E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Bundesverwaltungsgericht Urteil F-3132/2019

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts F-3132/2019

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung VI
Dossiernummer:F-3132/2019
Datum:14.01.2020
Leitsatz/Stichwort:Einreiseverbot
Schlagwörter : Einreise; Erwerbstätigkeit; Schweiz; SEM-act; Einreiseverbot; Verfügung; Bundesverwaltungsgericht; Holzfigur; Holzfiguren; Aufenthalt; AG-pag; Fernhaltemassnahme; Interesse; Akten; Beschwerdeführers; Aufenthalts; Kanton; Kantons; Brockenhaus; Verkauf; Ausländer; Sicherheit; BVGer; Migration; Vorinstanz; Einreisesperre; Sachverhalt; Richter
Rechtsnorm: Art. 11 AIG ;Art. 112 AIG ;Art. 18 AIG ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 62 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 67 AIG ;Art. 67 BV ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:135 I 143
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung VI F-3132/2019

U r t e i l  v o m  1 4.  J a n u a r  2 0 2 0

Besetzung Richterin Susanne Genner (Vorsitz), Richterin Regula Schenker Senn, Richter Daniele Cattaneo, Gerichtsschreiberin Ulrike Raemy.

Parteien A. ,

vertreten durch lic. iur. Daniel Frischknecht, Rechtsanwalt, Gmünder Frischknecht & Partner,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,

Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Einreiseverbot.

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer, ein 1972 geborener kosovarischer Staatsangehöriger, reiste am 19. Februar 1988 im Rahmen des Familiennachzugs zu seinen Eltern in die Schweiz ein. In der Folge erhielt er eine Jahresaufenthaltsbewilligung. Am 1. Dezember 1996 heiratete er eine Landsfrau (Akten der Vorinstanz [SEM-act.] 1/17). Diese Ehe wurde mit Urteil des Kreisgerichts ( ) vom 8. Juli 2004 geschieden. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor (geb. 1998 sowie 2000) (Akten des Migrationsamtes des Kantons Aargau [AG-pag.] 717).

B.

Mit Verfügung der zuständigen kantonalen Behörde vom 22. April 1999 wurde das Gesuch des Beschwerdeführers um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen am 7. Februar 2000 ab (SEM-act. 1/1-19).

    1. Der Beschwerdeführer hätte in der Folge die Schweiz verlassen müssen. Er verstiess hingegen wiederholt gegen ausländerrechtliche Bestimmungen, weshalb gegen ihn folgende Fernhaltemassnahmen angeordnet wurden:

      - eine Einreisesperre vom 9. November 2000 bis 8. November 2002 wegen illegalen Aufenthalts in der Schweiz (Verfügung des ehemaligen Bundsamtes für Ausländerfragen [BFA] vom 1. November 2000; SEM-act. 1/34),

      • eine (Anschluss-Sperre) vom 9. November 2002 bis 24. April 2005 wegen wiederholter illegaler Einreise trotz Einreisesperre (Verfügung des BFA vom 24. April 2002; SEM-act. 1/67),

      • eine Einreisesperre vom 9. September 2002 bis 8. September 2005 wegen Missachtung einer Einreisesperreverfügung (Verfügung des BFA vom 27. August 2005; SEM-act. 1/77),

      • eine Einreisesperre vom 28. Oktober 2006 bis 27. Oktober 2009 wegen illegaler Einreise (Verfügung des BFA vom 12. Oktober 2006; SEM-act. 1/114), bzw. ein Einreiseverbot vom 28. Oktober 2006 bis 26. Oktober 2009 wegen illegaler Einreise (Verfügung der Vorinstanz vom 12. Oktober 2006; SEM-act. 1/152).

    2. Am 23. März 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer Anzeige erstattet, da er unter falscher Identität in einer Schreinerei im Kanton Bern Holzfiguren angefertigt und danach verkauft hatte (SEM-act. 1/104-108).

    3. Am 13. Dezember 2007 wurde der Beschwerdeführer nach Pristina ausgeschafft (SEM-act. 1/142). Mittlerweile ist er im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung für Italien (AG-pag. 737 f.).

C.

    1. Am 21. Mai 2019 wurde der Beschwerdeführer von der Kantonspolizei Aargau aufgrund eines Verdachts auf illegale Erwerbstätigkeit angehalten und festgenommen. Zuvor hatte die Polizei eine Meldung erhalten, wonach er versucht habe, einer Frau Holzfiguren zu verkaufen. Er habe die Figuren in einem grossen Rucksack mitgeführt und sei mit seinem Velo zu ihrer Liegenschaft gekommen. Bei der Vernehmung gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er habe die Frau nur gefragt, ob es in der Nähe ein Brockenhaus gebe. Er habe die Holzfiguren in Como in einem Brockenhaus gekauft und wolle sie in der Schweiz an ein Brockenhaus (weiter-)verkaufen oder gegen Geldentschädigung abgeben. Aus seiner Sicht handle es sich dabei nicht um einen Handel, da die Figuren alt bzw. gebraucht seien. Mit dem Erlös aus dem Verkauf bzw. der Geldentschädigung habe er seine Lebenshaltungskosten decken wollen. Es sei das erste Mal, dass er Holzfiguren und Schnitzereien an ein Brockenhaus habe verkaufen wollen. Abschliessend anerkannte er den Tatbestand der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung. Dass er eine Bewilligung benötige, habe er nicht gewusst (vgl. zum Ganzen: AG-pag. 729, 731 sowie 733).

    2. Im Rahmen der Einvernahme durch die Kantonspolizei Aargau wurde dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zu einer allfälligen Wegweisung aus der Schweiz sowie gegebenenfalls zur Anordnung einer Fernhaltemassnahme gewährt (AG-pag. 732 f.).

    3. Am 22. Mai 2019 forderte das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau den Beschwerdeführer auf, die Schweiz innerhalb eines Tages zu verlassen (AG-pag. 739).

D.

Ebenfalls am 22. Mai 2019 verhängte das SEM gegen den Beschwerdeführer für das Gebiet der Schweiz und des Fürstentums Liechtensteins ein einjähriges Einreiseverbot und entzog einer allfälligen Beschwerde vorsorglich die aufschiebende Wirkung (SEM-act. 10/352 f.).

E.

Am 23. Mai 2019 verliess der Beschwerdeführer die Schweiz Richtung Pristina, Kosovo (AG-pag. 750).

F.

Am 20. Juni 2019 gelangte der Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, es treffe nicht zu, dass er in der Schweiz einer bewilligungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen sei (Akten des Bundesverwaltungsgerichts [BVGer-act. 1]).

G.

In ihrer Vernehmlassung vom 24. Juli 2019 schloss das SEM auf Abweisung der Beschwerde (BVGer-act. 6).

H.

Am 19. August 2019 replizierte der Beschwerdeführer (BVGer-act. 8).

I.

Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen des SEM, die ein Einreiseverbot gemäss Art. 67 des Ausländerund Integrationsgesetzes (AIG, SR 142.20) zum Gegenstand haben (Art. 33 Bst. d VGG; Art. 32 VGG; Art. 112 Abs. 1 AIG). Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Einreise sind endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 BGG).

    2. Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG i.V.m. Art. 112 Abs. 1 AIG).

    3. Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Erhebung der Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

2.

Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und - sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist an die Begründung der Begehren nicht gebunden (Art. 62 Abs. 4 VwVG). Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt des Entscheids (BVGE 2014/1 E. 2; 2011/43 E. 6.1).

3.

    1. Gestützt auf Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG kann das SEM gegenüber ausländischen Personen, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen haben oder diese gefährden, ein Einreiseverbot verhängen. Ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 2 Bst. a AIG liegt unter anderem vor, wenn gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen missachtet werden (Art. 77a Abs. 1 Bst. a der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]). Unter diese Begriffsbestimmung fallen auch Widerhandlungen gegen Normen des Ausländerrechts. Dabei genügt es, wenn der ausländischen Person eine Sorgfaltsverletzung zugerechnet werden kann. Unkenntnis oder Fehlinterpretation der entsprechenden Bestimmungen stellen normalerweise keinen hinreichenden Grund für ein Absehen von einer Fernhaltemassnahme dar. Jedem Ausländer und jeder Ausländerin obliegt es, sich über bestehende Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit den ausländerrechtlichen Vorschriften ins Bild zu setzen und sich im Falle von Unklarheiten bei der zuständigen Stelle zu informieren (vgl. statt vieler Urteil des BVGer F-296/2017 vom 8. Juli 2019 E. 4.3 m.H.).

    2. Wird gegen eine Person, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation besitzt, ein Einreiseverbot verhängt, so wird sie nach Massgabe der Bedeutung des Falles im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben (vgl. Art. 21 und 24 der Verordnung [EG] Nr. 1987/2006 vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation [SIS-II], Abl. L 381/4 vom 28.12.2006 [nachfolgend: SIS-II-VO];

Art. 21 der N-SIS-Verordnung vom 8. März 2013 [SR 362.0]). Der Beschwerdeführer ist jedoch im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis für Italien, weshalb das Einreiseverbot auf das Gebiet der Schweiz und des Fürstentums Liechtensteins begrenzt ist.

4.

    1. Die Vorinstanz begründet das gegenüber dem Beschwerdeführer verhängte Einreiseverbot mit dessen illegaler Erwerbstätigkeit (SEM-act. 10/352 f.).

    2. Der Beschwerdeführer bestreitet, einer illegalen Erwerbstätigkeit nachgegangen zu sein. Er sei in Polizeigewahrsam genommen worden, als er angeblich versucht habe, mitgeführte Holzfiguren durch Haustürgeschäfte an Privatpersonen zu verkaufen. Gestützt auf diese Grundlage sei das SEM bereits von der Ausübung einer unbewilligten Erwerbstätigkeit und einem Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Dass diese Art von im Aussterben befindlichen Haustürgeschäften, wie sie dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht werden, einen tatsächlichen Einfluss auf den Schweizer Arbeitsmarkt haben könnten, sei nicht einzusehen. Ferner sei der von ihm getätigte Verkauf keinesfalls dazu geeignet, ein Erwerbseinkommen zu erzielen. Vielmehr sei ein solches Verhalten als eine Form der Bettelei zu qualifizieren, welcher mit Blick auf die Weisungen des SEM betreffend Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [www.sem-admin.ch > Publikationen und Service > Weisungen und Kreisschreiben > I. Ausländerbereich > Aufenthalt und Erwerbstätigkeit, Stand

      1. Juni 2019, besucht im Dezember 2019, nachfolgend: Weisung des SEM] explizit vom Begriff der Erwerbstätigkeit im Sinne des AIG ausgenommen seien. Folglich habe er - der Beschwerdeführer - mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten nicht gegen das AIG verstossen (BVGer-act. 1).

    3. Der ausländerrechtliche Begriff der Erwerbstätigkeit ist weit gefasst. Dies unter anderem, um die Möglichkeiten der Umgehung der Zulassungsvoraussetzungen gemäss Art. 18-26 AIG zu verringern (vgl. MARC SPESCHA, in: Spescha et al. [Hrsg.], Kommentar Migrationsrecht, 5. Aufl. 2019,

      N. 2 zu Art. 11 Abs. 2 AIG). Als Erwerbstätigkeit gilt somit jede üblicherweise gegen Entgelt ausgeübte unselbständige oder selbständige Tätigkeit (Art. 11 Abs. 2 AIG). Eine Tätigkeit gilt dann als üblicherweise auf Entgelt gerichtet, wenn sie ihrer Art und ihrem Umfang nach auf dem schweizerischen Arbeitsund Dienstleistungsmarkt angeboten wird. Ohne Belang für die Qualifikation als (unselbständige) Erwerbstätigkeit ist, ob die Beschäftigung nur stundenoder tageweise oder vorübergehend ausgeübt wird

      (Art. 1a Abs. 1 VZAE) (vgl. statt vieler: Urteil des BVGer F-1827/2018 vom 30. September 2019 E. 6.3.4).

    4. Gemäss dem Polizeirapport der Regionalpolizei ( ) vom 21. Mai 2019 ging dort gleichentags eine Meldung ein, wonach der Beschwerdeführer in ( ) versucht habe, einer Frau eine Holzfigur zu verkaufen. Er sei mit dem Fahrrad zu ihrer Liegenschaft gekommen und habe die Holzfiguren in einen grossen Rucksack mit sich geführt. Beim Eintreffen der Polizei hätten zwei Holzpuzzle ausgebreitet auf einem Container gelegen. Die Sachverhaltsabklärung habe ergeben, dass der Beschwerdeführer mit dem Rad die umliegenden Liegenschaften angefahren habe, um Holzschnitzereien zu verkaufen (AG-pag. 737). Aus den kantonalen Akten geht zudem hervor, dass der Beschwerdeführer mit einem Auto nach ( ) gelangt ist und im Auto weitere für den Verkauf bestimmte Holzfiguren deponiert waren. Dass sich das Auto in ( ) befunden hat und dort weitere Holzfiguren deponiert waren, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten (SEM-act. 9/341).

    5. Der Beschwerdeführer hat nach dem Gesagten im Rahmen von Haustürgeschäften versucht, Holzfiguren zu verkaufen, und infolgedessen eine Tätigkeit verrichtet, die üblicherweise gegen Entgelt ausgeübt wird. Seine anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 21. Mai 2019 getätigten Aussagen, wonach er die Frau lediglich nach einem Brockenhaus gefragt habe und er die Figuren einem Brockenhaus zum Verkauf habe anbieten wollen (AG-pag. 729-731, 733), dürften als Schutzbehauptungen zu werten sein. Im Übrigen würde auch der Verkauf an eine Brockenstube den Tatbestand der nicht bewilligten Erwerbstätigkeit erfüllen.

    6. Auch die auf Beschwerdeebene erhobene Einwände (es sei nicht einzusehen, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tätigkeit einen tatsächlichen Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben könnte bzw. seine Tätigkeit stelle keine Erwerbstätigkeit dar, sondern falle unter Bettelei; vgl. zum Ganzen vorne E. 4.2), spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle (vgl. zur weiten Fassung des ausländerrechtlichen Erwerbsbegriffs E. 4.3 hiervor). Auch wenn der Beschwerdeführer mit dem Verkauf von Holzfiguren kein breites Konsumbedürfnis erfüllt, sondern vielmehr eine Nischentätigkeit ausgeübt hat, ist er damit einer bewilligungspflichtigen Erwerbstätigkeit i.S.v. Art. 11 Abs. 2 AIG nachgegangen. Dass er um die Bewilligungspflicht nicht gewusst haben will, vermag ihn ebenfalls nicht zu entlasten, zumal es für die Verhängung eines Einreiseverbots keines vorsätzlichen Verstosses gegen ausländerrechtliche Bestimmungen bedarf (vgl. vorstehend E. 3.1). Auch der zutreffende Hinweis auf die Weisung des SEM, wonach Bettelei nicht als Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist, vermag zu keiner anderen Einschätzung zu führen. So wurde der Beschwerdeführer bereits mit Einstellungsverfügung des Untersuchungsamtes Uznach vom 20. Dezember 2018 (SEM-act. 8/334 ff.) darauf hingewiesen, dass er im Wiederholungsfall nicht mit einer erneuten Straffreiheit rechnen könne, indem bei weiteren Verkäufen die Grenze zur Erwerbstätigkeit möglicherweise überschritten und dadurch ein ausländerrechtlicher Straftatbestand erfüllt sein könnte (SEM-act. 8/335).

      Dass dem Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft ( ) bislang die von ihm beantragte Akteneinsicht nicht gewährt worden sein soll, ist vorliegend unerheblich. Mängel der behaupteten Art wären nach deren Feststellung im Strafverfahren geltend zu machen gewesen.

    7. Vor dem aufgezeigten Hintergrund ist erstellt, dass der Beschwerdeführer am 21. Mai 2019 einer Erwerbstätigkeit im Sinne des Gesetzes nachgegangen ist, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Bewilligung zu sein (Art. 11 Abs. 2 AIG). Durch die Missachtung dieser Vorschrift hat er gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen und damit einen hinreichenden Grund für die Verhängung eines Einreiseverbots gesetzt (vgl. E. 3.1 hiervor).

5.

    1. Es bleibt zu prüfen, ob die auf ein Jahr befristete und damit unterhalb der Regelhöchstdauer von Art. 67 Abs. 3 Satz 1 liegende Fernhaltemassnahme in richtiger Ausübung des Ermessens ergangen und angemessen ist. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit steht dabei im Vordergrund. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine wertende Abwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der Massnahme einerseits und den von der Massnahme beeinträchtigten privaten Interessen des Betroffenen andererseits. Die Stellung der verletzten oder gefährdeten Rechtsgüter, die Besonderheiten des ordnungswidrigen Verhaltens und die persönlichen Verhältnisse des Verfügungsbelasteten bilden dabei den Ausgangspunkt der Überlegungen (Art. 96 AIG; ferner statt vieler HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 514 ff. m.w.H.).

    2. Aufgrund der illegalen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers ist eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemäss Art. 67 Abs.

      2 Bst. a AIG zu bejahen. Es besteht demnach ein generalund spezialpräventiv motiviertes Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers (zur spezialund generalpräventiven Zielsetzung von Fernhaltemassnahmen: vgl. BVGE 2014/20 E. 8.2). Davon abgesehen ist zu berücksichtigen, dass ihm gegenüber in der Vergangenheit bereits wiederholt Fernhaltemassnahmen angeordnet wurden, da er gegen ausländerrechtliche Vorschriften verstossen hat bzw. wiederholt in der Schweiz straffällig geworden ist (vgl. Sachverhalt Bst. B sowie zum Ganzen: SEM-act. 1). Vor diesem Hintergrund vermittelt der Beschwerdeführer eine latente Geringschätzung fundamentaler ausländerrechtlicher Bestimmungen.

    3. Den öffentlichen Interessen sind die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber zu stellen. Hierzu macht er geltend, seine Kinder seien in der Schweiz aufenthaltsberechtigt und er unterhalte einen regelmässigen und innigen Kontakt zu ihnen. Gestützt auf seine Aufenthaltsberechtigung für Italien habe er in der Vergangenheit regelmässige mehrwöchige Besuche bei seiner in der Schweiz lebenden Familie getätigt. Auch wenn vorliegend die Dauer des Einreiseverbotes auf ein Jahr beschränkt sei, hätten er und seine Familie ein privates Interesse an dessen Aufhebung.

      Die Ehe des Beschwerdeführers besteht nicht mehr und seine Kinder sind bereits volljährig (vgl. Sachverhalt Bst. A). Diesen Beziehungen kann somit kein derartiges Gewicht beigemessen werden, als dass sie das öffentliche Interesse an einer Fernhaltung aufzuwiegen vermöchten (zum Familienbegriff gemäss Art. 8 EMARK vgl. BGE 135 I 143 E. 3.1). Hinzu kommt, dass das SEM aufgrund seines Aufenthaltstitels für Italien auf die Ausschreibung des Beschwerdeführers im Schengener Informationssystem SIS II verzichtet hat. Ihm ist es folglich nicht verwehrt, sich im Schengenraum - mit Ausnahme der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein - aufzuhalten. Überdies sind dem Beschwerdeführer während der Geltungsdauer der Fernhaltemassnahme Besuchsaufenthalte bei ihm nahestehenden Personen in der Schweiz nicht schlichtweg untersagt: Das SEM kann die Fernhaltemassnahme auf begründetes Gesuch hin aus humanitären oder anderen wichtigen Gründen befristet suspendieren (vgl. Art. 67 Abs. 5 AIG; BVGE 2013/4 E. 7.4.3 m.H.). Zudem können Kontakte noch auf andere Weise gepflegt werden, sei es durch moderne Kommunikationsmittel oder durch Treffen im Aufenthaltsstaat des Beschwerdeführers.

    4. Eine wertende Gegenüberstellung der sich gegenüberstehenden Interessen führt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass das auf ein

Jahr befristete Einreiseverbot für das Gebiet der Schweiz und des Fürstentums Liechtensteins sowohl vom Grundsatz her als auch in Bezug auf seine Dauer eine verhältnismässige und angemessene Massnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

6.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.

7.

Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten in der Höhe von Fr. 900.- dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG

i.V.m. Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Sie sind durch den in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 900.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie sind durch den in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.

3.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Einschreiben)

  • die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. [ ] zurück)

  • das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Susanne Genner Ulrike Raemy

Versand:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.