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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-3491/2019

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-3491/2019

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-3491/2019
Datum:12.10.2020
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Recht; Familie; Lanka; Schweiz; Beschwerdeführers; Wegweisung; Bundesverwaltungsgericht; Rückkehr; Vorinstanz; Vollzug; Eltern; Behörde; Heimat; Verfügung; Kindes; Gericht; Wegweisungsvollzug; Behörden; Verfahren; Beiständin; Ausreise; Rechtsvertreter
Rechtsnorm: Art. 19 ZGB ;Art. 25 BV ;Art. 306 ZGB ;Art. 44 BV ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 55 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 69 AIG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-3491/2019

U r t e i l v o m 1 2 . O k t o b e r 2 0 2 0

Besetzung Richterin Christa Luterbacher (Vorsitz),

Richter Walter Lang, Richterin Barbara Balmelli, Gerichtsschreiberin Susanne Bolz

Parteien A. , geboren am (…), Sri Lanka,

vertreten durch lic. iur. Monika Böckle,

HEKS Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende SG/AI/AR, (…),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 12. Juni 2019 / N (…).

Sachverhalt:

A.

    1. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein aus dem Distrikt Jaffna stammender Tamile, verliess Sri Lanka seinen Angaben gemäss am 5. Oktober 2018. Am 14. November 2018 reiste er in die Schweiz ein und stellte am selben Tag ein Asylgesuch. Er wurde am 26. November 2018 im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) B. zur Person und summarisch zu seinen Fluchtgründen befragt.

      Seinen Angaben gemäss sei er am (…) geboren (er reichte dem SEM später einen Geburtsregisterauszug zu den Akten); bei Einreichung des Asylgesuchs war er demnach [minderjährig]. Das SEM wies den Beschwerdeführer für die Dauer des Asylverfahrens dem Kanton C. zu und teilte den zuständigen kantonalen Behörden mit, es handle sich bei ihm um einen unbegleiteten Minderjährigen. Mit Beschluss vom 9. Januar 2019 er- richtete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde D. für den Beschwerdeführer eine Beistandschaft gemäss Art. 306 Abs. 2 ZGB und ernannte eine Beiständin.

      Am 14. Mai 2019 fand, in Anwesenheit der Beiständin, die Anhörung des Beschwerdeführers zu seinen Asylgründen statt.

    2. Der Beschwerdeführer machte im Wesentlichen geltend, er sei im Dorf F. , Distrikt Jaffna geboren und habe dort bis zur Ausreise zusammen mit seinen Eltern und einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder gelebt. Die Schule habe er kurz vor der Ausreise im zehnten Schuljahr abgebrochen.

Er sei von einer Gruppe namens Vaal Veddu Group («Schwertergruppe») bedroht worden. Es handle sich um Kriminelle; sie seien maskiert und mit Motorrädern, bewaffnet mit Messern, unterwegs. Im September 2018 (respektive im August 2018) habe er beobachtet, wie fünf bis sechs (respektive vier bis fünf) Männer dieser Gruppierung in der Nähe des G. -Tempels einen Mann erstochen hätten. Er sei weggerannt, drei der Männer hätten ihn bis zu ihm nach Hause verfolgt. Sie hätten mit seiner Mutter gesprochen und seien auch später circa fünfbis sechsmal wiedergekommen. Sie hätten ihn bedroht, dass er seine Beobachtung niemandem sagen und sich nicht an den Dorfvorsteher oder die Polizei wenden dürfe; auch seinen Vater hätten sie wiederholt bedroht. Wegen der Drohungen

hätten er und seine Familie sich nicht an die Polizei gewandt. Sein Vater und sein Onkel hätten beschlossen, dass er Sri Lanka verlassen solle.

Der Vater habe ihn am 18. September 2018 mit dem Tuktuk zum Onkel nach H. gebracht; der Onkel habe ihn nach Colombo begleitet. Dort hätten sie einige Zeit in der Wohnung einer Tante gelebt, und der Onkel habe für ihn einen Pass ausstellen lassen. Schliesslich sei er mit Hilfe einer Schlepperin legal, mit seinem eigenen Pass, vom Flughafen Colombo ausgereist; ab Singapur sei er mit einem gefälschten Pass weitergereist; den Pass habe er der Schlepperin abgeben müssen.

Bei einer Rückkehr nach Sri Lanka müsse er befürchten, von der Vaal Veddu Group umgebracht zu werden. Er sei mit seiner Familie von der Schweiz aus in Kontakt; seine Verfolger würden seine Familie weiterhin mindestens einmal wöchentlich aufsuchen.

Wer das Opfer jenes Vorfalls, den er beobachtet habe, gewesen sei, wisse er nicht; über den Vorfall sei auch nie in einer Zeitung berichtet worden. In der Schweiz lebe noch eine Tante von ihm.

B.

Mit Verfügung vom 12. Juni 2019 – der Beiständin am 13. Juni 2019 eröffnet – verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers, lehnte sein Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an. Auf die Begründung der Verfügung wird in den nachfolgenden Erwägungen Bezug genommen.

C.

Der Beschwerdeführer focht die Verfügung des SEM mit Beschwerde vom

8. Juli 2019 beim Bundesverwaltungsgericht an. Er beantragt deren Aufhebung, die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Asylgewährung. Eventuell sei die Unzulässigkeit, Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen und eine vorläufige Aufnahme anzuordnen. Es sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Eventuell sei die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen.

Auf die Begründung der Beschwerde wird in den Erwägungen eingegangen.

D.

Mit Instruktionsverfügung vom 12. Juli 2019 hielt die Instruktionsrichterin

fest, der Beschwerdeführer könne den Entscheid in der Schweiz abwarten, und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.

E.

Mit Instruktionsverfügung vom 19. Juli 2019 hiess die Instruktionsrichterin das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und amtliche Rechtsverbeiständung gut; sie forderte den Beschwerdeführer auf, dem Gericht bis zum 3. August 2019 einen Rechtsvertreter oder eine Rechtsvertreterin zu nennen, der oder die als amtlicher Beistand eingesetzt werden solle, und eine entsprechende Vollmacht einzureichen, ansonsten das Gericht von Amtes wegen dem Beschwerdeführer eine Rechtsvertretung bestimmen werde.

F.

Am 9. August 2019 legitimierte sich eine Rechtsvertreterin unter Vorlage einer Vollmacht, und ersuchte, trotz verspäteter Eingabe, um die Einsetzung als amtliche Rechtsvertretung.

G.

Mit Zwischenverfügung vom 13. August setzte die Instruktionsrichterin die Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin des Beschwerdeführers ein und gewährte eine Frist zur Geltendmachung weiterer Vorbringen.

H.

Am 28. August 2019 reichte die Rechtsvertreterin eine ergänzende Eingabe zu den Akten. Sie führte betreffend die Glaubhaftigkeit der Vorbringen aus, es sei ihr im Beratungsgespräch aufgefallen, dass der Beschwerdeführer im mündlichen Ausdruck eher schwach sei, auch habe der Dolmetscher die Zielsprache nicht eindeutig beherrscht. Betreffend den Vorhalt der Unplausibilität der Vorbringen erklärte sie, das Verhalten der Vaal Vettu Group sei allenfalls nicht rational zu begründen, es sei daher nachvollziehbar, dass die Eltern des Beschwerdeführers aus Angst als einzige Möglichkeit dessen Flucht nach Europa gesehen hätten. Der Beschwerdeführer habe entgegen der Behauptung der Vorinstanz das Geschehen mit ausreichender Substanz, namentlich mit Realkennzeichen, geschildert, seine Ausführungen seien auch altersgerecht plausibel und schlüssig. Der srilankische Staat sei weder schutzwillig noch -fähig. Falls das Asylgesuch abgelehnt werde, sei der Beschwerdeführer vorläufig aufzunehmen, da der Vollzug seiner Wegweisung unzumutbar sei. Die Familienverhältnisse seien prekär, die Vorinstanz treffe die Pflicht zu spezifischen Abklärungen,

um eine Verletzung des Kindeswohls zu vermeiden. Bisher habe sich die Vorinstanz diesbezüglich nur auf Annahmen abgestützt.

I.

Am 3. September 2019 lud die Instruktionsrichterin die Vorinstanz zur Vernehmlassung ein.

J.

In seiner Stellungnahme vom 17. September 2019 beantragte das SEM die Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer verfüge in Sri Lanka als auch im Ausland über ein grosses familiäres Beziehungsnetz; für die in der Beschwerde angeführten «desolaten» Lebensumstände gebe es keine Anhaltspunkte, von einer fehlenden Existenzgrundlage könne nicht ausgegangen werden. Die Rückreise des Beschwerdeführers werde der Kanton in Zusammenarbeit mit der Schweizer Vertretung in Colombo organisieren, so dass sichergestellt sei, dass der minderjährige Beschwerdeführer seinen Familienangehörigen übergeben werden könne.

K.

Am 2. Oktober 2019 entgegnete der Beschwerdeführer in der Replik, dass seine Eltern immerhin so verzweifelt gewesen seien, ihn ausser Landes zu schicken. Dies spreche auch für die Armut und Mittellosigkeit seiner Familie.

L.

Am 24. April 2020 informierte die zuständige Kindesund Erwachsenenschutzbehörde das SEM, dass eine neue Beiständin für den Beschwerdeführer zuständig sei.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel, so auch vorliegend, endgültig (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG und das AsylG nichts anderes bestimmen (Art. 37 VGG, Art. 6 AsylG).

    3. Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom

      25. September 2015).

    4. Der Beschwerdeführer ist knapp (…)-jährig und damit unmündig. Seine Prozessfähigkeit ist vorab als Sachurteilsvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfen (vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Urteile des BVGer D-770/2014 vom 17. Juni 2014 E. 2.1, D-5595/2014 vom 23. März 2015

      E. 1.3).

      Als verfahrensrechtliches Korrelat der Handlungsfähigkeit ist die Prozessfähigkeit nach den einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften zu beurteilen (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1996 Nr. 3 E. 2b). Sie setzt demnach Urteilsfähigkeit, Mündigkeit und das Fehlen von die Handlungsfähigkeit einschränkenden Massnahmen des Erwachsenenschutzes voraus (Art. 13, 17 und 19d ZGB). Urteilsfähig ist jeder, dem es nicht wegen seines Kindesalters oder infolge anderer Umstände an der Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln (Art. 16 ZGB). Urteilsfähige Unmündige können sich zwar grundsätzlich nur mit der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter durch ihre Handlungen verpflichten (Art. 19 Abs. 1 ZGB); ohne diese Zustimmung vermögen sie nur Rechte auszuüben, welche ihnen um ihrer Persönlichkeit willen zustehen (Art. 19c ZGB). Nach Lehre und Praxis gelten sowohl die Einreichung eines Asylgesuchs als auch die Ergreifung von in diesem Kontext stehenden Rechtsmitteln als solche «höchstpersönliche» Rechte (vgl. BVGE 2011/39 E. 4.3.2).

      Den Akten sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die zu Zweifeln an der Urteilsfähigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf das Einreichen des Asylgesuches, das Vortragen seiner Asylvorbringen oder auf die Erhebung der Beschwerde Anlass geben würden. Die Befragungsprotokolle vermitteln durchwegs den Eindruck, der Beschwerdeführer sei sich über den Gehalt der an ihn gerichteten Fragen im Klaren gewesen, habe sachbezogen geantwortet und sich bei der Darlegung der Asylgründe sowie seiner persönlichen Verhältnisse jederzeit von vernünftigen Überlegungen leiten las-

      sen. Es ist somit von der Urteilsfähigkeit und damit von der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung auszugehen.

    5. Ferner ist die Beschwerde fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägung einzutreten.

Nicht einzutreten ist auf den Eventualantrag betreffend Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde. Aufschiebende Wirkung kommt der Beschwerde von Gesetzes wegen zu (Art. 55 Abs. 1 VwVG) und sie ist von der Vorinstanz auch nicht im Sinne von Art. 55 Abs. 2 VwVG entzogen worden.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.

Im Asylverfahren gelten besondere Verfahrensgarantien für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (vgl. Art. 17 AsylG, Art. 7 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 [AsylV 1, SR 142.311]; vgl. Entscheide des BVGer

E-7447/2015 vom 5. November 2018 E. 5.3, D-7700/2015 vom 22. August

2016 E. 6.2, je m.w.H.).

Diese Garantien sind im vorliegenden Verfahren eingehalten worden. Die zuständigen kantonalen Behörden haben für den Beschwerdeführer eine Beiständin ernannt; diese war bei der Anhörung zu den Asylgründen anwesend. Die Anhörung vom 14. Mai 2019 wurde, soweit aus den Akten ersichtlich, in einer altersgerechten Weise durchgeführt; dem Beschwerdeführer wurden alle anwesenden Personen vorgestellt und deren Funktion wurde ihm erläutert. Die SEM-Sachbearbeiterin stellte die Fragen in einer dem Alter des Beschwerdeführers angepassten Weise. Aus dem Protokoll geht nicht hervor, dass in irgendeiner Form eine angespannte, überfordernde oder unangenehme Atmosphäre geherrscht hätte; weder die Beiständin noch die bei der Befragung anwesende Hilfswerkvertreterin haben

denn auch entsprechende Bemerkungen angebracht. Auch in der Beschwerde werden keine Vorbehalte gegen die korrekte Durchführung des vorinstanzlichen Verfahrens angebracht.

Schliesslich wurde die angefochtene Verfügung korrekt der Beiständin des Beschwerdeführers eröffnet.

4.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

5.

    1. Das SEM würdigte die Asylvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft gemacht. Es scheine realitätsfremd, dass jene Männer, deren Tat der Beschwerdeführer beobachtet habe, sich regelmässig bei ihm zu Hause gemeldet hätten, um ihn und seine Eltern zu bedrohen. Mit einem derartigen Verhalten hätten sich die Täter vielmehr immer wieder neu zu erkennen gegeben und sich identifizierbar gemacht; auch sei nicht nachvollziehbar, wieso die Drohungen derart oft hätten wiederholt werden sollen, nachdem sich die Familie nie an die Polizei gewandt habe. Dies wiederum erscheine ebenfalls nicht plausibel; dass man, anstatt sich an die Behörden zu wenden, sofort die Ausreise des Beschwerdeführers beschlossen habe, sei nicht nachvollziehbar, umso mehr, als dem Beschwerdeführer innerhalb des Landes, etwa in H. oder in Colombo, Aufenthaltsalternativen bei Verwandten zur Verfügung gestanden wären. Die Schilderungen des Beschwerdeführers seien knapp und eher oberflächlich

      ausgefallen und würden keine persönliche Färbung aufweisen; auch in Berücksichtigung seines jungen Alters hätten substantiiertere Aussagen zu den zentralen Erlebnissen erwartet werden können.

      Die geltend gemachten Vorbringen seien ferner, wenn sie geglaubt würden, nicht asylrelevant. Der Beschwerdeführer mache Behelligungen und Bedrohungen durch private Drittpersonen geltend, welche durch die heimatlichen Behörden geahndet und bestraft würden. Den Behörden könne kein Mangel an Schutzwille oder Schutzfähigkeit vorgeworfen werden, nachdem der Beschwerdeführer und seine Eltern sich gar nicht an die Behörden gewendet hätten. Es handle sich ausserdem um regional beschränkte Verfolgungsmassnahmen, denen der Beschwerdeführer sich durch Wegzug in einen anderen Teil des Heimatlandes hätte entziehen können.

      Ferner sei auch nicht eine begründete Frucht vor zukünftiger Verfolgung zu bejahen. Der Beschwerdeführer erfülle keine Risikofaktoren im Sinne des Referenzurteils des Bundesverwaltungsgerichts betreffend eine allfällige Gefährdung von aus der Schweiz nach Sri Lanka zurückkehrenden tamilischen Asylsuchenden (Referenzurteil E-1866/2015 vom 15. Juli 2016). Die Zugehörigkeit zur tamilischen Ethnie und die relativ kurze Landesabwesenheit (seit September 2018) würden nicht ausreichen, um drohende Verfolgungsmassnahmen bei einer Rückkehr, die über eine routinemässige Hintergrund-Befragung bei der Einreise am Flughafen hinausgehen würden, zu bejahen. Angesichts des jugendlichen Alters und der legalen Ausreise aus Sri Lanka sei in keiner Art und Weise davon auszugehen, es könnten bei der Rückkehr Schwierigkeiten mit den sri-lankischen Behörden drohen.

    2. Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, die geltend gemachte Bedrohungslage sei in keiner Weise weltfremd. Kriminelle Banden wie jene, deren Tat er beobachtet habe, würden in Sri Lanka grosse Freiräume geniessen, seien mächtig und müssten sich nicht verstecken. Es handle sich um Trinker und Gesetzlose, die die Bevölkerung drangsalieren würden und sich nicht vernünftig verhielten. Es sei durchaus glaubhaft, dass seine Familie sich aus Angst nicht an die Behörden habe wenden können. Was die Einschätzung betreffe, er habe seine Vorbringen nur oberflächlich erzählen können, treffe dies nicht zu; vielmehr habe der Dolmetscher offenbar die deutsche Sprache nicht gut genug beherrscht, was sich etwa bei der Verwechslung von «Schlepper» und «Schlepperin» (A15 F131), bei der Verwechslung der Begriffe «Schwert» und «Messer» oder bei der Verwendung des Begriffs «schneiden» (z.B. in A15 F66, 69; für

«Verletzungen mit dem Messer zufügen») zeige. Die Schilderungen des Beschwerdeführers seien vielmehr erlebnisbasiert und würden viele Realkennzeichen enthalten. Der sri-lankische Staat könne gegen diese Bande keinen Schutz gewähren und sei weder fähig noch gewillt, sich für tamilische Schutzbedürftige einzusetzen. Der Beschwerdeführer habe auch nicht an einen anderen Ort umziehen können, da ihm dafür die wirtschaftliche Grundlage gefehlt hätte.

6.

    1. Das Gericht bestätigt die Einschätzung der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt hat, er habe vor seiner Ausreise aus Sri Lanka ernsthafte Nachteile im Sinn von Art. 3 AsylG erlebt oder befürchten müssen. Es ist auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz zu verweisen, um Wiederholungen zu vermeiden. Insbesondere stützt das Gericht die Erwägungen, dass die Vorbringen, ungeachtet der Frage ihrer Glaubhaftigkeit, sich auf eine Bedrohungslage seitens privater Drittpersonen beziehen und nicht asylrelevant sind. Der Einschätzung, dem sri-lankischen Staat fehle es generell an Schutzwille und Schutzfähigkeit für die tamilische Bevölkerung, schliesst sich das Gericht nicht an. Angesichts der Aussagen des Beschwerdeführers, dass seine Grosseltern und etliche Onkel und Tanten in H. leben (A6 S. 5, A15 F30 ff.) und dass eine Tante in Colombo eine Wohnung besitzt (A15 F 109), hat das SEM zu Recht auch das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative bejaht.

      Zutreffend ist die Vorinstanz auch davon ausgegangen, beim Beschwerdeführer würden keine Risikofaktoren vorliegen, die auf eine zukünftige Verfolgung nach der Rückkehr aus der Schweiz schliessen lassen würden. Neben den in der angefochtenen Verfügung bereits genannten Überlegungen ist insbesondere festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge bisher mit den Behörden nie in irgendeiner Weise Probleme gehabt und sich nie politisch engagiert hat (A6 S. 8); auch von politischen Aktivitäten seiner Angehörigen oder von eigenen exilpolitischen Aktivitäten in der Schweiz ist nie die Rede gewesen.

    2. An dieser Einschätzung ändern auch die jüngsten politischen Entwicklungen im Heimatstaat Sri Lanka nichts, dies betrifft insbesondere den Ausgang der Präsidentschaftswahlen im November 2019 und den darauf folgenden Regierungswechsel. Am 16. November 2019 wurde Gotabaya Rajapaksa zum neuen Präsidenten Sri Lankas gewählt. Gotabaya Rajapaksa war unter seinem älteren Bruder Mahinda Rajapaksa, der von 2005 bis

2015 Präsident war, Verteidigungsminister und wurde in diesem Zusammenhang zahlreicher Verbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten sowie Aktivistinnen und Aktivisten angeklagt. Zudem wird er von Beobachtern für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Ende des Bürgerkrieges 2009 verantwortlich gemacht (vgl. Hannah Ellis-Petersen, The Guardian, Gotabaya Rajapaksa elected president of Sri Lanka, 17. November 2020, https://www.theguardian.com/world/2019/nov/17/sri-lanka-presidential-candidate-rajapaksapremadas-count-continues und Human Rights Watch: World Report 2020

- Sri Lanka, 14.1.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country- chapters/sri-lanka , beide abgerufen am 06.07.2020). Kurz nach der Wahl ernannte der neue Präsident seinen Bruder Mahinda zum Premierminister und berief auch einen weiteren Bruder, Chamal Rajapaksa, in die Regierung. Die drei Brüder kontrollieren in der neuen Regierung zahlreiche Ministerien und Departemente (vgl. Hannah Ellis-Petersen, The Guardian, Sri Lanka's president Rajapaksa cements family power as brothers join cabinet, 22. November 2019, www.theguardian.com/world/2019/-nov/22/sri- lankas-president-rajapaksa-cements-family-power-as-brothers-join-cabinet , abgerufen am 23.09.2020). Beobachter sowie ethnische und religiöse Minderheiten befürchten aufgrund dieser Macht der Familie Rajapaksa verstärkte Repression und die vermehrte Überwachung von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, Journalistinnen und Journalisten, Oppositionellen und regierungskritischen Personen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH]: Regierungswechsel weckt Ängste bei Minderheiten, 21.11.2019, www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/im-fokus/sri-lanka-reg- ierungswechsel-weckt-aengste-bei-minderheiten, abgerufen am 23.09.2020).

Das Bundesverwaltungsgericht ist sich dieser Veränderungen in Sri Lanka bewusst und beobachtet die Entwicklungen laufend. Zwar ist beim derzeitigen Kenntnisstand eine Akzentuierung der Gefährdungslage für Personen mit gewissen Risikofaktoren möglich (vgl. z.B. Human Rights Watch, Sri Lanka: Families of «Disappeared» Threatened, 16.02.2020, www.hrw.org-/news/2020/02/16/sri-lanka-families-disappeared-threaten- ed, abgerufen am 23.09.2020). Vorliegend besteht jedoch kein persönlicher Bezug des Beschwerdeführers zur Präsidentschaftswahl vom 16. November 2019 respektive zu deren Folgen. Dafür, dass seit dem Machtwechsel in Sri Lanka ganze Bevölkerungsgruppen oder Rückkehrer tamilischer Ethnie aus der Schweiz generell, das heisst ohne weitere individuelle Gefährdungskomponente, einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären, gibt

es derzeit keine Anzeichen. Deshalb ändern diese Umstände nichts an der Risikoeinschätzung betreffend den Beschwerdeführer.

7.

Zusammenfassend hat die Vorinstanz die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu Recht verneint und sein Asylgesuch zu Recht abgelehnt.

8.

    1. Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

    2. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

9.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).

      Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

    2. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).

      So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).

      1. Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

        Nachdem der Beschwerdeführer, wie oben ausgeführt, die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt und nicht aufgezeigt hat, er müsse im Heimatland in begründeter Weise eine zukünftige Verfolgung befürchten, findet der Grundsatz des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement keine Anwendung. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss ständiger Praxis müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr («real risk») nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde; dies ist ihm nach dem oben Gesagten nicht gelungen. Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in Sri Lanka lässt den Wegweisungsvollzug nicht als unzulässig erscheinen.

      2. Als zutreffend erweisen sich im Übrigen auch die Ausführungen der Vorinstanz betreffend die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen vom

        20. November 1989 über die Rechte des Kindes (nachfolgend: KRK, SR 0.107). Die Bestimmungen der KRK sind nicht self-executing. Es ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, dass das SEM durch sein auf die nationalen Bestimmungen abgestütztes Vorgehen die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz zum Schutz von Kindern, insbesondere in Hinblick auf den Erhalt der familiären Beziehungen, im Fall des Beschwerdeführers verletzt haben sollte. Der Vollzug der Wegweisung ist auch unter diesen Vorzeichen zulässig. Der Minderjährigkeit ist im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs Rechnung zu tragen.

    3. Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.

    4. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

    5. Der Beschwerdeführer machte in der Beschwerde geltend, er sei in seinem Heimatland durch Bandenmitglieder ständig bedroht, deshalb seien die Zustände desolat. Zudem sei er schon einige Zeit in der Schweiz und habe gut Deutsch gelernt, er wolle hier weiter zur Schule gehen. In der Eingabe vom 28. August 2019 wird vorgetragen, der Vollzug sei unzumutbar, da seine Familienangehörigen bereits in der Heimat als Flüchtlinge gelten müssten, zudem sei das Geld, welches für seine Ausreise aufgewendet worden sei, nicht mehr vorhanden, so dass die Lebensumstände der Familie prekär seien.

    6. Diese Vorbringen vermögen die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs nicht zu erschüttern.

      1. Das Bundesverwaltungsgericht hat zuletzt im länderspezifischen Referenzurteil E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 zur Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs abgewiesener Asylsuchender aus Sri Lanka insbesondere tamilischer Ethnie eine Lageanalyse vorgenommen (vgl. E. 13.2- 13.4). Hinsichtlich der Nordprovinz, insbesondere Jaffna, woher der Beschwerdeführer stammt, wurde dabei zusammenfassend festgestellt, dass der Wegweisungsvollzug dorthin zumutbar ist, sofern das Vorliegen der individuellen Zumutbarkeitskriterien – insbesondere die Existenz eines tragfähigen familiären oder anderweitigen sozialen Beziehungsnetzes sowie Aussichten auf eine gesicherte Einkommensund Wohnsituation – bejaht werden kann (vgl. E. 13.3).

      2. Der Beschwerdeführer kann im Fall der Rückkehr auf ein tragfähiges familiäres Netz zurückgreifen. Er selbst hatte in der Anhörung angegeben, die Eltern und Geschwister lebten in Sri Lanka. Der Vater fahre Tuktuk, am Morgen verteile er Zeitungen, später mache er Fahrten und ansonsten arbeite er in der Landwirtschaft (vgl. A15 F24-26), er bewirtschafte die ihm gehörenden Reisfelder; die Familie wohne im Haus eines Onkels (vgl. A6 F2.01). Der Familie gehe es finanziell «etwas schlechter» als anderen, aber bei Bedarf schicktedie Onkel aus Deutschland Geld, Geschwister des Vaters seien auch in der Schweiz (vgl. A15 F27 ff.). Zudem lebten weitere Verwandte in H. und Umgebung. Zwar brachte er vor, das Dorf der Eltern sei bombardiert worden und die Familie sei deshalb nach F. umgezogen, jedoch habe er daran keine Erinnerung mehr (vgl. A15 F45-48). Aus diesen Angaben kann geschlossen werden, dass die Familie des Beschwerdeführers – obwohl sie ihren ursprünglichen Wohnort aufgeben musste – in geordneten Verhältnissen lebt. Zwar ist sie nicht besonders wohlhabend, jedoch ging der Beschwerdeführer zur Schule und

die Familie hatte ihr Auskommen. Zudem wurde sie durch die Verwandtschaft in Europa unterstützt. Da sich die Bedrohung des Beschwerdeführers durch die kriminelle Bande nicht als glaubhaft erwiesen hat, muss seine Rückkehr nach Sri Lanka als zumutbar gelten, da er dort zu seiner Familie zurückkehren, die Schule beenden und eine Ausbildung absolvieren kann.

    1. Der Beschwerdeführer machte des Weiteren geltend, der Vollzug der Wegweisung würde sein Kindeswohl verletzen.

      1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest, dass sich die geltend gemachte Verletzung des Kindeswohls nicht als begründet erweist. Es trifft zu, dass im Rahmen der Prüfung der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG das Kindeswohl zu beachten ist, was einer völkerrechtskonformen Auslegung dieser Bestimmung entspricht (vgl. BVGE 2015/30 E. 7.2). Zutreffend ist auch, dass die Verwurzelung von Kindern in der Schweiz eine reziproke Wirkung auf die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs entfalten kann, indem eine starke Assimilierung in der Schweiz eine Entwurzelung im Heimatstaat zur Folge haben kann, welche unter Umständen die Rückkehr dorthin als unzumutbar erscheinen lässt (vgl. BVGE 2009/51 E. 5.6; 2009/28 E. 9.3.2).

      2. Im vorliegenden Fall sind diese Befürchtungen jedoch nicht begründet. Der Beschwerdeführer ist inzwischen (…)-jährig und hält sich seit knapp zwei Jahren in der Schweiz auf. Zwar erklärte er, er lerne gut Deutsch und besuche in der Schweiz die Schule, andererseits gab er in der Anhörung auch an, seine Eltern und seine Familie sehr zu vermissen (vgl. A6 F8.02, A15 F113, 115); gemäss seinen Angaben steht er auch im Kontakt mit der Familie (vgl. A15 F14,15). Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich im Fall der Rückkehr in der gewohnten Umgebung und im familiären Umfeld mit den Eltern und Geschwistern wieder zurechtfinden und an sein früheres Leben anknüpfen kann. Von einer derart fortgeschrittenen starken Verwurzelung, als dass eine Rückkehr nach Sri Lanka als unzumutbar gelten müsste, geht das Gericht bei dieser Ausgangslage nicht aus.

    1. Der Beschwerdeführer bringt des Weiteren vor, das SEM habe nicht genügende Abklärungen getroffen, um sicherzustellen, dass er im Fall der Rückkehr im Heimatstaat von einem Familienmitglied abgeholt werden würde.

      1. Auch dieser Einwand erweist sich als nicht stichhaltig. Richtig ist, dass das SEM nach gefestigter Praxis des Bundesverwaltungsgerichts beim Entscheid über den Vollzug der Wegweisung unbegleiteter Minderjähriger (Asylsuchender) von Amtes wegen verpflichtet ist, spezifische Abklärungen der persönlichen Situation unter dem Blickwinkel des Kindeswohls vorzunehmen, widrigenfalls der Sachverhalt nicht als korrekt und vollständig festgestellt gilt im Hinblick auf den Entscheid über die Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs (vgl. BVGE 2015/30 E. 7.3, mit Verweis auf EMARK 2006 Nr. 24 E. 6 und 1998 Nr. 13 E. 5.e). Ferner hat die zuständige Behörde gemäss Art. 69 Abs. 4 AIG bei einer Ausschaffung von unbegleiteten minderjährigen Personen sicherzustellen, dass diese im Rückkehrstaat einem Familienmitglied, einem Vormund oder einer Aufnahmeeinrichtung übergeben werden, welche den Schutz des Kindes gewährleisten.

      2. Vorliegend ist das SEM seiner oben skizzierten Abklärungspflicht genügend nachgekommen. Der Beschwerdeführer wird nach Sri Lanka zu seiner Familie zurückkehren können. Aus seinen Aussagen in den Anhörungen ergeben sich keine Anhaltspunkte, weshalb seine Eltern ihn nicht auch in Empfang nehmen sollten, sofern er aufgrund einer behördlichen Anordnung der Schweizer Migrationsbehörden nach Sri Lanka zurückkehren muss. Eine besonders erhöhte Abklärungspflicht (wie sie beispielsweise dem Sachverhalt in BVGE 2015/30 zugrunde lag) ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Eltern des Beschwerdeführers sind am Leben, die Familie hat ein Auskommen und der Beschwerdeführer findet ein tragfähiges familiäres Netz vor (vgl. E. 9.6.2). Der Hinweis des SEM, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr zu den Eltern von seinen in der Schweiz ansässigen Tanten unterstützt werden könnte, ist daher keine – wie behauptet – pauschale Behauptung, vielmehr geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Familie die Rückkehr des Beschwerdeführers gleichermassen unterstützen wird, wie sie bereits die Ausreise ihres Sohnes zu organisieren vermochte. Dass das SEM seinen Abklärungspflichten in Hinblick auf das Kindeswohl nur ungenügend nachgekommen sei, greift bei dieser Ausgangslage nicht.

    1. Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch als zumutbar.

    2. Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates mit Hilfe seiner Beiständin die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4

      AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).

    3. Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AIG).

10.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und – soweit diesbezüglich überprüfbar – angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

11.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Mit Verfügung vom

      19. Juli 2019 wurde jedoch die unentgeltliche Prozessführung gewährt. Da nicht von einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des minderjährigen Beschwerdeführers auszugehen ist, sind keine Verfahrenskosten zu erheben.

    2. Mit Zwischenverfügung vom 19. Juli 2019 wurde die Rechtsvertreterin als amtliche Vertreterin des Beschwerdeführers eingesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht hat ihr ein amtliches Honorar auszurichten (vgl. aArt. 110a Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 9–14 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Die Rechtsbeiständin hat eine Kostennote eingereicht (vgl. Beschwerdeakten Ziff. 10). Der darin geltend gemachte Zeitaufwand von insgesamt fünf Stunden erscheint angesichts der im vorliegenden Fall gegebenen Rechtsfragen und im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen grundsätzlich angemessen. Unter Berücksichtigung der massgebenden Bemessungsfaktoren (Art. 9-13 VGKE), insbesondere der Entschädigungspraxis in Vergleichsfällen und der Ausbildung der Rechtsvertreterin, ist der Parteientschädigung ein Stundenansatz von Fr. 150.– zugrunde zu legen. Der Rechtsvertreterin ist damit ein Honorar von total Fr. 850.– (inklusive Auslagen) zulasten der Gerichtskasse zuzusprechen. Sie wird aufgefordert, dem Gericht eine Zahladresse mitzuteilen.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Der Rechtsvertreterin ist zulasten der Gerichtskasse ein Honorar von total Fr. 850.– zuzusprechen.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, seine Beiständin, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Christa Luterbacher Susanne Bolz

Versand:

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