E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Bundesverwaltungsgericht Urteil D-1487/2020

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-1487/2020
Datum:23.03.2020
Leitsatz/Stichwort:Nichteintreten auf Asylgesuch (sicherer Drittstaat 31a I a,c,d,e) und Wegweisung
Schlagwörter : Beschwerde; Polen; Beschwerdeführenden; Beschwerdeführer; Polnische; Recht; Drittstaat; Polnischen; Behörden; Vorinstanz; Wegweisung; Flüchtling; Reichte; Über; Türkische; Verfügung; Reichten; Gericht; Türkei; Person; Gelte; Ausländer; Werden; Türkischen; Beschwerdeführers; Justiz; Vollzug; Richter; Asylgesuch
Rechtsnorm: Art. 25 BV ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 83 AIG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-1487/2020

U r t e i l  v o m  2 3.  M ä r z  2 0 2 0

Besetzung Einzelrichterin Nina Spälti Giannakitsas,

mit Zustimmung von Richter Daniele Cattaneo, Gerichtsschreiberin Sara Steiner.

Parteien A. , geboren am ( ), B. , geboren am ( ), C. , geboren am ( ), Türkei,

alle vertreten durch Katharina Bachmann, Beschwerdeführende,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch

(sicherer Drittstaat 31a I a,c,d,e) und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 5. März 2020.

Sachverhalt:

A.

Die Beschwerdeführenden gelangten gemäss eigenen Angaben am

19. Dezember 2019 in die Schweiz, wo sie am 10. Januar 2020 um Asyl nachsuchten. Dabei reichten sie Aufenthaltsbewilligungen aus Polen ein. Ein Abgleich mit der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (Eurodac) ergab, dass der Beschwerdeführer am 22. Dezember 2015 in Polen um Asyl ersucht hatte, wobei ihm am 5. Februar 2018 Schutz gewährt wurde. Gemäss CS-VIS wurde der Beschwerdeführerin am 20. September 2016 von Polen ein Schengen-Visum ausgestellt. Am 15. Januar 2020 wurden die Beschwerdeführenden zu ihren Personalien befragt. Am 22. Januar 2020 wurde ihnen das rechtliche Gehör zu einem allfälligen Nichteintretensentscheid und der Möglichkeit einer Überstellung nach Polen gewährt.

Dabei bestätigte der Beschwerdeführer seinen Flüchtlingsstatus in Polen. Weiter machte er geltend, vor ein paar Monaten habe die polnische Polizei ihn wegen einer Ausschreibung bei Interpol verhaftet. Seine Frau habe sofort Ihren Anwalt engagiert und Personen organisiert wie Medien, Abgeordnete und Kurdenfreunde, welche sich über die sozialen Medien für ihn eingesetzt hätten. Während des Prozesses hätten Abgeordnete für ihn gebürgt. Das Gericht habe schliesslich die Freilassung verfügt unter der Auflage, dass er seinen polnischen Wohnsitz nicht verlassen dürfe. Er habe befürchtet in die Türkei abgeschoben zu werden. Nach seiner Freilassung sei der polnische Geheimdienst an ihn gelangt und habe Angaben über die Personen verlangt, die sich während der Gerichtsverhandlung mit ihm solidarisiert hätten. Auch hätten sie ihm ein Foto einer Protestkundgebung gezeigt, an der er teilgenommen habe, und diesbezüglich Informationen verlangt. Sie hätten auch wissen wollen, ob sich jemand aus seinem Freundes- oder Bekanntenkreis für den türkischen Geheimdienst engagiere und ihn darauf hingewiesen, dass dieser seine Adresse kenne und ihn verfolge. Es sei ihm mitgeteilt worden, wenn er nicht kooperiere, würde ein Bericht an das Gericht verfasst mit dem Inhalt, dass er der PKK angehöre, was zu seiner Abschiebung in die Türkei führen würde. Beim Verlassen des Gebäudes, welches genau gegenüber der türkischen Botschaft liege, sei er vermutlich heimlich gefilmt worden. Ein paar Tage später sei er beim Einkaufen in einem Geschäft aufgrund seiner türkischen Herkunft bedroht worden. Und an einem Wochenende, als er nachts als Uber-Fahrer gearbeitet habe, sei er von einem Auto verfolgt worden.

Die Beschwerdeführerin verwies ihrerseits auf die Vorbringen ihres Ehemannes.

B.

Am 24. Januar 2020 ersuchte das SEM die polnischen Behörden gestützt auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie Nr. 2008/115/EG) sowie das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen der Republik Polen und der Schweizerischen Eidgenossenschaft um Rückübernahme der Beschwerdeführenden. Im Januar 2020 (Eingang SEM 29. Januar 2020) stimmten die polnischen Behörden dem Ersuchen für die gesamte Familie zu.

C.

Am 14. Februar 2020 reichten die Beschwerdeführenden folgende Beweismittel zu den Akten: Beschluss des polnischen Ausländeramtes vom

5. Februar 2018 über die Erteilung des Flüchtlingsstatus an den Beschwerdeführer mit englischer Übersetzung, Kopie einer Interpol Red Notice vom

14. November 2019, Kopie Telegramm der Polizeistelle in Warschau vom

16. November 2019 an die Botschaft der Türkei über Festnahme sowie Wohnsitz in Polen des Beschwerdeführers mit englischer Übersetzung, Kopie der Wohnsitzbestätigung des Beschwerdeführers, verschiedene Berichte europäischer Institutionen zur Justizreform in Polen und zwei Pressemitteilungen über die Verweigerung der Überstellung einer Person nach Polen, die mit europäischem Haftbefehl gesucht wurde.

Dabei machten die Beschwerdeführenden geltend, im Auslieferungsverfahren in Polen werde das Grundrecht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren verletzt, da die polnische Justiz systemische oder allgemeine Mängel aufweise. Zudem stelle die Tatsache, dass seine Wohnadresse an die Türkei übermittelt worden sei, eine Verletzung internationaler Verpflichtungen dar.

D.

Am 28. Februar 2020 unterbreitete das SEM der Rechtsvertreterin den Entscheidentwurf, woraufhin diese am 3. März 2020 dazu Stellung nahm. Dabei brachten die Beschwerdeführenden neu vor, dass sie in Polen einen kurdischen Verein gegründet hätten. Ein Mitglied dieses Vereins sei vor zwei Jahren bei der Rückkehr in die Türkei zu sechs Jahren Gefängnis

verurteilt worden und habe Informationen zum Verein an die türkischen Behörden geben müssen.

E.

Mit Verfügung vom 5. März 2020 - gleichentags eröffnet - trat das SEM in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. a des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf die Asylgesuche der Beschwerdeführenden nicht ein und ordnete die Wegweisung sowie deren Vollzug an.

F.

Mit Eingabe vom 12. März 2020 erhoben die Beschwerdeführenden - handelnd durch ihre Rechtsvertreterin - gegen diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragten, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, auf das Asylgesuch einzutreten. In prozessualer Hinsicht ersuchten sie um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.

G.

Am 18. März 2020 wurde den Beschwerdeführenden der Eingang ihrer Beschwerde bestätigt.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend - endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG). Die Beschwerdeführenden sind als Verfügungsadressaten zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist einzutreten.

    2. Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG.

2.

Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich vorliegend um eine solche (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

2.1. Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

3.

Die formellen Rügen der Beschwerdeführenden sind vorab zu prüfen, da sie zu einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz führen könnten.

    1. Die Beschwerdeführenden machen geltend, das SEM habe den Sachverhalt nicht richtig festgestellt. Zwar obliege es ihnen, die Legalvermutung, dass es sich bei Polen um einen sicheren Drittstaat handle, umzustossen. Aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 12 VwVG i.V.m. Art. 6 AsylG müsse von den Behörden jedoch ein entsprechender Rahmen geschaffen werden, um die relevanten Sachverhaltsumstände vorzubringen. Das Dublin-Gespräch mit einem Zeitaufwand von einer Stunde pro Person sei nicht zur Abklärung asylrelevanter Verfolgung geeignet. Es diene einzig dazu, den zuständigen Mitgliedstaat zu bestimmen. Beim Protokoll handle es sich ausserdem um eine Zusammenfassung des Gesagten und nicht um ein Wortprotokoll. Der Hinweis des SEM, wonach die Rechtsvertretung genügend Raum für Fragen gehabt habe, greife zu kurz, könne doch dieser nicht die volle Verantwortung zur Abklärung eines allfälligen asylrelevanten Sachverhaltes auferlegt werden. Die Rechtsvertretung habe zudem davon ausgehen dürfen, dass ein weiteres Gespräch zur Vervollständigung der vorgebrachten Verfolgung in Polen angesetzt werde. Zum jetzigen Zeitpunkt könne die individuelle Bedrohungslage in Polen nicht beurteilt werden, vor allem auch hinsichtlich der Änderungen im polnischen Justizsystem. Es wären weitergehende Abklärungen angezeigt gewesen.

    2. Hierzu gilt es festzuhalten, dass beim Dublin-Gespräch im Rahmen der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates auch mögliche Gründe für einen Selbsteintritt abgeklärt werden. Die Beschwerdeführenden fürchten eine Abschiebung in die Türkei in Verletzung des Non-RefoulementGebotes. Dieser Sachverhalt konnte im Rahmen eines Dublin-Gespräches erstellt werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, wonach dieses Gespräch nicht wörtlich protokolliert wird. Weiter trifft es nicht zu, dass mit dem Hinweis auf mögliche Fragen durch die Rechtsvertretung dieser die Verantwortung zur Abklärung des Sachverhaltes auferlegt wird. Sie hat

auch nicht davon ausgehen können, dass ein weiteres Gespräch zur Vervollständigung der vorgebrachten Verfolgung in Polen angesetzt wird. Weitergehende Abklärungen sind nach dem Gesagten nicht angezeigt gewesen.

4.

Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es die Vorinstanz ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 31a Abs.1-3 AsylG), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (BVGE 2017 VI/5 E. 3.1 und 2012/4 E. 2.2, je m.w.H.). Bezüglich der Frage der Wegweisung und des Vollzugs hat das SEM eine materielle Prüfung vorgenommen, weshalb dem Gericht diesbezüglich volle Kognition zukommt.

5.

Gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG tritt das SEM in der Regel auf ein Asylgesuch nicht ein, wenn die Asylsuchenden in einen sicheren Drittstaat nach Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben. Der Bundesrat bezeichnet Staaten, in denen nach seinen Feststellungen effektiver Schutz vor Rückschiebung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 AsylG besteht, als sichere Drittstaaten. Es dürfen auch keinerlei Hinweise auf Verfolgung durch den Drittstaat selber vorliegen (Bundesblatt 2002 6845, 6886).

6.

    1. Die Vorinstanz begründete ihren ablehnenden Entscheid im Wesentlichen damit, dass der Bundesrat Polen als sicheren Drittstaat bezeichnet habe. Der Beschwerdeführer sei in Polen als Flüchtling anerkannt worden. Polen habe sich zudem bereit erklärt, die Beschwerdeführenden zurückzunehmen. In Bezug auf die Verhaftung des Beschwerdeführers gelte es festzuhalten, dass es Polen freistehe, Personen im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung und dem anwendbaren Völkerrecht zu inhaftieren. Polen sei ein funktionierender Rechtsstaat. Die Beschwerdeführenden könnten somit - sollten Sie sich ungerecht oder rechtswidrig behandelt fühlen - bei der zuständigen Stelle Beschwerde einreichen. Die eingereichten Unterlagen liessen nicht darauf schliessen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Polen die Aberkennung ihres Flüchtlingsstatus und eine Abschiebung in die Türkei drohen würde. Die polnischen Behörden hätten bei der Zustimmung auf das Ersuchen des SEM explizit auf den Schutzstatus verwiesen. Die polnische Gesetzgebung regle auch das Tätigkeitsfeld des Nachrichtendienstes. Sollten die gesetzlichen Rahmenbedingungen dabei verletzt worden sein, seien die Beschwerdeführenden gehalten, bei den zuständigen Stellen eine Beschwerde einzureichen. Das Gleiche gelte für die befürchteten Übergriffe durch Privatpersonen oder in Polen tätige Funktionäre der türkischen Sicherheitskräfte. Die eingereichten Dokumente zur Justizreform und zur Situation der Justiz generell in Polen beträfen die Bestellung sowie die Tätigkeit von Richterinnen und Richtern. Bezüglich den beiden Pressemitteilungen und das Urteil des EuGHs, sei darauf hinzuweisen, dass diesen Fällen ein Europäischer Haftbefehl zugrunde gelegen habe, was beim Beschwerdeführer nachweislich nicht der Fall sei. Es gelte weiterhin, dass Polen ein sicherer Drittstaat sei.

      Bezüglich der Stellungnahme der Rechtsvertreterin gelte es festzuhalten, dass aus den vorhandenen Akten keine Zusammenarbeit zwischen dem türkischen und dem polnischen Nachrichtendienst hervorgehe, wären doch ansonsten keine diesbezüglichen Informationen vom Beschwerdeführer verlangt worden. Die Weitergabe Ihrer Wohnadresse müsse im Zusammenhang mit der Ausschreibung gesehen werden, gemäss welcher der Beschwerdeführer zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden sei. Sollten seine Persönlichkeitsrechte verletzt worden sein, sei er gehalten, sich mit einer Beschwerde an die zuständigen Stellen in Polen zu wenden. Dabei könne er sich an seinen Anwalt oder allenfalls die Abgeordneten wenden, die ihn auch vor Gericht vertreten respektive ihn unterstützt hätten. Bezüglich des Vorhalts in der Stellungnahme, wonach die Asylgründe für Polen nicht eingehend abgeklärt worden seien, gelte es festzuhalten, dass die Beschwerdeführenden sich im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs und der Stellungnahme zum Entscheidentwurf ausführlich hätten äussern und auch die Rechtsvertretung sich habe einbringen können.

      Weder die in Polen herrschende Situation noch andere Gründe würden gegen die Zumutbarkeit der Wegweisung in diesen Staat sprechen. Bezüglich den von den Beschwerdeführenden geltend gemachten medizinischen Problemen gelte es festzuhalten, dass sie bei einer Rückkehr nach Polen weiterhin Zugang zu medizinischen Versorgungseinrichtungen hätten. Es sei kein akuter medizinischer Notfall während der Dauer des Aufenthaltes im BAZ aktenkundig. Vorliegend könne deshalb aufgrund der vorhandenen medizinischen Unterlagen und in Berücksichtigung der von den Beschwerdeführenden geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen von der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs ausgegangen werden

    2. In der Beschwerde wird dem entgegengehalten, aus dem Dublin-Gespräch und der Beweismitteleingabe hätten sich klare Hinweise darauf ergeben, dass eine asylrelevante Verfolgung in Polen geltend gemacht werde. Der Aussage der Vorinstanz, dass ein Europäischer Haftbefehl nicht mit der vorliegenden Situation vergleichbar sei, sei zu widersprechen. Ein faires gerichtliches Verfahren sei auch bei einem Auslieferungsverfahren nicht zu erwarten. Weiter erstaune es, dass das Argument, wonach von Seiten der Europäischen Kommission rechtliche Schritte gegen das neue Justizgesetz in Polen eingeleitet worden seien, für die Beurteilung Polens als sicheren Drittstaat gelten solle. Zudem verkenne die Vorinstanz mit der Argumentation, wonach das Gesetz nur die Ernennung von Richterinnen und Richter betreffe, dass ein unabhängiges Justizsystem genau da beginne. Auch die Argumente der Vorinstanz, dass die Weitergabe der privaten Wohnadresse der Beschwerdeführenden an die türkische Botschaft in Zusammenhang mit der Ausschreibung bei Interpol gesehen werden müsse, erscheine im Lichte der Genfer Flüchtlingskonvention geradezu stossend. Der pauschalen Aussage der Vorinstanz, wonach sie sich in Polen an die zuständigen Stellen wenden könnten, wenn sie sich ungerecht oder rechtswidrig behandelt fühlen würden, sei entgegenzuhalten, dass die Behörden des Verfolgerstaates nicht geeignet seien, eine von ihnen ausgehende Verfolgung zu untersuchen. Abschliessend sei darauf hinzuweisen, dass in der Zustimmung der polnischen Behörden zur Übernahme der Beschwerdeführenden keineswegs explizit auf den Schutzstatus des Beschwerdeführers verwiesen worden sei. Das Schreiben beinhalte überdies auch keine individuellen Garantien.

Zur Stützung ihrer Vorbringen reichten die Beschwerdeführenden zwei ärztliche Berichte und eine Bestätigung über die Gründung eines kurdischen Vereins in Polen zu den Akten.

7.

    1. Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, dass es sich bei Polen um einen sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG handelt. Den auf Beschwerdeebene eingereichten Unterlagen und den vorinstanzlichen Akten ist zu entnehmen, dass die polnischen Behörden den Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt haben und der Rückübernahme der ganzen Familie ausdrücklich zugestimmt haben. Auf Beschwerdeebene wird nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer in Polen die Flüchtlingseigenschaft und eine Aufenthaltsbewilligung erhalten hat.

    2. In der Beschwerde wird indes eine asylrelevante Verfolgung in Polen geltend gemacht. Dabei verweisen die Beschwerdeführenden auf ein Abschiebungsverfahren betreffend den Beschwerdeführer in die Türkei. Sie befürchten, dass der Beschwerdeführer in Polen keinen effektiven Schutz vor Rückschiebung erhalten würde. Dazu gilt es festzuhalten, dass die polnischen Behörden die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festgestellt und ihm entsprechenden Schutz gewährt haben. Das SEM hat richtig festgestellt, dass die eingereichten Unterlagen nicht darauf schliessen lassen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Polen die Aberkennung des Flüchtlingsstatus oder eine Rückschiebung in Verletzung des Non-Refoulement-Prinzips drohen würde. Die erlittene Verhaftung in Polen hängt mit einem Rechtshilfeersuchen der türkischen Behörden in Strafsachen zusammen. Die polnischen Behörden haben den Beschwerdeführer unter Auflagen in einem Gerichtsverfahren wieder aus der Haft entlassen. Vor diesem Hintergrund ist von einem rechtsstaatlich korrekten Vorgehen auszugehen. Das SEM weist den Beschwerdeführer zudem zu Recht darauf hin, dass er sich andernfalls an die zuständigen polnischen Behörden wenden muss, zumal er in Polen anwaltlich vertreten und offenbar gut vernetzt ist. Das Gleiche gilt bezüglich der Weitergabe der privaten Wohnadresse der Beschwerdeführenden an die türkische Botschaft und der Tätigkeiten des polnischen und türkischen Nachrichtendienstes. Das Argument, wonach die zuständigen Stellen des Verfolgerstaates nicht geeignet sein könnten, ein unrechtmässige Behandlung von Behördenmitgliedern zu untersuchen, vermag in Bezug auf Polen nicht zu verfangen. Die eingereichten allgemeinen Unterlagen über die umstrittene Justizreform in Polen haben keinen direkten Einfluss auf den vorliegenden Einzelfall. Polen wird denn auch weiterhin als sicherer Drittstaat eingestuft. Diesbezüglich kann auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden, welche durch die Entgegnungen in der Beschwerde nicht umgestossen werden. In diesem Zusammenhang kann auch den Ausführungen in der Beschwerde zum Europäischen Haftbefehl nicht gefolgt werden. Das SEM wies in seiner Verfügung zu Recht darauf hin, dass ein solcher beim Beschwerdeführer nicht erlassen wurde. Schliesslich wird in der Beschwerde zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Zustimmung der polnischen Behörden nicht explizit auf den Schutzstatus des Beschwerdeführers verwiesen wurde. In der Sache ändert dies aber nichts. Auch individuelle Garantien sind vorliegend nicht nötig. Bezüglich der Auswirkungen des in Polen gegründeten Vereins werden in der Beschwerde keine weiteren Ausführungen gemacht, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

    3. Nach dem Gesagten sind die Voraussetzungen für einen Nichteintretensentscheid (Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG) vorliegend erfüllt.

8.

Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder darauf nicht eintritt; es berücksichtigt dabei die Einheit der Familie.

Die Beschwerdeführenden verfügen weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen (BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.). Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet.

9.

    1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländerinnen und Ausländern (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG, SR 142.20]).

    2. Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AuG). So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]). Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

    3. Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Gestützt auf Art. 83 Abs. 5 AIG besteht ferner die Vermutung, dass eine Wegweisung in einen EUoder EFTA-Staat

in der Regel zumutbar ist. Es obliegt der betroffenen Person, diese Vermutungen umzustossen.

10.

    1. Die Vorinstanz hat vorliegend den Vollzug der Wegweisung in einen Drittstaat, nämlich Polen, angeordnet. Polen ist Signatarstaat der EMRK, des FoK und der FK sowie des Zusatzprotokolls der FK vom 31. Januar 1967 (SR 0.142.301).

      Sodann hat der Bundesrat Polen als sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG bezeichnet (vgl. den Beschluss des Bundesrates vom 14. Dezember 2007 [in Kraft seit dem 1. Januar 2008]). Zugunsten sicherer Drittstaaten besteht die Vermutung, dass diese ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Es obliegt der betroffenen Person, diese Vermutungen umzustossen.

      Nachdem in Polen die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festgestellt wurde, besteht kein Anlass zur Annahme, es drohe ihm eine Verletzung des in Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) verankerten Grundsatzes der Nichtrückschiebung. Polen ist Signatarstaat der EMRK und des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105). Zudem gibt es - wie oben ausgeführt - keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass Polen insoweit seine aus diesen Konventionen entstehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht einhalten würde.

    2. Die Vorinstanz hat in der angefochtenen Verfügung die Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs zutreffend bejaht. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Erwägungen der angefochtenen Verfügung verwiesen werden. In der Beschwerde wird dem inhaltlich nichts entgegengehalten. Die mit der Beschwerde eingereichten Beweismittel bezüglich der in Polen behandelten Schwangerschaftskomplikationen und der Überweisung an die Sprechstunde für Folteropfer aufgrund vermuteter posttraumatischer Belastungsstörung vermögen an der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs ebenfalls nichts zu ändern.

    3. Da die polnischen Behörden ihrer Rückübernahme zugestimmt haben, ist der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen.

    4. Die Vorinstanz ist somit zu Recht von der Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs ausgegangen. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt ausser Betracht (vgl. Art. 83 Abs. 1-4 AsylG).

11.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist abzuweisen.

12.

    1. Die Beschwerdeführenden beantragen die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung (Art. 65 Abs. 1 VwVG). Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass ihre Begehren als aussichtlos erachtet wurden. Damit ist eine der kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen nicht gegeben, weshalb dem Gesuch nicht stattzugeben ist.

    2. Das Gesuch um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses wird mit vorliegendem Urteil gegenstandslos.

    3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten den Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird abgewiesen.

3.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden den Beschwerdeführenden auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4.

Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:

Nina Spälti Giannakitsas Sara Steiner

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.
www.swissactiv.ch
Menschen zusammenbringen, die gemeinsame Interessen teilen
Die Freude an Bewegung, Natur und gutem Essen fördern
Neue Leute treffen und Unternehmungen machen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz