Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-1660/2019 |
Datum: | 14.12.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Reisedokumente für ausländische Personen (Übriges) |
Schlagwörter : | Vorinstanz; Reise; China; Person; Verfügung; Reisedokument; Aufenthalt; Ausstellung; Herkunft; Verfahren; Staat; Bundesverwaltungsgericht; Gesuch; Vertretung; Schweiz; Sozialisierung; Aufenthaltsbewilligung; Verfahrens; Behörde; Recht; Urteil; Reisedokumente; Behörden; Zustimmung; Fluchtgründe |
Rechtsnorm: | Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 59 AIG ;Art. 62 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung VI F-1660/2019
Besetzung Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz), Richterin Jenny de Coulon Scuntaro, Richter Daniele Cattaneo, Gerichtsschreiberin Annina Mondgenast.
Parteien A. ,
(…),
Beschwerdeführerin,
gegen
Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person.
Mit Verfügung vom 11. September 2015 lehnte das damalige Bundesamt für Migration (BFM) das Asylgesuch der Beschwerdeführerin vom 9. Mai 2013 ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an, unter Ausschluss des Wegweisungsvollzugs in die Volksrepublik (VR) China. Es hielt darin fest, eine Sozialisierung der Beschwerdeführerin in der VR China sei nicht glaubhaft und dies werde auch durch die durchgeführte LINGUA-Analyse bestätigt. Ihre Aussagen würden zudem mehrere Widersprüche enthalten. Es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie vor ihrer Ankunft in der Schweiz nicht in der VR China, sondern in der exiltibetischen Diaspora gelebt habe. Auf eine dagegen erhobene Beschwerde vom 8. Oktober 2015 trat das Bundesverwaltungsgericht mangels Bezahlung eines Kostenvorschusses mit Urteil D-6373/2015 vom 10. November 2015 nicht ein. Die Verfügung vom 11. September 2015 erwuchs damit in Rechtskraft.
Das Migrationsamt des Kantons Aargau (MIKA) ersuchte am 30. August 2018 das SEM um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 14 Abs. 2 aAsylG. Die Vorinstanz verweigerte mit Verfügung vom
8. November 2018 die Zustimmung. Nach Eingang eines Wiedererwägungsgesuchs der Beschwerdeführerin vom 26. November 2018 hob das SEM seine Verfügung auf. Das Migrationsamt erteilte daraufhin der Beschwerdeführerin am 29. November 2018 eine Aufenthaltsbewilligung.
Am 23. Januar 2019 ersuchte die Beschwerdeführerin um Ausstellung eines Reisepasses für eine ausländische Person. Die Vorinstanz forderte sie mit Schreiben vom 31. Januar 2019 auf, ihre effektive Herkunft offen zu legen. Die Beschwerdeführerin nahm mit Eingabe vom 14. Februar 2019 dazu Stellung. Mit Schreiben vom 15. Februar 2019 teilte die Vorinstanz der Beschwerdeführerin mit, ihr Gesuch werde abgelehnt und räumte ihr Gelegenheit ein, eine beschwerdefähige Verfügung gegen diesen Entscheid zu verlangen. Mit Eingabe vom 22. Februar 2019 ersuchte sie um Zustellung einer solchen. Die Vorinstanz wies mit Verfügung vom 13. März 2019 das Gesuch um Ausstellung eines Reisepasses ab.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 8. April 2019 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung
der angefochtenen Verfügung. Ihr sei als schriftenlose ausländische Person ein Reisedokument auszustellen. Eventualiter seien ihre Nachfluchtgründe zuzuerkennen und ihr gestützt darauf ein Reisedokument auszustellen. In prozessualer Hinsicht ersuchte sie um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Die erhobene Gebühr für die Ausstellung der vorinstanzlichen Verfügung sei ihr als Parteientschädigung zurückzuerstatten.
Als Beweismittel reichte sie folgende Unterlagen in Kopie ein: ein Schreiben des SEM an das MIKA vom 16. Februar 2016 betreffend Vollzugsunterstützung, ein Schreiben des SEM vom 18. September 2018 betreffend Gewährung des rechtlichen Gehörs zur Ablehnung des Gesuchs um Aufenthaltsbewilligung, eine Verfügung des SEM vom 8. November 2018 betreffend Verweigerung der Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, das Wiedererwägungsgesuch der Beschwerdeführerin vom
26. November 2018, eine E-Mail des Chefs der Abteilung Zulassung und Aufenthalt des SEM an RA B. vom 28. November 2018, ein Gesuch des MIKA um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 29. November 2018, eine Quittung betreffend Bezahlung Reisedokument vom 23. Januar 2019, ein Schreiben des SEM an die Staatsanwaltschaft C. vom 18. Oktober 2018 im Verfahren gegen D. betreffend Beantwortung Fragen zur Durchführung des Wegweisungsvollzugs, zwei Bestätigungen von E. vom 3. März 2015 und 22. November 2018 betreffend Besuch von zwei Personen tibetischer Ethnie beim chinesischen Generalkonsulat in Zürich, zwei Aktennotizen von F. betreffend Gespräche mit der indischen Botschaft in Bern und der nepalesischen Vertretung in Genf vom 25. Mai 2016, eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft G. vom 27. Februar 2019 betreffend H. .
Mit Zwischenverfügung vom 18. April 2019 verzichtete das Bundesverwaltungsgericht einstweilen auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und hielt fest, über das Gesuch um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung werde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Gleichzeitig lud es die Vorinstanz zur Vernehmlassung ein.
Die Vorinstanz liess sich am 23. April 2019 vernehmen und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin replizierte am 6. Mai 2019. Mit Eingabe vom 16. Mai 2019 hielt die Vorinstanz in ihrer Duplik an
ihren Anträgen fest. Die Beschwerdeführerin reichte am 27. Mai 2019 eine Triplik ein und die Vorinstanz am 4. Juni 2019 eine Quadruplik.
Verfügungen der Vorinstanz, welche die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen betreffen, sind mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Art. 31 ff. VGG i.V.m. Art. 5 VwVG). Dieses entscheidet in der vorliegenden Materie endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 6 BGG).
Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
Die Beschwerdeführerin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf das fristund formgerecht eingereichte Rechtsmittel ist – mit Ausnahme der nachfolgenden Ausführungen – einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).
Die Beschwerdeführerin beantragt eventualiter, ihre subjektiven Nachfluchtgründe seien anzuerkennen. Wie nachfolgend (vgl. E. 5.1) ausgeführt wird, ist das Vorliegen von allfälligen subjektiven Nachfluchtgründen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weshalb auf den Eventualantrag nicht einzutreten ist.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie – wenn nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat – die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).
Das SEM kann einer schriftenlosen ausländischen Person mit Aufenthaltsbewilligung Reisedokumente ausstellen (Art. 59 Abs. 1 AIG [SR 142.20] i.V.m. Art. 4 Abs. 2 Bst. a der Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen [RDV; SR 143.5]). Als schriftenlos im Sinne dieser Verordnung gilt gemäss Art. 10 Abs. 1 RDV eine ausländische Person, die keine gültigen Reisedokumente ihres Heimat- oder Herkunftsstaates besitzt und von der nicht verlangt werden kann, dass sie sich bei den zuständigen Behörden ihres Heimatoder Herkunftsstaates um die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisedokuments bemüht (Bst. a), oder für welche die Beschaffung von Reisedokumenten unmöglich ist (Bst. b).
Die Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden des Heimatoder Herkunftsstaates kann namentlich von schutzbedürftigen und asylsuchenden Personen nicht verlangt werden (Art. 10 Abs. 3 RDV).
Als unmöglich im Sinne dieser Bestimmung gilt die Beschaffung eines Reisepapiers grundsätzlich nur dann, wenn sich die ausländische Person bei den Behörden ihres Heimatstaates um einen Reisepass bemüht, dessen Ausstellung aber ohne zureichende Gründe verweigert wird (zum Ganzen siehe BVGE 2014/23 E. 5.3–5.4). Die Ausstellung von Reiseund Identitätspapieren liegt in der Kompetenz des jeweiligen Heimatstaates. Diesem kommt bei der Ausübung seiner Passhoheit ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, den es zu respektieren gilt (vgl. Urteil des BVGer F-6281/2016 E. 4.2 m.H.).
Zur Begründung der Abweisung des Gesuchs um Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person führte die Vorinstanz im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei in der Schweiz nicht als Flüchtling anerkannt und es sei ihr zumutbar, sich bei den zuständigen Behörden ihres Heimatstaates um die Ausstellung eines Reisedokuments zu bemühen. Dabei obliege es ihr, die von den heimatlichen Behörden verlangten Anforderungen zur Ausstellung eines Passes zu erfüllen. Im Rahmen ihres Asylgesuchs habe sie falsche Angaben über ihre Herkunft gemacht und keine Ausweispapiere zu den Akten gelegt. Mit Verfügung vom 11. September 2015 sei deshalb festgehalten worden, es sei ihr nicht gelungen, ihre Herkunft aus der VR China glaubhaft darzulegen. Vielmehr sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, sie habe vor ihrer Ankunft in der Schweiz nicht in der VR China, sondern in einer exiltibetischen
Diaspora gelebt. Gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne für asylsuchende Personen tibetischer Ethnie, die unglaubhafte Angaben über ihre angebliche Sozialisierung in der VR China machen würden, grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Duldung in einem Drittstaat oder sogar eine andere Staatsangehörigkeit besitzen würden. Es liege an der Beschwerdeführerin, ihre wahre Identität preiszugeben, heimatliche Dokumente zu beschaffen beziehungsweise sich nötigenfalls an ihrem Herkunftsort registrieren zu lassen und einen Passantrag mit ihren korrekten Personalien bei der zuständigen heimatlichen Vertretung einzureichen. Die Voraussetzungen an die Schriftenlosigkeit seien aufgrund der bestehenden Aktenlage nicht erfüllt.
Die Beschwerdeführerin entgegnet in ihrer Beschwerde, in seiner Zustimmung zur Aufenthaltsbewilligung habe der Abteilungsleiter des SEM, Zulassung und Aufenthalt, ausdrücklich die Erteilung eines Reisedoku-
ments zugesichert (E-Mail SEM an RA B.
vom 28. November
2018). Die Vorinstanz verstosse mit der angefochtenen Verfügung deshalb gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz habe die Beschwerdeführerin ihre Herkunft offengelegt. Seit ihrer Ankunft in der Schweiz halte sie sich in exiltibetischen Kreisen auf, die enge Kontakte zum Dalai Lama pflegen und diesen als geistiges Oberhaupt betrachten würden. Von der VR China werde sie als Separatistin betrachtet und unterdrückt. Damit würden subjektive Nachfluchtgründe vorliegen und sie erfülle in Bezug auf ihren Heimatstaat VR China die Flüchtlingseigenschaft. Es könne ihr deshalb nicht zugemutet werden, bei der chinesischen Vertretung in der Schweiz einen Reisepass zu beantragen. Die Beschwerdeführerin habe auch versucht, bei den Vertretungen Nepals und Indiens ein Reisedokument zu erhalten beziehungsweise eine Bestätigung bezüglich der Verweigerung. Beide Vertretungen würden derartige Anfragen jedoch nicht beantworten und sich auf den Standpunkt stellen, die offizielle Schweiz müsste vorsprechen. Die Vorinstanz selbst teile den Kantonen auf Gesuche um Vollzugsunterstützung jeweils mit, dass Tibeterinnen und Tibeter bei den Vertretungen Indiens und Nepals keine Dokumente beschaffen könnten. Die Beschaffung von Reisedokumenten sei für sie (Beschwerdeführerin) somit objektiv unmöglich und sie gelte als schriftenlos im Sinne von Art. 10 RDV. Als schriftenlose chinesische Staatsbürgerin tibetischer Ethnie mit nachgewiesenen Nachfluchtgründen habe sie Anspruch auf einen Reisepass.
In ihrer Vernehmlassung macht die Vorinstanz geltend, der Beschwerdeführerin sei im vorliegenden Verfahren mehrmals Gelegenheit gegeben worden, ihre effektive Herkunft durch überprüfbare Angaben zu ihrem Lebenslauf offenzulegen (insbesondere die letzten Wohnadressen in ihrem Heimatbeziehungsweise Herkunftsstaat, den Aufenthaltsstatus, den letzten Arbeitgeber, Schulbesuche usw.). Dieser Aufforderung sei sie nicht nachgekommen. Deshalb könne nach wie vor nicht geprüft werden, ob es zulässig, zumutbar und mögliche wäre, einen Pass ihres Heimatrespektive Herkunftsstaats zu beschaffen. Personen, die ihre Mitwirkungspflicht verletzen würden, seien nicht besser zu stellen als solche, die zu ihrer Herkunft wahre Angaben machen und dadurch eine Prüfung ermöglichen würden. Dem Einwand, ihr sei vom Abteilungsleiter der Abteilung Zulassung Aufenthalt des SEM die Ausstellung eines Reisedokuments zugesichert worden, könne nicht gefolgt werden. Diese Zustimmung habe das Verfahren um Zustimmung zu einer Härtefallbewilligung betroffen und könne nicht stillschweigend auf das vorliegende Verfahren übertragen werden. Es handle sich um zwei voneinander unabhängige Verfahren.
Replizierend erwidert die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe sich in ihrer Vernehmlassung nicht zur Frage geäussert, ob sie (Beschwerdeführerin) schriftenlos im Sinne von Art. 10 RDV sei. Die Vorinstanz anerkenne stillschweigend, dass die Vorsprache beim chinesischen Konsulat nicht zumutbar oder möglich sei. Statt auf chinesischen Reisedokumenten zu beharren, weiche sie aus und verlange überprüfbare Angaben zur Person. In Bezug auf die Volksrepublik China sei die Beschwerdeführerin nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schutzbedürftig. Sie werde als Separatistin betrachtet, die in der Schweizer Diaspora im Umfeld des Dalai Lama verkehre. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz habe sie im Rahmen des Asylgesuchs keine falschen Angaben zu ihrer Herkunft gemacht, sondern sie habe diese nicht überzeugend darlegen können. Die Vorinstanz sei in der Folge immer von der chinesischen Staatsangehörigkeit ausgegangen. Bereits im Asylverfahren habe sie ihre Herkunft offengelegt, die Vorinstanz sei jedoch nicht in der Lage gewesen, diese zu verifizieren. Das Begehren um überprüfbare Angaben bedeute zudem, dass eine mutmasslich schriftenlose Person Schriften vorlegen müsse, um ihre Schriftenlosigkeit zu beweisen. Diese Argumentation sei absurd. Die Vorinstanz mutmasse sodann, sie (Beschwerdeführerin) sei möglicherweise in Indien oder Nepal sozialisiert worden und habe dort Aufenthaltsrechte oder Anrecht auf Ausweispapiere erworben. Demgegenüber habe die Vorinstanz in unzähligen Antworten auf kantonale Vollzugshilfegesuche festge-
halten, dass die Vertretungen Indiens und Nepals in der Schweiz nicht gewillt seien, Ersatzreisepapier auszustellen. Die Vertretungen Indiens und Nepals würden offizielle Schritte der Vorinstanz erwarten und nicht auf Gesuche einzelner Staatsbürger der VR China eintreten. Die Vorinstanz bestreite sodann nicht, dass der Beschwerdeführerin ein Reisedokument zugesichert worden sei. Diese Zusicherung gelte unabhängig des jeweiligen Verfahrens, ansonsten werde der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt.
In ihrer Duplik bringt die Vorinstanz vor, es stehe rechtskräftig fest, dass die Beschwerdeführerin unglaubhafte Angaben zu ihrer Sozialisierung in der VR China gemacht habe. Indem sie wiederhole, chinesische Staatsangehörige zu sein, vermöge sie die ursprünglichen Feststellungen nicht umzustossen. Sie habe ihre wahre Identität und ihre Sozialisierung offenzulegen. Bei einer hypothetischen Sozialisierung in Indien wäre es dem SEM sodann möglich, über die Schweizer Vertretung in Delhi Abklärungen zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin zu tätigen; das Gleiche gelte für andere Länder. Nur so sei es möglich, die Schriftenlosigkeit effektiv festzustellen. Die Angaben der Beschwerdeführerin zu einer angeblichen Sozialisierung in der VR China seien nicht erneut zu prüfen. Das Verfahren betreffend Schriftenlosigkeit diene nicht dazu, den Asylentscheid in Wiedererwägung zu ziehen.
Triplizierend wiederholt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihre bereits gemachten Vorbringen und hält an ihrer Sozialisierung in der VR China fest. Weiter verweist sie auf das Urteil des Bundesgerichts 2C_541/2017 vom 19. Januar 2018. Darin werde festgehalten, dass das SEM bei der Beschaffung von Dokumenten Unterstützung leisten müsse. Diese Unterstützung habe die Vorinstanz stets verweigert.
Die Vorinstanz führt in der Quadruplik aus, die Eingaben der Beschwerdeführerin würden keine neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel enthalten, die eine Änderung der vorinstanzlichen Verfügung rechtfertigen könnten.
Die Beschwerdeführerin konnte im Asylverfahren ihre Sozialisierung in China nicht glaubhaft darlegen. Die Vorinstanz befand in jenem Verfahren, es müsse von einer Sozialisation in der exiltibetischen Diaspora eines Drittstaates ausgegangen werden, dessen Aufenthaltsrecht oder sogar Staatsangehörigkeit sie vermutlich besitze. Diese rechtskräftige Verfügung ist
bindend, weshalb eine Sozialisierung der Beschwerdeführerin in der VR China nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Unbeachtlich ist, ob die Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft in der VR China erfüllen würde, da von einer Aufenthaltsalternative in ihrem Herkunftsstaat auszugehen ist. Das Vorliegen von allfälligen subjektiven Nachfluchtgründen in Bezug auf die VR China muss auch deshalb nicht geprüft werden. Ein Wegweisungsvollzug in die VR China wurde von der Vorinstanz im Asylverfahren sodann explizit ausgeschlossen. Der Beschwerdeführerin ist es damit selbst bei Annahme einer bestehenden chinesischen Staatsangehörigkeit nicht zumutbar, bei der Vertretung der VR China um Reisepapiere zu ersuchen. Von der Vorinstanz wurde auch nie geltend gemacht, sie habe sich bei der Vertretung der VR China um Reisepapiere zu bemühen.
Nicht ausgeschlossen wurde in der Verfügung vom 11. September 2015, dass die Beschwerdeführerin über eine Aufenthaltsbewilligung oder sogar die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates als der VR China verfügt. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist daher einzig, ob von der Unmöglichkeit der Reisepapierbeschaffung bei der Vertretung ihres Heimat- beziehungsweise Herkunftsorts auszugehen ist oder ob die Vorinstanz zu Recht von der fehlenden Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin ausgegangen ist. Als Heimatort gilt dabei nachfolgend jeder andere Staat als die VR China.
Zur Stützung ihrer Vorbringen beruft sich die Beschwerdeführerin auf das Urteil des Bundesgerichts 2C_541/2017 vom 19. Januar 2018. Die Vorinstanz verzichtete in diesem Verfahren auf eine Vernehmlassung. Für das Bundesgericht war deshalb nicht erkennbar, ob das von der beschwerdeführenden Person skizzierte Vorgehen zur Feststellung ihrer Identität (Abgabe von Fingerabdrücken und Abgleich bei den Botschaften der in Frage kommenden Länder) mit Hilfe des SEM zielführend sein könnte beziehungsweise weshalb es bisher nicht durchgeführt worden sei. Das Bundesgericht hielt fest, es sei primär Sache des Ausreiseverpflichteten selber, die Ausreise zu organisieren, nötigenfalls aber mit Unterstützung der Behörden. Es wies die Sache an die Vorinstanz zurück, damit diese näher abkläre, ob in Zusammenarbeit mit dem SEM eine wirksame Papierbeschaffung möglich wäre. Die beschwerdeführende Person sei darauf zu behaften, dass sie sich für eine Personalienabklärung samt Fingerabdruckerhebung bei den Botschaften der in Frage kommenden Länder bereit erklärt habe. Sie habe zu diesem Zweck diesen Botschaften sowie den
schweizerischen Behörden alle zweckdienlichen Informationen wahrheitsgemäss zukommen zu lassen (Urteil des BGer 2C_541/2017 E. 4.4.6. und 4.5.).
Vorliegend gewährte die Vorinstanz der Beschwerdeführerin vor Erlass ihrer Verfügung das rechtliche Gehör und wies ausdrücklich darauf hin, zu welchen Gegebenheiten in ihrem Leben sie sich äussern solle. Die Beschwerdeführerin hielt in ihrer Stellungnahme an ihrer Sozialisierung in der VR China fest. Die Vorinstanz hält in ihrer Verfügung, Vernehmlassung und Duplik ausdrücklich fest, sie könne nur bei der Papierbeschaffung helfen, wenn die Beschwerdeführerin wahrheitsgemässe Angaben über ihren vermuteten Aufenthalt in einem Drittstaat mache. In ihrer Beschwerde, Replik und Triplik behauptet die Beschwerdeführerin weiterhin, in der VR China sozialisiert worden zu sein. Damit verletzt sie, wie bereits im Asylverfahren, ihre Mitwirkungspflicht und die Unmöglichkeit der Reisepapierbeschaffung lässt sich nicht überprüfen. Der Vorinstanz ist somit nicht anzulasten, sie sei bei der Beschaffung von Reisdokumenten nicht behilflich. Aus dem oben erwähnten Urteil des Bundesgerichts lässt sich damit nichts zu Gunsten der Beschwerdeführerin ableiten. Aus der E-Mail des SEM an RA B. vom 28. November 2018 geht hervor, dass die Vorinstanz die Zustimmung zu einer Härtefallbewilligung gestützt auf Art. 14 Abs. 2 AsylG erteile und aus technischen Gründen das Gesuch erneut beim Kanton eingereicht werden müsse (vgl. Beschwerdebeilage 6). Die Ausstellung eines Reisedokuments wird darin nicht in Aussicht gestellt und es liegt somit keine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben vor.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zum heutigen Zeitpunkt keine Umstände vorliegen, aufgrund derer die Beschwerdeführerin als schriftenlos im Sinne von Art. 10 Abs. 1 RDV anzusehen wäre. Somit fehlt es an einer unabdingbaren Voraussetzung für die Ausstellung des beantragten Reisedokuments für eine ausländische Person.
Die Vorinstanz hat demzufolge der Beschwerdeführerin zu Recht die Ausstellung eines schweizerischen Ersatzreisepapiers verweigert. Die angefochtene Verfügung erweist sich somit im Lichte von Art. 49 VwVG als rechtmässig und die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Mit der Rechtsmitteleingabe ersuchte sie jedoch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Das Bundesverwaltungsgericht verschob mit Zwischenverfügung vom 27. März 2018 den Entscheid darüber auf einen späteren Zeitpunkt.
Gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG kann eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und deren Begehren nicht als aussichtslos erscheinen, auf Gesuch hin von der Bezahlung von Verfahrenskosten befreit werden. Da die vorliegende Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen war und die prozessuale Bedürftigkeit aktenmässig erstellt ist, ist das Gesuch um Befreiung von den Verfahrenskosten gutzuheissen. Demnach ist auf deren Erhebung zu verzichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird gutgeheissen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Einschreiben)
die Vorinstanz (mit den Akten Ref-Nr. 18255779 / N […])
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Regula Schenker Senn Annina Mondgenast
Versand:
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