Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-6634/2018 |
Datum: | 11.12.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Anerkennung der Staatenlosigkeit |
Schlagwörter : | Staaten; Recht; Staatenlosigkeit; Vorinstanz; Staatenlose; Flüchtling; Interesse; Anerkennung; Bundes; Verfahren; Staatenlosen; Beschwerde; Bundesverwaltungsgericht; Gesuch; ZEMIS; Person; Rechtsschutz; Entscheid; Rechtsschutzinteresse; «Staat; Flüchtlinge; Beschwerdeführers; Verfügung; Einbürgerung; Feststellung; öglich |
Rechtsnorm: | Art. 25 VwVG ;Art. 32 VwVG ;Art. 42 ZGB ;Art. 48 BGG ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 62 VwVG ;Art. 63 VwVG ; |
Referenz BGE: | 130 I 312; 132 V 74; 135 I 265; 135 II 38; 138 II 42; 139 II 534; 141 V 557 |
Kommentar: | - |
Abteilung VI F-6634/2018
Besetzung Richterin Susanne Genner (Vorsitz), Richter Fulvio Haefeli,
Richter Andreas Trommer, Gerichtsschreiberin Maria Wende.
Parteien A. ,
vertreten durch lic. iur. Michael Steiner, Rechtsanwalt, Beschwerdeführer,
gegen
Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Anerkennung der Staatenlosigkeit (Nichteintreten).
Der Beschwerdeführer (geb. 1989), ein Kurde syrischer Herkunft, sogenannter Aganib, ersuchte am 25. September 2011 in der Schweiz um Asyl. Am 30. Januar 2014 hiess das damalige Bundesamt für Migration (heute SEM) sein Asylgesuch gut und anerkannte ihn als Flüchtling.
Mit Eingabe vom 29. März 2017 ersuchte der Beschwerdeführer die Vorinstanz um Anerkennung seiner Staatenlosigkeit gemäss dem Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (SR 0.142.40, nachfolgend: Staatenlosenübereinkommen bzw. StÜ).
Am 14. Februar 2018 teilte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer mit, es habe sich mit der Änderung des Ausländergesetzes (AuG; SR 142.20, seit
Januar 2019: AIG) auf den 1. Januar 2018 hin eine wesentliche Änderung der Rechtslage ergeben. Durch die Aufhebung von Art. 31 Abs. 3 AuG stelle sich die Frage nach einem schutzwürdigen Interesse an der Feststellung der Staatenlosigkeit. Da eine allfällige Anerkennung der Staatenlosigkeit dem Beschwerdeführer keine vorteilhaftere Rechtsposition mehr verschaffen würde, sei ein schutzwürdiges Interesse zu verneinen. Aufgrund dieser neuen Ausgangslage stellte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer in Aussicht, auf sein Gesuch nicht einzutreten. Mit gleichem Schreiben erhielt er Gelegenheit, mitzuteilen, ob er am Gesuch festhalten wolle.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2018 ersuchte der Beschwerdeführer um Präzisierung, ob die derzeitige Erfassung seiner Staatsangehörigkeit als
«Syrien» im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS) als gesichert vermerkt sei.
Am 22. März 2018 antwortete die Vorinstanz, die Erfassung der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers als «Syrien» sei irrtümlich erfolgt. Die korrekte Bezeichnung seiner Nationalität im ZEMIS laute «Nationalität unbekannt».
Am 12. April 2018 nahm der Beschwerdeführer Stellung zu den Schreiben der Vorinstanz vom 14. Februar 2018 und vom 22. März 2018.
Mit Schreiben vom 26. April 2018 machte der Beschwerdeführer ergänzende Ausführungen und reichte eine Stellungnahme des UNHCR-Büros für die Schweiz und Liechtenstein vom 19. April 2018 ein.
Am 26. Oktober 2018 trat die Vorinstanz auf das Gesuch um Anerkennung der Staatenlosigkeit nicht ein.
Mit Rechtsmitteleingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 22. November 2018 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung beziehungsweise zur materiellen Beurteilung.
Im Rahmen des Schriftenwechsels hielten der Beschwerdeführer und die Vorinstanz an ihren Anträgen und deren Begründung im Wesentlichen fest (Vernehmlassung vom 9. Januar 2019, Replik vom 1. Februar 2019, Duplik
vom 26. Februar 2019 und Triplik vom 29. März 2019).
Verfügungen des SEM betreffend die Anerkennung der Staatenlosigkeit unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 44 VwVG i.V.m. 31 ff. VGG).
Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
Die Vorinstanz trat am 26. Oktober 2018 auf das Gesuch um Anerkennung der Staatenlosigkeit nicht ein. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist daher nur zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht einen Nichteintretensentscheid gefällt hat beziehungsweise ob ein Anspruch auf Eintreten und materielle Prüfung besteht (vgl. mutatis mutandis BGE 135 II 38 E. 1.2 oder BGE 132 V 74 E. 1.1).
Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat, der ein schutzwürdiges Interesse an der Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Verfügung hat, zur Erhebung der Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen (Rechtsmittelfrist [Art. 50 Abs. 1 VwVG], Form der Beschwerde [Art. 52 VwVG] und Bezahlung des Kostenvorschusses [Art. 63 Abs. 4 VwVG]) sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht können die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Unter Bundesrecht ist auch das direkt anwendbare Völkerrecht zu verstehen (vgl. ZIBUNG/HOFSTETTER, in: Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, N. 7 zu Art. 49 VwVG), zu dem das hier in Frage stehende Staatenlosenübereinkommen zu zählen ist. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG nicht an die Begründung der Begehren gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt des Entscheids (BGE 139 II 534 E. 5.4.1; BVGE 2014/1 E. 2).
Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz – wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht – seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 VwVG) umfasst das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache äussern zu können (Art. 30 VwVG). Er verlangt von der Behörde, dass sie die Vorbringen des Betroffenen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigt. Dies gilt für alle formund fristgerechten Äusserungen, Eingaben und Anträge, die zur Klärung der konkreten Streitfrage geeignet und erforderlich erscheinen (Art. 32 Abs. 1 VwVG). Die Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Sie muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sie ihren Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Par-
teistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (vgl. BGE 141 V 557 E. 3.2.1; 136 I 184 E.
2.2.1).
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe sich nicht mit seinen Ausführungen in den Eingaben vom 12. und vom 26. April 2018 befasst. Dem kann nicht gefolgt werden. Aus der angefochtenen Verfügung geht klar hervor, dass sich die Vorinstanz eingehend mit der Frage des Rechtsschutzinteresses und der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in diesem Bereich auseinandergesetzt hat. Auch auf die weiteren vorgetragenen Aspekte bezüglich der ZEMIS-Einträge und der Reisedokumente ist sie – wenn auch in knapper Form – eingegangen. Sie hat sich somit mit allen vorliegend relevanten Fragen befasst, weshalb eine sachgerechte Anfechtung möglich war. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.
Des Weiteren wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, das Verfahren verschleppt und dadurch den Wegfall des schutzwürdigen Interesses absichtlich herbeigeführt zu haben, was gegen das Verbot der Rechtsverzögerung und den Grundsatz von Treu und Glauben verstosse.
Bei der Rechtsverzögerung handelt es sich um eine abgeschwächte Form der Rechtsverweigerung. Sie ist anzunehmen, wenn behördliches Handeln zwar nicht grundsätzlich infrage steht, sondern lediglich nicht binnen gesetzlicher oder – falls eine solche fehlt – angemessener Frist erfolgt und für das "Verschleppen" keine objektive Rechtfertigung vorliegt (vgl. zum Ganzen BGE 135 I 265 E. 4.4 oder BGE 130 I 312 E. 5; MÜLLER/BIERI,
in: Kommentar zum VwVG, 2. Aufl. 2019, Art. 46a N.16). Wird gegen den mittlerweile ergangenen Akt beschwerdemässig ins Feld geführt, die Behörde habe diesen hinausgezögert, handelt es sich nicht um eine Rechtsverzögerungsbeschwerde. Nach der Lehre wird hier «im Rahmen einer allgemeinen Verwaltungsbeschwerde» geltend gemacht, die Behörde habe im Verfahren auf Erlass der konkreten Verfügung bestimmte Verfahrensregeln (z.B. Behandlungsfristen) missachtet. Eine solche Rüge wird nur dann materiell behandelt, wenn noch ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Verzögerung besteht (MÜLLER/BIERI, a.a.O., Art. 46a N.24).
Nachdem die Vorinstanz mit Verfügung vom 26. Oktober 2018 auf das Gesuch des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist und damit einen Entscheid gefällt hat, erweist sich die Rüge der Rechtsverzögerung zum
heutigen Zeitpunkt als obsolet. Es wäre dem Beschwerdeführer freigestanden, während des vorinstanzlichen Verfahrens eine Verfahrensstandanfrage oder eine Rechtsverzögerungsbeschwerde einzureichen, worauf er jedoch gemäss den Akten verzichtet hat. Auch liegt keine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben vor. Für seine Mutmassung, die Vorinstanz habe das Verfahren verzögert, bis sein Rechtschutzinteresse dahingefallen sei, finden sich in den Akten keinerlei Anhaltspunkte. Anzumerken bleibt, dass die Vorinstanz den Beschwerdeführer am 14. Februar 2018 über die veränderte Rechtslage und deren Auswirkungen auf das Rechtsschutzinteresse orientiert und ihm das rechtliche Gehör gewährt hatte. Danach hatte er ausreichend Zeit, sich zum Aspekt des schützenswerten Interesses an der Anerkennung der Staatenlosigkeit zu äussern, wovon er auch Gebrauch machte. In der Verfahrensführung durch das SEM kann kein treuwidriges Verhalten erblickt werden.
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Vorinstanz in der Mitteilung vom 14. Februar und in der angefochtenen Verfügung vom
26. Oktober 2018 die Begriffe «rechtlich geschütztes Interesse» (vgl. Art.
115 Bst. b BGG) und «schutzwürdiges Interesse» (vgl. Art. 25 Abs. 2 VwVG) verwechselt bzw. synonym verwendet hat. Dem auch im Verwaltungsverfahren schon anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ist daraus kein Nachteil erwachsen.
Zusammenfassend erweisen sich die formellen Rügen des Beschwerdeführers als unbegründet.
Das SEM begründet seinen Nichteintretensentscheid mit dem fehlenden Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers. Staatenlose seien gegenüber anerkannten Flüchtlingen – insbesondere in Bezug auf die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung – nicht (mehr) bessergestellt. Da die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Rechtschutzinteresse vom Bestehen eines praktischen Nutzens abhängig mache, könne im Anwendungsbereich des Staatenlosenübereinkommens nicht «per se» von einem voraussetzungslos bestehenden generellen Rechtsschutzinteresse ausgegangen werden. Weder der Eintrag im ZEMIS mit «Nationalität unbekannt» noch das gegenüber anerkannten Flüchtlingen unterschiedliche Reisedokument vermöchten eine verbesserte Rechtstellung von Staatenlosen gegenüber anerkannten Flüchtlingen mit Asyl zu begründen.
Der Beschwerdeführer führt dagegen an, aufgrund des Nichteintretensentscheids würden die Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit beziehungsweise Staatenlosigkeit im ZEMIS, insbesondere der Eintrag «Staat unbekannt», nicht stimmen. Folglich wirke sich der Entscheid auf die Eintragungen auf den Bewilligungen sowie in den Zivilstandsregistern aus. Er habe ein schutzwürdiges Interesse daran, dass seine Staatenlosigkeit in den schweizerischen Registern richtig erfasst und er nicht in Verfahren betreffend ZEMIS-Einträge verwickelt werde. Ein Rechtsschutzinteresse bestehe ferner im Hinblick auf seine ordentliche Einbürgerung, bei welcher auf den Erhebungsbericht abgestellt werde, worin unter anderem die Staatsangehörigkeit anzugeben sei. Es sei davon auszugehen, dass Personen unbekannter Herkunft nicht eingebürgert würden. Ferner seien Reiseausweise für Flüchtlinge im Gegensatz zu denjenigen von Staatenlosen in Syrien nicht gültig. Auch würden Letztere in Ländern wie Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht akzeptiert werden. Unter Verweis auf den Bericht des UNHCR «Staatenlosigkeit in der Schweiz» von November 2018 hält der Beschwerdeführer schliesslich fest, die Feststellung eines durch einen internationalen Vertrag definierten Status begründe bereits per se ein schutzwürdiges Interesse. Die Vertragsstaaten könnten die Anerkennung der Staatenlosigkeit nicht von der innerstaatlichen Frage abhängig machen, ob jene zusätzlich zur Flüchtlingsanerkennung zu einer verbesserten Rechtstellung nach nationalem Recht führe. Bei der Staatenlosigkeit handle es sich um einen völkerrechtswidrigen Zustand, zu dessen Behebung das Staatenlosenübereinkommen abgeschlossen worden sei.
In seiner Vernehmlassung hält das SEM im Wesentlichen fest, es möge zwar zutreffen, dass der Eintrag «Staat unbekannt» in Bezug auf den Beschwerdeführer nur bedingt zutreffe; jedoch sei nicht ersichtlich, welche konkreten Auswirkungen jener auf das Einbürgerungsverfahren oder im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Beurkundung des Personenstandes haben sollte. Es sei nicht belegt, dass Personen unbekannter Herkunft nicht eingebürgert würden. Es treffe zu, dass der Beschwerdeführer mit seinem Reisedokument für Flüchtlinge nicht nach Syrien reisen dürfe. Diese Einschränkung bliebe bestehen, auch wenn er ein Reisedokument für Staatenlose erhielte. Er habe jedoch die Möglichkeit, auf seine Flüchtlingseigenschaft zu verzichten, was zur Folge hätte, dass sein Gesuch um Anerkennung der Staatenlosigkeit materiell geprüft würde, sofern er nicht bereits über eine Niederlassungsbewilligung C verfüge. Schliesslich würden keine Hinweise vorliegen, wonach bei einem Eintrag «Staat unbekannt» im Reisedokument für Flüchtlinge bei Auslandreisen Probleme auftreten würden.
In den weiteren Schriftenwechseln wiederholten der Beschwerdeführer und die Vorinstanz im Wesentlichen ihre Argumente und hielten an ihren Anträgen fest.
Die Anerkennung als Staatenloser charakterisiert sich als Feststellungsverfügung i.S.v. Art. 25 Abs. 1 VwVG. Bei der Beurteilung eines Gesuchs um Anerkennung der Staatenlosigkeit durch die Schweizer Behörden gilt es demnach zu prüfen, ob im Einzelfall ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Staatenlosigkeit besteht (Art. 25 Abs. 2 VwVG). Ein solches ist generell dann zu bejahen, wenn damit eine vorteilhaftere Rechtsposition erreicht wird (vgl. KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 340; BVGE 2014/5 E. 8). Die Beschwerdemöglichkeit dient nicht dazu, abstrakt die objektive Rechtmässigkeit staatlichen Handelns zu überprüfen, sondern der beschwerdeführenden Person einen praktischen Vorteil zu verschaffen (vgl. Urteil des BVGer F-4921/2019 vom 18. Februar 2020 E. 2.1). Kein ausreichendes Rechtsschutzinteresse besteht dann, wenn die Interessen in einem anderen Verfahren gewahrt werden können (KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, a.a.O., Rz. 945). Auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses kann verzichtet werden, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen könnten, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (BGE 138 II 42 E. 1.3). Letztere Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weshalb zu prüfen ist, ob ein schutzwürdiges Interesse gegeben ist.
Der Beschwerdeführer macht geltend, ein Aganib aus Syrien zu sein und damit über keine Staatsangehörigkeit zu verfügen. Seit Januar 2014 lebt er in der Schweiz als anerkannter Flüchtling mit Asyl und ist im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung. Die Vorinstanz hat im ZEMIS unter seiner Staatsangehörigkeit «Staat unbekannt» vermerkt.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, aufgrund der Regelung der Staatenlosigkeit im Staatenlosenübereinkommen bestehe per se ein Rechtschutzinteresse an der Feststellung der Staatenlosigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich verschiedentlich mit dieser Frage befasst und gelangte hierbei stets zum Schluss, dass die Anerkennung der Staatenlosigkeit für die Betroffenen einen praktischen Nutzen mit sich bringen muss (vgl. BVGE 2014/5 E. 8 und 9 oder Urteile des BVGer C-3124/2011
vom 23. Juli 2012 S. 5 ff., F-6147/2015 vom 5. Januar 2017 E. 1.2; F- 3483/2018 vom 24. Juni 2020 E. 6.1; Urteil des BGer 2C_621/2011 vom
6. Dezember 2011 E. 1). Wie dargetan, kennt die schweizerische Rechtsordnung keinen voraussetzungslosen Rechtsschutz (siehe E. 5). Deshalb ist nicht nur in Verfahren um Anerkennung der Staatenlosigkeit, sondern in sämtlichen Verwaltungsverfahren jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob für den Betroffenen dadurch tatsächlich eigene Rechtsvorteile resultieren. Weder der Umstand, dass das UNHCR die gegenteilige Auffassung vertritt, noch der Verweis auf den abschliessenden Charakter von Art. 1 Abs. 2 StÜ vermögen daran etwas zu ändern. Die in dieser Bestimmung enthaltenen Ausschlussklauseln in Bezug auf die Anwendbarkeit des Abkommens beziehen sich auf materielle Ausschlussgründe, zum schutzwürdigen Interesse äussern sie sich nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern die innerstaatlichen Verfahrensregeln den Minimalstandards und Zielsetzungen des Übereinkommens – der Verbesserung der Rechtstellung von Staatenlosen
zuwiderlaufen. Ein effektiver Zugang zum Verfahren gemäss StÜ bleibt gewährleistet, wenn dieses der betroffenen Person, gegenüber ihrer aktuellen Stellung, eine Verbesserung ihrer Rechtsstellung bieten kann. Aus diesem Grund steht auch Art. 27 des Wiener Übereinkommens vom
23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (SR 0.111), welcher es einer Vertragspartei verbietet, sich auf ihr innerstaatliches Recht zu berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrages zu rechtfertigen, dem Erfordernis eines praktischen Nutzens nicht entgegen. Im Übrigen suggeriert die Präambel des StÜ selbst, dass dieses insbesondere im Hinblick auf Staatenlose ohne Flüchtlingsstatus erlassen worden ist, wird darin doch festgehalten:
«in der Erwägung, dass nur diejenigen Staatenlosen, die gleichzeitig Flüchtlinge sind, durch das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge erfasst werden und dass jenes Abkommen auf zahlreiche Staatenlose nicht anwendbar ist,
in der Erwägung, dass es wünschenswert ist, die Stellung der Staatenlosen durch ein internationales Übereinkommen zu regeln und zu verbessern […]».
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung der Staatenlosigkeit rein deklaratorischer Natur ist und damit entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers am Fakt der Staatenlosigkeit nichts zu ändern, geschweige denn diese aufzuheben vermag. Eine Verletzung von Art. 1 Abs. 2 StÜ liegt mithin nicht vor. Es besteht kein Anlass, von der bisherigen Praxis abzuweichen.
Einen Nachteil des Nichteintretensentscheids erblickt der Beschwerdeführer in den Einträgen im ZEMIS. Dort sei er mit «Staat unbekannt» erfasst. Eine materielle Prüfung seines Gesuchs hätte zwei mögliche Folgen: Im Fall der Gutheissung würde er im Register als Staatenloser, im Fall der Abweisung als syrischer Staatsangehöriger erfasst. Das schutzwürdige Interesse ergebe sich daraus, dass bei einem materiellen Entscheid die Herkunft nicht mehr als «Staat unbekannt» erfasst würde. Unabhängig von dem Umstand, dass entgegen der Annahme des Beschwerdeführers er auch bei einer materiellen Abweisung seines Gesuchs um Anerkennung der Staatenlosigkeit weiterhin mit «Staat unbekannt» registriert bleiben würde (vgl. dazu F-3483/2018 a.a.O. E. 6.3), ist nicht erkennbar, welcher Nachteil aus dem aktuellen Eintrag resultieren beziehungsweise worin der Vorteil eines ZEMIS-Eintrags «staatenlos» liegen soll. Ob er mit «staatenlos» oder mit «Staat unbekannt» eingetragen ist, spielt mit Blick auf allfällige spätere Registereintragungen und Bewilligungsverfahren keine Rolle (siehe dazu die nachfolgenden Erwägungen). Auch aus dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-2291/2015 vom 17. August 2015 lässt sich nichts zu seinen Gunsten ableiten. Dieses befasst sich mit der Berichtigung von Personendaten. Diese Möglichkeit besteht unabhängig von einem vorgängigen Verfahren auf Anerkennung der Staatenlosigkeit. Aus den ZEMIS-Einträgen als solchen kann somit kein schutzwürdiges Interesse abgeleitet werden.
Konkrete Nachteile wegen des Eintrags «Staat unbekannt» im ZEMIS befürchtet der Beschwerdeführer im Hinblick auf eine ordentliche Einbürgerung. Der Umstand, dass die Behörden gemäss Art. 17 Abs. 1 der Verordnung vom 17. Juni 2016 über das Schweizer Bürgerrecht (BüV; SR 141.01) im Rahmen des Erhebungsberichts unter anderem gehalten sind, die Staatsangehörigkeit der gesuchstellenden Person zu erfassen, hat keinen negativen Einfluss auf den Ausgang des Einbürgerungsverfahrens. Die entsprechenden Angaben dienen primär der Erfassung der Personalien und der Individualisierung, stellen aber kein eigenständiges materielles Einbürgerungskriterium dar. Der Ausgang des Einbürgerungsverfahrens beurteilt sich allein nach den materiellen Einbürgerungsvoraussetzungen. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen anerkannten Flüchtling mit Aufenthaltsbewilligung. Seine Identität steht mithin fest, und er ist auch im Besitze eines entsprechenden Ausweises. Es darf somit ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sich sein jetziger Status nicht nachteilig auf ein allfälliges Verfahren um Erteilung der ordentlichen Einbürgerung auswirken würde. Ein Rechtsschutzinteresse ist auch unter diesem Blickwinkel zu verneinen.
Der Beschwerdeführer erblickt sodann Erschwernisse bei zu erfassenden Einträgen im Zivilstandsregister. Ohne Beurteilung seines Gesuchs um Anerkennung der Staatenlosigkeit riskiere er, eine Erklärung gemäss Art. 41 ZGB (Nachweis nicht streitiger Angaben) abgeben oder eine Bereinigung durch das Gericht im Sinne von Art. 42 ZGB vornehmen zu müssen. Wie dargetan, verfügt der Beschwerdeführer als anerkannter Flüchtling über die erforderlichen Ausweise. Darin sind die notwendigen Angaben enthalten. Sollte er eine Änderung an den Einträgen in seinem Personenstandsregister vornehmen wollen, steht ihm dies unabhängig von der Beurteilung seines Gesuchs um Anerkennung der Staatenlosigkeit frei. Hierfür wird im Übrigen ebenfalls ein schützenswertes persönliches Interesse vorausgesetzt (Art. 42 Abs. 1 ZGB). Es ist jedenfalls nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer nicht dargetan, weswegen er als nicht Staatenloser bei allfälligen Einträgen im Personenstandsregister Nachteilen ausgesetzt sein sollte.
Ferner wendet der Beschwerdeführer ein, der angefochtene Nichteintretensentscheid habe einen Einfluss auf seine Reisefreiheit und auf die Ausstellung von Reisepapieren.
Der Beschwerdeführer verfügt aufgrund seines Status als anerkannter Flüchtling über einen Reiseausweis für Flüchtlinge gemäss Art. 3 der Verordnung vom 14. November 2012 über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV, SR 143.5). Damit geniesst er eine weitreichende Reisefreiheit. Aufgrund seines Flüchtlingsstatuts kann er jedoch nicht nach Syrien reisen, da er dort einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war. Die Einschränkung ergibt sich somit nicht aus dem Umstand, dass er nicht als Staatenloser anerkannt ist, sondern allein aus seiner Flüchtlingseigenschaft. Folglich ist kein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse erkennbar. Was Reisen in andere Länder anbelangt (er nennt die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar), vermutet der Beschwerdeführer mit einem Ausweis für Flüchtlinge, im Gegensatz zu einem solchen für Staatenlose, Einschränkungen ausgesetzt zu sein, belegt sie jedoch nicht. Angesichts des Umstandes, dass diese beiden Länder weder die Flüchtlingskonvention (SR 0.142.30) noch das Staatenlosenübereinkommen ratifiziert haben, erscheinen seine Befürchtungen wenig plausibel. Auch weist er keinen Bezug zu diesen Staaten auf. Eine rein theoretisch bestehende Möglichkeit der Einreise in irgendein Land, zu welchem keine erkennbaren Beziehungen bestehen, vermag jedenfalls kein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse zu begründen.
Schliesslich verfängt auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht, wonach das Rechtsschutzinteresse gestützt auf die künftig bestehende Möglichkeit der erleichterten Einbürgerung seiner «zukünftigen» Kinder zu bejahen sei. Die Vorinstanz hat in ihrer Vernehmlassung zu Recht darauf hingewiesen, dass Kinder ein schutzwürdiges Interesse an der Anerkennung der Staatenlosigkeit haben, da staatenlose Kinder sich unter bestimmten Voraussetzungen erleichtert einbürgern lassen können (Art. 23 BüG). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist dafür nicht erforderlich, dass (auch) er als Staatenloser anerkannt ist.
Der Beschwerdeführer vermag insgesamt keinen praktischen Vorteil aufzuzeigen, welchen ihm die Anerkennung als Staatenloser bieten würde. Aus dem Staatenlosenübereinkommen vermag er gegenüber seiner aktuellen Rechtsposition als anerkannter Flüchtling mit Asyl und Aufenthaltsbewilligung keine Verbesserung abzuleiten.
Zusammenfassend ist ein schutzwürdiges Interesse des Beschwerdeführers an einer materiellen Beurteilung der Frage seiner Staatenlosigkeit zu verneinen. Die Vorinstanz hat daher zu Recht einen Nichteintretensentscheid gefällt.
Die vorinstanzliche Verfügung ist im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten, welche sich vorliegend auf Fr. 1'200.– belaufen, dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).
(Dispositiv nachfolgende Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'200.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie sind durch den in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
Dieses Urteil geht an:
den Beschwerdeführer (Gerichtskurkunde)
die Vorinstanz (gegen Empfangsbestätigung; Akten Ref-Nr. N […] retour)
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Susanne Genner Maria Wende
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
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