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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-6524/2019

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-6524/2019
Datum:09.10.2020
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Wegweisung; Vorinstanz; Vollzug; SEM-Akte; Herkunft; Verfügung; Schweiz; Beschwerdeführers; Identität; Sachverhalt; Libyen; Heimat; Staat; Gericht; Algerien; Person; Verfahren; Anhörung; Bundesverwaltungsgericht; Eltern; Sinne; Recht; Entscheid; Akten; Aussage; Flüchtling
Rechtsnorm: Art. 13 StGB ; Art. 14 StGB ; Art. 25 BV ; Art. 285 StGB ; Art. 29 BV ; Art. 30 VwVG ; Art. 35 VwVG ; Art. 40 or; Art. 44 BV ; Art. 46 StGB ; Art. 49 BV ; Art. 52 VwVG ; Art. 61 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 66a StGB ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:136 I 184
Kommentar:
-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-6524/2019

U r t e i l v o m 9. O k t o b e r 2 0 2 0

Besetzung Richterin Contessina Theis (Vorsitz), Richterin Esther Marti,

Richter Gérald Bovier, Gerichtsschreiberin Kathrin Rohrer.

Parteien A. , geboren am (…), Libyen,

vertreten durch lic. iur. LL.M. Philippe Spitz, (…),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 6. November 2019 / N (…).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer verliess Libyen eigenen Angaben zufolge im (…) 2018 beziehungsweise im (…) 2018 und reiste via Algerien, Tunesien, Italien und Frankreich am (…) 2018 illegal in die Schweiz ein. Am 22. Januar 2019 stellte er im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) B. ein Asylgesuch.

B.

    1. Am 15. Februar 2019 wurde der Beschwerdeführer im EVZ C. zu seiner Person und seinem Reiseweg sowie summarisch zu seinen Asylgründen befragt (Befragung zur Person [BzP]).

      Anlässlich dieser Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinem persönlichen Hintergrund an, am (…) in D. geboren und wie seine beiden Eltern libyscher Staatsangehöriger zu sein. In E. habe er die Grundschule, anschliessend die Mittelschule und schliesslich ein Jahr lang das Gymnasium besucht, ohne jedoch einen Abschluss gemacht zu haben. Aufgrund der vielen Probleme seines älteren Bruders sei er anschliessend ins Gefängnis gekommen. Vor seiner Ausreise habe er in E. , wo er zuletzt im Stadtteil F. gelebt habe, [Berufsbezeichnung].

      Zur Begründung seines Asylgesuchs führte er aus, sein Vater sei 2007 respektive 2010 von Mafiosi entführt worden, wobei er wieder freigelassen worden sei. Sein Bruder habe ihm 15 Tage nach diesem Vorfall mitgeteilt, dass Terroristen für die Entführung verantwortlich gewesen seien. Einige Zeit später sei zunächst sein Vater und nachher auch seine Mutter ermordet worden. Im (…) 2018 habe ihn sein Bruder, welcher die Tötung ihrer Eltern zu verantworten habe, nach Algerien gebracht. Von dort aus sei er eine Woche später alleine weiter nach Tunesien und anschliessend per Boot nach Italien gelangt. (…) 2018 sei er schliesslich mit dem Zug via Frankreich, wo er sich fünf Monate lang in G. aufgehalten habe, in die Schweiz eingereist.

    2. Am 23. April 2019 wurde der Beschwerdeführer vertieft zu seinen Asylgründen angehört.

      Hierbei macht er zu seiner Person und Herkunft geltend, seine Mutter stamme ursprünglich aus Algerien und sein Vater sei – wie er selber auch – Libyer. Er sei in E. im Quartier F. geboren worden und

      habe während ungefähr zehn Jahren dort gelebt. Danach habe er zusammen mit seiner Familie etwa zwölf Jahre in H. gewohnt, wo er drei oder vier Jahre lang die Primarschule besucht habe. Anschliessend seien sie wieder nach E. gezogen. Dort habe er [Berufsbezeichnung] seines Vaters mitgearbeitet. Nach dem Tod seiner Eltern habe er bis zu seiner Ausreise zusammen mit seiner Tante väterlicherseits wieder in H. gelebt.

      Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, seine Eltern seien 2013 beziehungsweise 2014 getötet worden. Zunächst habe er angenommen, dass sie wegen Kriegswirren umgekommen seien; später habe er dann erfahren, dass sie wegen seines Bruders, welcher mit einer Bande von Waffenschmugglern Probleme gehabt habe, ermordet worden seien. Ausserdem hätten ihn die Rebellen zwangsrekrutieren oder töten wollen.

      Im (…) 2018 habe er Libyen schliesslich verlassen, weil er befürchtet habe

      • wie seine Eltern – umgebracht zu werden. Zusammen mit einem Freund sei er mit Hilfe seines Bruders nach Algerien gelangt. Von dort aus sei er zunächst nach Tunesien, wo er sich 15 bis 20 Tage lang aufgehalten habe, anschliessend mit dem Boot nach Italien und kurz darauf nach Frankreich, wo er fünf Tage in I. gewesen sei, gereist. Schliesslich sei er mit dem Zug in die Schweiz gekommen.

    3. Im Rahmen des vorinstanzlichen Verfahrens reichte der Beschwerdeführer weder Unterlagen zum Nachweis seiner Identität noch zur Stützung seiner Vorbringen zu den Akten.

C.

Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft J. vom 2. September 2019, welcher unangefochten in Rechtskraft erwuchs, wurde der Beschwerdeführer des mehrfachen Diebstahls teilweise in Verbindung mit dem Versuch dazu (im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 des Strafgesetzbuches [StGB; SR 311.0] in Verbindung mit Art. 22 StGB) sowie des Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage (im Sinne von Art. 147 StGB) für schuldig befunden. Er wurde mit einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten bestraft, welche unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren aufgeschoben wurde.

D.

Mit Verfügung vom 6. November 2019 – eröffnet am 7. November 2019 – stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte sein Asylgesuch ab, verfügte die Wegweisung aus der

Schweiz und beauftragte den zuständigen Kanton mit dem Vollzug der Wegweisung.

E.

    1. Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer – handelnd durch seinen Rechtsvertreter – mit Eingabe vom 6. Dezember 2019 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte in materieller Hinsicht, die Verfügung sei aufzuheben und es sei ihm Asyl zu gewähren. Eventualiter sei er vorläufig aufzunehmen und es sei dabei festzustellen, dass eine Rückkehr zumindest zurzeit gegen Art. 3 EMRK verstosse. Subeventualiter sei die Verfügung aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, insbesondere mitsamt Gewährung der Möglichkeit, eine ergänzende Aussage zu machen. Zudem sei festzustellen, dass er unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nicht weggewiesen und ausgeschafft werden könne und es sei auf den Vollzug der Wegweisung zu verzichten, eventuell zumindest vorläufig. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragte er die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung inklusive Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und die Beiordnung eines amtlichen Rechtsbeistands. Schliesslich ersuchte er darum, ihm sei es zu ermöglichen, seine bisherigen Aussagen im Rahmen einer Parteiverhandlung oder sonst auf geeignete Weise zu ergänzen und zu präzisieren, und es sei ihm, vor einer allfälligen Wegweisung aus der Schweiz, unter Mithilfe der schweizerischen Behörden, zu ermöglichen, an algerische Identitätspapiere zu gelangen.

    2. Als Beweismittel lagen der Beschwerde – nebst einer Vollmacht vom

28. November 2019 und einer Kopie des angefochtenen Entscheids der Vorinstanz vom 6. November 2019 – ein Auszug aus dem Protokoll der Einvernahme zur Person der Staatsanwaltschaft K. vom 7. September 2019 sowie eine undatierte, handschriftlich verfasste Notiz von L. bei.

F.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2019 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde.

G.

    1. Mit Zwischenverfügung vom 17. Januar 2020 hiess die Instruktionsrichterin die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um unentgeltliche Rechtsverbeiständung – unter der Voraussetzung

      des fristgerechten Nachreichens einer Fürsorgebestätigung und unter Vorbehalt einer Veränderung der finanziellen Lage des Beschwerdeführers – gut und ordnete ihm seinen Rechtsvertreter als amtlichen Rechtsbeistand bei. Zudem forderte sie ihn auf, innert Frist eine Fürsorgebestätigung einzureichen oder einen Kostenvorschuss zu leisten.

    2. Mit Eingabe vom 31. Januar 2020 ersuchte der Beschwerdeführer darum, die Frist für die Leistung eines Kostenvorschusses mindestens bis zum 17. Februar 2020 zu erstrecken.

    3. Am 1. Februar 2020 ging beim Gericht ein Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 750.– ein.

    4. Mit Zwischenverfügung vom 6. Februar 2020 wies die Instruktionsrichterin die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und amtliche Rechtsverbeiständung mangels Einreichung einer Fürsorgebestätigung und nicht dargelegter Bedürftigkeit ab. Sodann lud sie die Vorinstanz zur Vernehmlassung ein.

    5. Am 21. Februar 2020 reichte die Vorinstanz eine Vernehmlassung ein, in welcher sie an ihren bisherigen Ausführungen festhielt. Diese wurde in der Folge dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht.

H.

Mit Urteil des Strafgerichts M. vom 14. April 2020 wurde der Beschwerdeführer des mehrfachen Diebstahls und der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte schuldig gesprochen und in Anwendung von Art. 139 Ziff. 1, Art. 285 Ziff. 1 sowie Art. 46 Abs. 1 Satz 2, Art. 49 Abs. 1 und Art. 51 StGB – unter Einbezug der in Anwendung von Art. 46 Abs. 1 und 3 StGB für vollziehbar erklärten mit Strafbefehl vom 2. September 2019 von der Staatsanwaltschaft J. bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von vier Monaten – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Ferner wurde in Anwendung von Art. 66abis StGB eine Landesverweisung für die Dauer von drei Jahren angeordnet. Der Entscheid erwuchs in Rechtskraft.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des Asylgesetzes in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom

      25. September 2015).

    2. Am 1. Januar 2019 wurde das Ausländergesetz vom 16. Dezem-

      ber 2005 (AuG, SR 142.20) teilrevidiert (AS 2018 3171) und in Ausländerund Integrationsgesetz (AIG) umbenannt. Die vorliegend anzuwendenden Gesetzesartikel sind unverändert vom AuG ins AIG übernommen worden, weshalb das Gericht nachfolgend die neue Gesetzesbezeichnung verwendet.

    3. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 des Asylgesetzes [AsylG; SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    4. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    5. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen

richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.

3.1 In der Beschwerdeschrift wurden formelle Rügen erhoben, welche vorab zu beurteilen sind, da sie gegebenenfalls geeignet sind, eine Kassation der erstinstanzlichen Verfügung zu bewirken (vgl. BVGE 2013/34

E. 4.2; Entscheidungen und Mitteilungen der [vormaligen] Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2004 Nr. 38; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes;

3. Aufl., Zürich 2013, Rz. 1043 ff., m.w.H.). Der Beschwerdeführer rügte

  • teilweise sinngemäss – eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, eine unvollständige und unrichtige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts sowie eine Verletzung der Begründungspflicht.

    3.2

        1. Das Verwaltungsrespektive Asylverfahren wird vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 12 VwVG in Verbindung mit Art. 6 AsylG). Demnach hat die Behörde von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen, die für das Verfahren notwendigen Unterlagen zu beschaffen, die rechtlich relevanten Umstände abzuklären und ordnungsgemäss darüber Beweis zu führen (vgl. hierzu auch Art. 30–33 VwVG). Der Amtsgrundsatz zur Feststellung des Sachverhalts findet seine Grenze an der Mitwirkungspflicht der asylsuchenden Person (Art. 8 AsylG; Art. 13 VwVG).

          Die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts in Verletzung der behördlichen Untersuchungspflicht bildet einen Beschwerdegrund (Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG). Unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung dann, wenn der Verfügung ein falscher und aktenwidriger Sachverhalt zugrunde gelegt wird oder Beweise falsch gewürdigt worden sind. Unvollständig ist die Sachverhaltsdarstellung, wenn nicht alle für die Entscheidung rechtswesentlichen Sachumstände berücksichtigt wurden. Die Behörde ist allerdings nicht verpflichtet, zu jedem Sachverhaltselement umfangreiche Nachforschungen anzustellen. Zusätzliche Abklärungen sind vielmehr nur dann vorzunehmen, wenn sie aufgrund der Aktenlage als angezeigt erscheinen (vgl. dazu KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, a.a.O., Rz. 456 f. und 1043; CHRISTOPH AUER/ANJA MARTINA BINDER, in: Auer/Mül-

          ler/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2. Aufl., Zürich 2018, Rz. 7 zu Art. 12; BENJAMIN SCHINDLER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], a.a.O., Rz. 29 f. zu Art. 49).

        2. Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 29 VwVG) folgt, dass alle erheblichen Parteivorbringen zu prüfen und zu würdigen sind (vgl. auch Art. 35 Abs. 1 VwVG). Nach den von Lehre und Praxis entwickelten Grundsätzen hat die verfügende Behörde im Rahmen der Entscheidbegründung die Überlegungen zu nennen, von denen sie sich leiten liess und auf die sich ihr Entscheid stützt. Die Begründung des Entscheides muss so abgefasst sein, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Die Behörde muss sich jedoch nicht mit jeder tatbestandlichen Behauptung auseinandersetzen, sondern kann sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (vgl. dazu LORENZ KNEUBÜHLER/RAMONA PEDRETTI, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], a.a.O., Rz. 5 ff. zu Art. 35; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI; a.a.O., N. 629 ff.; BVGE 2011/37 E. 5.4.1; 2008/47 E. 3.2; BGE 136 I 184 E. 2.2.1

    und 134 I 83 E. 4.1).

    3.3

        1. Der Beschwerdeführer beantragte (subeventualiter) die Zurückweisung zwecks Neubeurteilung der angefochtenen Verfügung an die Vorinstanz, insbesondere mitsamt Gewährung der Möglichkeit, eine ergänzende Aussage zu machen. Diesen Antrag begründete er damit, dass das SEM in seiner Verfügung darauf verzichtet habe, weitere behauptete Ungereimtheiten zu thematisieren und auf diese einzugehen, weshalb die Sache zur gründlicheren Prüfung zurückzuweisen oder aber direkt ein asylbejahender Entscheid anzuordnen sei. Zudem scheine das SEM nicht sauber beziehungsweise nicht wie an sich nötig zwischen der Frage der Asylgewährung und der Wegweisung beziehungsweise deren Vollzug zu unterscheiden.

        2. In der angefochtenen Verfügung hat das SEM nachvollziehbar und im Einzelnen hinreichend differenziert aufgezeigt, von welchen Überlegungen es sich leiten liess und weshalb es die Asylvorbringen des Beschwerdeführers als unglaubhaft erachtete. Es hat sich mit sämtlichen zentralen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und diese einer Würdigung unterzogen. Ausserdem wies es der Vollständigkeit halber darauf hin, dass es noch weitere Ungereimtheiten in seinen Aussagen gebe, es sich jedoch – aufgrund der als konstruierten und wenig plausibel erachteten Asylbegründung – erübrige auf diese einzugehen. Dabei musste sich die Vorinstanz nicht ausdrücklich mit jeder tatbestandlichen Behauptung, jedem Parteistandpunkt und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen, sondern durfte sich auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschrän-

    ken. Auch eine sachgerechte Anfechtung war – wie die vorliegende Beschwerde zeigt – möglich. Soweit der Beschwerdeführer die Unterscheidung zwischen der Asylgewährung und der Wegweisung in der vorinstanzlichen Verfügung bemängelt, wird – über diese Behauptung hinaus – weder eingehender begründet noch ausgeführt, inwiefern dem Beschwerdeführer daraus ein konkreter Nachteil entstanden sein soll. Alleine der Umstand, dass die Vorinstanz zu einer anderen Würdigung der Vorbringen gelangt, bedeutet noch keine Verletzung der Untersuchungspflicht, der Begründungspflicht oder des rechtlichen Gehörs. Vielmehr betrifft dies eine Frage der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes, auf welche im Rahmen der materiellen Prüfung näher einzugehen ist.

    3.4

        1. Überdies ersuchte der Beschwerdeführer darum, es sei ihm zu ermöglichen, seine bisherigen Aussagen im Rahmen einer Parteiverhandlung oder sonst auf geeignete Weise zu ergänzen und zu präzisieren. Dies würden einerseits die auf dem Spiel stehenden Interessen rechtfertigen und andererseits sei ihm die Tragweite der, aus seiner Sicht ausräumbaren Widersprüche nicht bekannt gewesen, jedenfalls nicht soweit, als dass sie zum Vollzug der Wegweisung und damit zu einer Gefahr an seinem Leib und Leben führen könnten.

        2. Gemäss Art. 40 Abs. 1 VGG ordnet der Instruktionsrichter beziehungsweise die Instruktionsrichterin unter den in Buchstaben a und b festgehaltenen Voraussetzungen eine öffentliche Parteiverhandlung an, soweit zivilrechtliche Ansprüche oder strafrechtliche Anklagen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu beurteilen sind. Auf Anordnung des Abteilungspräsidenten respektive der Abteilungspräsidentin oder des Einzelrichters respektive der Einzelrichterin kann eine öffentliche Parteiverhandlung auch in anderen Fällen durchgeführt werden (Art. 40 Abs. 2 VGG).

        3. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet die Frage, ob der Beschwerdeführer als Flüchtling anzuerkennen und ihm Asyl zu gewähren ist. Es handelt sich somit nicht um eine Streitsache im Sinne von Art. 6 EMRK. Eine öffentliche Verhandlung fällt mithin nur auf Anordnung des Abteilungspräsidenten beziehungsweise der Abteilungspräsidentin in Betracht. Dazu besteht vorliegend keine Veranlassung. Das Verfahren vor den Schweizer Asylbehörden wird grundsätzlich schriftlich geführt. Es ist im Übrigen kein gesteigertes öffentliches Interesse ersichtlich, welches die Durchführung einer Parteiverhandlung allenfalls rechtfertigen

    könnte. Eine erneute Befragung des Beschwerdeführers ist ebenfalls abzulehnen, da der rechtserhebliche Sachverhalt – wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt – hinreichend erstellt ist und im Beschwerdeverfahren Ergänzungen und Berichtigungen gemacht sowie weitere Beweismittel nachgereicht werden konnten. Der Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Parteiverhandlung beziehungsweise auf Anhörung des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht ist demnach abzuweisen. In diesem Zusammenhang ist schliesslich mit Verweis auf Art. 32 VwVG festzuhalten, dass die zuständige Behörde vor dem Verfügen alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen einer Partei sowie verspätete Parteivorbringen, welche ausschlaggebend erscheinen, trotz Verspätung berücksichtigt und es dem Beschwerdeführer dementsprechend jederzeit möglich gewesen wäre, weitere Eingaben während des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht einzureichen.

    3.5

        1. Alsdann machte der Rechtsvertreter auf Beschwerdeebene Übersetzungsschwierigkeiten geltend, welche immer wieder zum Vorschein kämen oder gekommen seien. Die Frage einer geeigneten Übersetzung sei auch im von der Staatsanwaltschaft K. geführten Strafverfahren zentral gewesen. Wie von L. , welcher im damaligen Verfahren als Übersetzer beigezogen worden sei, bestätigt werden könne, benötige der Beschwerdeführer einen arabisch-sprechenden Dolmetscher mit maghrebinischem Dialekt.

        2. Nach Prüfung der Befragungsprotokolle sind keine Missverständnisse und Übersetzungsfehler festzustellen, die auf eine mangelhafte Übersetzung zurückzuführen wären. Der Beschwerdeführer bestätigte während der BzP zweimal, den Dolmetscher gut zu verstehen (vgl. SEMAkte A/6, Buchstabe h und Ziffer 9.02). Weiter bestätigte er mit seiner Unterschrift, dass das ihm rückübersetzte Protokoll seinen Aussagen sowie der Wahrheit entspreche (vgl. SEM-Akte A/6, Seite 8). Soweit er in der Anhörung dagegen vorbrachte, er habe den Dolmetscher nicht so gut verstanden, da dieser mit einem marokkanischen Dialekt gesprochen habe (vgl. SEM-Akte A/14, F 108), ist festzuhalten, dass sich hierzu keine konkreten Anhaltspunkte im Protokoll finden lassen. Anlässlich der Anhörung gab er an, den Übersetzer zu hundert Prozent gut zu verstehen (vgl. SEMAkte A/14, F 1). Nach der Rückübersetzung bestätigte er wiederum unterschriftlich, dass das Protokoll in eine ihm verständliche Sprache rückübersetzt wurde, es vollständig und korrekt sei und seinen freien Ausführungen entsprechen würde (vgl. SEM-Akte A/14, Seite 14). Bezeichnenderweise

    sah sich auch die während der Anhörung anwesende Hilfswerksvertretung (HWV) nicht zu Beobachtungen, Anmerkungen oder Einwänden in Bezug auf Übersetzungsprobleme veranlasst (vgl. SEM-Akte A/14, Unterschriftenblatt der HWV gemäss Art. 30 Abs. 4 AsylG). Die für einen Entscheid wesentlichen Sachverhaltsteile sind rechtsgenügend von der Vorinstanz festgestellt worden. Es besteht damit kein Zweifel an der Verwertbarkeit der Inhalte der Befragungsprotokolle. Der Beschwerdeführer muss sich folglich auf seine Aussagen an der BzP und der Anhörung und daraus allenfalls resultierende Unstimmigkeiten behaften lassen.

    3.6

        1. Schliesslich monierte der Beschwerdeführer, die Vorinstanz sei ihm gegenüber von vornherein nicht wohlgesinnt gewesen. Vieles deute darauf hin, dass auf einen negativen Asylund Wegweisungsentscheid hingearbeitet worden sei. Der Entscheid sei geprägt von fehlender Objektivität und möglicherweise gar von einer Art Widerwillen, auf seine Situation einzugehen und sich in ihn hineinzuversetzen.

        2. Die vorinstanzliche Verfügung enthält keine Aussagen oder Formulierungen, welche darauf hinweisen würden, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht neutral und wertungsfrei beurteilt worden sind. Weiter ist vorliegend nicht ersichtlich, inwiefern durch sonstige Vorgehensweisen des SEM auf Voreingenommenheit zu schliessen sein sollte. Sofern der Beschwerdeführer damit implizit rügt, die Vorinstanz sei in ihrem Vorgehen befangen gewesen, ist festzuhalten, dass den vorliegenden Akten keine Hinweise auf Befangenheit der für das Verfahren zuständigen Personen entnommen werden können. Dass das SEM seine Darlegungen in Bezug auf deren Glaubhaftigkeit und Asylrelevanz anders einschätzte als von ihm erhofft, berührt im Übrigen die materielle Beurteilung der zur Begründung des Asylgesuches vorgetragenen Sachverhalts.

    3.7 Nach dem Gesagten erweisen sich die erhobenen Rügen der Verletzung formellen Rechts als unbegründet. Darüber hinaus sind keine weiteren prozessualen Rügen ersichtlich. Insbesondere erscheint der rechtserhebliche Sachverhalt als hinreichend erstellt, womit das Gericht in der Sache zu entscheiden hat (Art. 61 Abs. 1 VwVG). Es besteht folglich kein Anlass, die angefochtene Verfügung aus formellen Gründen aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    4.

      1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

        Eine asylsuchende Person erfüllt die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG, wenn sie Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat beziehungsweise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft begründeterweise befürchten muss (vgl. BVGE 2008/4 E. 5.2). Eine bloss entfernte Möglichkeit künftiger Verfolgung genügt nicht; vielmehr müssen konkrete Indizien die Furcht vor erwarteten Benachteiligungen realistisch und nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BVGE 2010/57 E. 2.5).

      2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

    Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaubhaftmachen der Vorbringen in verschiedenen Entscheiden dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden (vgl. BVGE 2015/3 E. 6.5.1).

    5.

      1. In ihrem negativen Asylentscheid qualifizierte die Vorinstanz die Asylvorbringen des Beschwerdeführers den Anforderungen an die Glaubhaftmachung gemäss Art. 7 AsylG als nicht genügend, weshalb er die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle und sein Asylgesuch abzulehnen sei.

        1. Zur Begründung führte sie aus, dass es hinsichtlich der Angaben zu seiner Person zu erheblichen Widersprüchen gekommen sei. So habe er

          nicht nur zur Herkunft seiner Eltern, sondern auch bezüglich seiner Schulbildung unvereinbare Angaben gemacht. Zusätzlich wies sie daraufhin, dass er im Verlaufe des Asylverfahrens – trotz Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht – keinerlei Identitätspapiere eingereicht oder Bestrebungen gezeigt habe, diese zu organisieren. Vor diesem Hintergrund bestünden erhebliche Zweifel an seiner persönlichen Glaubwürdigkeit.

          Des Weiteren seien die Darlegungen zu seinen Asylgründen während den Befragungen derart diskrepant ausgefallen, dass der Sachverhalt habe separat erstellt werden müssen. Insbesondere aufgrund der sich widersprechenden Angaben zum Zeitpunkt und den Umständen des Todes seiner Eltern, seien weitere Zweifel aufgekommen. Darüber hinaus habe er seine Fluchtgründe in der Anhörung erheblich anders dargestellt als in der BzP. Trotz eingehender Befragung in der Anhörung sei es ihm zudem nicht gelungen, die Umstände der Verfolgung aufgrund der Tätigkeiten seines Bruders zu plausibilisieren. Ebenso seien seine Ausführungen dazu, unter welchen Nachstellungen er in der Zeit seines Weiterverbleibs in Libyen habe leiden müssen, äusserst pauschal geblieben. Obwohl er hierzu wiederholt vorgebracht habe, die Rebellen hätten ihn zwangsrekrutieren oder töten wollen, habe er die geltend gemachten Todesdrohungen mit seinen oberflächlichen, wenig substantiierten Schilderungen nicht zu konkretisieren vermocht. Ausserdem mute es realitätsfern an, dass er nach der angeblichen Ermordung seiner Eltern im Jahr 2014 bis (…) 2018 in Libyen geblieben sei. Überdies sei darauf zu verweisen, dass er zum Zeitpunkt seiner Ausreise widersprüchliche Angaben gemacht habe. In der BzP habe er angegeben, sein Heimatland im (…) 2018 verlassen zu haben und während seiner Reise nach Frankreich gelangt zu sein, wo er sich in der Folge für fünf Monate aufgehalten habe. Dem entgegen habe er die Ausreise in der Anhörung auf (…) 2018 datiert und verneint, sich länger als ein paar Tage in Frankreich aufgehalten zu haben. Den Akten seien schliesslich keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Heimatstaat je Opfer von gezielt gegen seine Person gerichteten asylbeachtlichen Nachteilen geworden sei.

        2. Da der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, könne dementsprechend der Grundsatz der Nichtrückschiebung gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG nicht angewandt werden. Daneben habe er die Folgen seiner mangelhaften Mitwirkung respektive Verheimlichung der wahren Identität zu tragen, indem vermutungsweise davon auszugehen sei, es stünden einer Wegweisung an seinen bisherigen Aufenthaltsort keine Vollzugshindernisse im Sinne von Art. 44 Abs. 2 AsylG (recte: Art. 44 AsylG) in

    Verbindung mit Art. 83 Abs. 2–4 des Ausländerund Integrationsgesetzes (AIG; SR 142.20) entgegen. Insgesamt sei der Vollzug zulässig, zumutbar sowie technisch möglich und praktisch durchführbar.

    5.2

        1. Dem setzte der Beschwerdeführer in seiner Rechtsmitteleingabe im Wesentlichen entgegen, dass er unstreitig in Libyen aufgewachsen und erst (…) 2018 oder 2019 in die Schweiz eingereist sei. In Übereinstimmung mit seinen Aussagen anlässlich der Einvernahme zur Person im strafrechtlichen Verfahren vor der Staatsanwaltschaft K. , seien die asylund wegweisungsrelevanten Eckpunkte weitgehend klar und würden sich

  • entgegen der Ansicht der Vorinstanz – keineswegs widersprechen. Darüber hinaus würden sich die von der Vorinstanz aufgezeigten Unstimmigkeiten hinsichtlich der algerischen Staatsangehörigkeit seiner Mutter, der Entführung seines Vaters und seiner Schulbesuche schon nach kurzem Aktenstudium auflösen.

      1. Die Lage in Libyen könne mindestens seit 2011 als desolat bezeichnet werden. Gerade weil es notorisch sei, dass junge Männer in islamischen Ländern wie Libyen einem erhöhten Risiko lebensbedrohlicher Art ausgesetzt seien, verwundere es, dass diese Aspekte bei der Wegweisung beziehungsweise deren Vollzug offenbar einfach ausgeblendet worden seien. So dürfte auch bekannt sein, dass insbesondere Heimkehrer aus Europa wegen der vermuteten guten finanziellen Situation potentielle Entführungsopfer darstellten. Hinzu trete, dass er widerspruchslos angegeben habe, dass ihm eine Zwangsrekrutierung oder eine gezielte Tötung durch Rebellen drohe beziehungsweise gedroht habe. Eine Wegweisung nach Libyen würde ihn folglich an Leib und Leben bedrohen.

Soweit die Vorinstanz ausführe, es sei realitätsfremd, dass er nach der Ermordung seiner Eltern im Jahr 2014 noch mehrere Jahre in Libyen geblieben sei, sei dies einerseits nicht belegt und andererseits gerade bei einer jungen Person nachvollziehbar, dass zunächst noch versucht werde, in der Heimat zu verbleiben und sich mit der Situation vor Ort irgendwie zu arrangieren. Aus diesem Weiterverbleib könne demnach nichts abgeleitet werden.

Schliesslich sei zu bezweifeln, dass er «ohne Weiteres» die algerische Staatsbürgerschaft erlangen und Identitätspapiere beschaffen könne. Wenn dies nicht durch einen Wegweisungsvollzug verunmöglicht werde,

wäre er – im Rahmen einer Parteiverhandlung, einer vorsorglichen Befragung oder einer Rückweisung der Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz – jedenfalls bereit, an einer Beschaffung von entsprechenden Papieren (mündlich) mitzuwirken. Dies müsse ihm aus Verhältnismässigkeitsgründen auch bei einer Abweisung des Asylgesuchs und der Anordnung des Wegweisungsvollzugs ermöglicht werden. Entsprechend könne diesbezüglich nicht von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgegangen respektive könne eine solche geheilt werden. Mit Verweis auf die Reisehinweise des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) müsse Algerien dennoch als unsicheres Ausreiseland bezeichnet werden. Das Vorgehen des SEM erscheine deshalb tendenziös und realitätsfremd respektive reichlich theoretisch, weil seine Mutter unbestrittenermassen bereits vor einigen Jahren verstorben sei, womit die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Verfügung in Frage gestellt werden müssten.

6.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt nach Prüfung der Akten – in Übereinstimmung mit der Vorinstanz – zum Schluss, dass die Verfolgungsvorbringen des Beschwerdeführers den Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Sinne von Art. 7 AsylG nicht genügen. Für Einzelheiten wird auf die entsprechenden Erwägungen der vorinstanzlichen Verfügung (vgl. Verfügung des SEM vom 6. November 2019, E. II sowie die Zusammenfassung der entsprechenden Ausführungen in E. 5.1.1 des vorliegenden Urteils) verwiesen, welchen sich das Gericht vollumfänglich anschliesst. Die Vorbringen des Beschwerdeführers auf Beschwerdeebene sind nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu gelangen. In Ergänzung und Präzisierung ist Folgendes festzuhalten:

      1. Der Beschwerdeführer machte unter anderem bezüglich seiner Schulbildung, seiner Herkunft sowie seiner Identität eindeutig widersprüchliche und inkonsistente Angaben. So gab er anlässlich der BzP zu Protokoll, fünf Jahre die Grundschule, vier Jahre die Mittelschule und anschlies-

        send ein Jahr lang das Gymnasium in E.

        besucht zu haben

        (vgl. SEM-Akte A/6, Ziffer 1.17.04). Demgegenüber erklärte er in der Anhörung, er sei lediglich drei oder vier Jahre lang in die Primarschule in H. gegangen (vgl. SEM-Akte A/14, F 56 ff.). Selbst unter Berücksichtigung, dass aufgrund der damals herrschenden Kriegswirren ein geordneter und lückenloser Schulbesuch nicht möglich gewesen sein dürfte, lässt sich die Diskrepanz in den Aussagen des Beschwerdeführers nicht erklären. Weiter sagte er anlässlich der BzP aus, beide Eltern würden aus

        Libyen stammen (vgl. SEM-Akte A/6, Ziffer 1.11). Dagegen behauptete er während der Anhörung, seine Mutter stamme ursprünglich aus Algerien (vgl. SEM-Akte A/14, F 16). Die in der Beschwerdeschrift vertretene Argumentation, wonach die Staatsangehörigkeit und der gewöhnliche Aufenthalt beziehungswiese der Wohnort vermischt worden seien, findet in den Protokollen keine Stütze. Sodann hat der Beschwerdeführer bis heute keine Bemühungen gezeigt, Identitätsdokumente oder sonstige Belege seiner Identität erhältlich zu machen. Ausserdem machte er zu deren Verbleib widersprüchliche Angaben und konnte auch keine überzeugende Erklärung für die Nichteinreichung vorbringen (vgl. SEM-Akten A/6, Ziffer 4.03 sowie 4.07 und A/14, F 3 ff.). Diese Umstände geben begründeten Anlass zur Vermutung, dass der Beschwerdeführer seine wahre Herkunft, seine Identität sowie seine Nationalität den Schweizer Asylbehörden zu verheimlichen versucht.

      2. Gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers sprechen weitere Unklarheiten in Bezug auf seine Biografie, seine Familie und seine Flucht aus Libyen. So bleibt ungewiss, ob der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat im Gefängnis war oder nicht. In der BzP behauptete er, wegen sehr vielen Problemen im Zusammenhang mit seinem Bruder inhaftiert worden zu sein (vgl. SEM-Akte A/6, Ziffer 1.17.04), wogegen er in der Anhörung auf entsprechende Nachfrage explizit verneinte, jemals im Gefängnis gewesen zu sein (vgl. SEM-Akte A/14, F 86). Als er auf die offensichtliche Ungereimtheit angesprochen wurde, vermochte er diese nicht plausibel aufzulösen oder aufzuklären (vgl. SEM-Akte A/14, F 103). Zudem gab er in der BzP an, sein Vater sei 2007 respektive 2010 und seine Mutter 2010 verstorben (vgl. SEM-Akte A/6, Ziffer 1.11 und 7.01), wohingegen er dann in der Anhörung vorbrachte, seine Eltern seien beide 2014 verstorben (vgl. SEM-Akte A/14, F 52 f.). Als er mit dieser Unstimmigkeit konfrontiert wurde, erklärte er, er sei während der BzP gestresst gewesen. Aufgrund seiner Reise von Libyen in die Schweiz, unter welcher er sehr gelitten habe, habe er zu diesem Zeitpunkt noch unter Schock gestanden (vgl. SEM-Akte A/14, F 105 f.). Mit dieser Erklärung gelingt es ihm nicht, die unterschiedlichen Angaben zum Todeszeitpunkt seiner Eltern überzeugend zu erklären. Ferner erwähnte er in der BzP, dass sein Vater vor seiner Ermordung entführt worden sei (vgl. SEM-Akte A/6, Ziffer 7.01), wohingegen er in der Anhörung mit keinem Wort eine Freiheitsberaubung erwähnte (vgl. SEM-Akte A/14, F 70 ff.). Da es sich dabei – aus objektiver Sicht – um ein prägendes Ereignis handelte, wäre zu erwarten gewesen, dass er dazu kongruente Aussagen macht. Alsdann fallen die unterschiedlich vorge-

        brachten Ausreisedaten sowie die unvereinbaren Angaben zu seinem Reiseweg auf. In der BzP behauptete er, seinen Heimatstaat im (…) 2018 verlassen zu haben und sich nach seiner Ausreise zunächst eine Woche lang in N. , Algerien aufgehalten zu haben. Anschliessend sei er alleine weiter via Tunesien und Italien nach Frankreich gereist. Bevor er in die Schweiz gekommen sei, habe er sich fünf Monate lang in G. aufgehalten (vgl. SEM-Akte A/6, Ziffer 5.02). In der Anhörung brachte er dagegen vor, er habe Libyen erst im (…) 2018 verlassen und sei dann 15 bis 20 Tage in N. geblieben, bevor er via Tunesien, Italien nach Frankreich gelangt sei. Dort habe er sich etwa fünf Tage in I. aufgehalten, bevor er schliesslich weiter in die Schweiz gereist sei (vgl. SEMAkte A/14, F 60 und F 89–96).

      3. Bezüglich der Schilderungen der Fluchtursache hat die Vorinstanz zutreffend weitere gewichte Ungereimtheiten festgestellt, denen auf Beschwerdeebene ebenfalls nichts Substantielles entgegengehalten wurde. Die Darstellungen des Beschwerdeführers zu den Nachstellungen durch die Rebellen, welche er in der Zeit seines Weiterverbleibs in Libyen nach dem Tod seiner Eltern habe erleiden müssen, fielen insgesamt vage, oberflächlich und unsubstantiiert aus. So gab er hierzu anlässlich der Anhörung zu Protokoll, die Rebellen hätten ihn rekrutieren wollen, was er aber nicht gewollt habe, da er nicht gegen seine Freunde oder seine Leute habe kämpfen oder diese gar töten wollen. Die Leute seien entweder zwangsrekrutiert oder getötet worden. Man habe sich entscheiden müssen (vgl. SEM-Akte A/14, F 70, F 76 und F 78). Dabei wäre bezüglich dieser einschneidenden Vorkommnisse, welche zu seiner Flucht geführt haben sollen, eine ausführlichere und erlebnisgeprägtere Schilderung zu erwarten gewesen, da die einschneidenden Erlebnisse erfahrungsgemäss besonders gut im Gedächtnis haften bleiben. Im Weiteren müssen die Aus-

führungen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe insgesamt als wenig ausführlich und auffallend pauschal bezeichnet werden. So fasste er sich insbesondere bei seinen freien Schilderungen relativ kurz (vgl. SEM-Akten A/6, Ziffer 7.01 f. und A/14, F 70 f.). Sodann fehlt es seinen Darlegungen an Details und Realkennzeichen, die bei einer erlebnisbasierten Erzählung vorhanden sein müssten. Beispielsweise gab er keine persönlichen Emotionen, Gedanken oder Überlegungen wieder, als er über den Tod seiner Eltern berichtete (vgl. SEM-Akten A/6, Ziffer 7.01 und A/14, F 52 ff. und F 70 ff.).

6.2 Aufgrund des Gesagten ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer weder seine libysche Herkunft noch seine Asylgründe, welche im von ihm

angegebenen Heimatstaat begründet liegen sollen, glaubhaft machen konnte. Die Vorinstanz hat demnach im Ergebnis zu Recht seine Flüchtlingseigenschaft verneint und sein Asylgesuch abgelehnt. Es kann daher darauf verzichtet werden, auf die übrigen Erwägungen der Vorinstanz sowie auf weitere Darlegungen in der Beschwerdeschrift einzugehen.

7.

    1. Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

    2. Der Beschwerdeführer verfügt insbesondere weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach ebenfalls zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

8.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG).

      Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2, m.w.H.).

    2. Wegweisungsvollzugshindernisse sind zwar grundsätzlich von Amtes wegen zu prüfen (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 12 VwVG). Diese Untersuchungspflicht findet jedoch nach Treu und Glauben ihre Grenzen an der Mitwirkungspflicht der asylsuchenden Person (Art. 8 AsylG), die im Übrigen auch die Substantiierungslast trägt (Art. 7 AsylG). Es kann nicht Sache der Asylbehörden sein, nach allfälligen Wegweisungsvollzugshindernissen in hypothetischen Heimatoder Herkunftsstaaten zu forschen, wenn die asylsuchende Person ihre Nationalität verheimlicht und dadurch eine vernünftige Prüfung des Wegweisungsvollzugs verhindert (vgl. EMARK 2005 Nr. 1 E 3.2.2 S. 4 f.).

Gestützt auf die vorliegende Aktenlage erscheint es zweifelhaft, dass der Beschwerdeführer die libysche Staatsangehörigkeit besitzt. Er hat im nunmehr mehr als eineinhalb Jahre andauernden Asylverfahren weder Ausweispapiere noch Beweismittel eingereicht, die geeignet wären, etwas zur Klärung seiner Identität und seines Herkunftslandes beizutragen. Dabei stellt die Nichtoffenlegung der Identität und die fehlende Beibringung eines Reiseoder Identitätsnachweises eine Verletzung der dem Beschwerdeführer obliegenden Mitwirkungspflicht gemäss Art. 8 AsylG dar, auf welche die Vorinstanz ihn bereits anlässlich der BzP explizit hinwies (vgl. SEMAkte A/6, Seite 2). Der Beschwerdeführer hatte – gemäss eigenen Angaben – zumindest kurz nach seiner Einreise in die Schweiz telefonischen Kontakt mit seiner Tante väterlicherseits (vgl. SEM-Akten A/6, Ziffer 4.07 und A/14, F 8), von welcher er in diesem Zusammenhang bestehende Unterlagen hätte organisieren können. Dennoch ist er, obwohl er an der BzP ausdrücklich dazu aufgefordert wurde, untätig geblieben. Auch auf Beschwerdeebene hat er keinerlei entsprechende Beweismittel eingereicht, die Aufschluss über seine Herkunft und Identität geben könnten. Dem Beschwerdeführer kann die geltend gemachte Herkunft aus Libyen daher nicht geglaubt werden und es ist davon auszugehen, dass er seine wahre Herkunft und tatsächlichen familiären Verhältnisse zu verschleiern versucht. Indessen ist nebst Libyen auch Algerien als Heimatoder Herkunftsland denkbar. Hierzu führte der Beschwerdeführer anlässlich der Anhörung erstmals aus, er hätte – da seine Mutter Algerierin sei – die Möglichkeit die algerische Staatsangehörigkeit zu beantragen und sich algerische Identitätspapiere ausstellen zu lassen (vgl. SEM-Akte A/14, F 49). Im Rahmen der Beschwerdeschrift bestätigte er die Abstammung von einer algerischen Mutter und erklärte sich bereit, an der Beschaffung algerischer Identitätspapiere beziehungsweise bei deren Ausstellung mitzuwirken, sofern dies nicht durch eine Wegweisung oder deren Vollzug verunmöglicht werde (vgl. dort Ziffer 12 und 21).

In Übereinstimmung mit den vorinstanzlichen Ausführungen ist für den vorliegenden Fall festzuhalten, dass es den Asylbehörden nicht möglich ist, sich in voller Kenntnis der tatsächlichen persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers zum Vollzug der Wegweisung zu äussern, was aber für die Überprüfung von möglichen Vollzugshindernissen grundsätzlich Voraussetzung wäre. Er hat gegenüber den Asylbehörden nicht nur unglaubhafte Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen, seiner Herkunft sowie den damit verbundenen Vorbringen gemacht, sondern auch keine Identitätspapiere eingereicht, womit er eine sinnvolle Prüfung, ob ihm im tatsächlichen Heimatoder Herkunftsstaat Gefahr droht, verunmöglichte.

Unter diesen, vom Beschwerdeführer selber herbeigeführten Umständen, kann es nach Treu und Glauben nicht Sache der Asylbehörden sein, nach allfälligen Wegweisungshindernissen in mutmasslichen Heimatsoder Herkunftsländern zu forschen.

Der Beschwerdeführer hat die Folgen seiner Mitwirkungspflichtverletzung respektive Verheimlichung seiner wahren persönlichen Verhältnisse und seiner tatsächlichen Identität sowie Herkunft zu tragen, indem davon auszugehen ist, es würden einer Wegweisung keine Vollzugshindernisse im Sinne von Art. 44 AsylG i.V.m. Art. 83 Abs. 2–4 AIG entgegenstehen. Zu denken ist vorab an Algerien, wo er gemäss eigenen Angaben die Staatsangehörigkeit beantragen könnte.

8.3

      1. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AlG).

        So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib oder ihre Freiheit aus dem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).

        Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

      2. Die Vorinstanz hat in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend erkannt, dass der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung vorliegend mangels Erfüllung der Flüchtlingseigenschaft keine Anwendung findet und auch keine anderweitigen völkerrechtlichen Vollzugshindernisse erkennbar sind. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den nicht auszuschliessenden Heimatstaat Algerien oder in den tatsächlichen Heimatoder Herkunftsstaat, ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.

        Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung nach Algerien dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste er eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06, §§ 124–127, m.w.H.). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation in Algerien lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als generell unzulässig erscheinen.

      3. Der Vollzug der Wegweisung erweist sich damit sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen als zulässig.

8.4

      1. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat-, Herkunftsoder Drittstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist – unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG – die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

      2. Angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers, welcher es pflichtwidrig unterliess, bei der Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts mitzuwirken und versuchte, seine wahre Identität und Herkunft zu verheimlichen, kann es, worauf bereits in E. 8.2 hingewiesen wurde, grundsätzlich nicht Sache der Asylbehörden sein, nach allfälligen Wegweisungsvollzugshindernissen in mutmasslichen Herkunftsländern zu forschen. Immerhin kann, da mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass Algerien der effektive Heimatstaat des Beschwerdeführers ist und es ihm möglich und zumutbar sein sollte, die algerische Staatsangehörigkeit zu erlangen, summarisch festgestellt werden, dass in Bezug auf diesen Staat keine offenkundigen Wegweisungsvollzugshindernisse bestehen, zumal dort weder Krieg noch Bürgerkrieg noch eine Situation allgemeiner Gewalt herrscht. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer selbst angegeben hatte, in Algerien noch Verwandte zu haben. Damit liegen im Ergebnis keine Unzumutbarkeitsgründe gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG vor.

      3. Der Vollständigkeit halber ist ergänzend festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Er wurde – wie vorstehend bereits dargelegt (vgl. Sachverhalt Bst. C und H) – wegen mehrfachen Diebstahls (im Sinne von Art. 139 StGB) teilweise in Verbindung mit dem Versuch dazu (im Sinne von Art. 139 StGB in Verbindung mit Art. 22 StGB), des Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage (im Sinne von Art. 147 StGB), sowie der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB) von der Staatsanwaltschaft J. sowie vom Strafgericht M. schuldig gesprochen. Hierfür wurde er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und für die Dauer von drei Jahren des Landes verwiesen. Angesichts der als zumutbar eingestuften Wegweisung, insbesondere nach Algerien und der Nichtanordnung der vorläufigen Aufnahme in der Schweiz kann vorliegend allerdings die Frage, ob damit allenfalls ein Aufhebungsgrund nach Art. 83 Abs. 7 Bst. a und/oder b AIG (Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe [Bst. a] respektive erheblicher oder wiederholter Verstoss gegen oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung [Bst. b]) gegeben wäre, offengelassen werden.

    1. Im Übrigen obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in seinen Heimatbeziehungsweise Herkunftsstaat, insbesondere nach Algerien auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).

    2. Schliesslich ist festzuhalten, dass die aktuelle Lage im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie (COVID-19) grundsätzlich nicht geeignet ist, die Durchführbarkeit des Wegweisungsvollzugs in Frage zu stellen. Die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme setzt voraus, dass ein Vollzugshindernis nicht nur vorübergehender Natur ist, sondern voraussichtlich eine gewisse Dauer – in der Regel mindestens zwölf Monate – bestehen bleibt. Ist dies nicht der Fall, so ist dem temporären Hindernis im Rahmen der Vollzugsmodalitäten Rechnung zu tragen (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1995 Nr. 14

      E. 8d f.). Bei der Coronavirus-Pandemie handelt es sich, soweit derzeit feststellbar, allenfalls um ein temporäres Vollzugshindernis. Es obliegt somit den kantonalen Behörden, der Entwicklung der Situation bei der Wahl des Zeitpunkts des Vollzugs in angemessener Weise Rechnung zu tragen.

    3. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die durch die Vorinstanz verfügte Wegweisung und deren Vollzug in Übereinstimmung mit den zu beachtenden Bestimmungen stehen und dementsprechend zu bestätigen sind. Die Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1–4 AIG).

9.

Aus den angestellten Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und – soweit diesbezüglich überprüfbar – angemessen ist. Die Beschwerde ist daher vollumfänglich abzuweisen.

10.

Nachdem das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung mit Zwischenverfügung vom 6. Februar 2020 abgewiesen wurde, sind aufgrund des Ausgangs des Verfahrens die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.– festzusetzen (Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der am 1. Februar 2020 in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Migrationsbehörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Contessina Theis Kathrin Rohrer

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