Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung I |
Dossiernummer: | A-5636/2019 |
Datum: | 11.09.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Zweitwohnungsbau |
Schlagwörter : | Wohnung; Wohnungen; Zweitwohnung; Gemeinde; Erstwohnung; Vorinstanz; Verfügung; Erstwohnungen; Zweitwohnungsanteil; Recht; Zweitwohnungen; Verfahren; Sinne; Gemeinden; Kategorie; Interesse; Aufzählung; Bundesverwaltungsgericht; Wohnungsinventar; Rechtsschutz; Aufgabe; Urteil; Zweck; Zwecke; Gericht; Rechtsschutzinteresse |
Rechtsnorm: | Art. 48 BGG ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 75 BV ;Art. 75b BV ; |
Referenz BGE: | 131 II 697; 137 I 23; 141 II 161 |
Kommentar: | - |
Abteilung I
A-5636/2019
Besetzung Richterin Christine Ackermann (Vorsitz), Richter Jürg Steiger, Richter Maurizio Greppi, Gerichtsschreiber Tobias Grasdorf.
Parteien Gemeinde Turtmann-Unterems, Dorfstrasse 26, Postfach 18, 3946 Turtmann, Beschwerdeführerin,
gegen
3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Feststellungsverfügung betreffend Zweitwohnungsanteil.
Mit Verfügung vom 26. September 2019 stellte das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE, Vorinstanz) fest, dass die Gemeinde Turtmann-Unterems (Beschwerdeführerin) am 31. Dezember 2018 einen Zweitwohnungsanteil von mehr als 20 % aufwies. Gleichzeitig verfügte sie, dass auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin vorbehältlich gewisser gesetzlicher Ausnahmen keine Zweitwohnungen bewilligt werden dürfen.
Am 28. Oktober 2019 reicht die Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Verfügung der Vorinstanz Beschwerde ein und beantragt, die Verfügung sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie
am 31. Dezember 2018 einen Zweitwohnungsanteil von weniger als 20 % aufgewiesen habe. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese den Zweitwohnungsanteil neu festlege.
Zur Begründung führt die Beschwerdeführerin aus, die Vorinstanz rechne im Turtmanntal auf ihrem Gemeindegebiet neu erfasste Wohnungen zu Unrecht zu den Zweitwohnungen. Diese Wohnungen befänden sich alle ausserhalb der Bauzone und hätten früher praktisch alle der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung gedient. Noch heute sei dies bei einem Grossteil dieser Maiensässe der Fall. Zudem sei das Tal während weniger als sechs Monaten im Jahr erreichbar. Solche Wohnungen müssten deshalb den Erstwohnungen gleichgestellt werden. Würde die Vorinstanz diese Wohnungen zu den den Erstwohnungen gleichgestellten Wohnungen rechnen, sänke der Zweitwohnungsanteil auf unter 20 %.
In ihrer Vernehmlassung vom 30. Dezember 2019 beantragt die Vorinstanz, die Beschwerde sei abzuweisen. Sie führt aus, die Beschwerdeführerin habe im Wohnungsinventar unter der Rubrik «Alpwirtschaftliche Zwecke nach Art. 2 Abs. 3 Bst. e ZWG» kein einziges Gebäude aufgeführt. Unter dem Titel Zweitwohnungen habe sie jedoch 174 Wohnungen und unter der Rubrik «Ohne Angaben» 34 Wohnungen ausgewiesen. Daraus ergebe sich ein Zweitwohnungsanteil von 29.34 %. Die Beschwerdeführerin habe diese Zahlen im Eidgenössischen Gebäudeund Wohnungsregister (GWR) bis anhin nicht angepasst. Der Zweitwohnungsanteil sei aufgrund dieser Angaben festzulegen. Erst wenn die Beschwerdeführerin diese An-
passungen vorgenommen habe, könne sie (die Vorinstanz) stichprobenweise überprüfen, ob die Gebäude zu Recht unter der Rubrik aufgeführt seien.
In ihrer Replik vom 27. Januar 2020 führt die Beschwerdeführerin aus, sie halte an ihrem Standpunkt fest. Die Vorinstanz habe ihr im vorinstanzlichen Verfahren mitgeteilt, dass die in Frage stehenden Wohnungen im GWR als Zweitwohnungen erfasst werden müssten, was sie getan habe; gleichzeitig habe sie die Verfügung angefochten. Es gehe ihr nicht um die formalistische Erfassung, sondern um die vom Gericht zu entscheidende Frage, ob Maiensässwohnungen, die zu einem grossen Teil zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt würden und sich ausserhalb der Bauzone in einem Tal befänden, das weniger als sechs Monate im Jahr erreichbar sei, zum Zweitwohnungsanteil zu zählen seien.
In ihrer Duplik vom 2. März 2020 führt die Vorinstanz aus, nur Wohnungen, die immer noch landwirtschaftlich genutzt würden und wegen der Höhenlage nicht ganzjährig für landwirtschaftliche Zwecke zugänglich seien, seien den Erstwohnungen gleichgestellt und müssten nicht als Zweitwohnungen im Wohnungsinventar registriert werden. Ob dies auf eine einzelne Wohnung zutreffe, müsse die Gemeinde beurteilen. Solange die Beschwerdeführerin diese Beurteilung nicht vornehme und alle in Frage stehenden Wohnungen pauschal unter der Rubrik «Zweitwohnungen» aufführe, werde der Zweitwohnungsanteil aufgrund dieser Angaben festgelegt.
pflege. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Da hier keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt und eine Vorinstanz im Sinne von Art. 33 Bst. d VGG verfügt hat, ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Beschwerde zuständig.
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
Art. 48 Abs. 1 VwVG enthält die allgemeinen Voraussetzungen für die Beschwerdelegitimation. Die Bestimmung setzt kumulativ voraus, dass die beschwerdeführende Partei am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat beziehungsweise keine Möglichkeit hatte, daran teilzunehmen, dass sie durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist und dass sie ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat.
Art. 48 Abs. 1 VwVG ist grundsätzlich auf private Beschwerdeführende zugeschnitten, doch können sich auch Gemeinwesen darauf berufen. Gemeinwesen sind in diesem Sinne legitimiert, wenn sie als materielle Verfügungsadressaten oder Drittbetroffene gleich oder ähnlich wie Private oder aber in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe respektive in schutzwürdigen eigenen hoheitlichen Interessen erheblich betroffen sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn einem Entscheid präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommt. Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung begründet hingegen keine Beschwerdebefugnis im Sinne dieser Regelung (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-4263/2017 vom 27. August 2018 E. 1.2 und A-5705/2018 vom 6. Februar 2020 E. 1.3.3;
vgl. auch BGE 141 II 161 E. 2.1 und 134 I 204 E. 2.3).
Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Die angefochtene Verfügung verbietet ihr, neue Zweitwohnungen auf ihrem Gebiet zu bewilligen, womit sie in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe direkt und besonders betroffen ist. Die Gemeinde hatte im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung und war damit zur Erhebung der Beschwerde legitimiert.
Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 50 Abs. 1 VwVG und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist somit einzutreten.
Art. 48 Abs. 1 Bst. c VwVG setzt voraus, dass die Beschwerdeführerin ein aktuelles und praktisches schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung hat. Ein Rechtsschutzinteresse ist nur dann schutzwürdig, wenn es auch im Zeitpunkt des Entscheides (noch) besteht, da nur unter diesen Umständen der mit der angefochtenen Verfügung verbundene strittige Nachteil noch Bestand hat und durch das Urteil behoben werden kann. Das Interesse an einer Beschwerde wird hingegen nicht mehr als aktuell erachtet, wenn die angefochtene Verfügung im Urteilszeitpunkt keine Rechtswirkung mehr entfaltet. Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens dahin, wird die Sache als erledigt erklärt (vgl. BGE 137 I 23 E. 1.3.1 und 136 II 101
E. 1.1).
Auf das Rechtsschutzinteresse als Voraussetzung für die Beschwerdelegitimation wird verzichtet, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen könnten, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und deren Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BGE 137 I 23 E. 1.3.1; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-4263/2017 vom 27. August 2018 E. 1.2.3.1).
Die angefochtene Verfügung ist Teil des durch Art. 4 f. ZWG und Art. 1 f. der Zweitwohnungsverordnung vom 4. Dezember 2015 (ZWV, SR 702.1) vorgesehenen Verfahrens zur Ermittlung und Veröffentlichung der Gesamtzahl der Wohnungen und des Zweitwohnungsanteils. Diesem zufolge haben die Gemeinden jährlich mit Stichtag 31. Dezember dem Bundesamt für Statistik (BFS) bis spätestens 31. Januar des Folgejahres ihre Einwohnerdaten zu liefern sowie Veränderungen zum Vorjahr durch Anpassung im GWR Rechnung zu tragen. Der per Stichtag geltende Stand des GWR wird als Wohnungsinventar gespeichert. Auf der Grundlage der im GWR auf diese Weise erfassten Daten stellt die Vorinstanz für jede Gemeinde jeweils bis zum 31. März fest, ob deren Zweitwohnungsanteil mehr als 20 % beträgt. Ist dies der Fall, informiert sie Ende März die betroffenen Gemeinden und gibt ihnen und den entsprechenden Kantonen Gelegenheit, innert eines Monats Stellung zu nehmen. Innert derselben Frist besteht für die betroffenen Gemeinden die Möglichkeit, selber Korrekturen –
z.B. der Nutzungsart – im Wohnungsinventar mit Stand 31. Dezember vorzunehmen. Führt auch dies nicht dazu, dass der Zweitwohnungsanteil unter 20 % sinkt, verfügt die Vorinstanz – wie vorliegend geschehen – ein Verbot für die Bewilligung von neuen Zweitwohnungen (Art. 4 und 5 ZWG
i.V.m. Art. 1 und Art. 2 ZWV; vgl. ARE, Zweitwohnungsverordnung, Erläuterungen, 18. November 2015, S. 1 ff.).
Gemäss dem dargestellten Verfahren fällt die Rechtswirkung einer Verfügung bezüglich Zweitwohnungsanteil einer Gemeinde dahin, wenn im darauffolgenden Jahr – wie vom ZWG und von der ZWV vorgesehen – die Vorinstanz eine neue, auf die neuen Zahlen des GWR gestützte Verfügung erlässt. In diesem Fall fällt in einem allfälligen Beschwerdeverfahren auch das Rechtsschutzinteresse an einer Aufhebung oder Änderung der alten Verfügung dahin. Vorliegend ist die Beschwerde jedoch – wie soeben zu zeigen sein wird – materiell zu beurteilen, unabhängig davon, ob die Vorinstanz im Frühjahr 2020 eine neue Verfügung bezüglich den Zweitwohnungsanteil der Beschwerdeführerin gestützt auf die Daten per 31.12.2019 erlassen hat oder nicht, was nicht ganz klar ist.
Sollte die Vorinstanz angesichts des laufenden Beschwerdeverfahrens keine neue Verfügung bezüglich den Zweitwohnungsanteil der Beschwerdeführerin erlassen haben, hat diese auch im Zeitpunkt des vorliegenden Urteils unverändert ein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse an der Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Verfügung.
Hat die Vorinstanz seit Einreichung der vorliegenden Beschwerde hingegen eine neue Verfügung erlassen, hat die Beschwerdeführerin im Urteilszeitpunkt zwar kein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung mehr. Jedoch umfasst das vorliegende Beschwerdeverfahren zwei Fragen, deren Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt. Erstens stellt sich die Frage, ob die Vorinstanz bei den betroffenen Wohnungen überprüfen muss, ob diese als den Erstwohungen gleichgestellte Wohnungen zu qualifizieren sind, ohne dass die Gemeinde die Wohnungen im GWR als Wohnungen dieser Kategorie registriert hat. Und zweitens ist die Frage offen, ob auch Wohnungen wie die betroffenen als den Erstwohnungen gleichgestellte Wohnungen im Sinne von Art. 2 Abs. 3 ZWG qualifiziert werden können, auch wenn sie in keine der in Bst. a–h genannten Kategorien fallen. Solche Fragen können sich unter ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen. Der zeitliche Ablauf des Verfahrens gemäss ZWG und ZWV (vgl. E. 1.3.2) führt jedoch dazu, dass eine gerichtliche Überprüfung
durch das Bundesverwaltungsgericht kaum je rechtzeitig erfolgen kann. Sollte das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin deshalb im Urteilszeitpunkt nicht mehr aktuell sein, da die Vorinstanz eine neue Verfügung erlassen hat, ist auf die Voraussetzung des aktuellen Rechtsschutzinteresses ausnahmsweise zu verzichten und die genannten Fragen sind materiell zu prüfen.
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet grundsätzlich mit uneingeschränkter Kognition. Es überprüft die angefochtene Verfügung auf Verletzungen des Bundesrechts – einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens –, auf unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und auf Unangemessenheit (Art. 49 VwVG).
Gemäss Art. 75b Abs. 1 BV ist der Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf höchstens 20 % beschränkt.
Das ZWG regelt die Zulässigkeit des Baus neuer Wohnungen sowie der baulichen und nutzungsmässigen Änderung bestehender Wohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 % (Art. 1 ZWG). Eine Erstwohnung im Sinne des ZWG ist eine Wohnung, die von mindestens einer Person genutzt wird, die in der Gemeinde, in der die Wohnung liegt, niedergelassen ist (Art. 2 Abs. 2 ZWG). Erstwohnungen gleichgestellt sind (u.a.) Wohnungen, die zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden und wegen der Höhenlage nicht ganzjährig für landwirtschaftliche Zwecke zugänglich sind (Art. 2 Abs. 3 Bst. e ZWG). Eine Zweitwohnung im Sinne des ZWG ist eine Wohnung, die weder eine Erstwohnung ist noch einer Erstwohnung gleichgestellt ist (Art. 2 Abs. 4 ZWG).
Jede Gemeinde erstellt jährlich ein Wohnungsinventar. Im Wohnungsinventar sind mindestens die Gesamtzahl der Wohnungen sowie die Anzahl der Erstwohnungen aufzuführen. Die Gemeinde kann zudem die Kategorie der den Erstwohnungen gleichgestellten Wohnungen gesondert aufführen und diese Wohnungskategorie den Erstwohnungen zurechnen (Art. 4 ZWG).
Der Bund stellt für jede Gemeinde auf der Grundlage des Wohnungsinventars den Anteil der Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohnungen fest. Legt eine Gemeinde das Wohnungsinventar nicht fristgemäss vor, so wird für die betreffende Gemeinde ein Zweitwohnungsanteil von über 20 % angenommen. Die zuständige Bundesbehörde kann auf Antrag der Gemeinde bei Vorliegen triftiger Gründe eine Nachfrist gewähren (Art. 5 ZWG).
In Gemeinden, in denen der Zweitwohnungsanteil über 20 % liegt, dürfen keine neuen Zweitwohnungen bewilligt werden. Liegt dieser Anteil unter 20 % und hätte die Erteilung einer Baubewilligung zur Folge, dass die Gemeinde den Zweitwohnungsanteil von 20 % überschreiten würde, so darf die Bewilligung nicht erteilt werden (Art. 6 ZWG).
Erstens ist die Frage zu beurteilen, ob die Vorinstanz bei den betroffenen Wohnungen überprüfen muss, ob diese als den Erstwohnungen gleichgestellte Wohnungen zu qualifizieren sind, ohne dass die Beschwerdeführerin die Wohnungen im GWR als Wohnungen dieser Kategorie registriert hat.
Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, zumindest ein Teil der betroffenen Wohnungen erfülle die Voraussetzungen als den Erstwohnungen gleichgestellte Wohnungen im Sinne von Art. 2 Abs. 3 Bst. e ZWG, ist festzuhalten, dass die Kategorisierung von Wohnungen als «Erstwohnung», den «Erstwohnungen gleichgestellte Wohnung» oder als «Zweitwohnung» für jede Wohnung individuell zu erfolgen hat. Eine pauschale Zuordnung aller in Frage stehenden Wohnungen als den Erstwohnungen gleichgestellt, ohne Rücksicht darauf, ob die einzelnen Wohnungen die entsprechenden Voraussetzungen tatsächlich erfüllen, entspricht nicht den Vorgaben von Art. 2 und 4 ZWG.
Die Aufgabenteilung zwischen Gemeinden und Bundesbehörden bezüglich Kategorisierung der Wohnungen ist im ZWG und in der ZWV geregelt (vgl. E. 1.3.2). Aufgabe der Gemeinden ist es, die Nutzungsart der Wohnungen auf ihrem Gebiet abzuklären und im GWR zu erfassen. Insbesondere ist es an den Gemeinden, Wohnungen als den Erstwohungen gleichgestellt zu registrieren, sofern sie diese Kategorie nutzen wollen, um ihren Zweitwohnungsanteil zu verringern (Art. 4 Abs. 3 ZWG und Art. 1 Abs. 1 ZWV [mit der Marginalie: «Aufgaben und Kompetenzen der Gemeinden»]; vgl. auch Art. 10 der Verordnung über das eidgenössische Gebäudeund Wohnungsregister [VGWR, SR 431.641] sowie ARE, Zweitwohnungsverordnung, Erläuterungen, 18. November 2015, S. 1). Aufgabe der Vorinstanz ist es demgegenüber, jährlich aus den von den Gemeinden erfassten Angaben den Zweitwohnungsanteil der Gemeinden zu berechnen und das Wohnungsinventar zu erstellen. Zudem kann sie die von der Gemeinde gelieferten Daten überprüfen (Art. 5 Abs. 1 ZWG und Art. 2 Abs. 2 und 3 ZWV [mit der Marginalie: «Aufgaben und Kompetenzen des Bundes»]; vgl. auch ARE, Zweitwohnungsverordnung, Erläuterungen,
18. November 2015, S. 2 ff.).
Soweit die Beschwerdeführerin verlangt, die Vorinstanz habe die in Frage stehenden Wohnungen als den Erstwohnungen gleichgestellte Wohnungen zu behandeln, obwohl sie nicht als solche im GWR eingetragen sind, verkennt sie die Rechtslage. Es ist an der Beschwerdeführerin, abzuklären, welche der in Frage stehenden Wohnungen ihrer Meinung nach die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 3 Bst. e ZWG erfüllen, und diese entsprechend im GWR einzutragen. Erst anschliessend ist es an der Vorinstanz, diese Registrierung zu überprüfen und den Zweitwohnungsanteil der Beschwerdeführerin aufgrund dieser (neuen) Angaben zu berechnen.
Da die Beschwerdeführerin ausdrücklich nicht geltend macht, alle in Frage stehenden Wohnungen erfüllten die Voraussetzungen von Art. 2 Abs. 3 Bst. e ZWG, jedoch trotzdem alle Wohnungen als den Erstwohnungen gleichgestellt qualifiziert haben möchte, ist im Folgenden zweitens zu prüfen, ob auch Wohnungen als den Erstwohnungen gleichgestellte Wohnungen im Sinne von Art. 2 Abs. 3 ZWG qualifiziert werden können, auch wenn sie in keine der in Bst. a–h genannten Kategorien fallen. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist, ob es sich bei der Liste von Art. 2 Abs. 3 ZWG um eine abschliessende oder um eine beispielhafte Aufzählung handelt.
Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente nach seiner wahren Tragweite gesucht werden. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich bei neueren Texten kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahe legen. Das Gericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten zu lassen und nur dann allein auf das grammatische Element abzustellen, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergibt (vgl. BGE 131 II 697 E. 4.1 m.w.H.).
Der Wortlaut von Art. 2 Abs. 3 ZWG ist insofern nicht eindeutig, als er keine klaren, sprachlichen Hinweise auf eine abschliessende Aufzählung enthält («nur», «ausschliesslich» etc.). Gleichzeitig enthält die Bestimmung auch keine Hinweise darauf, dass die darin enthaltene Liste von den Erstwohnungen gleichgestellten Wohnungen beispielhaft zu verstehen wäre («namentlich», «insbesondere», «beispielsweise» etc.). Die französische Sprachfassung lässt immerhin eher auf eine abschliessende Aufzählung schliessen («Est assimilé à une résidence principale un logement qui remplit l’une des conditions suivantes:»). Für eine abschliessende Aufzählung spricht zudem, dass Art. 2 Abs. 3 ZWG die Ausnahmekategorien nicht abstrakt umschreibt, sondern einzig eine Aufzählung vornimmt. Die grammatische Auslegung der Bestimmung spricht entsprechend – obwohl nicht eindeutig – eher für eine abschliessende Aufzählung.
Den Materialien sind keine Hinweise zu entnehmen, ob der Gesetzgeber die Aufzählung als abschliessend oder beispielhaft verstanden haben wollte. Weder äussert sich die Botschaft des Bundesrates dazu noch enthalten die Protokolle der beiden Parlamentskammern entsprechende Voten.
Das ZWG hat in Umsetzung des mit der Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen» in die Bundesverfassung aufgenommenen Art. 75b zum Ziel, den Bau von neuen Zweitwohnungen in Gemeinden mit einem hohen Zweitwohnungsanteil zu beschränken (vgl. die Botschaft des Bundesrates zur Initiative vom 29. Oktober 2008, BBl
2008 8757, 8763 f.). Zweitwohnungen werden im ZWG negativ definiert: Eine Zweitwohnung ist eine Wohnung, die weder eine Erstwohnung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZWG noch eine den Erstwohnungen gleichgestellte Wohnung im Sinne von Art. 2 Abs. 3 ZWG ist. Die Einführung der Kategorie der den Erstwohnungen gleichgestellten Wohnungen soll dem Umstand Rechnung tragen, dass es verschiedene Arten von Wohnungen gibt, die zwar keine Erstwohungen im Sinne des ZWG sind, die aber dennoch dauernd bewohnt sind, oder die aus anderen Gründen nicht als Zweitwohnung bezeichnet werden können (Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über Zweitwohnungen vom 19. Februar 2014, BBl 2014 2287, 2298).
In teleologisch-systematischer Hinsicht ist festzuhalten, dass die den Erstwohnungen gleichgestellten Wohnungen eine Kategorie von Wohnungen sind, die nicht Erstwohnungen im engeren Sinn des Wortes darstellen, aber
im Sinne einer Ausnahme – trotzdem als Erstwohnungen zählen. Dies spricht für die Annahme einer abschliessenden Aufzählung, da eine beispielhafte Aufzählung von Ausnahmekategorien dem Ziel von Art. 75b BV und des ZWG, der Anteil an Zweitwohnungen zu beschränken, tendenziell zuwiderlaufen würde.
Damit ist festzuhalten, dass die Aufzählung der den Erstwohnungen gleichgestellten Wohnungen in Art. 2 Abs. 3 ZWG als abschliessend anzusehen ist. Wohnungen, die nicht unter eine der in den Bst. a–h definierten Kategorien subsumiert werden können, sind keine den Erstwohnungen gleichgestellten Wohnungen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten grundsätzlich der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da es sich bei der Beschwerdeführerin jedoch um eine Gemeinde handelt und sich der Streit nicht um vermögensrechtliche Interesse der Beschwerdeführerin drehte, hat sie keine Kosten zu tragen (Art. 63 Abs. 2 VwVG).
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen (Art. 64 VwVG; Art. 7 Abs. 1 und 3 VGKE).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Ref-Nr. ARE-241.51-23-35; Gerichtsurkunde)
das Generalsekretariat UVEK (Gerichtsurkunde)
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Christine Ackermann Tobias Grasdorf
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
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