Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-4855/2019 |
Datum: | 02.09.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Einreiseverbot |
Schlagwörter : | Einreise; Einreiseverbot; Erwerbstätigkeit; Rek-act; Bundesverwaltungsgericht; SEM-act; Recht; Migration; Vorinstanz; Person; Einvernahme; Gallen; Firma; Wegweisung; Ausschaffungshaft; Beschwerdeführers; Sicherheit; Richter; Kantons; Personen; Bewilligung; Akten; Migrationsbehörde; Befehl; Aufenthalt; Verordnung |
Rechtsnorm: | Art. 11 AIG ;Art. 49 VwVG ;Art. 62 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64d AIG ;Art. 67 AIG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung VI F-4855/2019
Besetzung Richter Andreas Trommer (Vorsitz), Richterin Regula Schenker Senn, Richterin Susanne Genner, Gerichtsschreiber Julius Longauer.
Parteien S. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Dr. M. ,
gegen
Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Einreiseverbot.
dass die in P. SG domizilierten und von Dr. M. kontrollierten Firmen A. GmbH und Dr. M. AG auf dem Gebiet der Dentalmedizin und Dentaltechnologie tätig sind,
dass den Behörden des Kantons St. Gallen anfangs August 2019 Informationen zugetragen wurden, wonach in den Räumlichkeiten der Firma A. GmbH regelmässig Gruppen ausländischer Personen ohne Bewilligung einer Erwerbstätigkeit nachgehen würden,
dass die zuständige Staatsanwaltschaft gegen die Firma A. GmbH
beziehungsweise gegen Dr. M.
als den Mehrheitseigner sowie
den Geschäftsführer und die medizinische Leiterin der Firma ein Strafverfahren eröffnete, nachdem Vorermittlungen den Verdacht von Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz erhärtet hatten,
dass in diesem Rahmen am 20. August 2019 die Geschäftsräumlichkeiten der Firma A. GmbH einer Kontrolle unterzogen wurden,
dass bei dieser Gelegenheit nebst sechs weiteren Personen der Beschwerdeführer, ein 1997 geborener russischer Staatsangehöriger, angetroffen und wegen des Verdachts der illegalen Erwerbstätigkeit festgenommen wurde (Akten der Vorinstanz [SEM-act.] 4/85),
dass der Beschwerdeführer noch am 20. August 2019 polizeilich einvernommen wurde und er bei dieser Gelegenheit nach anfänglichem Leugnen zu Protokoll gab, er habe im Auftrag des Firmeneigners, Dr. M. , gegen Lohn, Auslagenersatz und freie Kost und Logis diverse Arbeiten in der Schweiz ausgeführt,
dass er unter anderem geholfen habe, komplexe Gerätschaften zur Herstellung von Zahnprothesen in Betrieb zu nehmen, die entsprechenden Protokolle zu schreiben bzw. zu testen, die Geräte fortzuentwickeln und die Mitarbeiter der Firma zu schulen (SEM-act. 4/81),
dass die Migrationsbehörde des Kantons St. Gallen gegen den Beschwerdeführer am 21. August 2019 gestützt auf Art. 64d Abs. 2 Bst. b AIG eine sofort vollstreckbare Wegweisung erliess (SEM-act. 1/22),
dass der Beschwerdeführer auf Anordnung der Migrationsbehörde des Kantons St. Gallen gleichen Datums gestützt auf Art. 76 AIG in Ausschaffungshaft genommen (SEM-act. 1/19) und am 23. August 2019 nach Russland ausgeschafft wurde (SEM-act. 4/47),
dass der Beschwerdeführer mit Strafbefehl des Untersuchungsamtes Uznach vom 20. März 2020 wegen rechtswidriger Einreise, rechtswidrigem Aufenthalt, Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung und Übertretung des Gesundheitsgesetzes zu einer bedingten Geldstrafe von 75 Tagessätzen und zu einer Busse verurteilt wurde (Akten des BVGer [Rek-act.] 19,
dass die Vorinstanz gegen den Beschwerdeführer bereits am 22. August 2019 ein zweijähriges Einreiseverbot erliess und seine Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im SIS II anordnete (SEM-act. 2/45),
dass der Beschwerdeführer am 16. September 2019 beschwerdeweise an das Bundesverwaltungsgericht gelangte und die Aufhebung des Einreiseverbots, der Wegweisung und der Anordnung der Ausschaffungshaft beantragte (Rek-act. 1),
dass die Vorinstanz mit Vernehmlassung vom 12. November 2019 auf Abweisung der Beschwerde schloss (Rek-act. 8),
dass der Beschwerdeführer mit Eingaben vom 16. Dezember 2019 (Rek-act. 10), 27. Dezember 2019 (Rek-act. 13) und 10. Januar 2020 (Rek-act. 15) zu der Vernehmlassung Stellung nahm und an seinem Rechtsmittel festhielt,
dass der Beschwerdeführer am 30. Juni 2020 um Akteneinsicht ersuchte (Rek-act. 17) und – nach deren Gewährung – am 7. Juli 2020 eine weitere Eingabe ins Recht legte (Rek-act. 22),
dass auf den weiteren Akteninhalt, soweit relevant, in den Erwägungen eingegangen wird,
dass Einreiseverbote des SEM der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht unterliegen (Art. 31, 32 und 33 Bst. d VGG),
dass Verfügungen kantonaler Instanzen nur dann an das Bundesverwaltungsgericht weitergezogen werden können, wenn ein Bundesgesetz dies vorsieht (Art. 33 Bst. i VGG), eine solche gesetzliche Grundlage jedoch im Falle der Wegweisung und Anordnung der Ausschaffungshaft durch eine kantonale Migrationsbehörde fehlt,
dass die Beschwerde daher unzulässig ist, soweit sie über das Einreiseverbot des SEM vom 22. August 2019 hinaus die Verfügungen der kantonalen Migrationsbehörde vom 21. August 2019 über die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz und die Verhängung der Ausschaffungshaft zum Gegenstand hat,
dass sich das Verfahren nach dem VwVG richtet, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG),
dass der Beschwerdeführer zur Beschwerde legitimiert und auf sein fristund formgerecht eingereichtes Rechtsmittel im oben dargelegten Umfang einzutreten ist (Art. 49 ff. VwVG),
dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und die Unangemessenheit gerügt werden kann (Art. 49 VwVG),
dass das Bundesverwaltungsgericht gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden ist und die Beschwerde aus anderen als von den Parteien bzw. der Vorinstanz genannten Gründen gutheissen oder abweisen kann (vgl. BVGE 2009/61 E. 6.1 m.H.),
dass eine ausländische Person, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen hat oder diese gefährdet, mit einem Einreiseverbot belegt werden kann (Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG),
dass ein Einreiseverbot für eine Dauer von höchstens fünf Jahren verhängt wird, es sei denn, von der betroffenen ausländischen Person gehe eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus (Art. 67 Abs. 3 AIG),
dass gemäss Art. 77a Abs. 1 Bst. a der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung insbesondere bei einer Missachtung gesetzlicher Vorschriften gegeben ist,
dass daher Widerhandlungen gegen ausländerrechtliche Bestimmungen praxisgemäss Anlass für ein Einreiseverbot geben können,
dass ausländische Personen, die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben wollen, unabhängig von der Aufenthaltsdauer eine Bewilligung benötigen (Art. 11 Abs. 1 AIG),
dass als Erwerbstätigkeit im Sinne des Gesetzes jede üblicherweise gegen Entgelt ausgeübte unselbständige oder selbständige Tätigkeit zu verstehen ist, selbst wenn sie unentgeltlich erfolgt (Art. 11 Abs. 2 AIG),
dass für die Qualifizierung einer Aktivität als Erwerbstätigkeit im Sinne des Gesetzes unerheblich ist, ob sie nur stundenoder tageweise oder vorübergehend ausgeübt wird (Art. 1a Abs. 1 VZAE),
dass der Beschwerdeführer mit Strafbefehl des Untersuchungsamts vom
20. März 2020 unter anderem der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung schuldig gesprochen wurde,
dass ihm der Strafbefehl durch Zustellung an die Staatsanwaltschaft in St. Gallen, das von ihm gewählten Zustelldomizil nach Art. 87 Abs. 2 der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (SR 312.0) (vgl. Einvernahme vom 20. August 2019, Frage 166, SEM-act. 4/65), eröffnet wurde und in der Folge unangefochten in Rechtskraft erwuchs,
dass die Administrativbehörde im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtseinheit von den tatbestandlichen Feststellungen des Strafrichters nicht ohne Not abweicht (BVGE 2018 VII/2 E. 6.4 m.H.),
dass dazu in der vorliegenden Streitsache ein solcher Anlass nicht besteht, da der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 20. August 2019 eine bewilligungspflichtige Erwerbstätigkeit klar eingestanden hat,
dass zwar auf Rechtsmittelebene die inhaltliche Richtigkeit des Einvernahmeprotokolls bestritten und die Diskrepanz mit Übersetzungsfehlern und Unregelmässigkeiten der Einvernahme erklärt wird (Drohungen mit Gefängnis und sonstige Ausübung von Druck – unter anderem durch Verweigerung der normalen Nahrungsaufnahme und von Rauchgelegenheiten –, um den Beschwerdeführer zu Falschaussagen zu bewegen),
dass die Darstellung des Beschwerdeführers jedoch als Schutzbehauptung zu werten und als solche zurückzuweisen ist,
dass nämlich das Protokoll der polizeilichen Einvernahme keine Anhaltspunkte für Unregelmässigkeiten enthält, namentlich in sich schlüssig ist, und der Beschwerdeführer unterschriftlich bestätigte, dass es ihm rückübersetzt worden ist und seine Aussagen korrekt wiedergibt,
dass ferner der Einwand des Beschwerdeführers, wonach der Strafbefehl sich auf die Aussagen der «Kronzeugin» der Staatsanwaltschaft stützen dürfte, einer ehemaligen Angestellten der A. GmbH, gegen welche die A. GmbH Strafanzeige wegen Veruntreuung und Urkundenfälschung gestellt habe und deren Vertrauenswürdigkeit daher massiv herabgesetzt sei, in Anbetracht der eigenen Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich seiner Einvernahme an der Sache vorbeigeht,
dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Anhaltung wohl im Besitz eines gültigen Schengen-Visums für multiple Einreisen war (Vermerk: Business), ein solches Visum jedoch nicht zu Tätigkeiten berechtigt, wie sie von ihm verrichtet wurden (vgl. dazu Anhang zu Ziff. 4.1.1 der Weisungen und Kreisschreiben des SEM im Ausländerbereich: Begriff der Erwerbstätigkeit, 01.01.2017 < www.sem.admin.ch > Publikationen & Service > Weisungen und Kreisschreiben > I. Ausländerbereich > 4 Aufenthalt mit Erwerbstätigkeit, abgerufen am 11.08.2020),
dass der Beschwerdeführer somit mit der Widerhandlung gegen ausländerrechtliche Bestimmungen den Fernhaltegrund der Verletzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 2 Bst. a erster Halbsatz AIG gesetzt hat,
dass der Beschwerdeführer mit einer sofort vollstreckbaren Wegweisung nach Art. 64d Abs. 2 Bst. b AIG belegt und in Ausschaffungshaft nach Art. 76 AIG genommen werden musste, weshalb zusätzlich der zwingende Fernhaltegrund des Art. 67 Abs. 1 Bst. a AIG und der fakultative Fernhaltegrund des Art. 67 Abs. 2 Bst. c AIG gegeben sind,
dass damit dem Grundsatz nach schon aus generalpräventiven Erwägungen ein erhebliches öffentliches Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers besteht,
dass der Beschwerdeführer dem öffentlichen Interesse an seiner Fernhaltung keine privaten Interessen an ungehinderten Einreisen entgegenhält,
dass daher das auf zwei Jahre befristete Einreiseverbot eine verhältnismässige und angemessene Massnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt,
dass die Wirkungen des Einreiseverbots mit der Ausschreibung im SIS II auf den gesamten Schengen-Raum ausgedehnt wurden (vgl. Art. 6 Abs. 1 Bst. d und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen [Kodifizierter Text] [Schengener Grenzkodex, SGK, Abl. L 77/1 vom 23.03.2016]),
dass weder Gründe vorgebracht werden, noch solche ersichtlich sind, die die Ausschreibung des Einreiseverbots im SIS II als eine unverhältnismässige Massnahme erscheinen liessen (Art. 24 Ziff. 2 Bst. b und Ziff. 3 der Verordnung [EG] Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation [SIS-II-Verordnung, Abl. L 381/4 vom 28.12.2006]),
dass daher die angefochtene Verfügung im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden und die Beschwerde demzufolge abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten von Fr. 1'200.– (Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG).
dass dieses Urteil endgültig ist (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 BGG).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Die Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 1‘200.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie sind durch den in gleicher Höhe bezahlten Kostenvorschuss gedeckt.
Dieses Urteil geht an:
den Beschwerdeführer (…)
die Vorinstanz (…)
das Migrationsamt des Kantons St. Gallen
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Andreas Trommer Julius Longauer
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