Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-7352/2018 |
Datum: | 11.03.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl (ohne Wegweisungsvollzug) |
Schlagwörter : | Taliban; Recht; Befehl; Kampf; Bruder; Grenzpolizist; Mitglieder; Tötung; Polizei; Bundesverwaltungsgericht; Verfügung; Schweiz; Kampfhandlungen; Flüchtling; Handlungen; Rache; Vorinstanz; Sinne; Befehlsnotstand; Notwehr; Person; Polizist; Bruders; Staat; Gericht; Beschwerdeführers |
Rechtsnorm: | Art. 10 StGB ; Art. 11 StGB ; Art. 15 StGB ; Art. 44 BV ; Art. 48 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 83 BGG ; Art. 97 StGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-7352/2018
Besetzung Richterin Mia Fuchs (Vorsitz),
Richterin Sylvie Cossy, Richterin Contessina Theis, Gerichtsschreiberin Jacqueline Augsburger.
Parteien A. , geboren am ( ), Afghanistan,
vertreten durch MLaw Eliane Gilgen, Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl (ohne Wegweisungsvollzug);
Verfügung des SEM vom 27. November 2018.
Der Beschwerdeführer suchte am 26. Oktober 2015 in der Schweiz um Asyl nach. Am 30. Oktober 2015 wurde er im Empfangsund Verfahrens-
zentrum B.
kurz zu seiner Person und zum Reiseweg befragt
(SEM-act. A4). Am 26. Oktober 2017 fand die Anhörung zu den Asylgründen statt (A17) und am 8. November 2018 eine ergänzende Anhörung (A19).
Dabei gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er sei afghanischer Staatsangehöriger ( ) Ethnie aus dem Dorf C. (Distrikt D. , Provinz E. ), wo er bis zur Ausreise mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt habe. Er habe die Schule bis zur zehnten Klasse besucht und anschliessend als ( ) in der Region E. gearbeitet. Zur Begründung seines Asylgesuches machte er im Wesentlichen geltend, sein Bruder, der als Polizist tätig gewesen sei, sei zirka 2013/2014 bei einem Angriff der Taliban auf einen Fahrzeugkonvoi getötet worden. Danach habe er sich entschlossen, ebenfalls Polizist zu werden, um sich an den Taliban für die Tötung seines Bruders zu rächen. In einer dreimonatigen Ausbildung habe er unter anderem den Umgang mit Waffen sowie Nahkampftechniken erlernt. Dann sei er als einfacher Grenzpolizist auf dem Polizeiposten ( ) an der Grenze zu F. stationiert gewesen und habe ungefähr ein Jahr lang im Polizeidienst gestanden. Er habe an verschieden Einsätzen gegen die Taliban teilgenommen und dabei im Rahmen von Kampfhandlungen regelmässig Mitglieder dieser Organisation getötet. Seiner Mutter sei mündlich und schriftlich mitgeteilt worden, er solle seine Tätigkeit bei der Polizei aufgeben und sich den Taliban anschliessen, ansonsten man ihn töten werde. Er habe sich vom afghanischen Staat im Stich gelassen gefühlt, weil seine Einheit bei Kämpfen gegen die Taliban manchmal nicht genügend Munition gehabt und keinen Nachschub erhalten habe. Als er erfahren habe, dass in der Moschee eine Liste der Taliban hänge, auf der auch sein Name stehe, habe er sich im September 2015 unter einem Vorwand aus dem Polizeidienst entfernt und sei über Pakistan, Griechenland und die Balkanroute am 26. Oktober 2015 in die Schweiz gelangt. Der Kommandant seiner Einheit habe wegen der Desertion gegen ihn einen schriftlichen Haftbefehl erlassen.
Mit Verfügung vom 27. November 2018 - eröffnet am 29. November 2018
stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft. Gleichzeitig lehnte es sein Asylgesuch gestützt auf Art. 53 AsylG (SR 142.31) ab, ordnete die Wegweisung aus der Schweiz an und verfügte wegen Unzulässigkeit des Vollzugs der Wegweisung die vorläufige Aufnahme. Zur Begründung führte das SEM aus, die Desertion aus dem Polizeidienst sei asylrechtlich nicht relevant, weil Deserteure in Afghanistan grundsätzlich nicht strafrechtlich belangt würden. Aufgrund seiner Tätigkeit als Grenzpolizist habe der Beschwerdeführer jedoch seitens der Taliban asylrelevante Nachteile zu befürchten, so dass er die Flüchtlingseigenschaft erfülle. Den Ausschluss aus der Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 1 F des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) erachtete das SEM unter Berücksichtigung der gesamten Umstände als unverhältnismässig. Es schloss den Beschwerdeführer hingegen wegen Asylunwürdigkeit gemäss Art. 53 AsylG von der Asylgewährung aus.
Der Beschwerdeführer focht mittels seiner Rechtsvertreterin den Entscheid des SEM mit Beschwerde vom 24. Dezember 2018 beim Bundesverwaltungsgericht an. Er beantragte, die Ziffern 2 (Ablehnung des Asylgesuchs) und 3 (Wegweisung) der angefochtenen Verfügung seien aufzuheben und ihm sei Asyl zu gewähren. In prozessualer Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung samt Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie um Beiordnung der unterzeichnenden Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin.
Der Beschwerde lagen eine Vollmacht, eine Unterstützungsbestätigung vom 20. Dezember 2018, eine Zustellbescheinigung der Post sowie eine Honorarnote bei.
Das Gericht bestätigte mit Schreiben vom 28. Dezember 2018 den Eingang der vorliegenden Beschwerde.
Mit Instruktionsverfügung vom 21. Januar 2019 hiess die Instruktionsrichterin das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung unter Vorbehalt der Veränderung der finanziellen Lage des Beschwerdeführers gut und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Ferner
hiess sie das Gesuch um Bestellung einer unentgeltlichen Rechtsvertretung gut und ordnete dem Beschwerdeführer antragsgemäss Frau MLaw Eliane Gilgen als amtliche Rechtsbeiständin bei. Gleichzeitig lud sie das SEM ein, sich zur Beschwerde vernehmen zu lassen.
Das SEM beantragte in seiner Vernehmlassung vom 30. Januar 2019 die Abweisung der Beschwerde. Die Vernehmlassung wurde dem Beschwerdeführer am 4. Februar 2019 zur Kenntnis gebracht.
Das Bundesverwaltungsgericht ist unter anderem zuständig für die Behandlung von Beschwerden gegen Verfügungen des SEM. Auf dem Gebiet des Asyls entscheidet das Gericht endgültig, ausser - was vorliegend nicht der Fall ist - bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor dem die Beschwerde führende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31-33 VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Am 1. März 2019 ist die Teilrevision (AS 2016 3101) des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 in Kraft getreten. Für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht (aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG.
Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer gestützt auf Art. 3 AsylG als Flüchtling anerkannt und seine vorläufige Aufnahme in der Schweiz angeordnet. Nachfolgend ist einzig zu beurteilen, ob das SEM zu Recht das Asylgesuch wegen Asylunwürdigkeit gemäss Art. 53 AsylG abgelehnt hat.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlingen wird unter anderem dann kein Asyl gewährt, wenn sie wegen verwerflicher Handlungen des Asyls unwürdig sind (Art. 53 Bst. a AsylG) oder die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden (Art. 53 Bst. b AsylG).
Unter den Begriff der «verwerflichen Handlungen» fallen grundsätzlich Delikte, die dem abstrakten Verbrechensbegriff von Art. 10 Abs. 2 StGB entsprechen, also Straftaten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind (vgl. hierzu und zum Folgenden BVGE 2011/10 E. 6 S. 131, 2011/29 E. 9.2.2, 2012/20 E. 4.2 ff., 2018 VI/5 E. 4.5; Entscheidun-
gen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1993 Nr. 8 E. 6, 1996 Nr. 18 E. 5 ff., 2002 Nr. 9).
Aus der Anbindung des Asylausschlussgrundes der «verwerflichen Handlungen» im Sinne von Art. 53 Bst. a AsylG an den Verbrechensbegriff des StGB ergibt sich, dass in Bezug auf die in Frage stehenden Handlungen der betreffenden Person eine strafrechtliche Verantwortlichkeit gegeben sein muss (vgl. Urteil des BVGer D-164/2018 vom 9. August 2019
E. 4.2.2). Bei Straftaten, die im Ausland begangen wurden, ist kein strikter Nachweis erforderlich. Es genügt die aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigte Annahme respektive die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Person einer Straftat im Sinne der genannten Bestimmungen schuldig gemacht hat. Die Behörde, die über den Asylausschluss nach Art. 53 AsylG entscheidet, hat mithin zu prüfen, ob hinlänglich konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass einer beschwerdeführenden Person eine individuelle Verantwortlichkeit für eine «verwerfliche Handlung» im Sinne des Asylgesetzes zukommt. Es ist somit der individuelle Tatbeitrag der Person zu ermitteln. Zu diesem gehören die Schwere der Tat und der persönliche Anteil am Tatentscheid, das Motiv des Täters sowie allfällige Rechtfertigungsoder Schuldminderungsgründe (BVGE 2011/10 E. 6 S. 132, 2011/29 E. 9.2.3 f.). Der Tatbeitrag kann in unmittelbarer Täterschaft erfolgt sein oder auch in mittelbarer Täterschaft, die sich aus einer Verantwortung für Handlungen Dritter aufgrund einer entsprechenden Befehlsgewalt ergeben kann (vgl. Urteil des BVGer D-1071/2015 vom 19. April 2016 E. 5.2).
Ist einer der Tatbestände von Art. 53 AsylG einschlägig, ist gemäss ständiger Praxis in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Rechtsfolge des Asylausschlusses auch eine verhältnismässige Massnahme darstellt (vgl. BVGE 2011/10 E. 6, 2011/29 E. 9.2.4 je m.w.H).
Das SEM bejaht in der angefochtenen Verfügung das Vorliegen verwerflicher Handlungen im Sinne von Art. 53 Bst. a AsylG. Zur Begründung führt es aus, der Beschwerdeführer habe zu Protokoll gegeben, im Rahmen seiner Tätigkeit als Grenzpolizist während eines Jahres regelmässig an Kampfhandlungen gegen die lokalen Taliban teilgenommen und dabei Mitglieder dieser Organisation getötet zu haben. Er erfülle damit den Straftatbestand der vorsätzlichen Tötung (Art. 111 StGB), bei dem es sich gemäss schweizerischem Recht um ein Verbrechen handle (Art. 10 Abs. 2
StGB). Er habe jeweils Befehle von seinem in E.
stationierten
Kommandanten erhalten, welcher mitgeteilt habe, wo die Grenzpolizei als nächstes gegen die Taliban zu kämpfen habe. Beim Aufeinandertreffen mit diesen habe er Mitglieder der Taliban getötet. Zivilisten habe er keine getötet. Gestützt auf diese Schilderungen sei der individuelle Tatbeitrag zu bejahen, da der Beschwerdeführer persönlich Mitglieder der Taliban getötet habe. Zwar habe er auf Befehl des Kommandanten gegen die Taliban gekämpft und damit einhergehend Taliban getötet, doch entbinde das Handeln auf Befehl (sog. Befehlsnotstand) gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht von der Verantwortung für die Tat. Als Polizist sei er zwar verpflichtet gewesen, den Befehlen des Vorgesetzten Folge zu leisten; gemäss seinen Aussagen habe er die Kampfhandlungen aber auch begrüsst. Ein Befehlsnotstand im Sinne eines Rechtfertigungsgrundes sei daher zu verneinen. Da er sich als erwachsener und urteilsfähiger Mann dazu entschieden habe, als Grenzpolizist tätig zu werden, und im Rahmen dieser Tätigkeit bewusst Mitglieder der Taliban getötet habe, seien keine Schuldunfähigkeitsgründe gegeben. Somit sei der individuelle Tatbeitrag an der Tötung von Taliban aufgrund seiner Aussagen und der Aktenlage zu bejahen.
In der Rechtsmitteleingabe wird ein individueller Tatbeitrag des Beschwerdeführers bejaht, da er selbst Taliban getötet habe. Er habe jedoch auf Befehl seines Kommandanten gehandelt. Eine Befehlsverweigerung
hätte zur Folge gehabt, dass er selbst während der Kampfhandlungen getötet worden wäre. Somit sei ein Befehlsnotstand zu bejahen. Zwar entbinde ein solcher gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts nicht von der Verantwortung für die Tat. Gemäss seinen Aussagen habe er aber nur dann auf Taliban geschossen, wenn er und seine Einheit von diesen angegriffen worden seien. Er habe angegeben, dass man in solchen Situationen entweder schiesse oder selber erschossen werde. Somit habe er jeweils in Notwehr gehandelt, wenn er Mitglieder der Taliban getötet habe. Es liege demzufolge ein Rechtfertigungsgrund gemäss Art. 15 StGB vor. Demzufolge habe sich der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Tätigkeit als Grenzpolizist nicht verwerflicher Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG schuldig gemacht.
Der Beschwerdeführer gab an der ergänzenden Anhörung durch die Vorinstanz zu Protokoll, er sei in G. (Provinz E. ) an der Grenze zu F. stationiert gewesen und jeweils für Einsätze in den Krieg respektive an die Front geschickt worden sowie in die Wüste oder die Berge, um Fahrzeuge vor Angriffen durch die Taliban zu schützen (A19 F29 f.). Er machte keine weiteren Angaben zu den näheren Umständen der Einsätze und dem genauen Inhalt der Befehle des Kommandanten - der nicht vor Ort, sondern in E. stationiert gewesen sei (A19 F92)
hinsichtlich des Umgangs mit den Taliban (Tötung oder Festnahme). Die Frage der SEM-Mitarbeiterin, ob er im Rahmen seiner Tätigkeit als Grenzpolizist je einen Taliban umgebracht habe, beantwortete der Beschwerdeführer folgendermassen: «Ja. Wenn jemand dir gegenübersteht, muss man auf ihn schiessen. Entweder schiesst man oder man wird erschossen» (A19 F44). Auf die Anschlussfrage, ob er im Rahmen von Kampfhandlungen oder auch im Rahmen von Verhören Taliban getötet habe, gab er an:
«Immer, wenn sie uns angegriffen haben» (A19 F45). Er äusserte sich weder zur Häufigkeit der Kampfhandlungen, bei welchen er Mitglieder dieser Organisation erschoss, noch zur Anzahl von ihm getöteter Taliban (A19 F46). In der Beschwerde wird ebenfalls vorgebracht, er habe nur dann auf Taliban geschossen, wenn er und seine Einheit von diesen angegriffen worden seien, und er habe jeweils in Notwehr sowie auf Befehl gehandelt.
Da in der Region E. Krieg zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban herrscht, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich bei etlichen Kampfhandlungen durchaus in einer Notwehroder Notstandssituation (Art. 15 ff. StGB) befand und, um sein eigenes Leben oder dasjenige anderer Polizisten oder Soldaten zu retten,
Taliban töten musste. Angesichts der gesamten Umstände und seiner eigenen Aussagen erscheint die Annahme jedoch realitätsfremd, er habe ausschliesslich in Notwehroder Notstandssituationen Taliban erschossen. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass er auch (eine unbekannte Anzahl) Taliban tötete, wenn dies nicht erforderlich gewesen wäre, beispielsweise, wenn Festnahmen erfolgten oder solche möglich gewesen wären. So gab er in Bezug auf festgenommene Taliban Folgendes zu Protokoll: «Wenn man Taliban festnimmt, bringt man sie um oder sie fliehen. Sie bleiben nicht am Leben, man behält sie nicht ( ). Entweder bringen sie einen um oder sie werden umgebracht» (A19 F43). Sodann legen auch der Hass des Beschwerdeführers auf die Taliban sowie sein starkes Bedürfnis, den Tod seines Bruders zu rächen, den Schluss nahe, dass er Mitglieder der Taliban nicht nur dann tötete, wenn ein entsprechender Befehl und/oder eine Notwehrsituation vorlagen (zum Rachemotiv vgl. auch E.5.2 und 5.4.1).
Dass der Beschwerdeführer sich bei den Tötungen von Mitgliedern der Taliban bei den jeweiligen Einsätzen stets in einem Befehlsnotstand befunden habe, wie geltend gemacht wird, erscheint zweifelhaft. Es ist zwar nicht erstellt, ob die Befehle des Kommandanten immer auf Tötung der Taliban lauteten oder allenfalls in gewissen Konstellationen auf deren Festnahme. Der Beschwerdeführer führte aber offen aus, er habe den Kampf gegen die Taliban genossen und dieser habe ihm gefallen (A19 F53). Die Frage, ob er sich überhaupt auf einen Befehlsnotstand berufen kann, wenn sein Bedürfnis nach Rache für die Tötung seines Bruders durch die Taliban die Hauptmotivation für den Kampf gegen diese darstellte, kann vorliegend offenbleiben, zumal das Handeln auf Befehl nach der geltenden Praxis grundsätzlich nicht von der Verantwortung für die begangenen Taten entbindet (vgl. Urteil des BVGer D-1071/2015 vom 19. April 2016 E. 5.4.5).
Aus diesen Gründen erscheint es nicht als sachgerecht, die Taten des Beschwerdeführers generell und ausschliesslich als Kriegshandlungen zu qualifizieren mit der Konsequenz, dass diese ihm nicht als Asylausschlussgrund entgegengehalten werden könnten (vgl. Urteil des BVGer D- 4291/2012 vom 26. Juli 2013 E. 5.2.2 m.w.H.).
Rechtfertigungsgründe des Befehlsnotstandes und der Notwehr nichts zu ändern.
Nachdem sich ergeben hat, dass dem Beschwerdeführer verwerfliche Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG vorzuwerfen sind, bleibt zu prüfen, ob der von der Vorinstanz verfügte Ausschluss von der Asylgewährung eine verhältnismässige Massnahme darstellt. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit eines Asylausschlusses zu berücksichtigen sind das Alter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Tatbegehung, allfällige Veränderungen der Lebensverhältnisse nach der Tat, die Wahrscheinlichkeit der erneuten Begehung von Straftaten sowie die Frage, wie lange die Tat bereits zurückliegt, wobei die strafrechtlichen Verjährungsbestimmungen zu beachten sind (vgl. BVGE 2011/10 E. 6, 2011/29 E. 9.2.4 je m.w.H; Urteil des BVGer D-1071/2015 vom 19. April 2016 E. 5.5.1).
Das SEM führt diesbezüglich aus, der Beschwerdeführer habe sich freiwillig entschieden, der Grenzpolizei beizutreten. Er habe gewusst, dass seine Hauptaufgabe der Kampf gegen die lokalen Taliban sein würde, was die Hauptmotivation für den Entscheid zur Ausbildung als Polizist gewesen sei. Er habe sich an den Taliban dafür rächen wollen, dass sein Bruder, der ebenfalls Grenzpolizist gewesen sei, bei einem Anschlag dieser Organisation getötet worden sei. Gemäss seinen Aussagen habe er den Kampf gegen die Taliban genossen. Zwar habe er auch den Dienst an seiner Heimatregion erwähnt, doch habe bei seinen Ausführungen stets die Rache für den Tod des Bruders als Motiv für den aktiven Kampf gegen die Taliban im Vordergrund gestanden. Dass der Tod seines Bruders für ihn ein schlimmes Erlebnis gewesen sei, sei nachvollziehbar. Dennoch handle es sich beim Motiv der Rache um einen egoistischen Beweggrund für die Begehung einer Tat. Der Beschwerdeführer habe beschrieben, dass er sich vom afghanischen Staat im Kampf gegen die Taliban im Stich gelassen gefühlt habe. Er habe angegeben, dass er die Arbeit als Grenzpolizist und den Kampf gegen die Taliban fortgeführt hätte, wenn er nicht oft hungrig hätte kämpfen müssen, von den Polizeibehörden verlässlicheren Nachschub an Munition erhalten hätte und von den Taliban nicht persönlich bedroht worden wäre. In Bezug auf den Kampf gegen die Taliban bereue er einzig, dass dabei viele seiner Freunde getötet worden seien. Aufgrund seiner Schilderungen sei weder von einer allenfalls schuldmindernden Reue noch von einer kritischen Betrachtung der Tötung von Mitgliedern der Taliban auszugehen. Auch wenn er als Grenzpolizist gegen eine terroristische Gruppierung gekämpft habe, erweise sich der Ausschluss aus dem Asyl
aufgrund seines Rachemotivs als verhältnismässig. Die Auswirkungen der Anwendung des Ausschlussgrunds von Art. 53 Bst. a AsylG seien insofern weniger schwerwiegend, als der Beschwerdeführer als Flüchtling vor einer Rückschiebung in den Verfolgerstaat geschützt sei.
In der Rechtsmitteleingabe wird demgegenüber geltend gemacht, ein Asylausschluss nur aus dem Grund, dass der Beschwerdeführer freiwillig und aus Rachegründen der Grenzpolizei beigetreten sei, sei unverhältnismässig. Er sei 22 Jahre alt gewesen, als sein Bruder von den Taliban getötet worden sei. Dass ihn dieses Ereignis dazu bewogen habe, Polizist zu werden, sei nicht verwerflich. Zudem sei es ihm auch wichtig gewesen, seine Heimat gegen eine terroristische Organisation zu verteidigen. Er habe nur auf Befehl und im Falle eines Angriffs gehandelt. Durch die Ausreise hätten sich seine Lebensumstände deutlich verändert, wodurch eine erneute Tatbegehung in diesem Fall klar ausgeschlossen werden könne. Aufgrund des Befehlsnotstandes und in Würdigung der gesamten Umstände erweise es sich als unverhältnismässig, den Beschwerdeführer von der Asylgewährung auszuschliessen.
Der Beschwerdeführer trat im Alter von ( ) Jahren, mithin als junger, aber doch erwachsener Mann, in den Polizeidienst ein und tötete 2014/2015 innerhalb eines Jahres im Rahmen von Kampfhandlungen vorsätzlich eine unbekannte Anzahl Menschen, welche Mitglieder der Taliban waren. Sein Eintritt in den Polizeidienst erfolgte unter keinerlei externem Zwang und auch nicht aus wirtschaftlicher Not, gab er doch an, er habe als ( ) Passagiere zwischen E. und D. transportiert und von dieser Tätigkeit seinen Lebensunterhalt sehr gut finanzieren können (A19 F66 f.). Aus den Protokollen geht eindeutig hervor, dass das Bedürfnis nach Rache für die Tötung seines Bruders durch die Taliban die Hauptmotivation zum Eintritt in den Polizeidienst darstellte. So äusserte er sich diesbezüglich unter anderem folgendermassen: «Nach dem Tod meines Bruders wollte ich mich rächen, deshalb habe ich angefangen, als Grenzpolizist zu arbeiten» (A17 F 6; ähnlich A19 F48 und 65). «Mein Ziel war nicht, dass ich bis am Ende die Ausbildung besuche. Ich wollte nur meinen Bruder rächen und gegen Taliban ( ) kämpfen» (A19 F26). Den Beschwerdeführer interessierte an der Tätigkeit als Grenzpolizist offensichtlich die Möglichkeit, sein Rachebedürfnis zu befriedigen. An der ergänzenden Anhörung vom 8. November 2018 gab er auf entsprechende Fragen der SEMMitarbeiterin zu Protokoll, an seiner Tätigkeit als Polizist hätten ihm besonders der Dienst an der Heimat und die Möglichkeit, seinen Bruder zu rächen, gefallen; er habe es genossen, gegen die Taliban zu kämpfen und seine Heimat zu verteidigen (A19 F 51, 53). Das von ihm angegebene zusätzliche Motiv der Verteidigung seines Landes gegen die Taliban vermag nichts daran zu ändern, dass das Rachemotiv klar im Vordergrund stand. Daran hat sich bis heute offenbar nichts geändert. Der Beschwerdeführer leidet zwar mittlerweile an Albträumen (A19 S. 13 unten). Auf die Frage, ob er etwas bereue (und heute nicht mehr machen würde), antwortete er an der Anhörung vom 8. November 2018, mithin zirka vier Jahre nach den Kampfhandlungen, dass er seine Freunde verloren habe, die umgebracht worden seien (A19 F54). Er fügte an, es habe ihm gefallen und er wäre geblieben, wenn der Staat die Polizei bei der Bekämpfung der Taliban mehr unterstützt hätte (A19 F55). Aufgrund dieser Sachlage ist übereinstimmend mit der Vorinstanz festzustellen, dass auch vier Jahre nach den Taten beim Beschwerdeführer weder tätige Reue noch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit den Tötungen von Mitgliedern der Taliban erkennbar sind.
Sodann liegen die Taten mit fünf Jahren noch nicht sehr lange zurück und sind nicht verjährt (vgl. Art. 97 Abs. 1 Bst. b StGB). Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, eine erneute Tatbegehung könne ausgeschlossen werden, ist festzuhalten, dass dies in erster Linie deshalb der Fall sein dürfte, weil der Beschwerdeführer heute in der Schweiz lebt, wo er über ein Bleiberecht verfügt. Wie die Vorinstanz ebenfalls zutreffend festgehalten hat, sind die Auswirkungen der Anwendung des Asylausschlussgrundes von Art. 53 Bst. a AsylG auch insofern zu relativieren, als der Beschwerdeführer über die Flüchtlingseigenschaft verfügt und somit Schutz vor einer Rückschiebung nach Afghanistan geniesst.
Soweit auch im Hinblick auf die Verhältnismässigkeitsprüfung vorgebracht wird, der Beschwerdeführer habe nur auf Befehl und in Notwehr Taliban getötet, ist zunächst auf die vorstehende Erwägung 4.3 zu Befehlsnotstand und Notwehr zu verweisen. Wie in E. 4.3.2 dargelegt, stellt das Handeln auf Befehl grundsätzlich keinen Rechtfertigungsgrund dar; ein allfälliger besonderer Interessenkonflikt, dem unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen wäre (vgl. Urteil des BVGer D-1071/2015 vom 19. April 2016 E. 5.5.1), ist, wie sich aus vorstehenden Erwägungen ergibt, vorliegend nicht ersichtlich.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Vorinstanz zu Recht die Asylunwürdigkeit des Beschwerdeführers bejaht und sein Asylgesuch abgelehnt hat.
Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4, 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dessen Kosten in der Höhe von Fr. 750.- grundsätzlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG; Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173. 320.2]). Das Bundesverwaltungsgericht hat ihm mit Verfügung vom 21. Januar 2019 infolge Bedürftigkeit die unentgeltliche Prozessführung und die unentgeltliche Rechtsverbeiständung in der Person seiner Rechtsvertreterin gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 110a AsylG gewährt. Aufgrund der Akten ist nach wie vor von der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers auszugehen, weshalb ihm keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind.
Der amtlichen Rechtsbeiständin ist ein Honorar auszurichten (vgl. für die in Betracht zu ziehenden Bemessungsfaktoren Art. 9 ff. VGKE). Wie die Instruktionsrichterin bereits in der Verfügung vom 21. Januar 2019 festgehalten hat, geht das Gericht bei amtlicher Vertretung in der Regel von einem Stundenansatz von Fr. 100.- bis Fr. 150.- für nicht-anwaltliche Vertreterinnen und Vertreter aus (vgl. Art. 12 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 VGKE), wobei nur der notwendige Aufwand zu entschädigen ist (vgl. Art. 8 Abs. 2 VGKE). Die Rechtsvertreterin hat am 24. Dezember 2018 eine Kostennote zu den Akten gereicht, in welcher sie Kosten von insgesamt Fr. 1’605.20 geltend macht, welche sich aus Honorarkosten in der Höhe von Fr. 1’440.-
(zeitlicher Aufwand 8 Stunden bei einem Stundenansatz von Fr. 180.-), einer nicht mehrwertsteuerpflichtigen Spesenpauschale von Fr. 50.- und Fr. 115.20.- Mehrwertsteuer zusammensetzen. Spesen sind gemäss Art. 11 Abs. 1 VGKE aufgrund der tatsächlichen Kosten auszuzahlen. Die ohne nähere Angaben geltend gemachte Spesenpauschale von Fr. 50.- ist demnach nicht zu vergüten, zumal keine besonderen Verhältnisse vorliegen, welche die Auszahlung eines Pauschalbetrags rechtfertigen würden (vgl. Art. 11 Abs. 3 VGKE). Vergütet werden demnach lediglich die aktenkundigen Portospesen von total Fr. 6.30. Der in der Kostennote verrechnete Stundenansatz von Fr. 180.- ist auf Fr. 150.- zu reduzieren. Der geltend gemachte Aufwand erscheint im Übrigen als angemessen. Die Rechtsbeiständin ist dementsprechend zulasten der Gerichtskasse mit insgesamt Fr. 1’298.70 (inkl. Mehrwertsteueranteil) zu entschädigen.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Das Bundesverwaltungsgericht entrichtet der als amtliche Rechtsbeiständin eingesetzten Rechtsvertreterin zulasten der Gerichtskasse ein Honorar von Fr. 1’298.70.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Mia Fuchs Jacqueline Augsburger
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