Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-1696/2019 |
Datum: | 10.05.2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) |
Schlagwörter : | ändig; Vorinstanz; Mitgliedstaat; Dublin-III-VO; Asylgesuch; Behörden; Schweiz; Verfügung; Akten; Bundesverwaltungsgericht; Recht; Staat; Belgien; Zuständigkeit; Verfahren; Sinne; Antrag; Wiederaufnahmegesuch; Migration; Beschwerdeführers; Wegweisung; Person; Eurodac; Kriterien; Sachverhalt; Ehevorbereitungsverfahren |
Rechtsnorm: | Art. 52 VwVG ;Art. 61 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 83 BGG ;Art. 98 ZGB ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung VI F-1696/2019
Besetzung Richter Martin Kayser (Vorsitz), Richter Walter Lang,
Richterin Jenny de Coulon Scuntaro, Gerichtsschreiberin Karin Schnidrig.
Parteien A. , geboren am ( ), Türkei,
vertreten durch lic. iur. Semsettin Bastimar, Rechtsanwalt, ( ),
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);
Verfügung des SEM vom 1. April 2019 / N ( ).
B.
um Asyl nachsuchte. Bei der Befragung zur Person vom
14. März 2019 (vgl. Protokoll [SEM-Akte A9/13]) machte er unter anderem geltend, er habe im Jahr 2013 in Belgien ein Asylgesuch eingereicht und sei bis circa Juli 2016 dort geblieben. Bevor er in die Schweiz gekommen sei, habe er sich noch in C. _, D. und E. aufgehalten.
Ein Abgleich mit der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (Zentraleinheit Eurodac) ergab, dass der Beschwerdeführer am 7. Januar 2014 in Belgien ein Asylgesuch gestellt hatte.
Gestützt auf diesen Eurodac-Treffer gewährte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer im Rahmen der Befragung das rechtliche Gehör zur Zuständigkeit Belgiens für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens bzw. zur Wegweisung dorthin und zum Nichteintretensentscheid gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31). Er erklärte diesbezüglich, nicht nach Belgien gehen zu wollen.
Am 25. März 2019 ersuchte die Vorinstanz die belgischen Behörden um Übernahme des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. L 180/31 vom 29.6.2013 (nachfolgend: Dublin-III-VO).
Die belgischen Behörden stimmten diesem Ersuchen am 1. April 2019 gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. d Dublin-III-VO zu.
Mit Verfügung vom 1. April 2019 - eröffnet am 3. April 2019 - trat das SEM in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers vom 26. Februar 2019 nicht ein, verfügte die Wegweisung nach Belgien, forderte den Beschwerdeführer - unter Androhung von Zwangsmitteln im Unterlassungsfall - auf, die Schweiz am Tag nach Ablauf
der Beschwerdefrist zu verlassen, beauftrage den Kanton F. mit dem Vollzug der Wegweisung, händigte dem Beschwerdeführer die editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis aus und stellte fest, eine allfällige Beschwerde gegen die Verfügung habe keine aufschiebende Wirkung.
Mit Eingabe vom 9. April 2019 liess der Beschwerdeführer gegen diese Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben und beantragen, es sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei die angefochtene Verfügung vollumfänglich aufzuheben und in der Folge die Vorinstanz anzuweisen, auf das Asylgesuch einzutreten. Subeventualiter seien die Dispositivziffern 2 bis 4 der angefochtenen Verfügung aufzuheben. Es sei der vorliegenden Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren und in der Folge die Vollzugsbehörde des Kantons F. im Sinne einer vorsorglichen Massnahme anzuweisen, von jeglichen Vollzugsmassnahmen bis zum Entscheid über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung bzw. über die vorliegende Beschwerde abzusehen. Es sei die Vorinstanz anzuweisen, dem Rechtsvertreter Einsicht in die Akten A3/1, A6/1 und A8/2 zu gewähren und es sei dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist zur Beschwerdeergänzung nach erfolgter Akteneinsicht einzuräumen. Im Weiteren sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten und dem Beschwerdeführer in der Person seines Rechtsvertreters ein amtlicher Rechtsbeistand zu bestellen.
Auf die Begründung der Beschwerde und die damit eingereichten Beweismittel wird - soweit entscheidrelevant - in den Erwägungen eingegangen.
Der zuständige Instruktionsrichter setzte am 11. April 2019 gestützt auf Art. 56 VwVG den Vollzug der Überstellung per sofort einstweilen aus.
Die vorinstanzlichen Akten trafen am 11. April 2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein (aArt. 109 Abs. 1 AsylG).
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - und so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 2 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung bzw. Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 2 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde vorliegend auf einen Schriftenwechsel verzichtet.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das SEM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 31a Abs. 1-3 AsylG), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu
Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2017 VI/5 E. 3.1; 2012/4 E. 2.2, je m.w.H.).
Auf Asylgesuche wird in der Regel nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG). Zur Bestimmung des staatsvertraglich zuständigen Staates prüft das SEM die Zuständigkeitskriterien gemäss Dublin-III-VO. Führt diese Prüfung zur Feststellung, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig ist, tritt das SEM, nachdem der betreffende Mitgliedstaat einer Überstellung oder Rücküberstellung zugestimmt hat, auf das Asylgesuch nicht ein (vgl. BVGE 2017 VI/5 E. 6.2).
Gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Asylantrag gestellt wird (Art. 20 Abs. 1 Dublin-III-VO).
Im Fall eines sogenannten Aufnahmeverfahrens (engl.: take charge) sind die in Kapitel III (Art. 8-15 Dublin-III-VO) genannten Kriterien in der dort aufgeführten Rangfolge (Prinzip der Hierarchie der Zuständigkeitskriterien; vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO) anzuwenden, und es ist von der Situation im Zeitpunkt, in dem der Antragsteller erstmals einen Antrag in einem Mitgliedstaat gestellt hat, auszugehen (Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO). Im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens (engl.: take back) findet demgegenüber grundsätzlich keine (erneute) Zuständigkeitsprüfung nach Kapitel III statt (vgl. zum Ganzen BVGE 2017 VI/5 E. 6.2 und 8.2.1 m.w.H.).
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in jenem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2012/C 326/02, nachfolgend: EU-Grundrechtecharta) mit sich bringen, ist zu prüfen, ob aufgrund dieser Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann kein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden, wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO).
Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Massgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. d Dublin-III-VO).
Jeder Mitgliedstaat kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 beschliessen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO; sog. Selbsteintrittsrecht).
In formeller Hinsicht wird in der Beschwerde geltend gemacht, die Vorinstanz habe den rechtserheblichen Sachverhalt nicht nur unrichtig wiedergegeben und unvollständig festgestellt, sondern auch falsch und zuungunsten des Beschwerdeführers gewürdigt. Sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei in mehrfacher Hinsicht verletzt worden:
Erstens habe die Vorinstanz seine familiären Verhältnisse, namentlich den Schwangerschaftsabbruch seiner Partnerin, in der angefochtenen Verfügung verschwiegen und daher bei der Beurteilung der Beziehung zu seiner Partnerin bzw. zukünftigen Ehefrau weder berücksichtigt noch gewürdigt. Dies, obwohl er diesen Umstand anlässlich der Befragung zur Person ausdrücklich angegeben habe. Zweitens habe die Vorinstanz sowohl bei der Beurteilung der Zuständigkeit als auch der Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner religiös angetrauten Ehefrau weder seine ausländerrechtlichen Akten noch die Akten des am 12. Oktober 2018 eingeleiteten Ehevorbereitungsverfahrens beigezogen. Sodann habe die Vorinstanz dem Rechtsvertreter die Akten A3/1, A6/1 und A8/2 nicht zugestellt mit der pauschalen Begründung, es handle sich bei diesen Akten um interne oder dem Beschwerdeführer bereits bekannte Akten. Ferner habe die Vorinstanz auch gegenüber Belgien die familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers in der Schweiz und das bereits hängige Ehevorbereitungsverfahren verschwiegen.
Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden (vgl. E. 7), erweisen sich die Rügen, die ausländerrechtlichen Akten und diejenigen des Ehevorbereitungsverfahrens seien nicht beigezogen und die familiären
Verhältnisse in der Schweiz im Übernahmeersuchen an Belgien verschwiegen worden, als begründet.
Ein Abgleich der Fingerabdrücke des Beschwerdeführers mit der Eurodac-Datenbank ergab, dass dieser am 7. Januar 2014 in Belgien ein Asylgesuch eingereicht hatte. Das SEM ersuchte deshalb die belgischen Behörden am 25. März 2019 um Übernahme des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO. Die belgischen Behörden stimmten dem Ersuchen am 1. April 2019 gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. d Dublin-IIIVO zu.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, in Belgien ein Asylgesuch eingereicht zu haben, hingegen wird die grundsätzliche Zuständigkeit dieses Mitgliedstaats bestritten. In der Beschwerde wird diesbezüglich im Wesentlichen geltend gemacht, der Beschwerdeführer und seine Partnerin hätten nach seiner illegalen Einreise beim Migrationsamt des Kantons G. (nachfolgend: Migrationsamt) ein Gesuch um Vorbereitung der Eheschliessung und Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Eheschliessung eingereicht. Daraufhin seien sie vom Migrationsamt bei der ( ) Polizei angezeigt worden und die Staatsanwaltschaft des Kantons G. habe gegenüber dem Beschwerdeführer einen Strafbefehl erlassen (vgl. Schreiben des Migrationsamts vom 16. Oktober 2018 [Beschwerdebeilage 3],
Strafbefehl vom 6. Dezember 2018 [Beschwerdebeilage 4]). Der Beschwerdeführer habe sich seit dem 12. Oktober 2018 in der Schweiz befunden, was auch der Vorinstanz bekannt gewesen sei. Weil das Migrationsamt seinen Aufenthalt erst ab dem 20. Dezember 2018 als rechtmässig akzeptiert habe (vgl. Bestätigung vom 20. Dezember 2018 für das Zivilstandsamt über den rechtmässigen Aufenthalt im Ehevorbereitungsverfahren [Beschwerdebeilage 5]), habe sich der Beschwerdeführer bis zu diesem Datum illegal und somit ohne Aufenthaltstitel im Sinne von Art. 24 Abs. 2 Dublin-III-VO in der Schweiz befunden. Da er bis zu diesem Zeitpunkt kein Asylgesuch gestellt bzw. ein solches nicht schriftlich registriert worden sei, hätte die Vorinstanz innert zwei Monaten, namentlich bis am
12. Dezember 2018 im Sinne von Art. 24 Abs. 2 Dublin-III-VO bei den belgischen Behörden ein Wiederaufnahmegesuch stellen müssen. Da das Wiederaufnahmegesuch jedoch erst am 27. Februar 2019 gestellt worden sei, sei die Zuständigkeit für die Prüfung des vorliegenden Asylgesuchs bereits zu diesem Zeitpunkt auf die Schweiz übergegangen.
Mit seiner Argumentation übersieht der Beschwerdeführer, dass das vorliegende Asylverfahren erst am 26. Februar 2019 mit Einreichung des Asylgesuchs eingeleitet wurde. Da der Vorinstanz zwischen der illegalen Einreise am 9. Oktober 2018 und der Asylgesuchstellung am 26. Februar 2019 noch kein Asylgesuch vorlag, bestand während dieses Zeitraums auch kein Anlass, den belgischen Behörden ein Wiederaufnahmegesuch zu unterbreiten. Erst nachdem der Beschwerdeführer ein Asylgesuch eingereicht hatte, galt es für die Vorinstanz mittels Abgleich mit der EurodacDatenbank und Befragung zur Person abzuklären, ob die Schweiz selbst oder allenfalls ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens in Frage kommt. Als dann der entsprechende Eurodac-Treffer vorlag und die Vorinstanz über entsprechende Informationen seitens des Beschwerdeführers verfügte, war es ihr möglich, mit einem Wiederaufnahmegesuch an Belgien zu gelangen.
Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass ein Wiederaufnahmegesuch gestützt auf die in der Beschwerde erwähnte Bestimmung von Art. 24 DublinIII-VO unterbreitet werden kann, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat kein neuer Antrag gestellt wurde. Vorliegend hat der Beschwerdeführer am
26. Februar 2019 in der Schweiz, dem ersuchenden Mitgliedstaat, einen neuen Antrag gestellt, weshalb vielmehr Art. 23 Dublin-III-VO zur Anwendung gelangt. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung ist ein Wiederaufnahmegesuch so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung zu stellen. Die vorliegende EurodacTreffermeldung datiert vom 27. Februar 2019 (vgl. SEM-Akte A12/5, S. 5), womit die Frist zur Unterbreitung des Wiederaufnahmegesuchs am 27. April 2019 abgelaufen ist. Da die Vorinstanz das Wiederaufnahmegesuch bereits am 25. März 2019 an die belgischen Behörden gerichtet hat, ist die Frist gewahrt und die grundsätzliche Zuständigkeit Belgiens wäre - unter Vorbehalt der nachfolgenden E. 7 - an sich gegeben (vgl. Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO e contrario).
Erteilung einer allfälligen künftigen Einreisebewilligung aus familiären Gründen zu erkundigen, sollten die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sein.
Für ein Wiederaufnahmegesuch gestützt auf Art. 23 Dublin-III-VO ist gemäss Abs. 4 ein Standardformblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der beiden Verzeichnisse nach Art. 22 Abs. 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung der betroffenen Person enthalten muss, anhand derer die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat auf Grundlage der in der Dublin-III-VO festgelegten Kriterien zuständig ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Urteil D-1787/2013 vom 8. August 2013 E. 5 (bezüglich Art. 17 Abs. 3 Dublin-II-VO) festgehalten, das mit dem Formblatt gestellte Übernahmeersuchen müsse alle Informationen enthalten, anhand derer die Behörden des ersuchten Staats prüfen können, ob ihr Staat gemäss den in der Verordnung definierten Kriterien zuständig ist. Dies gilt auch in Bezug auf Art. 23 Abs. 4 Dublin-III-VO (vgl. Urteil D-6935/2016 vom 24. Januar 2017 E. 5.3.2 mit Hinweisen auf weitere Urteile). Das SEM wäre gemäss Art. 23 Abs. 4 Dublin-III-VO verpflichtet gewesen, den belgischen Behörden mitzuteilen, dass der Beschwerdeführer behaupte, er sei mit einer in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Person „religiös“ getraut (bzw. verlobt) und dass am 12. Oktober 2018 ein Ehevorbereitungsverfahren eingeleitet wurde (und sein Aufenthalt gemäss Mitteilung des zuständigen Migrationsamts im Sinne von Art. 98 Abs. 4 ZGB rechtmässig sei [vgl. Beschwerdebeilage 5], was das SEM hätte feststellen können, wenn es die entsprechenden Akten beigezogen hätte). Mit der Informationspflicht gemäss Art. 22 Dublin-III-VO soll der ersuchte Mitgliedstaat in die Lage versetzt werden zu prüfen, ob er gemäss der Dublin-III-VO zuständig ist. Diese Pflicht entfällt nicht, weil der ersuchende Staat eine Beziehung als nicht dauerhaft im Sinne von Art. 8 EMRK einschätzt (vgl. D-6935/2016 E. 5.3).
Gemäss Art. 61 Abs. 1 VwVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück.
Eine Kassation und Rückweisung an die Vorinstanz ist insbesondere dann angezeigt, wenn weitere Tatsachen festgestellt werden müssen und ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen ist. Die in diesen Fällen fehlende Entscheidungsreife kann grundsätzlich zwar auch durch die Beschwerdeinstanz selbst hergestellt werden, wenn dies im Einzelfall aus prozessökonomischen Gründen angebracht erscheint; sie muss dies aber nicht (vgl. BVGE 2012/21 E. 5 mit weiteren Hinweisen).
Vorliegend wurde der Sachverhalt unrichtig festgestellt und die belgischen Behörden wurden auf wesentliche Umstände, die für die Beurteilung ihrer Zuständigkeit von Bedeutung sein könnten, nicht hingewiesen, weshalb ein Entscheid in der Sache nicht in Betracht kommt.
Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur vollständigen und richtigen Erhebung des rechtserheblichen Sachverhalts und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz wird ein erneutes Wiederaufnahmegesuch an die belgischen Behörden zu stellen und diesen mitzuteilen haben, dass der Beschwerdeführer behaupte, er sei mit einer in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Person „religiös“ getraut (bzw. verlobt) und dass am
12. Oktober 2018 ein Ehevorbereitungsverfahren eingeleitet wurde.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens kann die Begründetheit der weiteren formellen Rügen (vgl. E. 5.1) offen gelassen werden.
Ausgangsgemäss sind dem Beschwerdeführer keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, amtliche Rechtsverbeiständung und Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sind folglich gegenstandslos geworden.
Dem vertretenen Beschwerdeführer ist angesichts seines Obsiegens in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements
vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) eine Entschädigung für die ihm erwachsenen notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten zuzusprechen. Der Rechtsvertreter hat vor dem Entscheid keine Kostennote eingereicht. Auf eine Einforderung einer solchen kann jedoch verzichtet werden, da sich der notwendige Vertretungsaufwand aufgrund der Aktenlage zuverlässig abschätzen lässt (Art. 14 Abs. 2 VGKE). Gestützt auf die üblichen Bemessungsfaktoren (vgl. Art. 9-13 VGKE) ist eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1'800.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuerzuschlag) festzusetzen und die Vorinstanz anzuweisen, dem Beschwerdeführer diesen Betrag für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Die angefochtene Verfügung vom 1. April 2019 wird aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Die Vorinstanz wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1'800.- auszurichten.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Martin Kayser Karin Schnidrig
Versand:
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