amtes wegen eine solche Feststellungsverfügung erlassen, wenn sie ein öffentliches Feststellungsinteresse aufzeigt (Art. 25 Abs. 1 VwVG, vgl. BGE 137 II 199 E. 6.5.1 mit Hinweisen; zum Ganzen ausführlich: Urteil des BVGer A-3459/2014 vom 11. Februar 2015 E. 2.1.1).
Die angefochtene Auskunftsverfügung der Vorinstanz vom 30. September 2019 entspricht unbestrittenermassen den materiellen Kriterien gemäss Art. 5 VwVG und enthält die in Art. 35 VwVG genannten formellen Elemente (vgl. hierzu ausführlich: Urteil des BVGer A-3459/2014 vom 11. Februar 2015 E. 2.1.2 f.). Sodann hat die Beschwerdeführerin um eine solche ersucht.
Jede Wareneinfuhr über die schweizerische Zollgrenze unterliegt grundsätzlich der Zollpflicht (vgl. Art. 7 ZG). Die Waren müssen nach dem ZG sowie nach dem Zolltarifgesetz vom 9. Oktober 1986 (ZTG, SR 632.10) veranlagt werden. Gemäss Art. 1 Abs. 1 ZTG sind alle Waren, die über die schweizerische Zollgrenze einund ausgeführt werden, nach dem Generaltarif zu verzollen, welcher in den Anhängen 1 und 2 des ZTG enthalten ist.
Unter dem Begriff Generaltarif (vgl. dazu auch Art. 3 ZTG) ist ein unter Beachtung der inländischen Gesetzgebung und unter Berücksichtigung der nationalen Bedürfnisse geschaffener Zolltarif zu verstehen. Er enthält die Tarifnummern, die Bezeichnungen der Waren, die Einreihungsvorschriften, die Zollkontingente sowie die höchstmöglichen Zollansätze, wie sie grösstenteils im Abkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation (GATT/WTO-Abkommen, SR 0.632.20, für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Juli 1995) konsolidiert worden sind. Die Struktur des Generaltarifs basiert auf der Nomenklatur des internationalen Übereinkommens vom 14. Juni 1983 über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (nachfolgend: HS-Übereinkommen, SR 0.632.11, für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Januar 1988; vgl. statt vieler: Urteile des BVGer A-6248/2018 vom 8. Januar 2020 E. 3.2, A-5624/2018 vom 19. Juli 2019 E. 4.1 und A-1635/2015 vom 11. April 2016
E. 5.1.1).
Der Gebrauchstarif (vgl. dazu Art. 4 ZTG) entspricht im Aufbau dem Generaltarif und enthält die aufgrund von vertraglichen Abmachungen ermässigten Zollansätze. Er widerspiegelt die in Erlassen festgelegten gültigen Zollansätze (vgl. zum Ganzen auch Botschaft vom 19. September 1994 zu den für die Ratifizierung der GATT/WTO-Übereinkommen [Uruguay-Runde] notwendigen Rechtsanpassungen, BBl 1994 IV 950 ff., 1004 f.; siehe auch Botschaft vom 22. Oktober 1985 betreffend das Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren [HS] sowie über die Anpassung des schweizerischen Zolltarifs, BBl 1985 III 357, 377 f.). Der Gebrauchstarif, der für die Praxis primär relevant ist, umfasst demnach neben den unverändert gebliebenen Ansätzen des Generaltarifs alle zu einem bestimmten Zeitpunkt handelsvertraglich vereinbarten Zollansätze und die autonom gewährten Zollpräferenzen. Der Gebrauchstarif enthält zudem auch die in besonderen Erlassen geregelten, aufgrund autonomer Massnahmen ermässigten Zollansätze (Urteile des BVGer A-6248/2018 vom 8. Januar 2020 E. 3.2, A-3404/2017 vom 16. März 2018 E. 2.2 und A-1635/2015 vom 11. April 2016 E. 5.1.1;
BEUSCH/SCHNELL LUCHSINGER, Wie harmonisiert ist das Harmonisierte System wirklich? in: Zollrevue, 1/2017 S. 12 ff., S. 12; vgl. COTTIER/HERREN, Kommentar ZG, Einleitung Rz. 103).
Der Generaltarif wird in der Amtlichen Sammlung des Bundesrechts (AS) nicht veröffentlicht. Die Veröffentlichung erfolgt durch Verweis (Art. 5 Abs. 1 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 2004 [PublG, SR 170.512]). Der Generaltarif kann jedoch mitsamt seinen Änderungen bei der OZD eingesehen oder im Internet abgerufen werden (www.ezv.admin.ch bzw. www.tares.ch). Dasselbe gilt für den Gebrauchstarif (Art. 15 Abs. 2 und Anhänge 1 und 2 ZTG). Trotz fehlender Veröffentlichung in der AS kommt dem Generaltarif Gesetzesrang zu (statt vieler: BGE 142 II 433 E. 5; Urteile des BVGer A-6248/2018 vom 8. Januar 2020 E. 3.3, A-3404/2017 vom 16. März 2018 E. 2.3 und A-1635/2015 vom 11. April 2016 E. 5.1.2; BEUSCH/SCHNELL LUCHSINGER, a.a.O., S. 12).
Die Vertragsstaaten des HS-Übereinkommens (E. 2.3) – darunter die Schweiz – sind verpflichtet, ihre Tarifnomenklaturen mit dem Harmonisierten System in Übereinstimmung zu bringen und beim Erstellen der nationalen Tarifnomenklatur alle Nummern und Unternummern des Harmonisierten Systems sowie die dazugehörenden Codenummern zu verwenden, ohne dabei etwas hinzuzufügen oder zu ändern. Sie sind weiter verpflichtet, die allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des Harmonisierten
Systems (vgl. nachfolgend: E. 2.5.4) sowie alle Abschnitt-, Kapitelund Unternummern-Anmerkungen anzuwenden. Sie dürfen den Geltungsbereich der Abschnitte, Kapitel, Nummern oder Unternummern des Harmonisierten Systems nicht verändern und haben seine Nummernfolge einzuhalten (Art. 3 Ziff. 1 Bst. a des HS-Übereinkommens; vgl. zum Ganzen: Urteile des BVGer A-703/2019 vom 8. Juni 2020 E. 2.2.1, A-6248/2018 vom 8. Ja-
nuar 2020 E. 3.4.1 und A-1635/2015 vom 11. April 2016 E. 5.2.1; BEUSCH/SCHNELL LUCHSINGER, a.a.O., S. 14).
Die Nomenklatur des Harmonisierten Systems bildet somit die systematische Grundlage des schweizerischen Generaltarifs, dessen Kodierung durchwegs als achtstellige Tarifnummer pro Warenposition ausgestaltet und damit gegenüber der sechsstelligen Nomenklatur des Harmonisierten Systems um zwei Stellen verfeinert ist. Somit ist die schweizerische Nomenklatur bis zur sechsten Ziffer völkerrechtlich bestimmt. Die siebte und achte Position bilden schweizerische Unternummern, denen grundsätzlich ebenso Gesetzesrang zukommt, soweit sie mit Erlass des ZTG geschaffen worden sind. Da sowohl Bundesgesetze als auch Völkerrecht für die Zollverwaltung und alle anderen Rechtsanwender nach dem sog. Anwendungsgebot massgebendes Recht darstellen, ist diesfalls das Bundesverwaltungsgericht an die gesamte achtstellige Nomenklatur gebunden (Art. 190 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]; vgl. statt vieler: Urteile des BVGer A-6248/2018 vom 8. Januar 2020 E. 3.4.2 und A-5624/2018 vom 19. Juli
2019 E. 4.4; vgl. auch REMO ARPAGAUS, Zollrecht, 2. Auf. 2007, Rz. 578).
Die Vertragsstaaten des HS-Übereinkommens beabsichtigen eine einheitliche Auslegung der völkerrechtlich festgelegten Nomenklatur (vgl. Art. 7 Ziff. 1 Bst. b und c und Art. 8 Ziff. 2 des HS-Übereinkommens). Hierzu dienen unter anderem die «Avis de classement» (nachfolgend: Einreihungsavisen) und die «Notes explicatives du Système Harmonisé» (nachfolgend: Erläuterungen), welche vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (Weltzollrat; heute: Weltzollorganisation) auf Vorschlag des Ausschusses des Harmonisierten Systems genehmigt worden sind (Art. 1 Bst. e und f i.V.m. Art. 7 Ziff. 1 Bst. a-c i.V.m. Art. 8 Ziff. 2 und 3 des HS-Übereinkommens; Urteil des BVGer A-1635/2015 vom
11. April 2016 E. 5.2.2). Diese Vorschriften sind als internationales Staatsvertragsrecht für das Bundesverwaltungsgericht verbindlich. Die Vertragsstaaten haben einzig nach Art. 7 Ziff. 1 sowie Art. 8 Ziff. 1 und 2 des HS-Übereinkommens die Möglichkeit, die Überprüfung oder Änderung der Erläuterungen und der Einreihungsavisen zu veranlassen. Dennoch bleibt
Raum für nationale Regelungen. So kann die OZD zum Beispiel zusätzlich sog. schweizerische Erläuterungen erlassen. Diese können unter www.tares.ch abgerufen werden. Die schweizerischen Erläuterungen sind als Dienstvorschriften (ARPAGAUS, a.a.O., Rz. 579) bzw. Verwaltungsverordnungen für die Justizbehörden nicht verbindlich (zur Rechtsnatur und Bindungswirkung von Verwaltungsverordnungen anstelle vieler: BGE 141 V 175 E. 2.1; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 2.173 f.; zum Ganzen: Urteile des BVGer A-703/2019 vom 8. Juni 2020 E. 2.2.3 und A-6248/2018 vom
8. Januar 2020 E. 3.4.3; BEUSCH/SCHNELL LUCHSINGER, a.a.O., S. 17 f.).
Hinsichtlich der Auslegung sehen die von den schweizerischen Zollbehörden angewendeten «Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des Harmonisierten Systems» (nachfolgend: AV), welche mit den «Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des Harmonisierten Systems» des offiziellen Textes des HS-Übereinkommens übereinstimmen, in Ziff. 1 vor, dass für die Tarifeinreihung einer Ware der Wortlaut der Nummern und der Abschnittoder Kapitel-Anmerkungen sowie die weiteren Allgemeinen Vorschriften, soweit diese dem Wortlaut der Nummern und der Anmerkungen nicht widersprechen, massgebend sind. Bei der Bestimmung der zutreffenden Tarifnummer ist somit stufenweise in der gesetzlich bzw. staatsvertraglich festgelegten Reihenfolge (Tariftext – Anmerkungen – Allgemeine Vorschriften) vorzugehen. Die nächstfolgende Vorschrift ist immer erst dann heranzuziehen, wenn die vorangehende Bestimmung nicht zum Ziel geführt, d.h. keine einwandfreie Tarifierung ermöglicht hat (Urteile des BVGer A-703/2019 vom 8. Juni 2020 E. 2.2.4 und A-6248/2018 vom 8. Januar
2020 E. 3.4.4).
Auf die Auslegung der schweizerischen Unternummern ist vorliegend nicht einzugehen.
Für die Tarifeinreihung massgebend ist die Art und Beschaffenheit der Ware zum Zeitpunkt, in dem sie unter Zollkontrolle gestellt worden ist. Auf den Verwendungszweck ist demgegenüber nur dann abzustellen, wenn dies in den einzelnen Tarifpositionen als Einreihungskriterium ausdrücklich festgehalten ist. Ist Letzteres nicht der Fall, kommt dem Verwendungszweck wie auch dem Preis, der Verpackung und der Bezeichnung durch den Hersteller oder Empfänger der Ware lediglich hinweisende, nicht aber ausschlaggebende Bedeutung zu (statt vieler: Urteile des BVGer A-6248/2018 vom 8. Januar 2020 E. 3.4.5, A-3045/2017 vom 25. Juli 2018
E. 2.5.1 und A-3459/2014 vom 11. Februar 2015 E. 2.4.1).
Kommen für die Einreihung von Waren zwei oder mehrere Nummern in Betracht, sieht Ziff. 3 AV folgende drei Einreihungsmethoden vor: a) Die Nummer mit der genaueren Warenbezeichnung geht vor; b) Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht und c) Die Ware ist der in der Nummernfolge zuletzt genannten gleichermassen in Betracht kommenden Nummer zuzuweisen. Die genannten Vorschriften sind in der aufgeführten Reihenfolge anzuwenden, das heisst, die Vorschrift der Ziff. 3b AV ist nur dann anzuwenden, wenn die Vorschrift der Ziff. 3a AV für die Einreihung keine Lösung gebracht hat usw. Die Vorschriften finden zudem nur Anwendung, wenn sie dem Wortlaut der Nummern und der Abschnittoder Kapitel-Anmerkungen nicht widersprechen (hierzu ausführlich statt vieler: Urteil des BVGer A-3485/2020 vom 25. Januar 2021 E. 2.4.7 mit weiteren Hinweisen).
2015 E. 2.5; BEUSCH/SCHNELL LUCHSINGER, a.a.O., S. 18).
9018.9000 - andere Instrumente, Apparate und Geräte
Dem schweizerischen Gebrauchstarif war aus dem Abschnitt XX «Verschiedene Waren und Erzeugnisse», Kapitel 96 Folgendes zu entnehmen:
9608.2000 - Schreiber und Markierstifte, mit Filzspitze oder mit anderen porösen Spitzen
Für Einfuhren von Waren aus den Vereinigten Staaten der Tarifnummer 9018.9000 galt hierbei ein Zollansatz von Fr. 0.-- je 100 kg brutto (Normalansatz), für Waren der Tarifnummer 9608.2000 galt ein solcher von Fr. 77.-- je 100 kg brutto (Normalansatz).
In den Erläuterungen zu Kapitel 90 ist – soweit hier relevant – in Bezug auf die Tarifnummer 9018 zusammengefasst festgehalten, dass hierher eine besonders grosse Anzahl von Instrumenten, Apparaten und Geräten gehörten, die in fast allen Fällen üblicherweise die Handhabung durch Ärzte usw. verlangten, um bspw. eine Operation durchzuführen. Hierbei würden in der Humanund Veterinärmedizin zahlreiche Instrumente verwendet, die eigentlich Werkzeuge seien, wobei diese Waren nur dann hierher gehörten, wenn ihre Bestimmung zu medizinischen und chirurgischen Zwecken eindeutig erkennbar sei (vgl. hierzu ausführlich auch: Urteil des BVGer A-1635/2015 vom 11. April 2016 E. 5.7.2).
Den Erläuterungen zu Kapitel 96 ist – wiederum soweit vorliegend relevant und stark zusammengefasst – unter Allgemeines zu entnehmen, dieses Kapitel umfasse unter anderem Schreibwaren sowie verschiedene andere Waren, die nicht in anderen Nummern der Nomenklatur erfasst seien. Bezüglich der Tarifnummer 9608 heisst es, zu dieser Nummer gehörten unter anderem Schreiber und Markierstifte mit Filzspitze oder mit anderen porösen Spitzen (Ziff. 2; vgl. wiederum ausführlich: Urteil des BVGer A-1635/2015 vom 11. April 2016 E. 5.7.3).
Im vorliegenden Fall ist zu klären, ob die chirurgische Markierstifte der Beschwerdeführerin (vgl. zum Beschrieb: Sachverhalt Bst. B.a) in die Tarifnummer 9018.9000, so die Meinung der Beschwerdeführerin, oder in die Tarifnummer 9608.2000, so die Auffassung der Vorinstanz, einzureihen sind.
Die Vorinstanz hält entgegen, für die Tarifeinreihung einer Ware seien insbesondere der Wortlaut der Nummern sowie der Abschnittoder Kapitelanmerkungen massgebend; nicht relevant sei hingegen, ob die Erzeugnisse die Anforderungen an Medizinprodukte erfüllten bzw. mit Letzteren konform seien. Es bestehe auch kein Zusammenhang zwischen der Tarifeinreihung und der in Art. 21 ZV vorgesehenen Zollbefreiung. Die chirurgischen Markierstifte seien sowohl vom Wortlaut der Tarifnummer 9608 als auch von jenem der Tarifnummer 9018 erfasst; diesfalls sei die Ware in die Nummer
mit der genaueren Warenbezeichnung einzureihen. Vorliegend sei das Bundesverwaltungsgericht bereits im Verfahren A-1635/2015 zum Schluss gekommen, dass der Wortlaut der Tarifnummer 9608 genauer sei. Da sich die gesetzlichen Grundlagen nicht geändert hätten, seien die vorliegenden Markierstifte ebenfalls in diese Tarifnummer einzureihen.
11. April 2016 E. 6.1.3). Auch die Erläuterungen zu Kapitel 90 sowie 96 (E. 3.2) sowie die Anmerkungen (E. 3.3) lassen keine eindeutige Tarifeinreihung der Markierstifte zu, weshalb in der gesetzlich bzw. staatsvertraglich festgelegten Reihenfolge die Allgemeinen Vorschriften, soweit diese dem Wortlaut der Nummern und der Anmerkungen nicht widersprechen, massgebend sind (E. 2.5.4; vgl. auch: Urteil des BVGer A-1635/2015 vom 11. April 2016 E. 6.2).
Die Allgemeinen Vorschriften bestimmen in deren Ziff. 3a, dass, wenn für die Einreihung von Waren zwei oder mehrere Nummern in Betracht kommen, die Ware in die Nummer mit der genaueren Warenbezeichnung einzureihen ist. Hierbei sind – wie bereits in Erwägung 2.5.6 aufgezeigt – die Vorschriften der Ziff. 3b und Ziff. 3c AV nur dann anzuwenden, wenn diejenige der Ziff. 3a bzw. Ziff. 3b AV für die Einreihung keine Lösung gebracht haben (vgl. auch: Urteil des BVGer A-1635/2015 vom 11. April 2016 E. 6.3.1).
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil A-1635/2015 vom 11. April 2016 festgestellt, dass die Tarifnummer 9018.9000, welche von «andere[n] Instrumente[n], Apparate[n] und Geräte[n]» spreche, keine sehr genaue Warenbezeichnung enthalte. Die Erläuterungen sprächen denn auch von einer besonders grossen Anzahl von Instrumenten udgl. (vgl. E. 3.2.1). Dies ganz im Gegensatz zum Wortlaut der Tarifnummer 9608.2000, welcher sich insbesondere auf «Schreiber und Markierstifte» beziehe und somit genauer sei. Die chirurgischen Markierstifte seien laut der Vorschrift der Ziff. 3a AV folglich in die Tarifnummer 9608.2000 einzureihen (ausführlich: Urteil des BVGer A-1635/2015 vom 11. April 2016 E. 6.3.2 f.).
Hieran vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Verwendungszweck bzw. die Konformität als Medizinprodukt und die Gebrauchsanweisung nichts zu ändern: Rechtsprechungsgemäss und wie bereits mit Urteil des BVGer A-1635/2015 vom 11. April 2016 festgestellt, kommt der sterilen Verpackung der streitbetroffenen Markierstifte (vgl. insb. E. 6.1.2 des erwähnten Urteiles) sowie der Bezeichnung durch den Hersteller der Ware – vorliegend im Rahmen seiner Gebrauchsanweisung – für die Tarifeinstufung lediglich hinweisende, nicht aber ausschlaggebende Bedeutung zu. Da vorliegend der Verwendungszweck – hier als Medizinprodukt
in den Tarifpositionen nicht als Einreihungskriterium ausdrücklich festgehalten ist, kommt auch ihm lediglich hinweisende Bedeutung zu (vgl. auch: E. 2.5.5).
Ausgangsgemäss sind die auf Fr. 1’000.-- festzusetzenden Verfahrenskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Der in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden.
Weder der unterliegenden Beschwerdeführerin noch der Vorinstanz ist eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten
und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2] e contrario und Art. 7 Abs. 3 VGKE).
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Tarifstreitigkeiten im Sinne von Art. 83 Bst. l des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110) letztinstanzlich.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 1’000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der Kostenvorschuss in gleicher Höhe wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Ref-Nr. […]; Gerichtsurkunde)
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Marianne Ryter Anna Strässle
Versand:
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