Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-1095/2019 |
Datum: | 18.03.2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) |
Schlagwörter : | Dublin; Über; Italien; Dublin-III-VO; Schweiz; Recht; Verfahren; Vorinstanz; Mitgliedstaat; Beziehung; Person; Urteil; Asylgesuch; Schutz; Überstellung; Behörde; Verfügung; Behörden; Bundesverwaltungsgericht; Sinne; Antrag; Zuständigkeit; Eheschein; Übernahme; Staat; Wegweisung |
Rechtsnorm: | Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung VI F-1095/2019
Besetzung Einzelrichterin Regula Schenker Senn, mit Zustimmung von Richter Walter Lang; Gerichtsschreiberin Mirjam Angehrn.
Parteien A. _.
vertreten durch lic. iur. Urs Ebnöther, Rechtsanwalt, Advokatur Kanonengasse, Militärstrasse 76, Postfach, 8021 Zürich, Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);
Verfügung des SEM vom 8. Februar 2019 / N [ ].
Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, geboren [ ], ersuchte am 12. November 2018 in der Schweiz um Asyl. Ein Abgleich mit dem zentralen Visa-Informationssystem (CS-Vis) ergab, dass Italien der Beschwerdeführerin ein vom 23. Oktober 2018 bis am 14. November 2018 gültiges Schengen-Visum ausgestellt hatte. Anlässlich der Befragung zur Person (BzP) vom 19. November 2018 wurde ihr das rechtliche Gehör zur mutmasslichen Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens, zum Nichteintretensentscheid sowie der Wegweisung nach Italien gewährt.
Am 5. Dezember 2018 liess das SEM den Eheschein der Beschwerdeführerin auf seine Echtheit überprüfen (SEM-act. A10/5).
Die Vorinstanz gab dem angeblichen Ehemann der Beschwerdeführerin,
X. Y. [ ]), am 5. Dezember 2018 Gelegenheit, Fragen bezüglich der von ihr geltend gemachten Eheschliessung mit ihm zu beantworten (SEM-act. A11/2).
Gestützt auf den Abgleich mit dem CS-Vis ersuchte das SEM am 7. Deztember 2018 die italienischen Behörden um Übernahme der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO). Die italienischen Behörden nahmen innerhalb der festgelegten Frist zum Übernahmeersuchen des SEM keine Stellung.
Am 12. Dezember 2018 gewährte das SEM der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör zur Dokumentenanalyse (SEM-act. A16/2).
Die Stellungnahme von X. Y. ging am 18. Dezember 2018 bei der Vorinstanz ein (SEM-act. A18/2).
Mit Verfügung vom 8. Februar 2019 (eröffnet am 26. Februar 2019) trat das SEM in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31) auf das Asylgesuch der Beschwerdeführerin nicht ein, verfügte ihre Wegweisung aus der Schweiz nach Italien, forderte sie auf, die Schweiz spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen und beauftragte den zuständigen Kanton mit dem Vollzug der Wegweisung. Gleichzeitig stellte es fest, einer allfälligen Beschwerde gegen den Entscheid komme keine aufschiebende Wirkung zu, und verfügte die Aushändigung der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an die Beschwerdeführerin (SEMact. A21/9).
Mit Eingabe vom 4. März 2019 (Datum Poststempel) erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht, beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und das Eintreten auf ihr Asylgesuch. Eventualiter sei die Sache zur rechtsgenüglichen Sachverhaltsabklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht begehrte sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde. Im Sinne einer superprovisorischen Massnahme seien die Vollzugsbehörden anzuweisen, von einer Überstellung nach Italien abzusehen, bis das Bundesverwaltungsgericht über die Erteilung der aufschiebenden Wirkung entschieden habe. Des Weiteren sei die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten. Ferner sei in der Person des Unterzeichnenden ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen (BVGer-act. 1).
Mit elektronischer Übermittlung vom 6. März 2019 setzte die Instruktionsrichterin den Vollzug der Überstellung nach Italien gestützt auf Art. 56 VwVG superprovisorisch aus (BVGer-act. 2).
Die vorinstanzlichen Akten trafen am 7. März 2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Für das vorliegende Verfahren gilt trotz der am 1. März 2019 in Kraft getretenen Änderungen des AsylG das bisherige Recht (vgl. Abs. 2 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).
Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend
endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG). Die Beschwerdeführerin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG oder AsylG nichts anderes bestimmen (Art. 37 VGG; Art. 6 und Art. 105 ff. AsylG).
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung einer zweiten Richterin bzw. eines zweiten Richters entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Vorliegend handelt es sich, wie nachfolgend aufgezeigt wird, um eine solche, weshalb auf einen Schriftenwechsel verzichtet und der vorliegende Entscheid nur summarisch begründet wird (Art. 111a Abs. 1 und 2 AsylG).
Zunächst ist auf die Rüge des Rechtsvertreters einzugehen, das Übernahmeersuchen der Vorinstanz an Italien vom 7. Dezember 2018 enthalte nicht alle notwendigen Angaben. So habe die Vorinstanz nicht angegeben, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland über Jahre hinweg sexuelle Gewalt erlitten habe, was zu einem Selbstmordversuch geführt habe. Italien hätte mitgeteilt werden müssen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine besonders verletzliche Person handle. Ausserdem halte die Vorinstanz im Übernahmeersuchen fest, der Eheschein sei gefälscht. Sie habe dies formuliert, als sei dies eine unbestrittene Tatsache.
Anders als in ihrem Nichteintretensentscheid verwende sie nicht die Formulierung „dass der eingereichte Eheschein klare Anzeichen einer Fälschung aufweist“. Auch die tatsächlich gelebte Beziehung der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann X. Y., der gemeinsame Haushalt sowie das Ehevorbereitungsverfahren seien verschwiegen worden.
Der Rechtsvertreter verweist auf das Urteil des BVGer D-6935/2016 vom
24. Januar 2017. In diesem wird festgehalten, dass das Gericht bereits im Urteil D-1787/2013 vom 8. August 2013 E. 5 festgehalten habe, das mit dem Formular gestellte Übernahmeersuchen müsse alle Informationen enthalten, anhand derer der ersuchten Staats prüfen könne, ob er gemäss den in der Verordnung definierten Kriterien zuständig sei. Dies gelte auch in Bezug auf Art. 23 Abs. 4 Dublin-III-VO (vgl. Urteile D-1533/2016 vom
18. März 2016 S. 8 [Verschweigen der Minderjährigkeit] und D-1599/2015 vom 2. Mai 2016 E. 5 [Verschweigen von Ehefrau und Kindern in der Schweiz]). Das SEM habe es in jenem Verfahren unterlassen, die italienischen Behörden auf die sachdienliche Angabe der Beschwerdeführerin - sie sei mit einem in der Schweiz lebenden, abgewiesenen Asylsuchenden religiös verheiratet und habe mit diesem ein gemeinsames Kind - und die eingereichten Beweismittel hinzuweisen.
Die Ausgangslage im vorliegenden Fall ist jedoch eine andere. So lag zum Zeitpunkt der Gesuchstellung der Beschwerdeführerin in der Schweiz offensichtlich keine gefestigte Beziehung mit X. Y. vor. Wie das SEM korrekt ausführte, kann zudem aufgrund des nicht authentischen Ehescheins der Nachweis des in Stellvertretung begangenen Eheschlusses nicht als erbracht erachtet werden (vgl. nachfolgend E. 8.5).
Des Weiteren trägt das SEM dem aktuellen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin bei der Organisation der Überstellung nach Italien Rechnung, indem es die italienischen Behörden im Sinne von Art. 31 und Art. 32 Dublin-III-Verordnung vor der Überstellung über ihren Gesundheitszustand und die notwendige medizinische Behandlung informieren wird. Die Vorinstanz musste somit nicht bereits im Übernahmeersuchen auf den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin hinweisen (vgl. E. 10.6).
Bezüglich des Vorbringens, die Vorinstanz habe im Übernahmeersuchen festgehalten, der Eheschein sei gefälscht, obwohl dieser lediglich klare Anzeichen einer Fälschung aufweise, kann festgehalten werden, dass es sich dabei lediglich um eine weniger präzise Formulierung handelt, welche aber auf das Dublin-Verfahren keine Auswirkungen hat.
Auf Asylgesuche wird in der Regel nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG). Zur Bestimmung des staatsvertraglich zuständigen Staates prüft das SEM die Zuständigkeitskriterien gemäss Dublin-III-VO. Führt diese Prüfung zur Feststellung, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig ist, tritt das SEM, nachdem der betreffende Mitgliedstaat einer Überstellung oder Rücküberstellung zugestimmt hat, auf das Asylgesuch nicht ein (vgl. BVGE 2017 VI/5 E. 6.2).
Gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Asylantrag gestellt wird (Art. 20 Abs. 1 Dublin-III-VO).
Bei sogenannten Aufnahmeverfahren (engl.: take charge) sind die in Art. 8-15 Dublin-III-VO genannten Kriterien in der dort aufgeführten Rangfolge (Prinzip der Hierarchie der Zuständigkeitskriterien; vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO) anzuwenden, und es ist von der Situation im Zeitpunkt, in dem der Antragsteller erstmals einen Antrag in einem Mitgliedstaat gestellt hat, auszugehen (Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO; FILZWIESER/SPRUNG, Dublin III-Verordnung, Wien 2014, K4 zu Art. 7). Im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens (engl.: take back) findet demgegenüber grundsätzlich keine (erneute) Zuständigkeitsprüfung nach Kapitel III statt (vgl. zum Ganzen BVGE 2017 VI/5 E. 6.2 und 8.2.1 m.w.H.).
Gemäss Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, welcher der antragstellenden Person ein Visum erteilt hat, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist. Der nach der Dublin-III-VO zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet, eine asylsuchende Person, die in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Massgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. a Dublin-III-VO).
Abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO kann jeder Mitgliedstaat beschliessen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO; sog. Selbsteintrittsrecht).
Gemäss einem Abgleich mit dem CS-Vis erhielt die Beschwerdeführerin von Italien ein vom 23. Oktober 2018 bis am 14. November 2018 gültiges Schengen-Visum. Die italienischen Behörden anerkannten implizit ihre Zuständigkeit, indem sie das Übernahmeersuchen der Schweiz innert der in Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen Frist unbeantwortet liessen. Die grundsätzliche Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens der Beschwerdeführerin ist somit gegeben.
Dagegen führte die Beschwerdeführerin anlässlich der BzP aus, sie möchte in der Schweiz bleiben, da ihr Ehemann hier lebe. Ein Mullah auf dem Standesamt in B. habe am 31. Dezember 2017 die Trauung vorgenommen. Weil er nicht in den Iran habe reisen können, sei eine Stellvertreterheirat arrangiert worden.
In seiner Eingabe vom 15. Dezember 2018 führte X. Y. aus, er kenne die Beschwerdeführerin bereits seit 15 Jahren und sie hätten im Jahre 2017 zueinander gefunden. Die Eheschliessung habe er den Schweizer Behörden nicht gemeldet, weil er gedacht habe, dass dies vor der Einreise der Beschwerdeführerin nicht nötig sei. Des Weiteren habe er sich nie um einen Familiennachzug bemüht, weil die Beschwerdeführerin keinen Reisepass besessen habe.
Betreffend Eheschein führte das SEM in der angefochtenen Verfügung zutreffend aus, dessen Prüfung habe ergeben, dass dieser klare Fälschungsmerkmale aufweise. So würden die Stempel auf den Seiten 4 und 5 darauf hinweisen, dass die Passfotos nachträglich eingesetzt worden seien. Dagegen hielt die Beschwerdeführerin anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs zur Dokumentanalyse fest, sie habe das Dokument vom Mullah bekommen, welcher sie beide vermählt habe. Das Dokument sei echt. Das SEM führte weiter aus, aufgrund des nicht authentischen Ehescheins sei der Nachweis des Eheschlusses nicht erbracht worden. Zudem müsse die Aussage von X. Y. betreffend Familiennachzug und Meldung der Eheschliessung angezweifelt werden. Schliesslich gehe aus dem Abgleich mit dem zentralen Visa-Informationssystem klar hervor, dass die Beschwerdeführerin dem italienischen Konsulat in Teheran ihren am
11. Juni 2016 ausgestellten Reisepass vorgelegt habe. Die geltend gemachte Beziehung könne des Weiteren nicht als dauerhaft im Sinne von Art. 8 EMRK gewertet werden.
Die Beschwerdeführerin machte auf Beschwerdeebene im Wesentlichen geltend, sie führe eine echte, gelebte und gefestigte Beziehung mit
Y., weshalb gestützt auf Art. 9 Dublin-III-VO die Schweiz für die Prüfung ihres Asylgesuchs zuständig sei. Sie habe Ende Dezember 2017 X. Y. vor einem Mullah geheiratet. Obschon es sich dabei um eine Eheschliessung mittels Stellvertretung gehandelt habe, sei diese nach islamischem Recht gültig. Da X. Y. in der Schweiz als Flüchtling anerkannt sei und ihm im Iran Verfolgung drohe, sei eine andere Art der Eheschliessung im Iran Ende 2017 nicht möglich gewesen. Weil aber nicht klar sei, ob ihre Ehe in der Schweiz anerkannt werden könne, hätten sie hier zusätzlich ein Ehevorbereitungsverfahren eingeleitet. Sie würden ihre Beziehung tatsächlich leben. Bereits vor ihrer Ausreise aus dem Iran hätten sie und ihr Ehemann eine intensive Beziehung mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel gepflegt. In der ersten Zeit nach ihrer Einreise in die Schweiz, sei es ihr nur über die Wochenende erlaubt gewesen, ihren Ehemann zu besuchen und bei ihm zu übernachten. Seit dem Transfer in den Kanton sei sie praktisch ausschliesslich bei ihm. Sie würden sich seit ungefähr 15 Jahren kennen und hätten bereits damals die Absicht gehabt, zu heiraten. Regelmässiger persönlicher Kontakt bestehe seit November 2018. X. Y. habe in einem Schreiben an die Vorinstanz vom 15. Dezember 2018 dargelegt, dass er sie als Ehefrau gewählt habe. Ferner gebiete auch das Recht auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK einen Selbsteintritt der Schweiz auf ihr Asylgesuch.
Die Beschwerdeführerin verkennt mit ihrer Argumentation einen wesentlichen Umstand bei der Zuständigkeitsprüfung gemäss der Dublin-IIIVO: Namentlich ist bei einem Dublin-Aufnahmeverfahren der Sachverhalt massgebend, wie er sich im Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Schutzgewährung präsentierte (Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO; vgl. Urteil des BVGer E-3351/2018 vom 15. Oktober 2018 E. 5.3.2). Die Beschwerdeführerin gab kurz nach ihrer Gesuchstellung anlässlich ihrer BzP vom 19. November 2018 zu Protokoll, sie habe X. Y. am 31. Dezember 2017 in einem Stellvertretungsverfahren geheiratet, da er nicht in den Iran habe reisen können. Vor ungefähr einem Jahr habe er mit ihr Kontakt aufgenommen, als er erfahren habe, dass sie mit ihrem Ex-Mann Probleme gehabt habe. Sie habe seither mit ihm via Internet in Kontakt gestanden. Gesehen habe sie ihn zuletzt in den Jahren 2003 und 2004, als sie ein paar Monate eine Beziehung geführt hätten (vgl. A6/18 S. 3 f.). Damit lag zum Zeitpunkt ihrer
Gesuchstellung in der Schweiz offensichtlich keine gefestigte Beziehung vor. Wie das SEM korrekt ausführte, kann zudem aufgrund des nicht authentischen Ehescheins der Nachweis des Eheschlusses in Stellvertretung nicht als erbracht erachtet werden. Überdies mutet es seltsam an, dass X.
für seine angebliche Ehefrau kein Familiennachzugsgesuch gestellt hat. Die Erklärung, er habe dies nicht getan, weil die Beschwerdeführerin keinen Pass besessen habe, widerspricht der Tatsache, dass sie bei der Beantragung ihres Visums auf der italienischen Botschaft einen Reisepass aus dem Jahre 2016 vorweisen konnte (SEM-act. A5/2 und A18/2).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aus der geltend gemachten Beziehung die Beschwerdeführerin für ihr Asylverfahren nichts zu ihren Gunsten abzuleiten vermag.
Weiter lässt sich auch aus Art. 8 EMRK kein Anspruch auf einen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der Schweiz ableiten.
Der Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK ist im Dublin-Verfahren zu berücksichtigen, soweit eine tatsächlich gelebte Beziehung besteht; geschützt wird nach Lehre und Praxis nicht de jure existierendes, sondern vielmehr de facto bestehendes Familienleben (vgl. etwa ACHERMANN/CARONI in: Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 6.27 m.w.H.). Die Praxis nennt in diesem Zusammenhang etwa das gemeinsame Wohnen respektive der gemeinsame Haushalt, die finanzielle Verflochtenheit, die Länge und Stabilität der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander als relevante Faktoren (vgl. vgl. Urteil des BVGer E-3351/2018 E. 5.4.1 m.H.).
Die Beziehung der Beschwerdeführerin zu X. Y. kann - wie vorstehend einlässlich dargelegt - nicht als dauerhaft und gefestigt im Sinn dieser Rechtsprechung qualifiziert werden:
Des Weiteren bringt die Beschwerdeführerin vor, sie sei aufgrund der jahrelang erlittenen sexuellen Gewalt als eine besonders verletzliche beziehungsweise schutzbedürftige Person zu qualifizieren. Die Überlastung des italienischen Asylsystems sei schon lange bekannt. Die regulären Zentren und die Notaufnahmezentren seien überfüllt. Personen im Asylverfahren, aber auch Personen mit Schutzstatus würden oft unter prekären Bedingungen leben. Bezüglich der Unterbringungsmöglichkeiten in Italien
habe der EGMR Ende 2014 festgehalten, dass eine beträchtliche Diskrepanz zwischen der Anzahl neuer Asylgesuche und der Anzahl Unterbringungsplätze bestehe. Seither habe sich die Situation nicht verbessert. Nicht einmal alle Familien, welchen eine individuelle Garantie für angemessene Aufnahmebedingungen gegeben worden sei, hätten eine entsprechende Unterkunft bekommen. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau umso weniger Aussicht auf eine angemessene Unterkunft habe. Seit dem Wahlsieg der rechten Parteien vom März 2018 setze Innenminister Matteo Salvini alles daran, die Ausgaben für das italienische Asylsystem zu kürzen; in diesem Zusammenhang stehe auch das Ende 2018 ins Gesetz überführte „Salvini-Dekret“. Direkt nach den Wahlen seien diverse Unterkünfte geschlossen worden. Seit Oktober 2018 stünden die SPRAR-Zentren nur noch Minderjährigen und Personen mit Schutzstatus offen.
Die Beschwerdeführerin gehört als junge, alleinstehende Frau grundsätzlich nicht zu den besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne der Tarakhel-Rechtsprechung des EGMR (Urteil Tarakhel gegen die Schweiz vom 4. November 2014 [Beschwerde Nr. 29217/12], §§ 114 f. und 120; siehe auch BVGE 2016/2), deren Rücküberstellung eine individuelle Garantieerklärung der italienischen Behörden hinsichtlich der Unterbringung erfordert, auch wenn sie mit gewissen Schwierigkeiten bei der Unterbringung konfrontiert würde.
In Bezug auf die Einschätzung der Situation in Italien kann eine mögliche Auswirkung des sog. „Salvini-Dekrets“ (Dekret zur „Sicherheit und Einwanderung“, per 1.12.2018 als Gesetz aufgenommen) auf einzelne Kategorien von Asylsuchenden noch nicht abgeschätzt werden (vgl. Urteil des BVGer F-527/2019 vom 5. Februar 2019 S.5).
Wie das SEM zutreffend festgehalten hat, gibt es zur Zeit keine hinreichenden Gründe für die Annahme, das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für asylsuchende Personen in Italien würden Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin-III-VO aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta und Art. 3 EMRK mit sich bringen würden.
Italien ist Signatarstaat der EMRK, des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR
0.142.30) sowie des Zusatzprotokolls der FK vom 31. Januar 1967 (SR 0.142.301) und kommt seinen diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtungen nach.
Ferner gelten in Italien die Richtlinien 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) und 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) des Europäischen Parlaments und des Rates. Es darf davon ausgegangen werden, Italien anerkenne und schütze die Rechte, die sich für Schutzsuchende aus den genannten Richtlinien ergeben.
Die Beschwerdeführerin hat kein konkretes und ernsthaftes Risiko dargetan, die italienischen Behörden würden sich weigern, sie aufzunehmen und ihren Antrag auf internationalen Schutz unter Einhaltung der Regeln der Verfahrensrichtlinie zu prüfen. Den Akten sind denn auch keine Gründe für die Annahme zu entnehmen, Italien werde in ihrem Fall den Grundsatz des Non-Refoulement missachten und sie zur Ausreise in ein Land zwingen, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr laufen würde, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden. Ausserdem hat sie nicht dargetan, die sie bei einer Rückführung erwartenden Bedingungen in Italien seien derart schlecht, dass sie zu einer Verletzung von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta, Art. 3 EMRK oder Art. 3 FoK führen könnten.
Die Beschwerdeführerin hat geltend macht, sie habe aufgrund über Jahre hinweg erlittener sexueller Gewalt in ihrem Heimatland bereits einen Suizidversuch hinter sich und benötige psychiatrische Therapie sowie leide aufgrund D. an gesundheitlichen Problemen, wobei diese Vorbringen weder bei der Vorinstanz noch auf Beschwerdeebene belegt worden sind. Hinweise, wonach sie deswegen in der Schweiz in ärztlicher Behandlung stehe würde, lassen sich den Akten nicht entnehmen. Es bestehen keine konkreten Hinweise für die Annahme, Italien würde ihr die ihr gemäss Aufnahmerichtlinie zustehende medizinische Versorgung vorenthalten. Italien verfügt über eine ausreichende medizinische Infrastruktur und ist gemäss Art. 19 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie verpflichtet, der Beschwerdeführerin die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasse, zu gewährleisten. Für das weitere Dublin-Verfahren ist einzig die Reisefähigkeit ausschlaggebend und diese wird kurz vor der Überstellung definitiv beurteilt. Das SEM trägt dem aktuellen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin bei der
Organisation der Überstellung nach Italien Rechnung, indem es die italienischen Behörden im Sinne von Art. 31 und Art. 32 Dublin-III-Verordnung vor der Überstellung über ihren Gesundheitszustand und die notwendige medizinische Behandlung informiert. Im Hinblick auf den medizinischen Zustand der Beschwerdeführerin gibt es vorliegend keinen Grund zur Annahme, eine Überstellung nach Italien würde einen Verstoss gegen Art. 3 EMRK bedeuten.
Soweit die Beschwerdeführerin sinngemäss das Vorliegen von "humanitären Gründen" geltend macht, ist Folgendes festzuhalten:
Gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts verfügt das SEM bei der Anwendung der Kann-Bestimmung von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 über einen Ermessensspielraum (vgl. BVGE 2015/9 E. 7 f.). Seit der Kognitionsbeschränkung durch die Asylgesetzrevision vom 1. Februar 2014 (Streichung der Angemessenheitskontrolle des Bundesverwaltungsgerichts gemäss aArt. 106 Abs. 1 Bst. c AsylG) überprüft das Gericht den vorinstanzlichen Verzicht der Anwendung von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 nicht mehr auf Angemessenheit hin; das Gericht beschränkt seine Beurteilung nunmehr im Wesentlichen darauf, ob das SEM den Sachverhalt diesbezüglich korrekt und vollständig erhoben, allen wesentlichen Umständen Rechnung getragen und seinen Ermessensspielraum genutzt hat (vgl. Art. 106 Abs. 1 Bst. a und b AsylG).
Die angefochtene Verfügung ist unter diesem Blickwinkel nicht zu beanstanden; insbesondere sind den Akten keine Hinweise auf einen Ermessensmissbrauch oder ein Überrespektive Unterschreiten des Ermessens zu entnehmen. Das Gericht enthält sich deshalb in diesem Zusammenhang weiterer Äusserungen.
Nach dem Gesagten besteht kein Grund für eine Anwendung der Ermessenklauseln von Art. 17 Dublin-III-VO. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Dublin-III-VO den Schutzsuchenden kein Recht einräumt, den ihren Antrag prüfenden Staat selber auszuwählen (vgl. auch BVGE 2010/45 E. 8.3).
Das SEM ist demnach zu Recht in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG auf das Asylgesuch der Beschwerdeführerin nicht eingetreten und hat - weil diese nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsoder Niederlassungsbewilligung ist - in Anwendung von Art. 44 AsylG die Überstellung nach Italien angeordnet (Art. 32 Bst. a AsylV 1).
Aus den Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung kein Bundesrecht verletzt und auch sonst nicht zu beanstanden ist (Art. 106 AsylG und Art. 49 VwVG). Eine Rückweisung an die Vorinstanz zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung erübrigt sich. Es ist der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist darzutun, inwiefern die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt oder den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig oder unvollständig feststellt (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist somit abzuweisen.
Das Beschwerdeverfahren ist mit diesem Urteil abgeschlossen, weshalb sich die Anträge auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde sowie auf Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses als gegenstandslos erweisen.
Der am 6. Februar 2019 angeordnete Vollzugsstopp fällt mit vorliegendem Urteil dahin.
Das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ist abzuweisen, da die Begehren - wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt - als aussichtslos zu bezeichnen waren, weshalb die Voraussetzungen von Art. 65 Abs. 1 VwVG nicht erfüllt sind. Das Gesuch um Einsetzung eines amtlichen Rechtsbeistands im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 110a Abs. 2 AsylG ist mangels Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 65 Abs. 1 VwVG ebenfalls abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten von Fr. 750.- (Art. 1 - 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG und um Einsetzung eines amtlichen Rechtsbeistands gemäss Art. 65 Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 110a Abs. 2 AsylG werden abgewiesen
Die Verfahrenskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Regula Schenker Senn Mirjam Angehrn
Versand:
Zust ellung erf olgt an:
den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin (Einschreiben; vorab per Telefax; Beilage: Einzahlungsschein)
Das SEM, Abt. Dublin, mit den Akten N [ ] und N [ ] (in Kopie; vorab per Telefax)
das Migrationsamt des Kantons Appenzell Ausserhoden (per Telefax)
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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