Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-2649/2020 |
Datum: | 01.07.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Familienzusammenführung (Asyl) |
Schlagwörter : | Familie; Schweiz; Einreise; Flucht; Ehefrau; Familiengemeinschaft; Recht; Syrien; Beschwerdeführers; Bruder; Vorinstanz; Verfügung; Gesuch; Bundesverwaltungsgericht; Kostenvorschuss; Flüchtlings; Anspruch; Person; Flüchtlinge; Personen; Einreisebewilligung; Zeitpunkt; Bruders; Verfahren; Flüchtlingseigenschaft; Familiennachzug; Familienasyl; Umstände |
Rechtsnorm: | Art. 42 AIG ;Art. 43 AIG ;Art. 48 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 132 II 485; 134 I 23; 136 V 231; 139 I 330 |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-2649/2020
Besetzung Einzelrichterin Gabriela Freihofer,
mit Zustimmung von Richter Walter Lang; Gerichtsschreiberin Evelyn Heiniger.
Parteien A. , geboren am ( ) Syrien,
vertreten durch B. , ( )
Beschwerdeführende,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Familienzusammenführung (Asyl) zugunsten von C. , geboren am ( ) und
D. , geboren am ( ), Syrien;
Verfügung des SEM vom 27. April 2020 / N ( ).
Der Beschwerdeführer suchte am 12. Dezember 2016 in der Schweiz um Asyl nach. Mit Verfügung vom 9. Dezember 2019 anerkannte die Vorinstanz seine Flüchtlingseigenschaft und gewährte ihm in der Schweiz Asyl.
Am 20. Dezember 2019 ersuchte der Beschwerdeführer bei der Vorinstanz um Familiennachzug für seine Frau und seinen Sohn, und liess am
27. Januar 2020 durch eine Vertreterin des Schweizerischen Roten Kreuzes das Gesuch erneut stellen.
Durch seine Vertreterin erkundigte sich der Beschwerdeführer am
30. März 2020 bei der Vorinstanz nach dem Verfahrensstand.
Mit Verfügung vom 27. April 2020 verweigerte das SEM der Ehefrau und dem Sohn des Beschwerdeführers die Einreise in die Schweiz und lehnte das Gesuch um Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft und Familienasyl gemäss Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG ab.
Mit Eingabe vom 20. Mai 2020 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragte, der Entscheid des SEM vom 27. April 2020 sei aufzuheben, die Einreise in die Schweiz sei zu bewilligen und gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG sei die Flüchtlingseigenschaft seiner Ehefrau im Sinne des Einbezugs in seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen und ihr Asyl zu gewähren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
Die Instruktionsrichterin wies mit Zwischenverfügung vom 27. Mai 2020 das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ab und forderte den Beschwerdeführer zur Leistung eines Kostenvorschusses innert Frist auf.
Der Kostenvorschuss traf am 29. Mai 2020 bei der Gerichtskasse ein.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend - endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist - nachdem der Kostenvorschuss innert Frist bezahlt wurde - einzutreten (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
Gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG werden Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen. Anspruchsberechtigte Personen nach Art. 51 Abs. 1 AsylG haben gemäss Art. 51 Abs. 4 AsylG einen Anspruch auf Erteilung einer Einreisebewilligung, sofern sie sich noch im Heimatstaat oder im Ausland aufhalten und durch die Flucht des in der Schweiz asylberechtigten Flüchtlings getrennt wurden (vgl. BVGE 2012/32 E. 5.1). Die Erteilung einer Einreisebewilligung setzt eine vorbestandene Familiengemeinschaft sowie die fest beabsichtigte Familienvereinigung in der Schweiz voraus. Zweck der Bestimmung von Art. 51 Abs. 4 AsylG ist folglich einzig die Wiedervereinigung von im Zeitpunkt der Flucht aus dem Heimatstaat vorbestandenen Familiengemeinschaften (vgl. BVGE 2018 VI/6 E. 5.1 m.w.H.). Als «Zeitpunkt der Flucht» gilt dabei die asylrechtlich relevante Ausreise aus dem Heimatland.
Wer um Erteilung einer Einreisebewilligung zwecks Familienasyl ersucht, hat die Zugehörigkeit des nachzuziehenden Angehörigen zur Familiengemeinschaft, die im Zeitpunkt der Flucht vorbestandene Familiengemeinschaft, die Familientrennung durch die Flucht sowie die fest beabsichtigte Familienvereinigung aller Anspruchsberechtigten nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen.
Die Vorinstanz erachtete in der angefochtenen Verfügung die Voraussetzungen von Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG als nicht erfüllt, da der Beschwerdeführer seine Ehefrau erst nach seiner Ausreise aus Syrien kennengelernt habe. Sie habe noch in Syrien gelebt, er habe sich bereits in der Autonomen Region Kurdistan (ARK) im Irak aufgehalten. Nach der Fernheirat sei die Ehefrau im September 2014 in die ARK gereist. Zusammen seien sie in die Türkei gegangen, wo am ( ) der gemeinsame Sohn zur Welt gekommen sei. Im Oktober 2016 sei der Beschwerdeführer ohne Frau und Kind ausgereist und am 3. Dezember 2016 in die Schweiz gelangt. Aufgrund dieses Sachverhalts sei die Voraussetzung einer unfreiwilligen Trennung durch die Flucht beziehungsweise des Bestehens einer gefestigten Familiengemeinschaft im Heimatstaat gemäss Art. 51 Abs. 4 AsylG nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten sich erst in der ARK zum ersten Mal persönlich getroffen, in Syrien hätten sie sich noch nicht gekannt. Der gemeinsame Sohn sei erst in der Türkei geboren worden. Eine Familienbeziehung, welche in den Schutzbereich von Art. 51 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 AsylG falle, liege somit nicht vor.
Der Beschwerdeführer werde auf die Möglichkeit verwiesen, bei den Migrationsbehörden des Wohnsitzkantons ein Gesuch um Familiennachzug gemäss Art. 42 ff. AIG einzureichen.
In der Beschwerde wird vorgebracht, die Vorinstanz habe bereits Gesuche von zahlreichen Personen gutgeheissen, bei welchen die Heirat im Ausland stattgefunden habe und die Betroffenen im Heimatstaat nicht in einer Familiengemeinschaft gelebt hätten. Dem Beschwerdeführer sei es aufgrund der Umstände nicht möglich gewesen, in Syrien mit seiner Frau in einer Familiengemeinschaft zusammenzuleben. Sie hätte sich aber bereits in Syrien gekannt, da sie verwandt seien. Sein Bruder S. habe seine Ehefrau auch nach der Flucht in die ARK kennengelernt. Seine Frau habe bereits zuvor in der ARK gelebt. Er und sein Bruder hätten am gleichen Tag geheiratet, was mit Fotos belegt werde. Das Gesuch seines Bruders um
Einreisebewilligung seiner Ehefrau datiere vom ( ) 2016 und sei gutheissen und die Bewilligung zur Einreise am ( ) 2016 erteilt worden. Somit gebiete der Grundsatz der Rechtsgleichheit, dass seiner Familie die Einreise ebenfalls bewilligt werde. Die Umstände und persönlichen Verhältnisse seien identisch. Für einen Vergleich seien die Akten seines Bruders beizuziehen. Der Beschwerdeführer könne nicht nachvollziehen, weshalb sein Bruder seine Familie problemlos habe nachziehen können, dies bei ihm hingegen nicht möglich sei.
In der Beschwerde wird zwar zutreffend festgehalten, dass gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG Ehegatten und minderjährige Kinder von Flüchtlingen als Flüchtlinge anerkannt werden und Asyl erhalten. Auch die weiteren angeführten Argumente bezüglich Art. 51 Abs. 1 AsylG sind korrekt. Indes ist vorliegend Art. 51 Abs. 1 AsylG nicht anwendbar, da sich die Familienangehörigen des Beschwerdeführers zum aktuellen Zeitpunkt nicht in der Schweiz aufhalten.
Bei Personen, bei welchen zunächst die Einreise in die Schweiz zu bewilligen ist, ist Art. 51 Abs. 4 AsylG anwendbar. Solche Fälle müssen klar von denjenigen, bei denen sich die Betroffenen bereits in der Schweiz aufhalten, unterschieden werden. In der Beschwerde werden Fälle zitiert, bei welchen sich die einzuziehenden Personen bereits in der Schweiz aufhielten und deshalb keine Einreisebewilligung mehr zu erteilen war (E-2922/2014, D-2620/2015). Ferner werden die Anspruchsvoraussetzungen von Art. 51 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG in den Ausführungen vermengt.
Gemäss Art. 51 Abs. 4 AsylG ist den anspruchsberechtigten Personen die Einreise zu bewilligen, wenn sie durch die Flucht von der asylberechtigten Person getrennt wurden. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Grundsatzurteil BVGE 2017 VI/4 vom 17. August 2017 eine Klärung der Rechtsprechung vorgenommen. Demgemäss ist den Angehörigen des in der Schweiz anerkannten Flüchtlings die Einreise zu bewilligen, wenn im Zeitpunkt der Flucht eine Familiengemeinschaft zwischen ihnen bestanden hatte und diese durch die Flucht getrennt wurde (E. 4.4.2). Im Entscheid des Bundesgerichts 139 I 330 E. 1.3.2 wird dazu festgehalten, soweit die Familienmitglieder sich noch im Ausland befänden, werde ihre Einreise bewilligt, wenn sie durch die Flucht getrennt worden seien; sei dies nicht der Fall, könnten sie grundsätzlich weder einreisen noch erhielten sie Familienasyl, da dieses eine vorbestandene durch die Flucht getrennte eheliche
Lebensgemeinschaft voraussetze. Das Bestehen einer Familiengemeinschaft vor der Flucht ist demnach gemäss Rechtsprechung ein zwingendes Kriterium. Dabei ist es auch nicht entscheidend, dass die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Gattin vor seiner Einreise in die Schweiz erfolgte. Einzig und allein entscheidend ist, dass die Familiengemeinschaft nicht bereits vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus Syrien bestand. In der Beschwerde wird denn auch ausgeführt, das vertiefte Kennenlernen, habe erst nach der Flucht des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland stattgefunden (Beschwerde S. 3). Auch wenn sich der Beschwerdeführer und seine Ehefrau bereits in Syrien gekannt haben, haben sie daher in Syrien noch keine Familiengemeinschaft gebildet.
Wenn die Familie des asylberechtigten Flüchtlings - wie es auch vorliegend der Fall ist - nicht durch die Flucht getrennt, sondern die Ehe erst danach eingegangen worden ist, haben die Ausländerbehörden die Familienvereinigung und allfällige diesbezüglich bestehende Rechtsansprüche ausländerrechtlicher Natur in Anwendung von Art. 43 f. AIG bzw. Art. 8 EMRK oder Art. 13 BV zu prüfen (BGE 139 I 330 E. 1.4.1), da sich kein Anspruch aus dem Asylgesetz ableiten lässt.
In der Beschwerde wird argumentiert, die Situation der syrischen Flüchtlinge kurdischer Herkunft in der Türkei werde immer prekärer, es gehe der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht gut und sie könne kaum für sich und den Sohn sorgen. Das Kindeswohl des Sohnes sei gefährdet, was es zu beachten gelte. Dazu ist festzuhalten, dass dies auf die Feststellung zu Art. 51 Abs. 4 AsylG keinen Einfluss hat und dem Kindeswohl und weiteren Umständen im Rahmen eines ausländerrechtlichen Familiennachzugsverfahrens Rechnung zu tragen wären, und auch weitere sich aus anderen Rechtsnormen ergebende Ansprüche (z.B. Art. 8 EMRK oder Art. 13 BV) in jenem Verfahren zu prüfen wären.
In der Rechtsmitteleingabe wird weiter angeführt, der Ehefrau und der Tochter des Bruders des Beschwerdeführers sei am ( ) 2016 die Einreise in die Schweiz bewilligt worden. Der Grundsatz der Rechtsgleichheit gebiete es, im vorliegenden Fall der Familie des Beschwerdeführers die Einreise in die Schweiz ebenfalls zu bewilligen.
Gemäss dem Gebot der Rechtsgleichheit soll Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden (BGE 134 I 23 E. 9.1; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht,
7. Aufl. 2016, Rz. 572). Das Rechtsgleichheitsgebot ist verletzt, wenn hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen getroffen werden, für die kein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen besteht, oder wenn Unterscheidungen unterlassen werden, die aufgrund der Verhältnisse hätten getroffen werden müssen (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER/MARKUS SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S.11; BGE 136 V 231 E. 6.1). Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht wird nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur ausnahmsweise anerkannt (vgl. BGE 132 II 485 E. 8.6, m.w.H.), wobei es hierzu bedarf, dass eine rechtsanwendende Behörde eine eigentliche gesetzeswidrige Praxis pflegt und überdies zu erkennen gibt, auch in Zukunft nicht davon abweichen zu wollen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend offensichtlich nicht gegeben, weshalb der Beschwerdeführer aus einer allfälligen unterschiedlichen Handhabung des vorliegenden Falles und des Falles seines Bruders nichts zu seinen Gunsten ableiten kann und sich ein Beizug der Akten des Bruders erübrigt.
Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz die Einreise der Ehefrau und des Sohnes des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 51 Abs. 4 AsylG zu Recht nicht bewilligt und das Familienasyl abgelehnt.
Der Beschwerdeführer ist an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen, dass er bei den Migrationsbehörden seines Wohnsitzkantons ein Gesuch um Familiennachzug gemäss Art. 44 AIG stellen kann.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750. - festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der am 29. Mai 2020 geleistete Kostenvorschuss in gleicher Höhe wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der geleistete Kostenvorschuss in gleicher Höhe wird zur Bezahlung verwendet.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Gabriela Freihofer Evelyn Heiniger
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