E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Bundesverwaltungsgericht Urteil A-1878/2018

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-1878/2018
Datum:27.05.2020
Leitsatz/Stichwort:Öffentlichkeitsprinzip
Schlagwörter : Einsicht; Gebühr; Vorinstanz; Bescheid; Gebühren; Bescheide; Verfügung; Bundes; Verfahren; Interesse; Entscheid; Steuergeheimnis; Urteil; Recht; Justizöffentlichkeit; Anonymisierung; Grundsatz; Bundesverwaltungsgericht; Gesuch; Verfahren; Entscheide; Gericht; Person
Rechtsnorm: Art. 30 BV ; Art. 48 BGG ; Art. 48 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 58 VwVG ; Art. 64 VwVG ; Art. 69 StPO ; Art. 98 MWStG;
Referenz BGE:124 I 176; 124 IV 234; 133 I 106; 135 I 198; 139 I 114
Kommentar:
-, Hand zum DBG, ; Art. 6 Ziff, 2016
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung I

A-1878/2018

U r t e i l  v o m  2 7.  M a i  2 0 2 0

Besetzung Richter Maurizio Greppi (Vorsitz),

Richterin Christine Ackermann, Richter Jürg Steiger, Gerichtsschreiberin Laura Bucher.

Parteien Mischa Aebi,

Tamedia AG, SonntagsZeitung, Quartiergasse 23, 3013 Bern, Beschwerdeführer,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,

Eigerstrasse 65, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Zugang zu amtlichen Dokumenten.

Sachverhalt:

A.

Am 11. Dezember 2017 ersuchte Mischa Aebi bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) um Einsicht in sämtliche von dieser im Jahr 2017 ausgestellten Strafbescheide. Am 21. Dezember 2017 teilte die ESTV Mischa Aebi mit, dass sie seinem Gesuch nicht entsprechen könne, weil es sich bei den verlangten Dokumenten um Dokumente des Verwaltungsstrafverfahrens handle, auf die das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung vom 17. Dezember 2004 (BGÖ, SR 152.3) und die Bestimmungen der Strafprozessordnung nicht anwendbar seien. Die Steuerbehörden würden der Geheimhaltungspflicht unterliegen.

B.

Am 27. Dezember 2017 stellte Mischa Aebi ein Schlichtungsgesuch beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDÖB). Die Schlichtungsverhandlung vom 25. Januar 2018 verlief bezüglich Zugangsgewährung ergebnislos. Die Parteien einigten sich jedoch auf eine Präzisierung bzw. Eingrenzung des Zugangsgesuchs.

C.

Am 30. Januar 2018 erliess der EDÖB eine Empfehlung nach Art. 14 BGÖ, wonach er die Anwendung des BGÖ auf abgeschlossene Strafverfahren befürworte und folglich der ESTV empfehle zu prüfen, ob Strafbescheide anonymisiert herausgegeben werden könnten.

D.

Mit Verfügung vom 21. Februar 2018 wies die ESTV das Gesuch von Mischa Aebi in Abweichung zur Empfehlung des EDÖB ab. Das BGÖ sei auf Strafverfahren nicht anwendbar und der Ausschluss gelte sowohl für hängige als auch für abgeschlossene Verfahren.

E.

Mit Schreiben vom 27. März 2018 stellte Mischa Aebi bei der ESTV ein zweites Einsichtsgesuch in die Strafbescheide des Jahres 2017, das sich auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit bezieht, und forderte den Erlass einer anfechtbaren Verfügung, «die nicht auf das Verfahren gemäss BGÖ bezogen ist».

F.

Gegen die Verfügung der ESTV vom 21. Februar 2018 erhebt Mischa Aebi (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 28. März 2018 Beschwerde beim

Bundesverwaltungsgericht. Er beantragt, die Verfügung der ESTV (nachfolgend: Vorinstanz) vom 21. Februar 2018 sei aufzuheben und die Vorinstanz sei zu verpflichten, ihm Einsicht in sämtliche in den Monaten Oktober, November und Dezember 2017 ausgestellten, rechtskräftigen Strafbescheide aus den Bereichen des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 2009 (MWStG, SR 641.20) und des Verrechnungssteuergesetzes vom

13. Oktober 1965 (VStG, SR 642.21) zu gewähren, unter Ausschluss der Strafbescheide nach Art. 98 Bst. b MWStG und Art. 62-64 VStG. Eventualiter sei die Einsicht unter Auflagen zu gewähren. Zudem beantragt der Beschwerdeführer, das «Verfahren nach BGÖ» zu sistieren, bis im «Verfahren ausserhalb des BGÖ» ein rechtskräftiger Entscheid vorliege (vgl. vorstehend Ziff. E). Es sei nicht einzusehen, weshalb das Öffentlichkeitsprinzip auf die ESTV nicht anwendbar sein soll, sowohl Swissmedic als auch die Bundesanwaltschaft hätten eine andere Praxis. Auch Strafbescheide des Verwaltungsstrafrechts würden dem Grundsatz der Justizöffentlichkeit unterliegen, dieser sei bei der Auslegung des BGÖ zu berücksichtigen.

G.

Mit Zwischenverfügung vom 25. April 2018 sistiert das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren bis zum Entscheid der Vorinstanz über das Wiedererwägungsbegehren des Beschwerdeführers vom 28. März 2018 oder bis der Wiedererwägungsentscheid der Vorinstanz weitergezogen werde.

H.

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2018 macht die Vorinstanz geltend, beim Einsichtsgesuch vom 27. März 2018 handle es sich nicht um ein Wiedererwägungsgesuch. Zwar seien die Begehren identisch, die Ergebnisse der Verfahren nach dem BGÖ und gestützt auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit könnten jedoch unterschiedlich ausfallen. Selbst wenn der Entscheid im Verfahren gestützt auf die Justizöffentlichkeit dazu führen würde, dass der Gesuchsteller nicht an seiner Beschwerde nach BGÖ festhalten wolle, sei es entscheidend, welche Rechtsgrundlage zur Anwendung komme. Sie halte an ihrer Verfügung vom 21. Februar 2018, wonach das BGÖ nicht anwendbar sei, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens betreffend das Gesuch vom 27. März 2018 fest. Am 25. April 2019 bekräftigt die Vorinstanz ihren Standpunkt.

I.

Mit Verfügung vom 29. August 2019 heisst die Vorinstanz das Gesuch des Beschwerdeführers vom 27. März 2018 teilweise gut, indem sie dem Beschwerdeführer in anonymisierter Form Einsicht in die von der ESTV erlassenen rechtskräftigen Strafbescheide aus den Bereichen Mehrwertsteuer und Verrechnungssteuer für das Jahr 2017 gewährt, unter Ausschluss der Strafbescheide nach Art. 98 Bst. b MWStG und Art. 62-64 VStG. Am

3. September 2019 hebt das Bundesverwaltungsgericht die Sistierung auf.

J.

Am 30. September 2019 erhebt der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Verfügung der Vorinstanz vom

29. August 2019 (Verfahren A-5070/2019) und beantragt, die Verfügung sei aufzuheben und ihm sei Einsicht in sämtliche von der Vorinstanz in den Monaten Oktober, November und Dezember 2017 ausgestellten, rechtskräftigen Strafbescheide aus den Bereichen des MWStG und des VStG zu gewähren, unter Ausschluss der Strafbescheide nach Art. 98 lit. b MWStG und Art. 62-64 VStG. Eventualiter sei die Einsicht unter Auflagen wie etwa Anonymisierung zu gewähren. Zudem sei für die Einsichtnahme keine Gebühr zu erheben, eventualiter sei ihm als Medienschaffender eine Gebührenreduktion von mindestens 50% zu gewähren. In prozessualer Hinsicht wird die Vereinigung mit dem bereits hängigen Verfahren beantragt sowie die Verpflichtung der Vorinstanz, die zur Einsicht beantragten Dokumente dem Gericht vollständig vorzulegen. Zur Begründung bringt der Beschwerdeführer vor, selbst wenn das BGÖ nicht anwendbar sein sollte, müsse ihm Einsicht gewährt werden, weil Strafbescheide dem Grundsatz der Justizöffentlichkeit unterliegen würden. Die Vorinstanz stelle zudem faktisch prohibitive Gebühren in Aussicht und damit die Wirksamkeit der Justizöffentlichkeit in Frage.

K.

Mit Vernehmlassung vom 1. November 2019 beantragt die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerden. Am Standpunkt, wonach das BGÖ auf abgeschlossene Verfahren nicht anwendbar sei, werde gestützt auf den Gesetzeswortlaut und die Botschaft festgehalten. Der Grundsatz der Justizöffentlichkeit gelange hingegen zur Anwendung, weshalb der Zugang zu den verlangten Dokumenten gestützt darauf grundsätzlich möglich sei - in anonymisierter Form, womit dem Interesse der Öffentlichkeit an den Steuerstrafverfahren genügend Rechnung getragen werde. Durch die Offenlegung von Informationen, welche dem Steuergeheimnis unterliegen, könne die ESTV strafrechtlich verfolgt oder verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert werden. Bezüglich der Gebühren führt die Vorinstanz aus, aufgrund des reduzierten Einsichtsgesuchs würden sich auch die Gebühren reduzieren. Sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass wie von ihr beantragt die

Strafbescheide zu anonymisieren seien, würde sie künftig laufend ihre Entscheide anonymisiert während 30 Tagen ab Rechtskraft zur Einsicht auflegen, ohne dafür Kosten in Rechnung zu stellen. Folglich würden für die zur Einsicht beantragten Entscheide keine Kosten erhoben. Für die Einsicht in früher zur Einsicht aufgelegte Entscheide würde ein Teil der Kosten überbunden. Für die Beurteilung der Anwendbarkeit des BGÖ sei es zudem nicht notwendig, den Inhalt der einzelnen Strafbescheide zu kennen. In welchem Umfang die Anonymisierung zu erfolgen habe, sei unter dem Gesichtspunkt des Steuergeheimnisses im Einzelfall zu beurteilen. Weil alle Strafbescheide dem Steuergeheimnis unterliegende Inhalte aufweisen würden, sei für die Beurteilung, ob eine Anonymisierung vorzunehmen sei, die Einsicht ebenfalls nicht nötig.

L.

Mit Zwischenverfügung vom 5. November 2019 vereinigt das Bundesverwaltungsgericht die Verfahren A-1878/2018 und A-5070/2019 und führt sie unter der Verfahrensnummer A-1878/2018 weiter.

M.

In seinen Schlussbemerkungen vom 6. Dezember 2019 hält der Beschwerdeführer an den gestellten Anträgen fest. Medienschaffende hätten grundsätzlich das Recht auf vollumfängliche Einsicht in Justizentscheide. Die Beschwerdeinstanz habe anhand der vorzulegenden Strafbescheide zu beurteilen, ob und inwieweit Schwärzungen anzuordnen seien.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Bei den angefochtenen Entscheiden handelt es sich um Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG, die von einer Vorinstanz im Sinne von Art. 33 VGG erlassen wurde. Da keine Ausnahme gemäss Art. 32 VGG vorliegt, ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Beschwerde zuständig (Art. 31 VGG und Art. 44 VwVG; vgl. auch Art. 16 Abs. 1 BGÖ, der auf die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege verweist). Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes vorsieht (Art. 37 VGG).

    2. Zur Beschwerde ist nach Art. 48 Abs. 1 VwVG berechtigt, wer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Der Beschwerdeführer ist als Adressat der angefochtenen Verfügungen ohne Weiteres zur Beschwerde berechtigt.

    3. Auf die fristund formgerecht eingereichten Beschwerden (vgl. Art. 50 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist somit einzutreten.

2.

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet grundsätzlich mit uneingeschränkter Kognition. Es überprüft die angefochtene Verfügung auf Verletzungen des Bundesrechts - einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens -, auf unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und auf Unangemessenheit (Art. 49 VwVG).

3.

    1. Angefochten sind zwei Verfügungen, welche den Entscheid über zwei gleichlautende Zugangsgesuche zum Inhalt haben. Nachdem die Vorinstanz die Einsicht gestützt auf das BGÖ verweigert und der Beschwerdeführer die ablehnende Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht angefochten hatte, stellte der Beschwerdeführer am 27. März 2018 ein zweites identisches Gesuch gestützt auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit. Entsprechend stellte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Zwischenverfügung vom 25. April 2018 fest, es handle sich beim zweiten Gesuch um ein Wiedererwägungsbegehren, weil es identisch sei mit dem im Streit liegenden Beschwerdebegehren und sich nur durch die rechtliche Begründung unterscheide.

      Dagegen macht die Vorinstanz geltend, beim Einsichtsgesuch vom

      27. März 2018 handle es sich nicht um ein Wiedererwägungsgesuch. Zwar seien die Begehren identisch, die Ergebnisse der Verfahren nach dem BGÖ und gestützt auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit könnten jedoch unterschiedlich ausfallen, weshalb sie an ihrer Verfügung vom

      21. Februar 2018 festhalte.

    2. Beim Gesuch vom 27. März 2018 ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz von einem Wiedererwägungsgesuch auszugehen. Der nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführer begründet darin sein bereits gestelltes Einsichtsgesuch mit einer anderen Rechtsgrundlage, die die Vorinstanz in ihrer ursprünglich ablehnenden Verfügung nicht erwähnt oder geprüft hatte. Weil die Vorinstanz in der Folge das zweite identische Gesuch des Beschwerdeführers gestützt auf eine neue Rechtsgrundlage und bei gleichem Sachverhalt teilweise guthiess, indem sie die Einsicht in die gewünschten Strafbescheide in anonymisierter Form gewährte, ist sie auf die angefochtene Verfügung vom 21. Februar 2018 zurückgekommen und hat sie in Wiedererwägung gezogen (vgl. Art. 58 VwVG).

    3. Mit der teilweisen Gutheissung des Einsichtsgesuchs des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz die Verfügung vom 21. Februar 2018 zugunsten des Beschwerdeführers abgeändert. Insoweit wird die Beschwerde vom 28. März 2018 gegenstandslos (vgl. Art. 58 Abs. 3 VwVG; AUGUST MÄCHLER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar VwVG, 2. Aufl. 2019, Art. 58 Rz. 1 und 20; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren

      und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 705 und 708).

    4. Die Vorinstanz ist mit ihrer Verfügung vom 29. August 2019 auf die Verfügung vom 21. Februar 2018 zurückgekommen und hat dem Einsichtsgesuch des Beschwerdeführers grundsätzlich entsprochen, indem sie ihm gestützt auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit Einsicht in die gewünschten Strafbescheide gewährt. Folglich kann offen bleiben, ob das BGÖ im vorliegenden Fall anwendbar wäre.

Unter Verweis auf das Steuergeheimnis soll die Bekanntgabe der Strafbescheide in anonymisierter Form erfolgen. Der Beschwerdeführer beantragt jedoch mit Beschwerde vom 30. September 2019 Einsicht in die unanonymisierten Entscheide, eventualiter anonymisiert, und dass dafür keine Gebühr erhoben wird, eventualiter sei ihm eine Gebührenreduktion von mindestens 50% zu gewähren. Folglich bleibt nachfolgend zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht die Entscheide lediglich anonymisiert zur Einsicht freigibt und ob die von der Vorinstanz verfügte Gebührenpflicht rechtmässig ist.

4.

    1. Nach dem in Art. 30 Abs. 3 BV niedergelegten Verkündungsgebot ist die Urteilsverkündung öffentlich. Parallele Bestimmungen finden sich in Art. 6 Ziff. 1 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) sowie in Art. 14 Abs. 1

      des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II, SR 0.103.2). In Konkretisierung dessen sieht etwa Art. 69 Abs. 2 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom

      5. Oktober 2007 (StPO, SR 312.0) vor, dass interessierte Personen in die Urteile und Strafbefehle Einsicht nehmen können, wobei das eigentliche Strafbefehlsverfahren aber nicht öffentlich ist (Art. 69 Abs. 3 StPO; Urteil des BVGer A-3402/2018 vom 15. Februar 2019 E. 2.3.2). Der Grundsatz der öffentlichen Urteilsverkündung gilt für alle Entscheide über strafrechtliche Anklagen und damit auch für solche, die in einem (abgekürzten) Strafbefehlsverfahren ergangen sind (vgl. BGE 124 IV 234 E. 3c ff.; Urteil des BGer 6B_508/2007 vom 18. Februar 2008 E. 2; zum Ganzen Urteil des BVGer A-3402/2018 vom 15. Februar 2019 E. 2.3.1 und 2.3.2).

    2. Aus Art. 30 Abs. 3 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II ergibt sich kein pauschaler und unbeschränkter Anspruch von nicht verfahrensbeteiligten Dritten, in Straferkenntnisse Einsicht zu nehmen. Ein Einsichtsrecht ist nur dann zu bejahen, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Informationsinteresse nachweisen kann und keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen der beantragten Einsichtnahme entgegenstehen. Dabei ist namentlich besonderen Geheimhaltungsinteressen der Justizbehörden oder von mitbetroffenen Dritten Rechnung zu tragen. Einsichtsgesuche dürfen das gute Funktionieren der Strafjustiz nicht gefährden und finden eine Schranke auch am Rechtsmissbrauchsverbot. Bei entgegenstehenden privaten oder öffentlichen Interessen ist zu prüfen, ob diesen durch Kürzung oder Anonymisierung ausreichend Rechnung getragen werden kann (BGE 124 IV 234 E. 3c, 134 I 281

      E. E. 6.3, 6.5-6.6 mit Hinweisen; Urteil des BGer 1C_258/2008 vom 20. November 2008 E. 4.2). Das Bundesgericht hielt wiederholt fest, dass den Mindestanforderungen des Verkündungsgebots Genüge getan sei, wenn der Entscheid bei einer der Öffentlichkeit zugänglichen Kanzlei aufliege, wo jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft mache, den vollständigen Text des Entscheids einsehen oder sich eine Kopie erstellen lassen könne. Sofern keine besonderen, schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen - bei deren Vorliegen allenfalls die Öffentlichkeit ausnahmsweise von den Verhandlungen ausgeschlossen werden könnte - ersichtlich seien, habe der Berechtigte Anspruch auf Kenntnisnahme des vollständigen, ungekürzten und nicht anonymisierten Urteils. Dazu genüge es, wenn die Verwaltung den im Verwaltungsstrafverfahren ausgefällten Strafbescheid für einige Zeit auf der Kanzlei zur Einsicht durch Interessierte auflege oder einem Berechtigten auf besonderes Ersuchen hin Einsicht in einen Strafbescheid gewähre. Es bestehe indessen kein Anspruch auf Aushändigung einer Kopie (BGE 124 IV 234 E. 3e, mit zahlreichen Hinweisen; bestätigt in weiteren Urteilen des BGer 1C_252/2008 vom 4. September 2008 E. 2.1; 1P.298/2006 vom 1. September 2006 E. 2.2; 6B_508/2007

      vom 18. Februar 2008 E. 2). Insbesondere vermitteln die genannten Rechtsgrundlagen keinen Anspruch auf Mitteilung von im Strafverfahren ermittelten Detailinformationen über die persönlichen Verhältnisse von Verurteilten, sofern hierfür kein schutzwürdiges Informationsinteresse dargelegt werden kann (vgl. Urteil des BGer 1C_258/2008 vom 20. November 2008 E. 5). Ein Anspruch auf Zustellung einer kostenlosen, nicht anonymisierten Kopie lässt sich gestützt auf das Verfassungsund Konventionsrecht nicht ableiten (vgl. zum Ganzen Urteil des BVGer A-3402/2018 vom 15. Februar 2019 E. 2.3.2).

    3. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz festgestellt, dass der Grundsatz der öffentlichen Urteilsverkündigung auf die von der Vorinstanz erlassenen rechtskräftigen Strafbescheide anwendbar sei und hat dem Beschwerdeführer grundsätzlich Einsicht gewährt. Unter Verweis auf die sich aus dem Steuergeheimnis ergebende qualifizierte Geheimhaltungsplicht und weiterer Geheimhaltungsinteressen entschied die Vorinstanz jedoch, die Einsicht in die gewünschten Strafbescheide nur in anonymisierter Form zu gewähren.

    4. Der Beschwerdeführer beantragt die uneingeschränkte Einsicht, eventualiter sei die Einsicht unter Auflagen wie etwa der Anonymisierung zu gewähren, welche das Gericht nach Ermessen und unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips festzulegen habe. Er macht geltend, kantonale Gerichte und auch das Bundesstrafgericht würden trotz des Steuergeheimnisses Entscheide in Steuersachen unanonymisiert auflegen. Die Justizöffentlichkeit könne nicht generell für ein bestimmtes Rechtsgebiet ausgeschlossen werden. Das Auflegen eines unanonymisierten Urteils bedeute keineswegs, dass die entsprechenden Informationen öffentlich gemacht werden dürften. Über die Anonymisierung sei im Einzelfall mittels Interessenabwägung zu entscheiden. Das Steuergeheimnis gelte nicht absolut, sondern müsse bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses zurücktreten. Das Steuergeheimnis sei ein Anwendungsfall des Schutzes der Privatsphäre. Auch im Steuerrecht sei anerkannt, dass das Interesse der Öffentlichkeit dasjenige an Privatsphäre überwiegen könne. Es sei in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Medienschaffenden grundsätzlich das Recht auf vollumfängliche Einsicht in Justizentscheide

      hätten. Aus dem Grundsatz der Justizöffentlichkeit würden sich die Informationsrechte von Medienschaffenden ableiten.

    5. Dem hält die Vorinstanz entgegen, im Gegensatz zur ESTV sei für das Bundesstrafgericht die Strafprozessordnung anwendbar. Für die ESTV sei keine Pflicht zur Veröffentlichung von Entscheiden in einem Gesetz vorgesehen, weshalb die Praxis anderer Strafbehörden nicht analog angewendet werden könne. Durch die Offenlegung von Informationen, welche dem Steuergeheimnis unterliegen, könnten die verantwortlichen Personen zudem wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses verfolgt und sanktioniert werden. Der Umfang der Anonymisierung sei im Einzelfall zu beurteilen. Eine Interessenabwägung sei bereits durch das Gesetz vorgenommen, deshalb müssten sämtliche Strafbescheide bis zu einem gewissen Umfang anonymisiert werden, sodass keine Rückschlüsse auf steuerpflichtige Personen möglich seien. Hinweise auf persönliche und finanzielle Verhältnisse seien einzuschwärzen. Das Steuergeheimnis könne nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage aufgehoben werden. Eine solche liege für die Veröffentlichung der Strafbescheide nicht vor.

    6. In den hier interessierenden Bereichen des Mehrwertsteuergesetzes und des Verrechnungssteuergesetzes statuieren Art. 74 MWStG und Art. 37 ein Geheimhaltungsgebot (sog. Steuergeheimnis). Gemäss Art. 74 MWStG und Art. 37 VStG hat, wer mit dem Vollzug dieser Gesetze betraut ist, gegenüber anderen Amtsstellen, Behörden und Privaten über die in Ausübung seines Amtes gemachten Wahrnehmungen Stillschweigen zu bewahren und den Einblick in amtliche Akten zu verweigern. Weil das Rechtsmittelverfahren dem Vollzug zugeordnet ist, gilt die Geheimhaltungspflicht auch für Steuerjustizbehörden und in der Strafverfolgung, soweit sie nicht durch übergeordnetes Recht oder spezialgesetzliche Regelungen aufgehoben ist. Zu denken ist hierbei an die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen und Urteilsverkündungen (BEATRICE BLUM, in: Geiger/Schluckebier [Hrsg.], Kommentar MWStG, 2. Aufl. 2019, Art. 74 Rz. 14).

    7. Die steuerpflichtigen Personen sind verpflichtet, den Steuerbehörden private Daten zu ihren persönlichen und finanziellen Verhältnissen bekannt zu geben (vgl. Art. 68 MWStG, Art. 39 VStG). Als Gegengewicht zu diesen substantiellen Offenlegungspflichten verpflichtet das Steuergeheimnis die Steuerbehörden dazu, diese Daten geheim zu halten. Gegenstand des Steuergeheimnisses sind damit grundsätzlich sämtliche der Privatsphäre

      zuzuordnenden Tatsachen (finanzielle, berufliche oder persönliche Verhältnisse), die eine steuerpflichtige Person in Erfüllung ihrer Verfahrenspflichten der Steuerbehörde im Verlauf eines Veranlagungs-, Rechtsmitteloder Steuerstrafverfahrens bekannt gibt. Geheim sind einerseits Personendaten, anderseits auch Informationen mit Geheimnischarakter, namentlich Geschäftsund Fabrikationsgeheimnisse. Ebenfalls vom Steuergeheimnis erfasst sind Angaben von Dritten, die diese im Zusammenhang mit einer Veranlagung aufgrund einer Amtshilfe, Bescheinigungsoder Auskunftspflicht gemacht haben. Damit dient das Steuergeheimnis mittelbar auch der Sachverhaltsermittlung, indem auskunftspflichtigen Dritten die ihnen obliegende Offenlegung erleichtert wird. Schliesslich wird als Zweck des Steuergeheimnisses angeführt, die Schweigepflicht diene dem öffentlichen Interesse, indem sie ein Klima des Vertrauens zwischen steuerpflichtiger Person und den Steuerbehörden begünstige (ZWEIFEL/CASANOVA/BEUSCH/HUNZIKER, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht Direkte Steuern, 2. Aufl. 2018, § 10 Rz. 1; zum Ganzen Urteil des BVGer A-6244/2018 vom 12. September 2019 E. 6.4.1 mit Hinweisen). Dem Steuergeheimnis kommt aufgrund seiner gesetzlichen Verankerung und seiner Ziele somit ein hoher Stellenwert zu, selbst wenn das Bundesgericht die Daten über die persönlichen finanziellen Verhältnisse nicht zu den besonders schützenswerten Personendaten zählt (ISABELLE HÄNER, Öffentlichkeitsprinzip in der Steuerverwaltung, in: Expert Focus 2017/6-7, S. 452 f.; vgl. BGE 124 I 176 E. 2; MARTIN ZWEIFEL/SILVIA HUNZIKER, in: Zwei-

      fel/Beusch [Hrsg.], Kommentar Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden StHG, 3. Aufl. 2017, Art. 39 Rz. 3 mit zahlreichen Hinweisen).

    8. Aus dem Verkündigungsgebot von Art. 30 Abs. 3 BV ergibt sich eine Ausnahme von der Schweigepflicht (ZWEIFEL/CASANOVA/BEUSCH/HUNZIKER, a.a.O., § 10 Rz. 7; ZWEIFEL/HUNZIKER, a.a.O., Art. 39 Rz. 10). Das

      Steuergeheimnis steht der Gerichtsöffentlichkeit gemäss Art. 30 Abs. 3 BV nicht grundsätzlich entgegen, sodass im Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse an Transparenz und dem Interesse am Schutz der finanziellen Privatsphäre vorzunehmen ist (vgl. BGE 135 I 198

      E. 2.3 und E. 3; MARKUS LEIBUNDGUT, in: Zweifel/Beusch/Bauer-Balmelli [Hrsg.], Kommentar Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer VStG,

      2. Aufl. 2012, Art. 37 Rz. 16 mit Hinweisen). Keine Verletzung des Steuergeheimnisses liegt in der Veröffentlichung von Steuerentscheiden, sofern die Identität des Steuerpflichtigen geheim bleibt (FELIX RICHNER/WALTER FREI/STEFAN KAUFMANN/HANS ULRICH MEUTER, in: Handkommentar zum DBG, 3. Aufl. 2016, Art. 110 Rz. 8.; ROK BEZGEOVSEK, Art. 6 Ziff. 1 EMRK

      und das steuerrechtliche Verfahren, in: SStR Schriften zum Steuerrecht Band Nr. 12 / 2002, S. 298 ff., S. 306; zum Ganzen Urteil des BVGer A-6244/2018 vom 12. September 2019 E. 6.4.1).

    9. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die von der Vorinstanz gewährte Einsicht in die Strafbescheide in anonymisierter Form geeignet ist, um dem gestützt auf die Justizöffentlichkeit berechtigten Einsichtsanspruch des Beschwerdeführers bei gleichzeitiger Wahrung des Steuergeheimnisses gerecht zu werden (vgl. BGE 133 I 106 E. 8.3; 124 IV 234 E. 3c). Die Anonymisierung ist so vorzunehmen, dass die Identität der Verurteilten in jedem Fall geheim bleibt und nicht hergeleitet werden kann. Unter dieser Voraussetzung müssen einzelne Angaben zu den finanziellen Verhältnissen der vom Strafbescheid Betroffenen entgegen der Vorinstanz nicht immer geschwärzt werden. Einer in diesem Sinne anonymisierten Bekanntgabe der Strafbefehle stehen weder das Steuergeheimnis noch der Schutz der Privatsphäre der betroffenen steuerpflichtigen Personen entgegen (vgl. auch Urteil des BVGer A-6255/2018 vom 12. September 2019 E. 6.4).

Bei diesem Ergebnis ist die Beschwerde im Hauptpunkt abzuweisen und im Eventualpunkt im Sinne der eben gemachten Erwägung gutzuheissen. Auf die vom Beschwerdeführer beantragte Einsicht in die nicht anonymisierten Strafbescheide durch das Bundesverwaltungsgericht kann verzichtet werden, weil die Strafbescheide jeweils gleich aufgebaut sind und es für die Vorgaben bezüglich Anonymisierung nicht nötig ist, in die einzelnen Strafbescheide Einsicht zu nehmen.

5.

    1. Weiter beantragt der Beschwerdeführer, für die Einsichtnahme seien keine Gebühren zu erheben, eventualiter sei ihm als Medienschaffenden eine Gebührenreduktion von mindestens 50% zu gewähren. Er bringt vor, Gebühren im Bereich der Justizöffentlichkeit dürften, soweit überhaupt erhoben, nicht prohibitiv wirken. Gebühren seien geeignet, die Medienschaffenden davon abzuhalten, Themen von öffentlichem Interesse weiterzuverfolgen. Der Grundsatz der Gebührenreduktion sei nicht auf Fälle im Anwendungsbereich des BGÖ beschränkt, sondern in jedem Fall anwendbar. Die Verfügung der Vorinstanz schliesse von vornherein eine Gebührenbefreiung oder einen Gebührenverzicht für Medienschaffende aus, was verfassungswidrig sei.

    2. Die Vorinstanz hat verfügt, dass sie für die Einsichtnahme in die Strafbescheide eine Gebühr erheben wird.

      In der Vernehmlassung präzisiert die Vorinstanz, die Gebührenbemessung gemäss BGÖ komme nicht zur Anwendung, werde jedoch nicht per se ausgeschlossen. Weil der Beschwerdeführer sein Gesuch eingeschränkt habe, müssten nur noch 35 Strafbescheide vorgelegt werden, was einen geringeren Aufwand für das Zusammentragen und Aufbereiten und somit tiefere Gebühren nach sich ziehen würde. Der Aufwand für die Anonymisierung könne dem Gesuchsteller nicht vollumfänglich überwälzt werden. Sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass eine Anonymisierung vorzunehmen sei, werde sie ihre Entscheide laufend anonymisiert während 30 Tagen ab deren Rechtskraft zur Einsicht auflegen, ohne dafür Kosten in Rechnung zu stellen. Für die Einsicht in die von Oktober bis Dezember 2017 erlassenen Entscheide würden keine Anonymisierungskosten in Rechnung gestellt werden. Für den Aufwand für das Zusammentragen und Aufbereiten der verlangten Entscheide könne jedoch eine Gebühr in Rechnung gestellt werden, wobei das öffentliche Interesse am Zugang zu berücksichtigen sei. Bei einem Gebührenbetrag von Fr. 100.- bis 150.- pro Stunde könne von einer prohibitiven Auswirkung der Gebühr keine Rede sein.

    3. In seinen Schlussbemerkungen hält der Beschwerdeführer dazu fest, es sei weiterhin unklar, welche Kosten die Vorinstanz erheben werde. Falls die Vorinstanz keine Kosten berechne, werde das begrüsst. Es könne jedoch auch sein, dass die Zusage der Kostenlosigkeit nur die Anonymisierung der Strafbescheide und nicht das Zusammentragen und Aufbereiten abdecke. Für diesen Fall halte er an seinem Begehren fest, wonach keine bzw. eventualiter keine prohibitiv hohen Gebühren zu berechnen seien.

    4. Die Vorinstanz hat zugesichert, in Zukunft die Strafbescheide anonymisiert zur Einsicht aufzulegen und dafür keine Gebühren zu verlangen. Ebenfalls hat sie zugesichert, für die vom Beschwerdeführer verlangten Strafbescheide der Monate Oktober bis Dezember 2017 keine Anonymisierungskosten in Rechnung zu stellen. Für die vom Beschwerdeführer verlangten Strafbescheide hat sie jedoch noch keine konkrete Gebühr verfügt und lediglich festgestellt, dass sie grundsätzlich eine Gebühr erheben werde. Zu prüfen bleibt damit nachfolgend, ob der Beschwerdeführer für die beantragte Einsicht in die Strafbescheide der Monate Oktober bis Dezember 2017 (ohne Aufwand für die Anonymisierung) gestützt auf den Anspruch auf Justizöffentlichkeit Anspruch auf einen Gebührenerlass oder eventualiter auf eine Gebührenreduktion von mindestens 50% hat.

    5. Gemäss Art. 1 Abs. 1 Bst. a der Verordnung über Gebühren für Verfügungen und Dienstleistungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom

      21. Mai 2014 (GebV-ESTV, SR 642.31) erhebt die ESTV Gebühren für Dienstleistungen, namentlich unter anderem für Gutachten und schriftliche Auskünfte. Die Gebühren werden nach Zeitaufwand festgelegt und der Stundensatz beträgt je nach erforderlicher Sachkenntnis 100-250 Franken (Art. 3 GebV-ESTV). Soweit die Verordnung keine besondere Regelung erhält, gelten die Bestimmungen der Allgemeinen Gebührenverordnung vom 8. September 2004 (AllgGebV, SR 172.041.1).

    6. Gemäss Art. 2 AllgGebV hat eine Gebühr zu bezahlen, wer eine Verfügung veranlasst oder eine Dienstleistung beansprucht. Auf eine Gebührenerhebung kann verzichtet werden, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verfügung oder der Dienstleistung besteht oder es sich um Verfügungen oder Dienstleistungen mit geringem Aufwand, insbesondere um einfache Auskünfte, handelt (Art. 3 Abs. 2 AllgGebV). Art. 3 Abs. 2 Bst. a AllgGebV verlangt eine Interessenabwägung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Medien zur seriösen Meinungsbildung und zur Kontrolle behördlicher Tätigkeiten regelmässig auf Zugang zu amtlichen Dokumenten angewiesen sind und die Kumulation von (für sich allein bescheidenen) Gebühren sich als tatsächliche Zugangsbeschränkung auswirken könnte (BGE 139 I 114 E. 4.3; vgl. CHRISTOPH BORN, Öffentlichkeitsgesetz: Abschied von den Gebühren für Medienschaffende, in: Medialex 2013 S. 105 ff.).

      Gemäss Art. 5 AllgGebV werden die Gebührensätze nach Zeitaufwand oder pauschal festgelegt (Abs. 1) und berücksichtigen das öffentliche Interesse oder den Nutzen der gebührenpflichtigen Person (Abs. 2). Gemäss Art. 13 AllgGebV kann die Verwaltungseinheit die Gebühr wegen Bedürftigkeit der gebührenpflichtigen Person oder aus anderen wichtigen Gründen stunden, herabsetzen oder erlassen. In jedem Fall hat die Verwaltungseinheit die Gebühr im Einzelfall und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände innerhalb des massgebenden Gebührenansatzes festzulegen (Art. 7 AllgGebV).

    7. Weder die Informationsfreiheit noch die Medienfreiheit vermitteln einen unmittelbaren, direkt durchsetzbaren Anspruch auf Gebührenbefreiung

      (Urteil des BVGer A-3299/2016 vom 24. Mai 2017 E. 3.2 mit Hinweis; BGE 139 I 114 E. 4). Art. 3 Abs. 2 AllgGebV stellt sodann lediglich eine KannVorschrift dar und räumt dem Beschwerdeführer ebenfalls keinen Anspruch auf Gebührenbefreiung ein, auch wenn das Vorliegen eines öffentlichen Interesses grundsätzlich zu bejahen ist (vgl. Urteil des BVGer A-5625/2016 vom 20. Dezember 2017 E. 4.4). Offensichtlich hat die Vorinstanz dem öffentlichen Interesse am Zugang der Medien zu den Strafbescheiden bzw. dem Interesse an der Verwirklichung des Grundsatzes der Justizöffentlichkeit jedoch dahingehend Rechnung getragen, als dass sie auf die Kosten für die Anonymisierung verzichtet und einen reduzierten Gebührenrahmen angekündigt hat. Mit dem in Aussicht gestellten Stundenansatz von Fr. 100-150.- pro Stunde bewegt sie sich am untersten Rand des anwendbaren Gebührenrahmens von Art. 3 GebV-ESTV.

    8. Insgesamt ist die Auferlegung von Gebühren an den Beschwerdeführer für das Zusammentragen und Aufbereiten der 35 Strafbescheide für die Zeit zwischen Oktober und Dezember 2017 im erwähnten Rahmen und unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses am Zugang nicht zu beanstanden. Weil noch keine konkrete Gebühr festgelegt wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu. Ebenso erübrigen sich Ausführungen zur Frage, ob der Beschwerdeführer gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip Anspruch auf eine Gebührenbefreiung oder -reduktion haben könnte, auch wenn sich das vorliegend zu beurteilende Gesuch auf den Grundsatz der Justizöffentlichkeit stützt (vgl. E. 3). Sollte der Beschwerdeführer mit einer später in Rechnung gestellten Gebühr nicht einverstanden sein, kann er eine anfechtbare Verfügung verlangen. In Bezug auf den vom Beschwerdeführer beantragten Verzicht auf die Gebührenerhebung oder die Gebührenreduktion ist die Beschwerde somit abzuweisen.

6.

    1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die auf insgesamt Fr. 1'500.- festzulegenden Verfahrenskosten nach dem Grad des Durchdringens und unter Berücksichtigung der Wiedererwägung durch die Vorinstanz zu einem Drittel dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Der Vorinstanz sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1, 2 und 5 VwVG; Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der einbezahlte Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1'500.- ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden. Der Differenzbetrag von Fr. 1’000.- ist dem Beschwerdeführer zurückzuerstatten.

    2. Auf die Zusprechung einer Parteientschädigung ist zu verzichten, da nicht davon auszugehen ist, dass dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer aus der Einreichung der Beschwerden verhältnismässig hohe Kosten erwachsen sind (Art. 64 Abs. 1 VwVG).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Das Beschwerdeverfahren wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben, soweit die Vorinstanz die Verfügung vom 21. Februar 2018 zu Gunsten des Beschwerdeführers in Wiedererwägung gezogen hat.

2.

Die Beschwerde vom 30. September 2019 wird teilweise gutgeheissen und die Verfügung vom 29. August 2019 wird im Sinne der Erwägungen teilweise aufgehoben. Die Vorinstanz wird angewiesen, dem Beschwerdeführer die Einsicht in die verlangten Strafbescheide der Monate Oktober, November und Dezember 2017 in anonymisierter Form gemäss den Erwägungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

3.

Die Verfahrenskosten werden im Umfang von Fr. 500.- dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag wird dem Kostenvorschuss entnommen. Der Restbetrag von Fr. 1’000.- wird dem Beschwerdeführer nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Entscheids zurückerstattet.

4.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

5.

Dieses Urteil geht an:

  • den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Gerichtsurkunde)

  • den EDÖB (Kopie z.K.)

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Maurizio Greppi Laura Bucher

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.