Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-2399/2020 |
Datum: | 06.07.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Familienzusammenführung (Asyl) |
Schlagwörter : | Familie; Familien; Heirat; Recht; Ehefrau; Heiratsurkunde; Familienasyl; Gesuch; Somalia; Kontakt; Fotos; Familiennachzug; Verfahren; Einreise; Schweiz; Familiengemeinschaft; Beweis; Verfügung; Flüchtling; Beziehung; Vorinstanz; Gewährung; Ausreise; Flucht; Person; Sinne; Sachverhalt; Akten; Dokument |
Rechtsnorm: | Art. 13 BV ;Art. 27 IPRG ;Art. 43 IPRG ;Art. 52 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 122 I 8; 128 I 225 |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-2399/2020
Besetzung Richterin Mia Fuchs (Vorsitz),
Richter David R. Wenger, Richterin Claudia Cotting-Schalch, Gerichtsschreiberin Mareile Lettau.
Parteien A. , geboren am ( ), Somalia,
vertreten durch Donato Del Duca, Rechtsanwalt, Advokatur und Mediation,
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Familienzusammenführung (Asyl) zugunsten von B.
(geboren am 17. September 1996) Somalia (zurzeit Kenia); Verfügung des SEM vom 3. April 2020 / N ( ),
Mit Verfügung vom 19. Januar 2018 wurde der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt und ihm wurde Asyl gewährt.
Mit Eingabe vom 18. Februar 2020 ersuchte der Beschwerdeführer beim SEM um Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau B. . Hierbei reichte er zwei Passfotos von B. , Kopien ihres Reisepasses und ihrer Identitätskarte, eine Kopie seines Ausweises sowie eine Kopie der Eheurkunde («Marriage Certificate») samt englischsprachiger Übersetzung ein.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2020 forderte das SEM den Beschwerdeführer auf, zum Zwecke der Feststellung des Sachverhalts verschiedene Fragen zur Beziehung zwischen ihm und B. zu beantworten und Beweismittel (Original-Heiratsurkunde sowie weitere Dokumente und Fotos) zur Eheschliessung und zum Familienleben in Somalia einzureichen. Der Aufforderung kam der Beschwerdeführer am 12. März 2020 schriftlich nach, wobei er seinen Angaben gemäss das Original seiner Heiratsurkunde einreichte.
Mit Verfügung vom 3. April 2020 entschied das SEM, die Einreise von B. nicht zu bewilligen und das Asylgesuch abzulehnen.
Gegen diese Verfügung reichte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter mit Eingabe vom 6. Mai 2020 beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde ein. Er beantragte die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und die Gutheissung des Gesuchs um Familiennachzug für B. , der die Einreise in die Schweiz zu bewilligen sei. Eventualiter sei die vorinstanzliche Verfügung aufzuheben und die Sache zur Sachverhaltsergänzung und zum Neuentscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. In formeller Hinsicht wurde unter Beilage einer Fürsorgebestätigung vom 20. April 2020 um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um unentgeltliche Rechtsverbeiständung sowie um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht.
Am 7. Mai 2020 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde.
Mit Zwischenverfügung vom 12. Mai 2020 wurde einstweilen auf die Erhebung eines Kostenvorschusses verzichtet und festgehalten, dass über die Anträge auf Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung zu einem späteren Zeitpunkt befunden werde.
Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend
endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG). Der Beschwerdeführer ist als Verfügungsadressat zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 108 Abs. 6 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG.
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.
Die Vorinstanz führte in der angefochtenen Verfügung aus, die Erteilung einer Einreisebewilligung gemäss Art. 51 Abs. 4 AsylG bedinge eine vor der Ausreise bestandene Familiengemeinschaft, die zu bewahren beziehungsweise wiederherzustellen sei, diene aber nicht der Aufnahme einer neuen familiären Beziehung oder der Wiederaufnahme einer zuvor beendeten Beziehung. Es sei darauf hinzuweisen, dass Somalia über kein flächendeckendes funktionierendes Zivilstandswesen verfüge, weshalb somalische Dokumente daher im Wesentlichen bloss die Angaben der jeweiligen Antragsteller wiedergeben würden. Somalischen Identitätsdokumenten komme somit aufgrund der leichten Erhältlichkeit gefälschter Dokumente kein grosser Beweiswert zu.
Die eingereichte Heiratsurkunde, bei der es sich entgegen den Angaben des Beschwerdeführers nicht um ein Original, sondern um eine per Tintenstrahldrucker hergestellte Kopie handle, weise zudem mehrere Ungereimtheiten auf. Wegen des fehlenden Beweiswertes der eingereichten Heiratsurkunde sei die behauptete Heirat als nicht glaubhaft zu erachten, weshalb die zur Erteilung einer Einreisebewilligung zwecks Familienasyls erforderliche Zugehörigkeit des nachzuziehenden Angehörigen zur Familiengemeinschaft nicht erfüllt sei.
Auch könne der Beschwerdeführer zum Nachweis der Heirat und des Zusammenlebens ausser der erwähnten Heiratsurkunde keine weiteren Belege wie Fotooder Videoaufnahmen beziehungsweise Wohnsitzbestätigungen einreichen, wobei die im Antwortschreiben aufgeführten Rechtfertigungen bezüglich der Nichtabgabe von Fotos reine Schutzbehauptungen darstellten.
Schliesslich spreche auch das Verhalten nach der Flucht gegen das ersuchte Familienasyl. Der Beschwerdeführer habe erst zwei Jahre nach der Flüchtlingsanerkennung das Gesuch um Familiennachzug eingereicht, wobei er ohne plausiblen Grund keine konkreten Bemühungen zum Familiennachzug habe erkennen lassen. Es bestünden weder für den Zeitraum nach der Ausreise aus Somalia bis zur Asylgewährung noch für den Zeitraum ab Asylgewährung bis zur Gesuchseinreichung glaubhafte und aktenkundige Hinweise über regelmässige Kontakte zur Ehefrau. Es sei somit weder der Wille noch die Absicht erkennbar, mit der Partnerin eine Familiengemeinschaft zu bilden und zu leben, vielmehr deute das Verhalten auf einen mit der Ausreise aus Somalia im April 2015 erfolgten Abbruch der familiären Beziehung. Es seien somit zusätzlich besondere Umstände im Sinne des Art. 51 Abs. 1 AsylG vorhanden, weshalb das Gesuch um Familienasyl abzulehnen sei. Es erübrigten sich demnach allfällige weitere Instruktionsmassnahmen betreffend Familienund Abstammungsverhältnisse oder betreffend Vorbehalt gegen eine Einreise gemäss Art. 53 AsylG oder Art. 5 Abs. 1 Bst. c AIG (SR 142.20).
Im Rahmen der Beschwerde wurde den vorinstanzlichen Erwägungen im Wesentlichen entgegengehalten, das SEM verweigere den Familien-
nachzug, da es der eingereichten Heiratsurkunde aus Somalia den Beweiswert abspreche. Das SEM sei aber darauf zu behaften, dass Somalia über kein flächendeckendes Zivilstandswesen verfüge. Auch habe der Beschwerdeführer entgegen der Behauptung des SEM nicht vorgebracht, dass es keine Fotos von ihm und der Ehefrau gäbe, vielmehr seien ihm die Fotos mit dem Mobiltelefon abhandengekommen. Auch sei es gerichtsnotorisch, dass die Al-Shabaab-Truppen Fotound Videoaufzeichnungen verböten, weshalb keine Rede davon sein könne, bei der Argumentation zu den fehlenden Hochzeitsfotos handle es sich um Schutzbehauptungen. Angesichts des nicht funktionierenden Zivilstandswesens könne nicht gleichzeitig ein Mietvertrag oder eine Wohnsitzbestätigung von ihm verlangt werden. Auch habe er in seiner Eingabe vom 12. März 2020 erläutert, wie er die Heiratsurkunde aus Somalia erhalten habe. Die Gründe, die er für das späte Stellen des Familiennachzugsgesuches angebe, seien entgegen der Auffassung des SEM plausibel. Im Übrigen sei ein derartiges Gesuch nicht an Fristen gebunden, sondern stehe im freien Ermessen der gesuchstellenden Person. Es bestünden vorliegend keine Hinweise, wonach die Beziehung zwischen den Ehegatten seit der Trennung aufgehoben worden sei. Der Beschwerdeführer habe sich zum Kontakt zur Ehefrau geäussert. Seit es ihm nach der Zuteilung in den Kanton C. möglich sei, mit der Ehefrau zu telefonieren, stehe er in regelmässigem Kontakt zu ihr. Auch bestünden keine Ungereimtheiten bei den Namen des Beschwerdeführers und der Ehefrau auf der Heiratsurkunde beziehungsweise der Übersetzung, vielmehr handle es sich offensichtlich um Schreibfehler. Mögliche sinnentleerte Angaben in der Übersetzung seien ihm, der lediglich die Übersetzung in Auftrag gegeben habe und von deren Richtigkeit ausgehen konnte, nicht anzulasten. Überdies sei der Vorwurf der Vorinstanz, eine unzuständige Behörde habe die Heiratsurkunde ausgestellt, nicht zutreffend, vielmehr habe der Beschwerdeführer in einer Region geheiratet, in der er sich keine Heiratsurkunde habe ausstellen lassen können. Daher sei er an ein anderes Gericht verwiesen worden. Auch könne er sich aufgrund seines gefestigten Aufenthaltsrechtes als Flüchtling auf sein Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK (SR 0.101) und Art. 13 Abs. 1 BV (SR 101) berufen.
Im vorliegenden Fall wird um Bewilligung der Einreise von B. gestützt auf Art. 51 Abs. 4 AsylG ersucht. Bei ihr soll es sich um die Ehefrau des Beschwerdeführers handeln, welche sich weiterhin im Ausland (Kenia) aufhält.
Gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG werden Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegensprechen (Familienasyl). Wurden die anspruchsberechtigten Personen durch die Flucht getrennt und befinden sie sich im Ausland, so ist ihre Einreise auf Gesuch hin zu bewilligen (Art. 51 Abs. 4 AsylG).
Die Erteilung einer Einreisebewilligung nach Art. 51 Abs. 4 AsylG setzt eine vorbestandene Familiengemeinschaft, die Trennung der Familie durch die Flucht sowie die feste Absicht der Vereinigung der Familie in der Schweiz voraus (vgl. BVGE 2012/32 E. 5).
Zentrale Bedingung für den Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft im Sinn von Art. 51 Abs. 4 AsylG ist, dass bereits vor der Flucht aus dem Verfolgerstaat eine Familiengemeinschaft zwischen der gesuchstellenden und der anspruchsberechtigten Person bestanden hat. Das Familienasyl dient insbesondere nicht der Aufnahme von vor der Flucht noch gar nicht gelebten familiären Beziehungen oder der Wiederaufnahme von zuvor abgebrochenen Beziehungen (vgl. BVGE 2012/32 E. 5.4.2 m.w.H.).
Der Anspruch auf Familienasyl knüpft an den Bestand der "Familiengemeinschaft". Sofern um Einbezug eines Ehegatten oder einer Ehegattin in das Familienasyl nach Art. 51 AsylG ersucht wird, erfordert dies das Bestehen einer gültigen Ehe; dies entweder nach schweizerischem Recht o- der nach dem Recht des Staates, in dem die Eheschliessung erfolgte (vgl. Art. 43 ff. IPRG [SR 291]). Auch eine im Ausland geschlossene Ehe wird demnach in der Schweiz grundsätzlich anerkannt sofern sie anerkennungsfähig ist (vgl. Art. 1 Abs. 2 IPRG) und nicht gegen den schweizerischen Ordre Public verstösst (Art. 27 Abs. 1 IPRG).
Der Erteilung einer Einreisebewilligung dürfen sodann keine besonderen Umstände entgegenstehen. Dem Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft und der Asylgewährung entgegenstehende besondere Umstände sind gemäss der Rechtsprechung unter anderem dann anzunehmen, wenn das Familienleben während einer längeren Zeit nicht gelebt wurde und erkennbar ist, dass die Familienmitglieder nicht den Willen haben, als Familie zusammenzuleben (BVGE 2012/32 E.5.1 m.w.H.).
Im asylrechtlichen Verfahren sind anspruchsbegründende Sachverhaltsmomente zu beweisen, sofern der strikte Beweis möglich ist und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (Art. 7 AsylG). Im Gegensatz
zum strikten Beweis erfordert die Glaubhaftmachung lediglich ein reduziertes Beweismass. Abgestellt auf eine objektive Sichtweise ist jeweils im Sinne einer Gesamtwürdigung entscheidend, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht (vgl. BVGE 2010/57 E. 2.2 ff.). Dieser Beweisstandard nach Art. 7 AsylG gilt nicht nur für die Frage der Flüchtlingseigenschaft und das Bestehen allfälliger Wegweisungsvollzugshindernisse; er hat vielmehr auch im Verfahren betreffend den asylrechtlichen Familiennachzug gestützt auf Art. 51 Abs. 4 AsylG zu gelten.
Es obliegt der Vorinstanz, ihrer behördlichen Untersuchungspflicht, den Sachverhalt umfassend abzuklären, in geeigneter Weise nachzukommen. Eine - wie für das Asylverfahren in Art. 29 AsylG gesetzlich vorgesehene - Pflicht zur Anhörung der gesuchstellenden Personen, die um Familiennachzug gestützt auf Art. 51 AsylG ersuchen, ergibt sich aus den asylgesetzlichen Bestimmungen allerdings nicht. Gleichwohl muss gewährleistet sein, dass die gesuchstellenden Personen die Möglichkeit haben, zum Vorliegen der Voraussetzung von Art. 51 AsylG umfassend Stellung zu nehmen.
Die gesuchstellenden Personen haben aber ihrerseits der Mitwirkungspflicht Genüge zu tun. Die Mitwirkungspflicht bestimmt sich auch im Verfahren um Familienasyl nach Art. 8 AsylG. Insbesondere besteht die Verpflichtung, an der Feststellung des Sachverhaltes aktiv mitzuwirken. Der Mitwirkungspflicht kommt naturgemäss dann ein besonderes Gewicht zu, wenn die gesuchstellenden Personen - wie auch im Falle des Familienasyls - von entscheidwesentlichen Tatsachen bessere Kenntnis als die Behörden haben, welche ohne Mitwirkung der Parteien gar nicht oder jedenfalls nicht mit vernünftigem Aufwand erhoben werden könnten (vgl. BVGE 2007/30 E. 5.2.2 m.w.H.).
Dem Beschwerdeführer wurde im vorinstanzlichen Verfahren zunächst Gelegenheit gegeben, schriftlich nähere Angaben zu seiner nach Kenia geflohenen Ehefrau zu machen (vgl. Schreiben des SEM vom 25. Februar 2020, vorinstanzliche Akten zum Familienasyl, 1062458-2/2). Dieser Aufforderung kam er mit Antwortschreiben vom 12. März 2020 nach (vgl. vorinstanzliche Akten zum Familienasyl 1062458-3/5). Er führte aus, er besitze keine Fotos vom Familienleben in Somalia mehr, da ihm das Mobiltelefon in Libyen mit den darauf gespeicherten Fotoaufnahmen weggenommen worden sei. Fotos oder Videoaufzeichnungen der Hochzeit habe er
auch nicht, da solche Aufnahmen von der sein Dorf kontrollierenden AlShabaab-Miliz verboten gewesen seien. Anderweitige Dokumente oder Belege über geführte Telefongespräche mit seiner Ehefrau könne er nicht einreichen. Er sei seit dem 10. August 2014 verheiratet und habe seine Ehefrau etwa fünf Monate vorher kennengelernt. Nach der Heirat sei seine Ehefrau zu ihm und seiner Familie gezogen und habe dort bis zu seiner Flucht am 24. April 2015 mit ihm zusammen gewohnt. Die Familie habe von dem Einkommen des Vaters, der ein kleines Geschäft gehabt habe, gelebt. Er habe nach der Ausreise aus Somalia keine Möglichkeit gehabt, mit seiner Frau telefonischen Kontakt aufzunehmen, erst seit er im Kanton C. wohne und ein Handy besitze und die Telefonnummer seiner Ehefrau habe ausfindig machen können, habe er wieder Kontakt zu ihr, letztmals am 9. März 2020. Aus finanziellen Gründen sei er ohne seine Ehefrau in die Schweiz geflohen, die zehn Tage nach seiner Ausreise von Somalia aus nach Kenia ausgereist sei, wo sie mit einer Freundin zusammenlebe. Er habe das Gesuch um Familienzusammenführung nicht direkt nach der Asylgewährung gestellt, weil er erst die deutsche Sprache habe lernen und Arbeit suchen und selbständig sein wollen. Da dies schwieriger gewesen sei, als er erwartet habe, habe er sich nun entschieden, jetzt das Familienzusammenführungsgesuch zu stellen.
Im Hinblick auf die Voraussetzung der Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit der nachzuziehenden Person zur Familiengemeinschaft, ist Folgendes festzustellen:
Die Vorinstanz äusserte in der angefochtenen Verfügung generelle Zweifel an der Eheschliessung des Beschwerdeführers mit B. und sprach der im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Heiratsurkunde die Beweiskraft ab. Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass die vom Beschwerdeführer als Originaldokument bezeichnete Heiratsurkunde, die einschliesslich der Stempel im Dokument auf Basis eines Tintenstrahldruckers hergestellt wurde, Fragen aufwirft. Bezeichnenderweise reicht der Beschwerdeführer denn auch keine Zustelldokumente für dieses angeblich per Postversand von seinem Bruder erhaltene Dokument ein. Auch fragt es sich, warum er die gemäss Datumsstempel am 10. August 2014 ausgestellte Heiratsurkunde nicht bereits vorher im Verfahren eingereicht hat. Zudem fällt auf, dass er im erstinstanzlichen Asylverfahren in der Anhörung ausgesagt hatte, er habe keine weiteren Dokumente oder Beweismittel, die er einreichen könne (vgl. act. A25, S. 4, F16). Dass er dann mit dem Gesuch um Familiennachzug am 18. Februar 2020 auf einmal eine Kopie der Heiratsurkunde einreicht, ohne zu erwähnen, wie er diese erhalten habe -dies
holt er erst in seiner Stellungnahme vom 12. März 2020 nach, indem er auf seinen Bruder verweist - lässt Zweifel aufkommen. Und zu Recht weist das SEM auch darauf hin, dass es auffällt, dass das Heiratsdokument in einem ganz anderen, räumlich weit entfernten Distrikt als in dem, in dem er geheiratet habe, ausgestellt worden sein soll. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des auf dem Dokument aufgeführten Distriktes für die Registrierung der Ehe ist daher zweifelhaft. Die Argumentation in der Beschwerde von der fehlenden Behörde in der Heimatregion überzeugt schon deshalb nicht, weil er auf der anderen Seite Geburtsbescheinigungen im erstinstanzlichen Verfahren einreicht und in der Anhörung hierzu anmerkt, diese seien in seinem Dorf D. ausgestellt worden (vgl. act. A25, S. 5, F27, F28). Demnach konnten sogar im Heimatdorf Geburtsbescheinigungen ausgestellt werden, weshalb es verwundert, dass eine Heiratsurkunde dann nicht einmal in der Heimatregion ausstellbar sein soll. Berechtigterweise weist das SEM in seiner Verfügung neben Schreibfehlern bei den Namen auch noch auf mehrere unsinnig erscheinende Angaben in der englischen Übersetzung hin (wie beispielsweise [ ]). Die Argumentation in der Beschwerde, es sei unerheblich, ob der Beschwerdeführer die Heiratsurkunde als original oder Kopie bezeichnet habe, kann nicht überzeugen. Der Beschwerdeführer muss es sich entgegenhalten lassen, dass er auf die Aufforderung des SEM im Instruktionsschreiben vom 25. Februar 2020 mit der Stellungnahme vom 12. März 2020 die Heiratsurkunde einreicht und als Original-Urkunde bezeichnet.
Es ist zudem anzumerken, dass er keinerlei Fotos von der Heirat einreicht. Das Argument, er könne keine Fotos der Eheschliessung einreichen, da Fotound Videoaufzeichnungen von den herrschenden Al-Shabaab-Milizen verboten gewesen seien, überzeugt insofern nicht, da er doch gleichzeitig zugegeben hat, er habe auf seinem Mobiltelefon Fotos seiner Ehefrau besessen, was aber einem generellen Fotoverbot als Grund für die Nichtabgabe von Hochzeitsfotos widerspricht.
Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Beschwerdeführer bereits anlässlich der Befragung zur Person kurz nach der Einreise in die Schweiz angegeben hat, verheiratet zu sein, und den Namen seiner Ehefrau nannte. Auch das Datum der Hochzeit vermochte er übereinstimmend mit dem 10. August 2014 anzugeben (vgl. act. A6, S. 3), wenn auch überrascht, dass er in der BzP das genaue Geburtsdatum seiner Ehefrau nicht benennen konnte, sondern nur ihren Jahrgang wusste (vgl. act. A6, S. 4). Der Beschwerdeführer berichtete sodann übereinstimmend sowohl in seinem
eigenen Asylverfahren als auch im vorliegenden Verfahren betreffend Familiennachzug, seine Ehefrau, die aus demselben Dorf stamme wie er, sei nach der religiösen Heirat zu ihm in sein Elternhaus gezogen (vgl. act. A25,
S. 8, F60-62; vgl. vorinstanzliche Akten zum Familienasyl 1062458-3, S. 2).
Insgesamt scheint es daher gestützt auf die Akten - trotz der zum Beweis der Heirat ungeeigneten Heiratsurkunde -, namentlich in Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers, zwar als zweifelhaft, aber nicht ausgeschlossen, dass er und B. am 10. August 2014 im Heimatstaat die Ehe geschlossen haben.
Allein der Umstand, dass ein Paar geheiratet hat, genügt - wie oben unter E. 5.1 erwähnt - indes nicht. Vielmehr muss die Familiengemeinschaft vor der Ausreise gelebt worden sein.
Die Vorinstanz sieht im vorliegenden Fall auch das Erfordernis der „Trennung durch die Flucht“ im Sinne einer vorbestandenen und gelebten Familiengemeinschaft als nicht erfüllt beziehungsweise als nicht glaubhaft an. Dies insbesondere, weil der Beschwerdeführer keine Beweismittel für das Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt einreichen kann. Tatsächlich kann der Beschwerdeführer weder ein behördliches noch ein privates Bestätigungsschreiben oder Fotos zum gemeinsamen Zusammenleben in Somalia einreichen, mit der Argumentation, dass ihm (vgl. vorinstanzliche Akten zum Familienasyl 1062458-3, S. 1) sein Mobiltelefon mit den Fotos in Libyen entwendet worden sei und dass seine Ehefrau mit ihrem Mobiltelefon keine habe machen können. Dies erscheint als Schutzbehauptung und widerspricht auch der Argumentation, es sei wegen des Verbots von Fotound Videoaufzeichnungen durch die Al-Shabaab-Miliz nicht möglich gewesen, Fotos von der Hochzeit einzureichen, da sie diese nicht hätten machen können (siehe auch Beschwerde, S. 5). Auch fragt es sich, warum der Beschwerdeführer nicht über seine Familienangehörigen im Heimatdorf Fotos oder Bestätigungsschreiben über das Zusammenleben mit seiner Ehefrau einreichen kann, wenn diese doch immerhin acht Monate (10. August 2014 bis 24. April 2015) mit ihm und seiner Familie im Elternhaus gelebt habe. Schliesslich steht der Beschwerdeführer gemäss den Angaben in der Anhörung seines Asylverfahrens vom 18. Januar 2018 in telefonischem Kontakt zu seiner Familie (vgl. act. A25, S. 7, F46, F47). Auch hat ihm sein Bruder gemäss Stellungnahme vom 12. März 2020 die Heiratsurkunden per Mail und Post (vgl. vorinstanzliche Akten zum Familienasyl 1062458-3, S. 1) für das Gesuch vom 18. Februar 2020 geschickt, was auf einen bestehenden Kontakt zum Bruder schliessen lässt. Somit
hätte er seine Mutter oder seinen Bruder nach Fotos oder Wohnsitzbestätigungen für das Familiennachzugsverfahren fragen können. Vorliegend kann es indes offenbleiben, ob zwischen dem Beschwerdeführer und B. eine tatsächlich gelebte Ehegemeinschaft bestanden hat.
Auch wenn von einer zum Zeitpunkt der Flucht bestehenden Familiengemeinschaft auszugehen wäre, reichen dies und der fortwährende rechtliche Bestand der Ehe zwischen den Anspruchsberechtigten als Umstand allein nicht aus. Denn wenn von einer zwischenzeitlichen Aufgabe der ehelichen Beziehung auszugehen ist, kann dies im Sinne besonderer Umstände gegen den Familiennachzug sprechen. Im vorliegenden Fall sind aus den nachfolgenden Gründen solche besonderen Umstände anzunehmen.
Der Beschwerdeführer reiste am 24. April 2015 aus Somalia aus und am
15. Januar 2016 in die Schweiz ein, wo er gleichentags ein Asylgesuch stellte, was am 19. Januar 2018 gutgeheissen wurde. Sein Gesuch um Familienzusammenführung stellte er am 18. Februar 2020. In der BzP vom
2. Februar 2016 danach befragt, wo in Somalia sich das Flüchtlingslager befinde, in dem sich seine Ehefrau aufhalte, konnte er keine Auskunft geben (vgl. act. A6, S. 4), was bereits auf einen fehlenden Kontakt hindeutet. Der Beschwerdeführer behauptete in seinem Schreiben vom 12. März 2020, er habe nach der Ausreise erst in der Schweiz, als er in den C. transferiert worden sei, wieder Kontakt zur Ehefrau aufnehmen können, vorher habe er durch die Sahara kein Netz zum Telefonieren gehabt. Seitdem stehe er mit ihr wieder in Kontakt, zuletzt hätten sie am 9. März 2020 telefoniert (vgl. vorinstanzliche Akten zum Familienasyl 1062458-3, S. 2). Auch in der Anhörung vom 18. Januar 2018 behauptete er auf Nachfrage, er stehe in Kontakt zu seiner Ehefrau in Kenia (vgl. act. A25, S. 8, F57).
Dass es auf der Fluchtroute von Somalia in die Schweiz nicht möglich gewesen ist, telefonischen Kontakt aufzunehmen, kann nachvollzogen werden. Allerdings fehlt es an glaubhaften Hinweisen für die Zeit der Einreise in die Schweiz (Januar 2016) und auch ab der Asylgutheissung (Januar 2018) bis zum Einreichen des Gesuchs um Familiennachzug am 18. Februar 2020, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in regelmässigem Kontakt zu seiner Ehefrau gestanden und den Willen besessen hat, sie in die Schweiz nachzuholen. Dass er keinerlei Belege wie E-Mail-Ausdrucke oder Ausdrucke aus sozialen Netzen von Onlinemedien über erfolgte Kontakte zur Ehefrau, eventuell auch über Familienmitglieder oder Freunde
und Bekannte, einreichen kann, spricht gegen einen glaubhaften regelmässigen Kontakt.
Was aber noch schwerer wiegt und als Hauptindiz für eine zwischenzeitliche Aufgabe der familiären Beziehung, sollte diese überhaupt bestanden haben, spricht, ist die Tatsache, dass der Beschwerdeführer, dem am
19. Januar 2018 der Flüchtlingsund Asylstatus zuerkannt wurde, erst am
18. Februar 2020 das Gesuch um Familienasyl gestellt hat. Vorher hat er keinerlei Bemühungen unternommen, die Ehefrau in die Schweiz zu holen. Somit haben die Eheleute ohne nachvollziehbaren Grund während längerer Zeit nicht zu erkennen gegeben, dass sie die Familiengemeinschaft während der Trennung fortsetzen möchten. Auch wenn dem Rechtsvertreter zuzustimmen ist, dass das Familienzusammenführungsgesuch nicht an entsprechende Fristen gebunden ist, so sticht der Zeitraum von zwei Jahren hervor, in denen der Beschwerdeführer ohne plausible Gründe keine derartigen Schritte zur Familienvereinigung unternommen hat. Auch die Erklärung in der Stellungnahme, er habe zuerst Deutsch lernen und eine Arbeit suchen und selbständig sein wollen (vgl. vorinstanzliche Akten zum Familienasyl 1062458-3, S. 2), überzeugt nicht. Vielmehr deutet das Verhalten des Beschwerdeführers nicht auf eine beabsichtigte Familienvereinigung, sondern auf einen mit der Ausreise aus Somalia im April 2015 erfolgten Abbruch der Beziehung.
Somit spricht alles dafür, durch die Ausreise und den darauffolgenden Abbruch des Kontaktes habe der Beschwerdeführer die eheliche Beziehung
sofern eine solche tatsächlich bestanden hat - als beendet betrachtet. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist demnach mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer keine bis heute fortdauernde Familiengemeinschaft mit B. hat glaubhaft machen können.
Die Voraussetzungen für den Einbezug von B. in die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers und für die Gewährung des Familienasyls (Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG) sind damit nicht erfüllt. Die Vorinstanz hat das Gesuch um Familiennachzug beziehungsweise um Erteilung einer Einreisebewilligung zu Recht abgelehnt.
Die Beschwerdeseite ist darauf hinzuweisen, dass in dem Fall, in dem, wie vorliegend, die Voraussetzungen des Familienasyls im Sinne von Art. 51 AsylG nicht erfüllt sind, Art. 8 EMRK keine ergänzende Anwendung findet. Dem Beschwerdeführer bleibt es jedoch unbenommen, bei den da-
für zuständigen kantonalen Migrationsbehörden ein Gesuch um Familiennachzug gestützt auf Art. 44 AIG einzureichen (vgl. BVGE 2017 VI/4 E. 3.1 m.w.H.; Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2002 Nr. 6, EMARK 2006 Nr. 8).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten grundsätzlich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Dieser hat jedoch um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ersucht und seine Bedürftigkeit belegt. Den vorstehenden Erwägungen ist zu entnehmen, dass die Beschwerde ausserdem nicht aussichtslos war. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG ist somit gutzuheissen und es sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Hinsichtlich des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung ist festzustellen, dass im Rahmen von Verfahren betreffend Familiennachzug unter den in Art. 65 Abs. 1 VwVG umschriebenen Voraussetzungen eine unentgeltliche Rechtsbeiständin oder ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt wird, wenn es zur Wahrung der Rechte der Partei notwendig ist (Art. 102m Abs. 2 AsylG i.V.m. 65 Abs. 2 VwVG). Dabei ist ausschlaggebend, ob die Partei zur Wahrung ihrer Rechte notwendigerweise der professionellen juristischen Hilfe eines Anwaltes bedarf (vgl. dazu BGE 128 I 225 E. 2.5.2 S. 232 f.; 122 I 49 E. 2c S. 51 ff.; 120 Ia
43 E. 2a S. 44 ff.). In Verfahren, welche - wie das vorliegende - vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht sind, sind strenge Massstäbe an die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung anzusetzen (vgl. E- MARK 2000 Nr. 6 sowie BGE 122 I 8 E. 2c S. 10) und im asylrechtlichen Beschwerdeverfahren sind zur wirksamen Beschwerdeführung besondere Rechtskenntnisse im Regelfall nicht unbedingt erforderlich. Deshalb wird die unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Sinne von Art.65 Abs. 2 VwVG praxisgemäss nur in den besonderen Fällen gewährt, in welchen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht erhöhte Schwierigkeiten bestehen. Das vorliegende Verfahren ist jedoch weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht besonders komplex, weshalb das Gesuch um unentgeltliche
Rechtsverbeiständung im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG und Einsetzung des mandatierten Rechtsvertreters abzuweisen ist.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutgeheissen. Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung und Einsetzung des mandatierten Rechtsvertreters als amtlicher Rechtsbeistand wird abgewiesen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vositzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Mia Fuchs Mareile Lettau
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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