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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-6310/2017

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-6310/2017

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-6310/2017
Datum:15.01.2020
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Shabaab; Bruder; Somali; Somalia; -Shabaab; Puntland; Beschwerde; Wegweisung; Recht; Regierung; Beschwerdeführers; Region; Bruders; Bundesverwaltungsgericht; Verfügung; Schweiz; Person; Akten; Wegweisungsvollzug; Gericht; Verfolgung; Flüchtling; Vollzug; ündet
Rechtsnorm: Art. 112 AIG ;Art. 25 BV ;Art. 44 BV ;Art. 49 AIG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-6310/2017

U r t e i l  v o m  1 5.  J a n u a r  2 0 2 0

Besetzung Richterin Esther Marti (Vorsitz), Richterin Christa Luterbacher, Richter Grégory Sauder, Gerichtsschreiberin Sibylle Dischler.

Parteien A. , geboren am ( ), Somalia,

vertreten durch Stephanie Selig, Rechtsanwältin, Aarejura Rechtsanwälte Solothurn AG,

( ),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 6. Oktober 2017 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer - ein somalischer Staatsangehöriger aus

B.

beziehungsweise C.

mit letztem Wohnsitz in

D. beziehungsweise E. (teilautonome Region Puntland)

  • verliess eigenen Angaben zufolge seinen Herkunftsort im Mai 2014 und gelangte über Äthiopien, Libyen und Italien am 30. April 2015 in die Schweiz, wo er am nächsten Tag um Asyl nachsuchte. Am 29. Mai 2015 fand die summarische Befragung zur Person statt (BzP; Protokoll in den SEM-Akten: A4/13) und am 9. Dezember 2015 wurde der Beschwerdeführer zu seinen Asylgründen angehört (Anhörung; Protokoll in den SEM-Akten: A14/24).

    Zur Begründung seines Asylgesuchs machte er anlässlich der BzP im Wesentlichen geltend, er sei am ( ) in B. geboren und nach dem Tod seiner Mutter im Jahr ( ) von seinem Vater von seinem Geburtsort nach D. gebracht worden. Sein Vater sei ( ) verstorben. Sein Bruder habe sich anschliessend um ihn gekümmert. Er habe keine Schule besucht und seinem Bruder bei Feldarbeiten geholfen. In D. habe es Krieg gegeben zwischen der Regierung Puntlands und den al-Shabaab (Harakat al-Shabaab al-Mujahideen, deutsch: Bewegung der Mudschahedin-Jugend: eine militante islamistische Bewegung in Somalia). Letztere hätten im ( ) 2014 alle Felder, auch dasjenige seines Bruders, bombardiert. Zudem seien er und sein Bruder von den al-Shabaab beschuldigt worden, für die Regierung als Spione gearbeitet zu haben (Anmerkung des Gerichts: aufgrund der Akten ist klarerweise davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer damit die regionalen Behörden Puntlands und nicht Somalias meint). Sein Bruder sei im ( ) 2014 von den alShabaab verhaftet und geschlagen worden; es sei ihm vorgeworfen worden, er arbeite für die Regierung. Der Beschwerdeführer seinerseits sei von der Regierung im ( ) 2013 für eine Woche verhaftet und beschuldigt worden, er arbeite für die al-Shabaab. Danach habe er keine weiteren Probleme mit der Regierung mehr gehabt. Wegen des Krieges, und weil die Gefahr bestanden habe, zwischen die Fronten zu geraten, sei er geflohen.

    Anlässlich der Anhörung gab der Beschwerdeführer abweichend zu Protokoll, er und sein Bruder seien im ( ) 2014 von den Regierungstruppen wahllos verhaftet worden. Er sei für zwei Monate in einem Untergrundgefängnis, 20 Kilometer von F. entfernt, gewesen, wo er von den

    Wächtern schikaniert und bestraft worden sei. Da sich niemand um seine und des Bruders Freilassung bemüht habe, sei den Personen, die sie beide verhaftet hätten, bewusst geworden, dass sie einfache Leute seien, weshalb sie sie freigelassen hätten. Nach seiner Freilassung sei der Beschwer-

    deführer im Mai 2014 nach E.

    gegangen und habe dort seine

    (erste) Ehefrau geheiratet. Sein Bruder sei bis im ( ) 2015 in Haft geblieben. Da er (Beschwerdeführer) keine Lebensgrundlage in seinem Wohngebiet und keine Zukunftsaussichten gehabt habe, sei er schliesslich aus seinem Heimatland ausgereist.

    Anlässlich der Anhörung reichte er einen somalischen Pass zu den Akten, wonach er am ( ) in C. zur Welt gekommen ist.

    B.

    Mit Schreiben vom 20. Mai 2016 teilte der Beschwerdeführer dem SEM seine Heiratsabsicht mit und bat deshalb um Zustellung des Passes an das Zivilstandsamt G. . Mit Schreiben vom 8. August 2016 teilten die Sozialen Dienste ( ) dem SEM mit, der Beschwerdeführer habe am 9. Juni 2016 eine Somalierin geheiratet, die in H. lebe. Gemäss einer Kopie der Heiratsurkunde sei die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und I. in F. in Anwesenheit von zwei Zeugen geschlossen worden. Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers sei gemäss dieser Eheurkunde der ( ). Mit Schreiben vom 17. August 2017 retournierte das

    Zivilstandsamt G.

    dem SEM den Pass mit der Mitteilung, das

    Brautpaar habe bis anhin keine Unterlagen eingereicht.

    Zur geltend gemachten Eheschliessung und zur Eheurkunde stellte das SEM dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. August 2016 einige Fragen und gewährte ihm das rechtliche Gehör. Der Beschwerdeführer nahm in Schreiben vom 22. August 2016 und vom 6. September 2016 dahingehend Stellung, dass die Eheurkunde echt sei und seine zweite Ehefrau einen ( ) Pass habe. Anlässlich einer Reise nach Somalia habe sie die Urkunde an sich genommen und ihm diese am 25. Juli 2016 in die Schweiz gebracht, wo eine Kopie angefertigt worden sei. Danach sei seine Ehefrau mit dem Original H. zurückgekehrt. Das Geburtsdatum in der Eheurkunde sei falsch, richtig sei dasjenige im Pass. Die erste Ehefrau sei am ( ) verstorben, was mittels einer Todesurkunde in Kopie belegt werde. Die Eheschliessung mit der zweiten Frau sei in seiner Abwesenheit vollzogen worden; als Zeugen hätten sein Bruder und der Bruder seiner Ehefrau mitgewirkt. Längerfristig wolle er mit seiner zweiten Ehefrau in

    H. leben. Da er dort jedoch noch keine Aufenthaltsbewilligung erhalten habe, sei er noch auf den Schutz der Schweiz angewiesen. Ausserdem könne er ohne gesicherten Aufenthaltstitel in der Schweiz in H. nicht um eine Aufenthaltsbewilligung nachsuchen.

    C.

    Mit Verfügung vom 6. Oktober 2017 - am 9. Oktober 2017 eröffnet - lehnte das SEM das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab, verfügte seine Wegweisung aus der Schweiz und ordnete deren Vollzug an.

    D.

    Dagegen liess der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 7. November 2017 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben. Er beantragt, die Verfügung vom 6. Oktober 2017 sei aufzuheben, es sei seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen und ihm Asyl zu gewähren. Eventualiter sei der Vollzug der Wegweisung unzulässig, unzumutbar und unmöglich, und der Beschwerdeführer sei vorläufig in der Schweiz aufzunehmen. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    In prozessrechtlicher Hinsicht wurde um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung, um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und um Beiordnung der Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin ersucht.

    E.

    Mit Verfügung vom 14. November 2017 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde und stellte fest, der Beschwerdeführer könne den Ausgang des Beschwerdeverfahrens einstweilen in der Schweiz abwarten.

    F.

    Mit Eingabe vom 27. November 2017 reichte die Rechtsvertreterin Beweismittel zur geltend gemachten Bedürftigkeit zu den Akten.

    G.

    Mit Zwischenverfügung vom 15. Dezember 2017 hiess das Bundesverwaltungsgericht das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung - unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Verbesserung in den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers - gut und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Dem Beschwerdeführer wurde antragsgemäss die rubrizierte Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin bestellt.

    H.

    Die Vorinstanz liess sich am 11. Januar 2018 vernehmen. Darauf replizierte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 7. Februar 2018.

    I.

    Mit Zwischenverfügung vom 26. September 2018 forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer - aufgrund des am 18. Juli 2018 von seinem Heimatstaat ausgestellten neuen Reisepasses sowie seines mit Email vom 21. August 2018 gegenüber dem SEM geäusserten Wunsches, zu seiner Frau H. gehen zu wollen - auf, sein Interesse an der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens darzulegen.

    J.

    Mit Eingabe vom 8. Oktober 2018 tat der Beschwerdeführer sein Interesse an der Fortsetzung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens kund.

    Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

    1.

      1. Für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015 [SR 142.31]).

      2. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

      3. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

      4. Am 1. Januar 2019 wurde das Ausländergesetz vom 16. Dezem-

    ber 2005 (AuG, SR 142.20) teilrevidiert (AS 2018 3171) und in Ausländerund Integrationsgesetz (AIG) umbenannt. Der vorliegend anzuwendende

    Gesetzesartikel (Art. 83 Abs. 1-4) ist unverändert vom AuG ins AIG übernommen worden, weshalb das Gericht nachfolgend die neue Gesetzesbezeichnung verwenden wird.

    2.

    Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

    3.

    Mit Beschwerde können die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Soweit das Ausländerrecht anzuwenden ist, kann zudem die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 112 Abs. 1 AIG

    i.V.m. Art. 49 VwVG, Art. 96 AIG; vgl. BVGE 2014/26 E. 5.4 f.).

    4.

      1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

      2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

    5.

      1. Das SEM begründete seinen abweisenden Entscheid zunächst mit der Unglaubhaftigkeit der Vorbringen betreffend die Verhaftung des Beschwerdeführers im ( ) 2014 und die über ein Jahr dauernde Inhaftierung des Bruders durch die Regierungstruppen. Zwar schloss es nicht gänzlich aus, dass der Beschwerdeführer bereits einmal in staatlicher Haft gewesen sei. Hinsichtlich des Zeitpunktes, des Ortes und der Dauer der Haft bestünden aber zwischen seinen Aussagen in der BzP und denjenigen anlässlich der Anhörung zentrale Abweichungen (vgl. im Detail in der angefochtenen Verfügung, Abschnitt II, Ziff. 1).

        Betreffend die gezielte Bombardierung der Felder des Bruders durch die al-Shabaab führte das SEM aus, dass es durchaus möglich sei, dass die Bewohner der Gegend von D. im ( ) oder ( ) 2014 zwischen die Fronten von Regierungstruppen und Islamisten geraten beziehungsweise Kollaborationsvorwürfen von beiden Seiten ausgesetzt gewesen seien. Es sei auch plausibel, dass Mitglieder der al-Shabaab Felder mittels Handgranaten in Brand gesetzt hätten. Das SEM gehe allerdings nicht davon aus, dass sich die Taten gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichtet hätten, oder dass er begründete Furcht vor Verfolgung von dieser Seite gehabt habe. Gemäss seinen Aussagen anlässlich der BzP habe die al-Shabaab nämlich alle Felder bombardiert. Er habe angegeben, viele Leute seien geflüchtet, und er habe D. wegen des Krieges verlassen. Man werde von beiden Seiten als Spion bezeichnet beziehungsweise man stehe immer zwischen beiden Seiten. Daraus gehe hervor, dass die al-Shabaab ohne Unterscheidung gegen sämtliche Felder vorgegangen seien. Er habe gemäss eigenen Aussagen D. - wie zahlreiche weitere Bewohner dieser Gegend - wegen des Krieges verlassen. Ein gezieltes Vorgehen gegen ihn durch die al-Shabaab sei deshalb nicht ersichtlich. Dasselbe gelte im Zusammenhang mit dem angeblichen Vorwurf der al-Shabaab, er und sein Bruder seien Spione der Regierung gewesen, was sich in der Verhaftung des Bruders im ( ) 2014 durch die al-Shabaab und in der gezielten Bombardierung der Felder des Bruders manifestiert habe. Einerseits reihe sich das Anzünden der Felder in die übrigen Angriffe gegen sämtliche Felder ein. Andererseits hätten die al-Shabaab den Bruder wieder gehen lassen, was darauf hindeute, dass sich der Vorwurf der Zusammenarbeit mit dem Staat nicht erhärtet habe. Wären die al-Shabaab tatsächlich der Ansicht gewesen, der Bruder arbeite für die Regierung, hätten sie ihn kaum gehen lassen. Zudem falle auf, dass der Bruder nach den Vorfällen im ( ) 2014 in E. beziehungsweise Puntland geblieben sei. Das spreche gegen eine gezielte Verfolgung des Bruders durch die al-Shabaab.

        Der Beschwerdeführer selbst habe gemäss eigenen Aussagen, abgesehen vom Anzünden ihres Feldes, keine weiteren Vorfälle mit der al-Shabaab geltend gemacht. Er habe überdies auch keinen persönlichen Kontakt mit al-Shabaab gehabt. Somit habe im Zeitpunkt der Ausreise aus Puntland/Somalia kein begründeter Anlass zur Annahme bestanden, dass sich eine Verfolgung durch die al-Shabaab mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft gegen ihn oder seine Familie verwirklichen würde.

        Schliesslich habe auch die mögliche einwöchige Haft im ( ) durch die Regierungstruppen zum Zeitpunkt der Ausreise keine Furcht vor weiteren staatlichen Verfolgungsmassnahmen begründet.

      2. Der Qualifizierung der Verhaftung/Haft des Beschwerdeführers und seines Bruders im ( ) 2014 durch Regierungstruppen als unglaubhaft wird in der Beschwerde entgegengehalten, im Ergebnis sei dies irrelevant, denn die Verfolgung durch die al-Shabaab werde letztlich als glaubhaft eingestuft. Dass die Angst des Beschwerdeführers vor Verfolgung durch die alShabaab begründet sei, werde inzwischen mit dem Umstand, dass der Bruder im ( ) 2017 dieser Miliz zum Opfer gefallen sei, deutlich gezeigt. Er sei am ( ) 2017 an den Folgen einer Schussverletzung, welche ihm durch die al-Shabaab - vermutlich gezielt - zugefügt worden sei, verstorben. Belegt werde dieser Umstand mit einem Todesschein vom ( ) 2017, ausgestellt vom Direktor des „F. General Hospital“ (Ausdruck; Beweismittel 3 zur Beschwerde), und der Bescheinigung der Todesursache

        vom ( ) 2017, ausgestellt von einem Richter des „F.

        District

        Court“ (Ausdruck; Beweismittel 4 zur Beschwerde). Letzterer ist zu entnehmen, dass der Bruder durch die al-Shabaab Miliz getötet und am ( ) 2017 im „F. General Hospital“ verstorben sei. Der Beschwerdeführer und sein Bruder seien aufgrund der im ( ) erfolgten Inhaftierung durch die Regierung offensichtlich in den Fokus der al-Shabaab gerückt und in Verdacht geraten, Spione der Regierung zu sein. Aus Sicht des Beschwerdeführers sei die In Brand-Setzung des Feldes des Bruders daher auch kein Zufall oder Ausfluss der allgemeinen kriegerischen Aktivität der Terrormiliz al-Shabaab gewesen, sondern ein ganz gezielter Terrorakt. Dass er zu diesem Schluss gelangt sei, liege nahe, da sein Bruder einen Monat zuvor durch die al-Shabaab festgenommen und mit dem Tod bedroht worden sei. Die Tatsache, dass er rund drei Jahre später tatsächlich der al-Shabaab zum Opfer gefallen sei, bestätige die Annahme des Beschwerdeführers und mache die geschilderte Verfolgung zu einem Faktum. Das nötige Mass an Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verfolgung sei somit erreicht.

      3. In der Vernehmlassung führt das SEM betreffend die auf Beschwerdeebene vorgebrachte Ermordung des Bruders am ( ) 2017 durch die alShabaab aus, es betrachte die diesbezüglich eingereichten Dokumente als nicht authentisch und das Vorbringen als fiktiv. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso der Beschwerdeführer diesen wesentlichen Vorfall den Asylbehörden nicht vor dem am 6. Oktober 2017 ergangenen Asylentscheid mitgeteilt habe. Denn der im Jahr 2016 noch rege Schriftenwechsel zwischen dem SEM und dem Beschwerdeführer zeige auf, dass Letzterer in der Lage gewesen wäre, den angeblichen Tod seines Bruders schriftlich mitzuteilen. Zudem erscheine es eigenartig, dass das „F. General Hospital“ den Tod des Bruders erst mit Bestätigung vom ( ) 2017 bescheinige, während die Bestätigung des „F. District Court“ - die sich mutmasslich auf die Bestätigung eines Arztes oder des Krankenhauses stütze - bereits am ( ) 2017 ausgestellt worden sei. Das SEM weist sodann darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Laufe des Asylverfahrens unterschiedliche Namen für seinen Bruder genannt habe. Anlässlich der BzP habe er zu Protokoll gegeben, sein einziger Bruder heisse J. . Gemäss der Stellungnahme vom 22. August 2016 sei aber der in der Heiratsurkunde genannte Zeuge K. sein Bruder. Die mit der Beschwerde eingereichten Berichte zu Somalia bezögen sich schliesslich auf das ganze Land und differenzierten nicht zwischen den Regionen. Sie eigneten sich deshalb nicht, den Wegweisungsvollzug nach Puntland als unzumutbar zu begründen.

      4. Dem wird in der Replik entgegnet, dem Beschwerdeführer sei erst anlässlich des ersten Gesprächs mit der Rechtsvertreterin bewusst geworden, dass der Tod seines Bruders einen Einfluss auf sein Asylverfahren haben könnte. Noch am selben Tag habe er sowohl im Spital als auch beim zuständigen Gericht angerufen und um die Ausstellung respektive Zusendung entsprechender Bestätigungen ersucht. Die Behörden hätten sich indes misstrauisch gezeigt, weshalb er seinen ( ) ([ ]), den in der Heiratsurkunde als Trauzeuge genannten K. , welcher wie ein Bruder für ihn sei, angerufen habe. Dieser habe die beiden Bestätigungen besorgt, eingescannt und dem Beschwerdeführer per Email geschickt. Der Todesschein des Krankenhauses sei dabei neu ausgestellt und die gerichtliche Bestätigung in Abschrift ausgehändigt worden. Die Originale befänden sich immer noch beim ( ). Als weitere Beweismittel reichte die Rechtsvertreterin den Ausdruck des Emailverkehrs zwischen ihr selbst und dem ( ) sowie eine Bestätigung des „F. District Court“ vom ( ) 2018 ein, welcher zu entnehmen ist, es handle sich beim am ( ) 2017 durch die alShabaab in F. getöteten J. (nach Sichtung von Verwandten und Anhörung von zwei Zeugen) um den leiblichen Bruder des Beschwerdeführers.

      5. Im Rahmen seiner Stellungnahme vom 8. Oktober 2018 zum fortbestehenden Rechtsschutzinteresse, wies der Beschwerdeführer sodann daraufhin, dass die Ausstellung des neuen Reisepasses beziehungsweise die Kontaktaufnahme mit der somalischen Botschaft in Belgien nicht gegen sein Schutzbedürfnis spreche, da er nicht geltend gemacht habe, von der somalischen Regierung, sondern von der regierungsfeindlichen alShabaab verfolgt zu werden.

    6.

    6.1 Das Gericht gelangt nach einer Gesamtwürdigung der Akten zum Schluss, dass die auf Beschwerdeebene eingebrachten Argumente die zutreffenden Schlüsse, die das SEM in der angefochtenen Verfügung und in seiner Vernehmlassung gezogen hat, nicht in Frage zu stellen vermögen.

    Vorab ist festzustellen, dass den von der Vorinstanz zu Recht erhobenen Zweifeln an den Vorbringen hinsichtlich der geltend gemachten Verhaftung des Beschwerdeführers (und seines Bruders) seitens der regionalen Behörden im ( ) 2014 nicht ansatzweise etwas entgegengehalten wird. Auf die zutreffenden Ausführungen (vgl. oben E. 5.1 sowie angefochtene Verfügung Abschnitt II, Ziff. 1) kann deshalb vollumfänglich verwiesen werden. Die in der Beschwerde geäusserte Ansicht, wonach die Qualifizierung der Glaubhaftigkeit dieser zentralen Asylvorbringen irrelevant sei, überzeugt bereits angesichts des Umstandes, dass für die Glaubhaftmachung eine Gesamtbeurteilung aller erheblichen Vorbringen vorzunehmen ist, nicht. Darüber hinaus muss dieses Argument als ein Eingeständnis für den mangelnden Wahrheitsgehalt der betreffenden Vorbringen gewertet werden.

    Für glaubhaft hielt das SEM im Übrigen einzig, dass der Beschwerdeführer

  • und nicht, wie in der Beschwerde behauptet, auch sein Bruder - möglicherweise im ( ) für eine Woche von der regionalen Regierung einmal in Haft genommen worden sei. Nicht weiter äusserte es sich dazu, ob es die Haft des Bruders für gänzlich unglaubhaft halte, jedenfalls glaubte es sie so, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, insbesondere ihre Dauer, nicht. Zwar hielt es dann die seitens der al-Shabaab geltend gemachten Übergriffe für möglich, glaubte aber nicht, dass sie gezielt gegen den Beschwerdeführer (und seinen Bruder) gerichtet gewesen seien, sondern

    schloss aus den Aussagen des Beschwerdeführers, dass er (und sein Bruder), wie andere Bewohner der Gegend auch, möglicherweise in der geltend gemachten Periode in den allgemeinen Kriegswirren durch die Angriffe der al-Shabaab in Mitleidenschaft gezogen worden seien; zutreffend und ausführlich begründete es, wie es zu diesem Schluss gelange, und weshalb es diesen Übergriffen deshalb an Asylrelevanz fehle (vgl. oben E.

    5.1 sowie angefochtene Verfügung Abschnitt II, Ziff. 2). Darüber hinaus hielt es eine gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung seitens der al-Shabaab für nicht glaubhaft gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht teilt diese Einschätzung. Daran vermag auch die Mitteilung, der Bruder sei in der Zwischenzeit aufgrund einer Schussverletzung verstorben, nichts zu ändern. Zu Recht erhebt das SEM in der Vernehmlassung gleich mehrere Einwände hinsichtlich des Beweiswertes der diesbezüglich eingereichten Dokumente; darauf kann verwiesen werden (vgl. oben E. 5.3). Zu Recht verweist das SEM aber auch auf die verspätete Geltendmachung, und der Einwand in der Replik, dem Beschwerdeführer sei die Wichtigkeit des Todes seines Bruders für sein Asylverfahren nicht bewusst gewesen, überzeugt nicht. Unabhängig davon, bestätigt der Todesschein lediglich, dass der Bruder am ( ) 2017 aufgrund einer Schussverletzung verstorben sei. Die Bescheinigung des somalischen Gerichts, wonach es sich bei den Tätern um die al-Shabaab Miliz handle, sagt nichts Weiteres zu den konkreten Umständen des Todes des Bruders aus. Das Vorbringen und die diesbezüglichen Dokumente sind untauglich, eine asylrechtlich relevante Verfolgung des Beschwerdeführers seitens der alShabaab doch noch glaubhaft zu machen. Nach dem Gesagten erübrigen sich weitere Abklärungen zum Tode des Bruders des Beschwerdeführers und der so begründete Rückweisungsantrag ist abzuweisen.

    Was das in der Anhörung dargelegte Vorbringen betrifft, auch in den Fokus der Regierung geraten zu sein, hat das SEM zutreffend erwogen, aus der möglichen Haft im ( ) ergebe sich für den Zeitpunkt der Ausreise keine Furcht vor weiterer staatlicher Verfolgung. Auf Beschwerdestufe betont der Beschwerdeführer dann auch ausdrücklich, nicht von der Regierung, sondern von der regierungsfeindlichen al-Shabaab verfolgt zu sein (vgl. Eingabe vom 8. Oktober 2018). Schliesslich ist festzuhalten, dass sich auch für den heutigen Zeitpunkt aus der möglichen Haft im ( ) keine begründete Furcht vor asylrechtlich relevanten Nachteilen seitens der al-Shabaab ableiten lässt, weil der Beschwerdeführer deswegen als Spion angesehen würde, nachdem nicht glaubhaft gemacht worden ist, die Angriffe der alShabaab - nach dieser Haft und vor seiner Ausreise - seien gezielt gegen ihn gerichtet gewesen.

    6.2 Zusammenfassend sind die vorinstanzlichen Erwägungen vollumfänglich zu stützen. Der Beschwerdeführer erfüllt die Flüchtlingseigenschaft nicht, und das SEM hat folglich sein Asylgesuch zu Recht abgelehnt.

    7.

      1. Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

      2. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

    8.

    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG).

    Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

    9.

      1. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).

        So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).

        Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

      2. Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.

    Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06,

    §§ 124-127 m.w.H.). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation im Heimatstaat lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen. Diesbezüglich kann darauf verwiesen werden, dass das Bundesverwaltungsgericht selbst für Mogadischu nicht von einer Situation allgemeiner Gewalt ausgeht (vgl. BVGE 2013/27) und die Lage in der Region Puntland sich - wie nachstehend darzulegen ist - vergleichsweise besser präsentiert als in der Hauptstadt. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.

    10.

    10.1 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

    10.2

        1. Das SEM erachtet den Wegweisungsvollzug nach Puntland angesichts der dort herrschenden Situation als grundsätzlich zumutbar. Ein Klima relativer Stabilität sowie die von den Vereinten Nationen und den Nichtregierungsorganisationen ins Leben gerufenen Hilfsprogramme hätten zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation im Norden Somalias geführt. Der UNHCR kümmere sich bereits seit einiger Zeit um freiwillige Rückkehrer. Zahlreiche Personen, die vorher in Flüchtlingslagern gelebt hätten, sowie Asylsuchende aus Übersee oder aus den Nachbarländern seien freiwillig nach Puntland zurückgekehrt.

          In individueller Hinsicht gehöre der Beschwerdeführer gemäss seinen eigenen Aussagen väterlicherseits dem Clan L._ an; seine Mutter stamme vom Clan M. (A14/7 F63). Puntland sei die Herkunftsregion des Clans M. , dem er durch seine Abstammung mütterlicherseits angehöre. Im Übrigen verfüge er in der Region über ein familiäres Beziehungsnetz. Er habe unter anderem seinen Bruder, welcher mit seiner Schwägerin in E. lebe, genannt. Zudem lebten gemäss seinen Angaben zwei (...) väterlicherseits sowie ein Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits in N. . Es sei ihm somit möglich, über das familiäre Beziehungsnetz Hilfe zu erlangen und seinen Lebensunterhalt zu sichern. Weiter habe er angegeben, mit einer Somalierin verheiratet zu sein, die in H. lebe. Es stelle sich somit die Frage, ob er durch diese Ehe ein Aufenthaltsrecht in H. erlangen könne. Es sei jedenfalls anzunehmen, dass er andernfalls in Somalia von seiner Frau oder deren Familie Unterstützung erwarten könne. Des Weiteren sei hervorzuheben, dass er volljährig und bei guter Gesundheit sei, so dass nichts gegen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs spreche. Schliesslich stehe es ihm offen, von der Schweiz finanzielle Rückkehrhilfe zu beantragen.

        2. In der Beschwerde wird unter dem Aspekt der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs im Allgemeinen ausgeführt, die Rückkehr für Flücht-

    linge nach Somalia werde von Amnesty International (AI) als unsicher bezeichnet, und es werde von Rekrutierungsversuchen durch die al-Shabaab berichtet. Ein UNCHR-Bericht weise zudem für die Region Sanaag im Norden eine bedrohliche Lebensmittelknappheit aus. Zusammen mit der Rechtsmitteleingabe wurden Auszüge aus den Berichten von AI „International Report 2016/2017 Somalia“ und „Nowhere else to go“ sowie aus dem

    „UNHCR Report Mai 2017“ und schliesslich Wikipedia-Einträge zu Anschlägen, die von al-Shabaab von 2010 bis 2017 ausgeführt worden seien, eingereicht.

    Der Beschwerdeführer verfüge über kein intaktes familiäres Beziehungsnetz, da seine Eltern und sein Bruder verstorben seien. Seine Ehefrau lebe als anerkannter Flüchtling in H. und habe den Familiennachzug beantragt. Auch wenn sein Onkel, seine Tanten und seine beiden (...) noch in Somalia lebten, so liege die Zukunft des Beschwerdeführers nicht mehr in seinem Heimatland, sondern in H. . Die Schweiz stelle lediglich eine Übergangsstation für ihn dar. Es wäre unverhältnismässig, ihn zurück nach Somalia zu schicken, wo er dem Einflussbereich der al-Shabaab mit all den bekannten Risiken ausgesetzt wäre.

    11.

    11.1 Das Gericht stellt fest, dass das SEM in seiner Vernehmlassung zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die vom Beschwerdeführer eingereichten Berichte, die belegen sollen, dass dem Wegweisungsvollzug ein Hindernis im Sinne einer Unzumutbarkeit entgegenstehe, sich nicht mit den sich voneinander unterscheidenden Situationen in den verschiedenen Regionen Somalias auseinandersetzen. Sie beziehen sich vielmehr in erster Linie auf Ereignisse in der Hauptstadt Mogadishu. Mit der Lage in den nördlichen Regionen Somalias, Somaliland und Puntland, hat sich unter dem Blickwinkel von Art. 83 Abs. 4 AIG letztmals die Vorgängerinstitution des Bundesverwaltungsgerichts, die Schweizerische Asylrekurskommission (ARK), im Jahr 2006 detailliert auseinandergesetzt. Sie kam damals zum Schluss, dass ein Wegweisungsvollzug nach Somaliland oder nach Puntland nicht generell eine konkrete Gefährdung bedeute. Zumutbar sei er dann, wenn die betroffene Person enge Verbindungen zur Region habe, sich dort eine Existenzgrundlage aufbauen könne oder mit wirkungsvoller Unterstützung eines Familienclans rechnen dürfe (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der ARK [EMARK] 2006 Nr. 2 E. 7).

    Es drängt sich angesichts der Herkunft des Beschwerdeführers und aufgrund des langen Zeitablaufs seit dieser letzten Lageanalyse auf, die aktuelle Situation in Puntland, der Herkunftsregion des Beschwerdeführers, näher zu betrachten.

    11.2

        1. Vorab ist in grundsätzlicher Weise festzuhalten, dass sowohl die Sicherheitslage als auch die humanitäre Situation in ganz Somalia - aufgrund verschiedenster gewalttätiger Konflikte einerseits und angesichts ausgedehnter Dürreperioden andererseits - als äusserst komplex und volatil zu bezeichnen ist. Gemäss der vom Gericht konsultierten Quellen ist aber die Einschätzung der ARK aus dem Jahr 2006, wonach bei einem Vollzug der Wegweisung in die autonome Teilrepublik Puntland nicht in grundsätzlicher Weise von einer konkreten Gefährdung im massgeblichen Sinne auszugehen ist, weiterhin zutreffend. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um folgende Quellen:

  • die periodisch zur aktuellen Sicherheitslage in Somalia erscheinenden Berichte des UNO-Generalsekretärs, abrufbar unter: https://unsom.unmissions.org/secretary-generals-reports, zuletzt von August und Mai 2019, UN-Dokumente S/2019/661 und S/2019/393 (alle Links wurden am 12. Dezember 2019 abgerufen);

  • Famine Early Warning Systems Network (FEWS-NET) / Food Security and Nutrition Analysis Unit Somalia (FNAUS), Somalia Food Security Outlook Report for June 2019 to January 2020, Juli 2019, abzurufen unter: http://www.fsnau.org/in-focus/joint-fews-net-fsnau-somalia-food - security-outlook-report-june-2019-january-2020;

  • Somaliland Standard, Puntland forces recaptures Af-Urur village from Al Shabab, 11. Juni 2019, abzurufen unter: https://somalilandstandard.com/puntland-forces-recaptures-af-urur-village-from-al-shabab/;

  • Norwegian Country of Origin Information Centre (Landinfo), Query Response Somalia: Al-Shabaab areas in Southern Somalia, 21. Mai 2019, abzurufen unter: https://landinfo.no/wp-content/uploads/2019/06/Queryresponse-Somalia-Al-Shabaab-areas-in-Southern-Somalia-2105201

    9-final.pdf;

  • Food and Agriculture Organization of the United Organization (FAO), Global Information and Early Warning System on Food and Agricultural:

    Special Alert Somalia, Nr. 346, 15. Mai 2019; abzurufen unter: http://www.fao.org/3/ca4618en/CA4618EN.pd f;

  • FEWS-NET/FNAUS, Quarterly Brief, April 2019, abzurufen unter: http://www.fsnau.org/in-focus/quarterly-brief-focus-gu-2019-season - early-warning;

  • Ministerie van Buitenlandse Zaken (NL), Country of Origin Information Report on South and Central Somalia, März 2019;

  • United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs Field Office Somalia, Humanitarian Response Plan: Somalia, Januar 2019; abzurufen unter: https://reliefweb.int/report/somalia/2019-somalia-humanitarian-response-plan-january-december-2019;

  • Mo Ibrahim Foundation, 2018 Ibrahim Index of African Governance (IIAG) - Index Report, 28. Oktober 2018;

  • Sahra Noor, Signs of Hope: Reflections on Health Care In Somalia,

    12. Oktober 2018, abzurufen unter: https://www.daljir.com/signs-of - hope-reflections-on-health-care-in-somalia-sahra-noor/;

  • Weltbank, Somalia: Recurrent Cost and Reform Financing Project - Additional Financing, Reportnummer PAD2958, 29. August 2018;

  • Reuters, Somali Puntland Forces Recapture Strategic Town from al Shabaab: officer, 17. August 2018, abzurufen unter: https://www.reuters.com/article/us-somalia-security/somali-puntland-forces-recapturestrategic-town-from-al-shabaab-officer-idUSKBN1L21MA;

  • Ahmed Ibrahim, Somaliland-Puntland: Rift Ripe for Exploitation?, Voice of America, 2. August 2018, abzurufen unter: https://www.voanews. com/extremism-watch/somaliland-puntland-rift-ripe-exploitation;

  • International Crisis Group, Averting War in Northern Somalia, Crisis Group Africa Briefing Nr. 141, 27. Juni 2018, abzurufen unter: https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/b141-averting-war-in-northernsomalia.pdf;

  • Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Sicherheitslage in Somalia: Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, August 2017;

  • UN Children's Fund (UNICEF), Country programme document - Somalia, UN-Doc. E/ICEF/2017/P/L.13, 18. Juli 2017;

  • Felbab-Brown Vanda, Puntland's Problems, Foreign Affairs, 15. Juni 2017, abzurufen unter: https://www.foreignaffairs.com/articles/a f- rica/2017-06-15/puntlands-problems.

      1. Was die Sicherheitslage in der im Nordosten Somalias gelegenen Region Puntland betrifft, so ist diese im Vergleich zu jener in Somaliland zwar tendenziell schlechter, im Vergleich zu Südund Zentralsomalia indessen deutlich stabiler. Die seit 1998 teilautonome Region Puntland mit der Hauptstadt Garowe hat eine eigene Regierung und eigene Sicherheitskräfte. Zu Beginn 2019 fand bereits zum vierten Mal seit 1998 ein friedlicher Machtwechsel an der Spitze von Puntland statt, und Said Abdullahi Mohamed Deni wurde am 8. Januar 2019 vom Parlament zum Präsidenten gewählt. Differenzen zwischen der Zentralregierung Somalias und der regionalen Regierung Puntlands bestehen zwar weiter und behindern nach wie vor wichtige politische und sicherheitsrelevante Prozesse. Positiv zu verzeichnen ist aber immerhin, dass am Rande der Einsetzungszeremonie von Präsident Deni am 26. Januar 2019 in Garowe bereits zum wiederholten Male Versöhnungsgespräche zwischen Vertretern der beiden Regierungen stattfanden.

        Die Sicherheitslage ist innerhalb Puntlands, abhängig von der Region, von grossen Unterschieden geprägt. Ungelöste Konflikte im Norden Somalias bleiben unter anderem die territorialen Streitigkeiten zwischen Somaliland und Puntland in den Grenzregionen im Westen Puntlands, Sool und Sanaag (vgl. bereits EMARK 2006 Nr. 2 E. 6.4.3). Dieser Konflikt hat sich in den letzten Jahren sogar eher noch verschärft. Abgesehen von sporadischen Kämpfen kann dennoch nicht von einer erheblichen Eskalation gesprochen werden, und die in Somalia engagierten internationalen Akteure, darunter insbesondere die UN Assistance Mission in Somalia (UNSOM), sind um eine friedliche Lösung zwischen den beiden Regionen bemüht. Einen weiteren Konfliktherd bildet die drittgrösste Stadt Somalias, Galkayo, deren nördliche Distrikte zu Puntland und deren südlicher Distrikt zur Teilregion Mudug gehört. Gewaltsame Auseinandersetzungen dort sind in erster Linie auf Streitigkeiten zwischen zwei Clans und deren Milizen zurückzuführen. Allerdings ist die Gewalt in der Stadt gegen Ende 2018 zurückgegangen und die Sicherheitslage hat sich beruhigt.

        Ein massgebliches Sicherheitsproblem in Puntland ist die Präsenz von islamistischen Gruppierungen, wie insbesondere der al-Shabaab in den

        Galgala-Bergen und einer Splitter-Gruppe des sogenannten islamischen Staates (IS) in der nördlichen Küstenregion. In Bezug auf den IS ist aber festzustellen, dass zwar seine Präsenz wohl Anlass zur Sorge gibt, zumal er regional über grosse Unterstützung (Geld, Waffen, gute PR und Mediennetzwerke) verfügt; demgegenüber stellt er bisher über die erwähnte Region in der nördlichen Küstenregion hinaus keine massivere Bedrohung dar. Gemäss diverser Quellen schien die Fraktion in Puntland im Frühjahr 2017 über 100 bis 300 Kämpfer zu verfügen, wobei die Grenzen zwischen der IS-Miliz und der Clan Miliz der Ali Saleban fliessend seien. Gleichzeitig wurde für dieselbe Zeit von einem Zustrom von Rekruten aus Süd-/Zentralsomalia berichtet. Demgegenüber seien die Aktivitäten des IS seit Beginn 2019 rückläufig. Diese eingeschränkte Bedeutung des IS in Puntland ist auch darauf zurückzuführen, dass er aus einer Splittergruppe der alShabaab hervorgegangen, und letztere bestrebt ist, jeden Keim des IS in Somalia zu ersticken. Grössere Bedeutung kommt denn auch der alShabaab zu; auch deren Verbreitung ist aber beschränkt. Als generelles Muster zeigt sich, dass die Gruppierung vor allem in den oben genannten umstrittenen Grenzgebieten und in jenen Regionen profitieren kann, wo die Clan-Dynamik dies zulässt, das heisst, vor allem dort, wo ein Clan marginalisiert wird und die islamistische Gruppierung diesen Clan in dessen eigenen Zielen unterstützt. Die Clan-Homogenität, die in Puntland herrscht, ist also von Vorteil, zumal deshalb relativ leicht erkennbar ist, von welcher Person eine potenzielle Bedrohung ausgeht. Von Kampfhandlungen betroffen sind als Folge einer entsprechenden Vorgehensweise der alShabaab insbesondere die bereits erwähnte geteilte Stadt Galkayo, Bosaso sowie das Galgala-Gebirge. Auch in weiteren grösseren Städten kommt es vereinzelt zu kriminellen und terroristischen Vorfällen, wobei nirgends von einer dauerhaften Kontrolle der al-Shabaab (oder islamistischer Splittergruppen) gesprochen werden kann. An Orten, wo ein Gleichgewicht zwischen den Clans herrscht, oder wo nur ein Clan vertreten ist, sind die Verhältnisse - mit Ausnahme der umstrittenen Grenzgebiete sowie der nördlichen Küstenregion - relativ stabil. Insgesamt sind islamistische Gruppierungen - auch die gewichtigste der al-Shabaab - in Puntland in ihren Aktivitäten eingeschränkt. Bezeichnenderweise wurde al-Shabaab im März 2016 beim Versuch, grössere Truppen an der puntländischen Küste anzulanden, nicht nur von Sicherheitskräften, sondern auch von örtlichen Kräften und unmittelbar von der lokalen Bevölkerung bekämpft. Auch konnte die aufgrund ihrer Lage zwischen Garowe, Bosaso und Mogadischu gelegene strategisch wichtige Stadt Af Urur, welche sowohl im Juli 2018 als auch im Juni 2019 von al-Shabaab eingenommen worden war, innerhalb

        von kurzer Zeit durch die puntländischen Sicherheitskräfte wieder zurückerobert werden, wobei die Ortschaft umstritten bleibt.

      2. Die humanitäre Lage in Somalia muss als prekär bezeichnet werden. Was Puntland im Speziellen betrifft, so gilt festzuhalten, dass die oben umschriebenen instabilen Sicherheitsverhältnisse in bestimmten Gebieten auch Auswirkungen auf die Versorgungslage in den verhältnismässig sichereren Regionen haben. So sind grosse interne Flüchtlingsströme eine der Folgen der gewaltsamen Auseinandersetzungen. Hinzu kommen vermehrte Dürrekatastrophen und staatliche Misswirtschaft, die zu einer Verknappung der Lebensmittelund Wasserversorgung führen. Aufgrund der extremen Trockenheit riefen die puntländischen Behörden 2017 den Notstand aus. Im Verlaufe der Jahre 2018 hat die Situation sich dann etwas entschärft. Anschliessend blieben die Regenfälle erneut lange aus, bis sie im Mai und Juni 2019 die Not wieder etwas linderten. Die Lage in der östlichen Küstenregion Puntlands stellt sich verhältnismässig etwas besser dar, ist aber dennoch als schwierig und volatil zu bezeichnen. Generell sind die Lebensbedingungen in den Städten etwas besser.

        Die somalische Bevölkerung, besonders Frauen und Kinder, weisen bei Gesundheitsindikatoren, wie etwa bei der Kindersterblichkeit oder der Lebenserwartung, einige der schlechtesten Werte weltweit auf, auch deutlich schlechtere als der Durchschnitt in den Ländern der Subsahara. Die medizinische Versorgung ist unzureichend und eine medizinische Grundversorgung ist, wenn überhaupt, nur in grösseren Städten verfügbar. Zwar sind punktuelle Verbesserungen, etwa in der Hauptstadt Garowe zu verzeichnen. So berichtet eine regionale Beobachterin des somalischen Gesundheitssystems in Bezug auf das Garowe General Hospital, verglichen mit ihrem Besuch vor dreizehn Jahren, von Fortschritten im strukturellen, personellen und im Material-Bereich, sowie von der Einführung eines Ernährungszentrums für Kinder und einer Intensivstation für Neugeborene. An vielen Orten mangelt es indessen nicht nur an der Finanzierung der Infrastruktur und ausgebildetem Personal, sondern auch die Einhaltung von Hygienestandards ist ungenügend und der Zugang zu Medikamenten und Operationen stark eingeschränkt. Öffentliche Krankenhäuser gibt es generell nur wenige und Behandlungen in privaten Institution sind für einen Grossteil der Bevölkerung nicht bezahlbar. Der Zugang zu psychiatrischenund psychologischen Behandlungen ist ebenfalls nur sehr beschränkt verfügbar.

        Für verletzliche Personen, aber auch für Personen, die zur Sicherung ihrer Existenzgrundlagen auf die Bewirtschaftung von Land und Viehzucht angewiesen sind, ist die Situation unter den dargestellten Umständen besonders prekär, was eine weitere Zunahme von intern vertriebenen Personen, vorab in die ökonomisch tendenziell besser gestellten städtischen Gebiete, zur Folge hat. Verletzlich sind, auch aufgrund einer weitverbreiteten gesellschaftlich bedingten Ungleichheit betreffend das Geschlecht und den sozialen Status insbesondere Frauen und Angehörige von nicht dominanten oder als minderwertig angesehenen Clans. Auch Kinder sowie ältere oder kranke sowie intern vertriebene Personen ohne Schutz ihres Clans sind ganz besonders von diesen schwierigen Lebensverhältnissen betroffen.

      3. Von einer konkreten Gefährdung der gesamten Bevölkerung und damit einer generellen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges in die teilautonome Region Puntland ist aber auch heute nicht auszugehen, weder aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage noch wegen der humanitären Situation. Aus dieser ergibt sich hingegen, dass der Wegweisungsvollzug im Sinne von EMARK 2006 Nr. 2 nach wie vor nur bei Vorliegen begünstigender Umstände zumutbar ist.

11.3

      1. Im vorliegenden Einzelfall ist die Herkunft des Beschwerdeführers aus der autonomen Region Puntland nicht umstritten. Das SEM stellt ferner auch nicht in Frage, dass er in den D. gelebt habe. Gewisse Zweifel, wo der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise gelebt hat, ergeben sich allerdings durchaus aus den Akten. Insbesondere machte er im Laufe des erstinstanzlichen und des Beschwerdeverfahrens unterschiedliche Angaben zu relevanten Daten, wie seinem Geburtsdatum, Geburtsund Herkunftsort und zu seinem Verwandtschaftsnetz; auch reichte er unterschiedliche Beweismittel mit im Verhältnis zu seinen Angaben unstimmigen Inhalten zu den Akten. Anlässlich der BzP hatte er zu Protokoll gegeben, er sei am ( ) 1989 in B. geboren. Anlässlich der Anhörung reichte er dann einen somalischen Pass zu den Akten, wonach er am ( ) 1989 in C. geboren sei. Das in der Heiratsurkunde vermerkte Geburtsdatum ist wiederum ein anderes, nämlich der ( ) 1989. Aus den Akten ergeben sich sodann mehrere Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschwerdeführer vor der Ausreise für eine längere Zeit in E. aufgehalten hat, wobei die Ausführungen unklar ausfallen (vgl. A14 F11-F28). An der Anhörung gab er sodann zu Protokoll, dass er bei seinen Verwandten des mütterlichen Clans, welche im an der Ostküste Puntlands gelegenen N. ansässig sind, aufgewachsen sei (vgl. A4 Ziff. 1.08; A14 F33)

        beziehungsweise machte er diesbezüglich widersprüchliche Angaben (vgl. A14 F35 ff.). Dass der Beschwerdeführer seit 1996 bis zu seiner Ausreise im Krisengebiet des D. gelebt hat, ist unter diesen Umständen fraglich, braucht aber angesichts dessen, dass - wie zu zeigen sein wird - für ihn eine zumutbare Aufenthaltsalternative besteht, nicht abschliessend geklärt zu werden.

      2. Hinsichtlich in Puntland lebender Verwandter erwähnte der Beschwerdeführer (...) väterlicherseits sowie mehrere Onkel und Tanten mütterlicherseits im Küstendorf N. (vgl. A14 F19, F151 ff.). In der Anhörung gab er an, mit den Angehörigen mütterlicherseits weiterhin in Kontakt zu stehen (vgl. A14 F68). Ferner gibt es, wie bereits erwähnt, Hinweise darauf in den Akten, dass er dort bereits für längere Zeit gelebt hatte. Da die Verwandten mütterlicherseits dem Clan der M. angehören (vgl. A4 Ziff. 1.08; A14 F33) und dieser namentlich in der östlichen Küstenregion Puntlands Hauptclan ist (vgl. SEM, Focus Somalia: Clans und Minderheiten, 31. Mai 2007, abzurufen unter: https://www.sem.ad - min.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOMclans-d.pdf, S. 10), dürfte ihm vor allem dieses Beziehungsnetz zu Gute kommen, zumal angesichts der in dieser Region verhältnismässig besseren humanitären und sicherheitsspezifischen Lage (vgl. PAIGE ROBERTS ET. AL., Somali Coastal Opportunities, Juli 2018, S. 22 ff.). Dies gilt auch für den Zugang zu einer Arbeitstätigkeit. Selbst wenn es möglicherweise nicht ganz einfach sein könnte, dürfte es dem noch jungen und gemäss Aktenlage gesunden Beschwerdeführer gelingen, mittels seiner familiären Beziehungen in N. Zugang zu einem Erwerb zu erhalten. Zu denken ist etwa an die ( ), in der seine Familienangehörigen tätig sind (vgl. A14 F155). Sein Vorbehalt, wonach er früher in der Landwirtschaft tätig gewesen sei (vgl. ebd.), vermag daran nichts zu ändern.

        In der Replik erwähnt der Beschwerdeführer sodann erstmals einen (...) mütterlicherseits namens K. . Dieser sei „wie ein Bruder“ für ihn. Dieser (...) habe ihn ferner sowohl anlässlich seiner Eheschliessung vertreten als auch nach dem negativen Asylentscheid vor Ort tatkräftig unterstützt, indem er für ihn die Bestätigungen des Gerichtes und des Krankenhauses betreffend die Ermordung seines einzigen „leiblichen“ Bruders beschafft habe. Zwar widerspricht er damit seiner eigenen Angabe in der früheren Stellungnahme vom 6. September 2016, wonach es sich beim in der Eheurkunde genannten Trauzeugen um seinen (angeblich verstorbenen) Bruder handle. Diese Unstimmigkeit hat er sich aber insofern selbst

        anzurechnen, als das Gericht entsprechend der jüngsten Darstellung davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe nicht nur das bereits erwähnte verwandtschaftliche Netz, sondern auch einen ihm nahe stehenden Verwandten namens K. vor Ort, zu welchem er in Kontakt steht, und der ihn auch bei und nach seiner Rückkehr unterstützen dürfte. Im Übrigen

        wird auch in der Bestätigung des Gerichts von F.

        vom 6. Feb-

        ruar 2018 auf Verwandte (im Plural) hingewiesen. Schliesslich ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit Unterstützung der Familie seiner Ehefrau rechnen kann, zumal der Bruder seiner Ehefrau als Zeuge der Eheschliessung in F. beigewohnt habe, was zumindest bedeutet, dass diese Ehe die Zustimmung der Familie vor Ort findet.

      3. Zusammenfassend ist demnach davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in nicht massgeblich von Sicherheitsvorfällen geprägten Regionen Puntlands ein insbesondere in sozialer Hinsicht tragfähiges Verwandtschaftsnetz besitzt, das ihm nach einer Rückkehr Halt geben und ihm beim Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz behilflich sein kann. Es ist demnach vom Vorhandensein begünstigender Umstände auszugehen und die hohen Anforderungen an die Annahme einer konkreten Gefährdung im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AIG (vgl. dazu BVGE 2014/26 E. 7.7) sind vorliegend nicht erfüllt. Der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers erweist sich entsprechend als zumutbar.

    1. Dem Beschwerdeführer wurde von den somalischen Behörden am

      18. Juli 2018 ein authentischer Reisepass ausgestellt, der bis am

      17. Juli 2023 gültig ist. Demzufolge ist auch kein technisches Wegweisungsvollzugshindernis ersichtlich, wobei es ohnehin dem Beschwerdeführer obliegt, bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG; BVGE 2008/34 E. 12). Der Vollzug der Wegweisung ist folglich auch als möglich zu bezeichnen (Art. 83 Abs. 2 AuG).

    2. Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AIG).

12.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

13.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da ihm indes mit Verfügung vom 15. Dezember 2017 die unentgeltliche Prozessführung gewährt worden ist, werden keine Verfahrenskosten erhoben (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

    2. Die rubrizierte Rechtsvertreterin wurde dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 15. Dezember 2017 als amtliche Rechtsbeiständin beigeordnet. Ihr ist trotz des Verfahrensausganges der notwendige Aufwand als Honorar zu entrichten. Es wurde keine Kostennote eingereicht, weshalb das Honorar gestützt auf die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE) von Amtes wegen pauschal auf Fr. 1‘100.- festzusetzen ist.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Der amtlichen Rechtsbeiständin wird vom Bundesverwaltungsgericht ein amtliches Honorar im Betrag von Fr. 1‘100.- ausgerichtet.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Esther Marti Sibylle Dischler

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