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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-6345/2019

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-6345/2019

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-6345/2019
Datum:26.03.2020
Leitsatz/Stichwort:Familienzusammenführung (Asyl)
Schlagwörter : Familie; Eritrea; Ehefrau; Recht; Beschwerdeführers; Schweiz; Flucht; Eheleute; Verfügung; Gesuch; Familiengemeinschaft; Bundesverwaltungsgericht; Akten; Familienzusammenführung; Tochter; Beziehung; Umstände; Beschwerdeschrift; Kontakt; Einreise; Beilage; Sinne; Ausreise; Flüchtlingseigenschaft; Eltern; Vorinstanz
Rechtsnorm: Art. 43 IPRG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-6345/2019

U r t e i l  v o m  2 6.  M ä r z  2 0 2 0

Besetzung Richterin Christa Luterbacher (Vorsitz),

Richter Jürg Marcel Tiefenthal, Richter Markus König, Gerichtsschreiberin Tina Zumbühl.

Parteien A. _, geboren am ( ), Eritrea,

vertreten durch lic. iur. Kathrin Stutz,

Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende (ZBA), Beschwerdeführerin,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Einreisebewilligung und Familienzusammenführung (Asyl) zugunsten von B. , geboren am ( ),

Eritrea;

Verfügung des SEM vom 31. Oktober 2019 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Mit Verfügung des SEM vom 31. März 2016 wurde die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers anerkannt und ihm in der Schweiz Asyl gewährt.

B.

    1. Am ( ) 2018 kam die Tochter des Beschwerdeführers in der Schweiz zur Welt.

    2. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 ersuchte die Kindsmutter, ebenfalls eritreische Staatsangehörige, um Einbezug der Tochter in die Flüchtlingseigenschaft ihres Vaters (Beschwerdeführer).

    3. Mit Verfügung vom 14. Januar 2019 verweigerte das SEM den Einbezug der Tochter in die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers. Es begründete die ablehnende Verfügung im Wesentlichen damit, dass die Eltern getrennt voneinander leben würden, die Tochter bei der Kindsmutter lebe und derzeit eine künftige Beziehung zwischen Tochter und Vater gemäss Aussage der Mutter unsicher sei. Der Vater sei gemäss ihren Angaben in Eritrea noch verheiratet, weshalb ein gemeinsames Familienleben derzeit nicht möglich sei. Das SEM hielt fest, dass kein intaktes, tatsächlich gelebtes Familienleben bestehe.

C.

    1. Mit Eingabe vom 27. März 2019 ans SEM stellte der Beschwerdeführer ein Familiennachzugsgesuch für seine Ehefrau B. . Dazu reichte er eine Kopie der Heiratsurkunde sowie eine Kopie seiner Aufenthaltsbewilligung B ein.

    2. Mit Schreiben vom 18. September 2019 forderte das SEM den Beschwerdeführer mit diversen Fragen auf, innerhalb eines Monates die Umstände ihrer Beziehung zu konkretisieren und weitere Dokumente einzureichen.

    3. Dieses Schreiben blieb vom Beschwerdeführer unbeantwortet.

D.

Mit Verfügung vom 31. Oktober 2019 lehnte das SEM das Gesuch um Familienzusammenführung ab.

E.

Mit Beschwerde vom 2. Dezember 2019 liess der Beschwerdeführer die Verfügung durch seine Rechtsvertreterin beim Bundesverwaltungsgericht anfechten. Er beantragte, die Verfügung des SEM vom 31. Oktober 2019 sei aufzuheben und zwecks nachvollziehbarer Begründung und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei dem Familiennachzugsgesuch stattzugeben und der Ehefrau B. die Einreise in die Schweiz zu bewilligen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um die Bestellung der rubrizierten Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin sowie um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht.

Mit der Beschwerde wurde die Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Schreiben des SEM vom 18. September 2019 unter Beilage zweier Passfotos der Ehefrau zu den Akten gereicht.

F.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 bestätigte das Gericht den Eingang der Beschwerde.

G.

Mit Zwischenverfügung vom 11. Dezember 2019 gewährte die Instruktionsrichterin die unentgeltliche Prozessführung, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und ordnete die Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin bei. Gleichzeitig wurde die Vorinstanz eingeladen, sich zur Beschwerde vernehmen zu lassen.

H.

Mit Eingabe vom 18. Dezember 2019 reichte die Rechtsvertreterin die Vertretungsvollmacht sowie erneut die Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Schreiben des SEM vom 18. September 2019, diesmal mit der Unterschrift des Beschwerdeführers versehen, nach.

I.

In seiner Vernehmlassung vom 20. Dezember 2019 hielt das SEM fest, die Beschwerdeschrift enthalte keine erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, welche eine Änderung seines Standpunktes rechtfertigen könnten. Es verwies auf die Erwägungen seiner Verfügung, an denen es vollumfänglich festhielt.

J.

Die Vernehmlassung des SEM wurde dem Beschwerdeführer am 8. Januar 2020 zur Kenntnisnahme zugestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG und das AsylG nichts anderes bestimmen (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 6 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG.

3.

    1. Gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG werden Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen (Familienasyl). Wurden die anspruchsberechtigten Personen durch die Flucht getrennt

      und befinden sie sich im Ausland, ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen (Art. 51 Abs. 4 AsylG).

    2. Die Erteilung einer Einreisebewilligung nach Art. 51 Abs. 4 AsylG setzt gemäss konstanter Rechtsprechung eine vorbestandene Familiengemeinschaft, die Trennung der Familie durch die Flucht sowie die fest beabsichtigte Familienvereinigung in der Schweiz voraus (BVGE 2012/32 E. 5).

      Zentrale Bedingung für den Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 51 Abs. 4 AsylG ist, dass bereits vor der Flucht aus dem Verfolgerstaat eine Familiengemeinschaft zwischen der gesuchstellenden und der anspruchsberechtigten Person bestanden hat. Das Familienasyl dient insbesondere nicht der Aufnahme von vor der Flucht noch gar nicht gelebten familiären Beziehungen oder der Wiederaufnahme von zuvor abgebrochenen Beziehungen (vgl. BVGE 2012/32 E. 5.4.2 m.w.H.).

    3. Der Erteilung einer Einreisebewilligung dürfen sodann keine besonderen Umstände entgegenstehen. Dem Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft und der Asylgewährung entgegenstehende besondere Umstände sind gemäss der Rechtsprechung unter anderem dann anzunehmen, wenn das Familienleben während einer längeren Zeit nicht gelebt wurde und erkennbar ist, dass die Familienmitglieder nicht den Willen haben, als Familie zusammenzuleben (BVGE 2012/32 E.5.1 m.w.H.).

4.

    1. Das SEM führte in seiner ablehnenden Verfügung im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer nach seiner Ausreise aus Eritrea und nach der Regulierung seines Aufenthaltes in der Schweiz keinen Willen, als Familie zusammenleben zu wollen, habe erkennen lassen. Ihm sei bereits im April 2016 in der Schweiz Asyl gewährt worden, er habe es allerdings während dreier Jahre unterlassen, ein Einreisegesuch für seine Ehe-

      frau zu stellen. Dies lasse erkennen, dass während mehrerer Jahre kein Bedürfnis bestanden habe, mit seiner Frau zusammenzuleben, ansonsten angenommen werden könne, dass er sich schon zu einem früheren Zeitpunkt um einen Familiennachzug bemüht hätte. Vielmehr lasse der Sachverhalt darauf schliessen, dass aufgrund der geschilderten neuen Umstände eine Familienvereinigung derzeit für ihn opportun erscheine. Hätte er seit seiner Ausreise das andauernde Bedürfnis gehabt, mit seiner Frau zusammenzuleben und wäre die Beziehung zu seiner Frau stets gelebt und intakt gewesen, wäre zu erwarten, dass er eine schnellstmögliche Wiedervereinigung angestrebt hätte. Zudem habe er nie mit seiner Frau in einem

      gemeinsamen Haushalt gelebt. Sie hätten zwar nach der Hochzeitsfeier in Eritrea drei Wochen lang bei seinen Eltern gelebt, dies erfülle jedoch den Anspruch an einen gemeinsamen Haushalt nicht.

      Damit widerspreche die Sachlage dem Grundgedanken der in Art. 51 AsylG geregelten Familienvereinigung und es liege ein besonderer Umstand vor, welcher zur Ablehnung des Gesuchs führe. Die eingereichte Heiratsurkunde vermöge an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Im Übrigen habe er das Instruktionsschreiben des SEM vom 18. September 2019 in Bezug auf seine Beziehung mit seiner Frau unbeantwortet gelassen. Demzufolge sei das Gesuch um Familienzusammenführung gemäss Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG abzulehnen.

    2. In der Rechtsmitteleingabe führte der Beschwerdeführer zunächst aus, er habe das Instruktionsschreiben des SEM vom 18. September 2019 aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht beantwortet.

Die Eheleute seien durch die Flucht getrennt worden und es sei ihnen deswegen nicht möglich gewesen, in einem eigenen Haushalt zu leben. Sie hätten jedoch nach der Hochzeit zwei Monate - und nicht wie von der Vorinstanz angenommen nur drei Wochen - bei den Eltern des Beschwerdeführers gelebt. Sie hätten die finanziellen Mittel für eine eigene Wohnung nicht aufbringen können. Dies stelle jedoch keinen besonderen Umstand dar, sondern es sei ausschlaggebend, ob eine tatsächlich gelebte, im Rahmen des Möglichen gepflegte und schützenswerte Beziehung vorliege, was hier der Fall sei. Die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer aus seinem Heimatland habe fliehen müssen. Die Ehefrau habe erst im Jahr 2019 aus Eritrea fliehen können, aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer erst im März 2019 ein Gesuch um Familienzusammenführung gestellt.

Der Beschwerdeführer habe eine Tochter in der Schweiz, welche am ( ) 2018 zur Welt gekommen sei. Zwischen ihm, der Tochter und der Kindsmutter habe jedoch nie eine intakte, tatsächlich gelebte Familienbeziehung bestanden, weshalb das Gesuch um Einbezug der Tochter in die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers abgelehnt worden sei. Er habe seine Ehefrau informiert, dass er in der Schweiz ein Kind mit einer anderen Frau gezeugt habe. Seine Frau habe sich nicht von ihm getrennt und wünsche sich nach wie vor, eine Beziehung mit ihm in der Schweiz zu führen. Ausserdem könne nicht das Gesuch um Einbezug des Kindes in seine Flüchtlingseigenschaft mit der Begründung, es bestehe keine intakte

Familiengemeinschaft, abgelehnt werden und gleichzeitig auch das Einreisegesuch der Ehefrau nicht bewilligt werden, weil er in der Schweiz ein Kind mit einer anderen Frau habe. Schliesslich sei zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer seine Ehefrau bei den Befragungen des SEM zu seinen Asylgründen erwähnt habe, was er nicht getan hätte, hätten sie sich nach seiner Flucht getrennt. Es wäre überdies unwahrscheinlich, dass die Ehefrau in die Schweiz würde kommen wollen, obwohl er hier ein Kind habe, wenn die Eheleute keine Beziehung führen würden. Insgesamt würden keine besonderen Umstände vorliegen, welche gegen das Familienzusammenführungsgesuch sprechen würden.

5.

Nach Durchsicht der Akten kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die Verfügung des SEM im Ergebnis zu bestätigen ist.

    1. Zunächst ist fraglich, ob zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers aus Eritrea überhaupt eine Familiengemeinschaft im Sinne des Art. 51 Abs. 4 AsylG bestanden hat und ob die Familie durch die Flucht getrennt wurde.

      1. Von der Eheschliessung des Beschwerdeführers mit der nachzuziehenden Person B. kann gemäss Aktenlage ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat von Beginn seines Asylverfahrens an angegeben, er habe im Jahr 2013 eine Frau namens B. in Eritrea geheiratet (SEM Akte A7, Ziff. 1.14, A21, F16-F18). Die Kopie der eingereichten Heiratsurkunde bestätigt seine Aussagen. Vom Bestehen einer gültigen Ehe - nach dem Recht des Staates, in dem die Eheschliessung erfolgte (vgl. Art. 43 ff. IPRG [SR 291]) - kann somit ausgegangen werden.

      2. Nach der Eheschliessung im Juli 2013 hatte der Beschwerdeführer vom eritreischen Nationaldienst einen Urlaub von drei Wochen (SEM Akte A21, F53). Zwei Monate nach der Heirat (SEM Akte A7, Ziff 7.02) beziehungsweise im Oktober 2013 (SEM Akte A7, Ziff. 5.01; Beschwerdeschrift Beilage 3, Stellungnahme zum Schreiben des SEM vom 18. September 2019 [nachfolgend: Beschwerdeschrift Beilage 3], F2) habe er Eritrea verlassen. Das SEM ging darauf basierend davon aus, dass die Eheleute lediglich drei Wochen in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hätten, was den Anspruch an einen gemeinsamen Haushalt nicht erfülle. In der Beschwerde wird demgegenüber vorgebracht, die Eheleute hätten nach der Heirat zwei Monate in einem gemeinsamen Haushalt gelebt, nämlich bei den Eltern des Beschwerdeführers. Danach habe die Ehefrau nochmals

bei ihren Eltern gewohnt, was in Eritrea üblich sei. Die Eheleute hätten somit für zwei Monate - bis einen Monat vor seiner Flucht - zusammengelebt (Beschwerdeschrift Beilage 3, F2). Durch die Flucht seien sie sodann unfreiwillig getrennt worden. Praxisgemäss reicht indes auch eine Dauer von zwei Monaten des Zusammenlebens - unabhängig, ob dies in einem eigenen Haushalt oder im Haus der Eltern des Beschwerdeführers erfolgt ist - in der Regel nicht aus, um von einer vorbestandenen Familiengemeinschaft zum Zeitpunkt der Flucht im Sinne des Art. 51 Abs. 4 AsylG auszugehen. Es kann jedoch gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gleichwohl von einer vorbestandenen Ehegemeinschaft ausgegangen werden, wenn zwingende Gründe für das Getrenntleben in der Heimat vorgelegen haben, die Eheleute während der räumlichen Trennung in regelmässigem Kontakt gestanden haben und ein Wille zur schnellstmöglichen Widervereinigung nach aussen erkennbar ist. Zwingende Gründe für das Getrenntleben sind etwa dann gegeben, wenn der Anspruchsberechtigte nach der Heirat aufgrund dauernder Militärdienstpflicht gezwungenermassen in seiner Heimat weitgehend getrennt von seiner Ehefrau habe leben müssen (BVGE 2018/VI/6 E.5.2 f. mit Hinweis auf Urteil des BVGer D-982/2016 vom 10. September 2018 E. 5.2.1). Ob die Eheleute aufgrund des Nationaldienstes des Beschwerdeführers oder lediglich wegen des in der Beschwerde vorgebrachten eritreischen Brauches, dass die Ehefrau nach zwei Monaten des Zusammenlebens wieder für einen Monat zu den Eltern gehe, und dann wieder zum Ehemann zurückkehre (Beschwerdeschrift Beilage 3, F2), vor seiner Ausreise getrennt gelebt haben, wird aus den Akten nicht deutlich. Inwiefern die Eheleute nach ihrer räumlichen Trennung und vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus Eritrea in regelmässigem Kontakt gestanden sind, lässt sich anhand der Akten ebenfalls nicht beurteilen. Auch äussert sich der Beschwerdeführer nicht dazu, weshalb die Eheleute nicht gemeinsam ausgereist sind beziehungsweise ob er die Ausreiseabsichten mit seiner Ehefrau geteilt hat. Der Umstand, dass er kurze Zeit nach seiner Heirat ohne seine Ehefrau ausgereist ist, ist indes ein Indiz, welches gegen eine ausgeprägte emotionale Bindung zwischen den Eheleuten zum Zeitpunkt der Flucht spricht. Ferner hat der Beschwerdeführer keinerlei Fotografien zur Hochzeit oder zum gemeinsamen Eheleben eingereicht. Seine Aussage, er habe keine Fotos einreichen können, da diese bei einem Brand vernichtet worden seien, überzeugt nicht (Beschwerdeschrift Beilage 3). Da er gleichzeitig angab, es hätten etwa 200 Personen an der Hochzeitsfeier teilgenommen (a.a.O., F9), wäre zu erwarten, dass es ihm möglich gewesen wäre, zumindest Fotos der Hochzeit einzureichen. Ins Bild passt schliesslich, dass er auch auf Beschwerdeebene sein Eheleben in Eritrea nicht weiter substanziiert hat. Anhand

der Akten kann zwar nicht abschliessend beurteilt werden, ob eine tatsächlich gelebte und alleine durch die Flucht getrennte Familiengemeinschaft der Eheleute in Eritrea bestanden hat. Nach dem Gesagten bestehen jedoch erhebliche Zweifel, ob es sich um eine Ehegemeinschaft im Sinne des Art. 51 Abs. 4 AsylG gehandelt hat. Diese Frage kann jedoch aufgrund nachfolgender Erwägungen letztlich offen blieben.

    1. Ausserdem sind nämlich nach der Flucht des Beschwerdeführers aus Eritrea besondere Umstände hinzugekommen, welche ebenfalls gegen eine tatsächlich gelebte Beziehung sprechen.

      1. Das SEM stützt sich in seiner ablehnenden Verfügung im Wesentlichen auf das Argument, der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten seit seiner Ausreise aus Eritrea keinen Willen erkennen lassen, als Familie zusammenleben zu wollen, weshalb von besonderen Umständen im Sinne des Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG auszugehen sei. Um eine Familiengemeinschaft bejahen zu können, wird eine glaubhaft gemachte und nach aussen erkennbare Aufrechterhaltung der ehelichen Verbindung auch nach der Flucht vorausgesetzt. Wurde das Eheleben nach der Flucht während einer längeren Zeit und ohne nachvollziehbare Gründe nicht mehr gelebt, ist dies als ein besonderer Umstand, welcher gegen eine Wiedervereinigung der Eheleute spricht, zu werten (vgl. BVGE 2012/32 E. 5.1). Vorliegend ist der Beschwerdeführer im Oktober 2013 aus Eritrea ausgereist. Im Juli 2014 reiste er in die Schweiz ein und erhielt schliesslich im März 2016 Asyl. Das Familiennachzugsgesuch für seine Ehefrau stellte er im März 2019, mithin drei Jahre später. Aus den Akten kann nicht abschliessend beurteilt werden, ob die Eheleute während der nun bereits mehr als sechs Jahren andauernden Trennung in regelmässigem, engen Kontakt gestanden sind. In der Anhörung zu den Asylgründen vom Februar 2016 gab der Beschwerdeführer an, er habe Kontakt mit seiner Frau, sie würden telefonieren und über ihre Zukunft sprechen (SEM Akte A21, F9-F12). Mit der Rechtsmitteleingabe beantwortete der Beschwerdeführer die vom SEM gestellten Fragen vom 18. September 2019 und führte aus, er habe mit seiner Frau, seit sie sich in Äthiopien aufhalte, etwa drei Mal wöchentlich Kontakt. Als sie noch in Eritrea gewesen sei, seien sie auch im Kontakt gestanden, aber die Kontaktaufnahme sei schwierig gewesen (Beschwerdeschrift Beilage 3, F18). Weitere Rückschlüsse, ob die Eheleute in engem Kontakt gestanden sind, lassen sich aus den Akten nicht ziehen. Es kann jedoch festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zum Kontakt der Eheleute seit seiner Ausreise keine substanziierten Angaben gemacht und diesen auch nicht weiter belegt hat.

        Bei einem seit seiner Ausreise bestehenden engen Kontakt wäre indes anzunehmen, dass der Beschwerdeführer nicht erst drei Jahre nach seinem positiven Asylentscheid ein Gesuch um Familienzusammenführung gestellt hätte. Einen Willen zur schnellstmöglichen Wiedervereinigung mit seiner Ehefrau liess er durch sein Vorgehen jedenfalls nicht erkennen. Der Beschwerdeführer führte hierzu zwar in der Beschwerde aus, dass er erst ein Gesuch um Familienzusammenführung gestellt habe, nachdem seine Frau Eritrea verlassen habe. Wann genau seine Frau Eritrea verlassen habe, geht jedoch aus den Akten nicht hervor. Der Beschwerdeführer gab lediglich an, sie sei «dieses Jahr» (2019) ausgereist (Beschwerdeschrift Beilage 3, F16). Auch wenn davon auszugehen wäre, dass die Einreise der Ehefrau in die Schweiz schwierig zu organisieren wäre, wenn sich diese noch in Eritrea befände, wäre immerhin zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer sich diesbezüglich ans SEM gewandt hätte. Ausserdem hat er das Schreiben des SEM vom 18. September 2019 nicht beantwortet und die Frist, ohne zumindest ein Fristerstreckungsgesuch einzureichen, verstreichen lassen. Das Argument in der Beschwerde, er habe mangels Deutschkenntnissen das Schreiben nicht beantworten können, kann nicht gehört werden. Da er aufgrund der Einreichung des Gesuchs um Familienzusammenführung damit hat rechnen müssen, dass ein Schreiben vom SEM im Zusammenhang mit dem Gesuch steht, wäre er angehalten gewesen, sich rechtzeitig die entsprechende Hilfe zu holen. Seiner Pflicht, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, ist er nicht nachgekommen. Insgesamt ist ein ernsthafter Wille zur schnellstmöglichen Wiedervereinigung mit seiner Frau und zur Aufrechterhaltung der Ehe nicht ersichtlich.

      2. Ausserdem ist nachvollziehbar, dass das SEM vom Vorliegen von besonderen Umständen im Sinne des Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG ausgegangen ist, da der Beschwerdeführer in der Schweiz eine Tochter mit einer anderen aus Eritrea stammenden Frau gezeugt hat. Der Beschwerdeführer führte diesbezüglich in der Beschwerde aus, zwischen der Mutter des Kindes und ihm habe nie eine intakte, tatsächlich gelebte Familiengemeinschaft bestanden. Mangels Anhaltspunkten enthält sich das Gericht Ausführungen, ob zwischen den Eltern eine Familiengemeinschaft bestanden hat. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer mit einer anderen Frau ein Kind hat, kann jedoch als weiteres Indiz dafür, dass die Verbindung zwischen den Eheleuten aufgegeben wurde, herbeigezogen werden. Aus dem Umstand, dass das SEM den Einbezug seiner Tochter in seine Flüchtlingseigenschaft mit dem Argument abgelehnt hat, es bestehe keine tatsächlich

        gelebte Familiengemeinschaft, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten betreffend das vorliegend zu beurteilende Familienzusammenführungsgesuch ableiten. Aus der damaligen Verneinung einer Familiengemeinschaft mit der Kindsmutter und dem Kind lässt sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass mit seiner Ehefrau B. eine Familiengemeinschaft bestanden hätte. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer diese gemäss Art. 7 AsylG glaubhaft machen müssen, was ihm nicht gelungen ist.

      3. Nach dem Gesagten ist insgesamt kein ernsthafter Wille zur Aufrechterhaltung der ehelichen Verbindung nach seiner Flucht erkennbar. Dessen ungeachtet, dass die Ehe rechtlich noch besteht, sind besondere Umstände im Sinne des Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG vorhanden, welche - sofern überhaupt eine vorbestandene Ehegemeinschaft bejaht werden könnte (vgl. E.5.1) - gegen einen Familiennachzug sprechen.

5.3 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Voraussetzungen von Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG nicht erfüllt sind, weshalb das SEM das Gesuch um Bewilligung der Einreise von Frau B. in die Schweiz und um Familienzusammenführung mit dem Beschwerdeführer zu Recht abgelehnt hat.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass es dem Beschwerdeführer offen steht, bei den dafür zuständigen kantonalen Migrationsbehörden ein Gesuch um Familiennachzug für seine Frau gestützt auf Art. 44 AIG (SR 142.20) einzureichen (vgl. BVGE 2017 VI/4 E. 3.1 m.w.H.; Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2002 Nr. 6, EMARK 2006 Nr. 8).

6.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.

7.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Mit Zwischenverfügung vom 11. Dezember 2019 wurde indes das Gesuch um Gewährung

der unentgeltlichen Rechtspflege gutgeheissen. Eine allfällige Veränderung der finanziellen Lage des Beschwerdeführers geht aus den Akten nicht hervor. Dem Beschwerdeführer sind deshalb trotz Unterliegens keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.

8.

Infolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist der eingesetzten Rechtsvertretung ein amtliches Honorar zu entrichten. Es wurde keine Kostennote eingereicht. Der notwendige Vertretungsaufwand lässt sich aufgrund der Aktenlage zuverlässig abschätzen, weshalb auf die Einholung einer Honorarnote verzichtet werden kann (Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE). Gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren sowie der Entschädigungspraxis in vergleichbaren Fällen (Art. 9-13 VGKE) ist für die fünfseitige Beschwerdeschrift sowie die zweiseitige Stellungnahme (Beschwerdeschrift Beilage 3) und ausgehend von einem Stundenansatz von Fr. 150.- ein amtliches Honorar von insgesamt Fr. 525.- (inkl. Auslagen) zuzusprechen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Frau lic. iur. Kathrin Stutz wird zu Lasten der Gerichtskasse ein amtliches Honorar von Fr. 525.- ausgerichtet.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Christa Luterbacher Tina Zumbühl

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