Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-3845/2017 |
Datum: | 18.02.2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Familienzusammenführung (Asyl) |
Schlagwörter : | Familie; Ehemann; Beziehung; Schweiz; Flucht; Recht; Italien; Kinder; Vater; Eritrea; Einreise; Verfügung; Flüchtling; Kontakt; Bundesverwaltungsgericht; Vorinstanz; Trennung; Sudan; Familiengemeinschaft; Asylgesuch; Gesuch; Eheleute; Ehemannes; Familienleben; ützt |
Rechtsnorm: | Art. 25 ZGB ; Art. 255 ZGB ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-3845/2017
Besetzung Richter Markus König (Vorsitz),
Richter Hans Schürch, Richter Lorenz Noli, Gerichtsschreiberin Lhazom Pünkang.
Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,
vertreten durch lic. iur. LL.M. Tarig Hassan, ( ),
Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Familienzusammenführung (Asyl) zugunsten von B. , geboren am ( ), Eritrea;
Verfügung des SEM vom 7. Juni 2017 / N ( ).
I.
Die Beschwerdeführerin stellte am 30. Dezember 2013 in der Schweiz ein Asylgesuch.
Am ( ) brachte die Beschwerdeführerin ihre Tochter C. in D. zur Welt.
Mit Verfügung des SEM vom 27. Januar 2015 wurde das Asylgesuch der Beschwerdeführerin gutgeheissen und ihr sowie ihrer Tochter unter Feststellung der Flüchtlingseigenschaft Asyl gewährt.
II.
Am 19. Juli 2015 reiste der Ehemann der Beschwerdeführerin, B. , in die Schweiz ein und stellte am 21. Juli 2015 ein Asylgesuch. Dabei machte er geltend, seine Frau und ihr gemeinsames Kind würden in der Schweiz leben, und er berief sich auf das Recht auf Familienleben gemäss Art. 8 EMRK. Ausserdem sei seine Frau in Erwartung eines weiteren Kindes von ihm.
Am ( ) brachte die Beschwerdeführerin ihre Tochter E. in D. zur Welt.
Mit Schreiben vom 7. Januar 2016 ersuchte die Beschwerdeführerin um Einbezug ihrer Tochter E. in ihre Flüchtlingseigenschaft.
Mit Entscheid des SEM vom 18. Januar 2016 wurde dieses Gesuch gutgeheissen und E. gestützt auf Art. 51 Abs. 3 AsylG [SR 142.31] als Flüchtling anerkannt und auch ihr Asyl gewährt.
Mit Verfügung des SEM vom 13. April 2016 wurde auf das Asylgesuch von B. gestützt auf Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG nicht eingetreten, weil dieser in Italien bereits subsidiären Schutz erhalten habe.
Das SEM hielt hinsichtlich der Berufung auf den Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK im Wesentlichen fest, dass man sich auf diesen Schutz berufen könne, wenn ein Familienmitglied in der Schweiz über ein gefestigtes Aufenthaltsrecht verfüge und es sich dabei um eine tatsächliche, gelebte und gefestigte Beziehung handle. Zur Bestimmung einer tatsächlich gelebten Beziehung seien gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterschiedliche Faktoren zu berücksichtigen, so beispielsweise das gemeinsame Wohnen, die finanzielle Verflochtenheit, die Bindung der Partner aneinander und die Stabilität und Dauer der Beziehung.
B. und die Beschwerdeführerin hätten nach ihrer Trennung in Eritrea vor beinahe acht Jahren bis zu seiner Einreise in die Schweiz im Juli 2015 nicht mehr zusammen gelebt. Abgesehen von einer angeblich zufälligen Begegnung im Sudan und einem kurzen Treffen in Italien im März 2015 hätten sie zwischen Juni 2008 und Juli 2015 keinen Kontakt zueinander gehabt. Gemäss seinen Aussagen habe B. von Italien aus auch gar nicht versucht, die Beschwerdeführerin zu finden und zu sich zu holen. Selbst nach dem Treffen im Sudan sei er ohne sie wieder abgereist, ohne in der Folge den Kontakt mit ihr aufrechtzuerhalten. Weiter sei festzuhalten, dass sich auch die Beschwerdeführerin nach dem Treffen in Italien im März 2015 gemäss Aktenlage nicht um eine Familienzusammenführung bemüht habe. Von einer tatsächlichen, dauerhaften, gefestigten und gelebten Beziehung könne vorliegend nicht gesprochen werden, weshalb die Voraussetzungen für eine Berufung auf Art. 8 EMRK nicht erfüllt seien. Aufgrund des geringen Alters der Kinder ([ ] Monate und [ ] Monate) könne nicht von einer besonders engen Bindung zu ihnen gesprochen werden, weshalb das Kindeswohl nicht von einer dauerhaften Präsenz des Vaters abhängig sei.
Dieser Nichteintretensentscheid erwuchs am 26. April 2016 unangefochten in Rechtskraft. B. galt bei den kantonalen Vollzugsbehörden seit dem 10. Mai 2016 als verschwunden.
III.
Die Beschwerdeführerin reichte mit Eingabe an das SEM vom 7. Juli 2016 ein Gesuch um Familienzusammenführung ein und beantragte, es sei dem derzeit in Italien wohnhaften B. gemäss Art. 51 Abs. 4 AsylG die Einreise in die Schweiz zu bewilligen, und er sei gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG in ihre Flüchtlingseigenschaft und ihr Asyl einzubeziehen.
Zur Begründung ihres Gesuchs führte die Beschwerdeführerin Folgendes aus:
B. sei ihr Ehegatte und der Vater ihrer beiden Kinder. Damit gehöre er zu den begünstigten Personen gemäss Art. 51 AsylG. Sie und ihr Ehemann hätten sich am ( ) in Eritrea religiös getraut. Noch während der Flitterwochen habe man den Ehemann gezwungen, wieder zu seiner militärischen Einheit zurückzukehren. Während zweier Monate habe man ihn inhaftiert, bis ihm schliesslich die Flucht gelungen sei. Noch im selben Jahr sei er über Äthiopien, Sudan und Libyen nach Italien geflüchtet. Im Juli 2008 sei er in Italien angekommen und habe dort ein Asylgesuch gestellt, woraufhin ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei.
Im März 2015 sei es der Beschwerdeführerin gelungen ihren Ehemann telefonisch zu kontaktieren. Bereits drei Tage danach habe sie ihn in Italien besucht. Der Ehemann sei schliesslich im Juli 2015 in die Schweiz eingereist und habe hier ein Asylgesuch gestellt, welches abgewiesen worden sei. Seit der Einreichung des Asylgesuchs bis zur negativen Verfügung des SEM hätten die Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt geführt.
Aufgrund der Ausführungen der beiden Eheleute im Rahmen ihrer Asylverfahren seien vorliegend die Voraussetzungen der Trennung durch die Flucht gegeben. B. habe somit einen Anspruch gemäss Art. 51 Abs. 4 AsylG auf die Erteilung einer Einreisebewilligung.
Unabhängig von der Frage der Eheschliessung bestehe überdies nach Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Verbleib des Ehegatten bei seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern.
Als Beweismittel wurde die Farbkopie eines handschriftlich ausgefüllten und mit einem Stempel versehenen Ehezertifikats der eritreisch-orthodoxen F. Kirche eingereicht und ausgeführt, das Original dieses Dokuments befinde sich in den vorinstanzlichen Akten.
Das SEM verweigerte mit Verfügung vom 7. Juni 2017 - eröffnet am 8. Juni 2017 - die Einreise von B. in die Schweiz und lehnte das FamilienAsylgesuch ab.
Die Beschwerdeführerin liess diesen Entscheid mit Eingabe vom 10. Juli 2017 durch ihren Rechtsvertreter beim Bundesverwaltungsgericht anfechten und beantragte, die Verfügung des SEM sei vollumfänglich aufzuheben, es sei die Einreise ihres Ehemannes gestützt auf Art. 51 Abs. 4 AsylG zu bewilligen und ihm Familienasyl im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AsylG zu gewähren.
In prozessualer Hinsicht ersuchte die Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung, um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie um Beiordnung ihres Rechtsvertreters als unentgeltlicher Rechtsbeistand gemäss Art. 110a AsylG (recte: Art. 65 Abs. 2 AsylG).
Mit Zwischenverfügung vom 21. Juli 2017 forderte der Instruktionsrichter die Beschwerdeführerin auf, einen Nachweis ihrer prozessualen Bedürftigkeit einzureichen, und lud das SEM zur Vernehmlassung ein.
Das SEM nahm in seiner Vernehmlassung vom 27. Juli 2017 zu den Beschwerdevorbringen Stellung. Dabei hielt es an seinem bisherigen Standpunkt fest und verwies im Wesentlichen auf seine Erwägungen im angefochtenen Entscheid.
Mit Eingabe vom 31. August 2017 reichte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung des Sozialamts G. vom 3. August 2017 zu den Akten, wonach sie nicht finanziell unterstützt worden sei oder werde.
Der Beschwerdeführerin wurde mit Instruktionsverfügung vom 8. August 2017 Gelegenheit zur Replik und zur Einreichung entsprechender Beweismittel geboten. Zudem wurde festgehalten, dass die prozessuale Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin nach wie vor nicht belegt worden sei.
Mit Eingabe vom 23. August 2017 reichte die Beschwerdeführerin ihre Replik zur vorinstanzlichen Vernehmlassung ein.
Mit Eingabe vom 13. Oktober 2017 reichte die Beschwerdeführerin eine
Unterstützungsbestätigung der H. den Akten.
von 15. September 2017 zu
Mit Zwischenverfügung vom 19. Oktober 2017 hiess der Instruktionsrichter das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gut und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung wurde dagegen abgewiesen.
Mit Eingabe vom 23. Oktober 2017 wurde die Honorarnote des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin zu den Akten gereicht.
IV.
Am ( ) brachte die Beschwerdeführerin ihre Tochter I. in D. zur Welt.
Mit Schreiben vom 20. September 2017 beziehungsweise 22. Januar 2018 ersuchten die Beschwerdeführerin und B. für ihre Tochter I. um Einbezug in ihre Flüchtlingseigenschaft.
Mit Verfügung des SEM vom 8. Februar 2018 wurde dieses Gesuch gutgeheissen und I. (gemäss Datenänderung im Zentralen Migrationsinformationssystem ZEMIS ab ( ) 2018 J. genannt) gestützt auf Art. 51 Abs. 3 AsylG als Flüchtling anerkannt und ihr Asyl gewährt.
V.
Mit Eingabe vom 11. Oktober 2018 wurde ein durch das Zivilstandsamt K. am 1. September 2017 ausgestellter Familienausweis der Beschwerdeführerin und B. in Kopie eingereicht. Gemäss den Einträgen im Familienausweis fand die Trauung der Beschwerdeführerin und
am ( ) in Eritrea statt. Als gemeinsame Kinder werden
, E. und J. aufgeführt.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinn von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinn von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; sie ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen
richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG werden Ehegatten von Flüchtlingen und deren minderjährige Kinder als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen.
Personen, die nach Art. 51 Abs. 1 AsylG als Flüchtlinge anzuerkennen sind, haben aus Art. 51 Abs. 4 AsylG einen Anspruch auf Erteilung einer Einreisebewilligung, sofern sie sich im Ausland aufhalten und die Familie durch die Flucht des anerkannten Flüchtlings getrennt wurden (vgl. BVGE 2012/32 E. 5.1).
Gemäss geltender Praxis und Rechtsprechung ist für die Bewilligung der Einreise nach Art. 51 Abs. 4 AsylG somit Bedingung, dass bereits vor der Flucht eine Familiengemeinschaft bestanden hat. Es ist erforderlich, dass die betreffenden Personen zum Zeitpunkt der Flucht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben und eine Wiederherstellung dieser Gemeinschaft gleichzeitig unentbehrlich ist sowie in der Schweiz tatsächlich auch angestrengt wird. Die Bewilligung der Einreise zwecks Gewährung von Familienasyl dient der Wiederherstellung von Familiengemeinschaften, die durch die Flucht getrennt wurden, hingegen nicht der Aufnahme von neuen oder der Wiederaufnahme von beendeten Beziehungen (vgl. BVGE 2012/32 E. 5.4.2).
4.1 Das SEM führte in der angefochtenen Verfügung aus, wie es bereits in seinem Entscheid vom 13. April 2016 (vgl. oben Bst. F) festgehalten habe, könne im Fall der Beschwerdeführerin und B. nicht von einer tatsächlichen, dauerhaften, gefestigten und gelebten Beziehung ausgegangen werden. Die Beschwerdeführerin und B. hätten gemäss ihren eigenen Aussagen nach der Trennung im Jahr 2008 bis zur Einreise des Mannes in die Schweiz im Juli 2015 nicht zusammengelebt. Hinzu komme, dass B. bis heute die Vaterschaft für die Kinder der Beschwerdeführerin nicht anerkannt habe. Mit der Frage des Kindswohls habe sich bereits ihr Entscheid vom 13. April 2016 ausführlich befasst, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf diese Ausführungen verwiesen werden könne.
Demnach sei davon auszugehen, dass das vorliegende Familiennachzugsgesuch zwecks Wiederaufnahme einer zuvor abgebrochenen Beziehung eingereicht worden sei und nicht um einen unfreiwillig getrennten Familienverband wieder aufzubauen und weiterzuführen. Von einer bestehenden und schützenswerten Familiengemeinschaft könne vorliegend nicht gesprochen werden. Vielmehr sei von einer faktischen Beendigung der Familiengemeinschaft auszugehen.
In der Beschwerde wird vorgebracht, betreffend der Anerkennung der Kinder sei festzuhalten, dass grundsätzlich die natürliche Vermutung gelte, dass der Ehemann der Vater sämtlicher während der Ehe geborenen Kinder sei (Art. 255 Abs. 1 ZGB). Dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann in Eritrea eine rechtsgültige Ehe geschlossen hätten und diese nach wie vor Bestand habe, sei unumstritten und werde von der Vorinstanz auch nicht in Frage gestellt. Entsprechend habe diese Vaterschaftsvermutung des Ehemannes auch auf den vorliegenden Fall Anwendung zu finden, weshalb die von der Vorinstanz geforderte Vaterschaftsanerkennung des Ehemannes obsolet sei.
Die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, dass die vorliegende Familiengemeinschaft zwecks Wiederaufnahme von einer abgebrochenen Beziehung eingereicht worden sei und nicht um einen unfreiwillig getrennten Familienverband wiederaufzubauen. In ihrer Argumentation lasse die Vorinstanz die äusseren Umstände des vorliegenden Falles völlig ausser Acht und stütze sich allein auf die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin und B. zwischen 2008 und 2015 nicht zusammen gewohnt hätten. Dem SEM sei zu entgegnen, dass sowohl der Ehemann als auch die Beschwerdeführerin unfreiwillig aus Eritrea hätten flüchten müssen. Dass der Ehemann der Beschwerdeführerin die gefährliche Reise nach Europa zunächst alleine auf sich genommen habe, sei darauf zurückzuführen, dass er nach seiner gelungenen Flucht aus der Militärhaft das Land direkt verlassen habe. Dass die Kontaktaufnahme mit seiner Ehefrau zu diesem Zeitpunkt sowohl für ihn als auch für sie ein enormes Risiko dargestellt gehabt hätte, liege auf der Hand. Für die Beschwerdeführerin sei es sicherer gewesen, zunächst in Eritrea zu bleiben und die Ankunft ihres Ehemannes in Europa abzuwarten. Sodann hätten sich die Eheleute im Juni 2013 für eine Woche im Sudan getroffen, sodass nicht behauptet werden könne, die Familiengemeinschaft sei zu diesem Zeitpunkt aufgegeben worden. Während der gemeinsamen Zeit im Sudan habe sodann auch die Empfängnis des ersten gemeinsamen Kindes stattgefunden, das im ( ) in der Schweiz
geboren worden sei. Der Beschwerdeführerin sei es erst im März 2015 gelungen, nach ihrer Flucht endlich wieder Kontakt zu ihrem Ehemann und Vater ihres Kindes herzustellen. Offenkundig sei die fast siebenjährige Trennung - mit Ausnahme des Treffens im Sudan - einzig auf die getrennte Flucht der beiden aus ihrem Herkunftsland Eritrea zurückzuführen. Von einer freiwilligen Aufgabe der Familiengemeinschaft könne nicht die Rede sein. Indem sowohl die Fluchtgründe der Beschwerdeführerin als auch die ihres Ehemannes von der Schweiz beziehungsweise Italien als asylrelevant eingestuft worden seien und ihnen subsidiären Schutz gewährt worden sei, habe es als erstellt zu gelten, dass die beiden begründeten Anlass dafür gehabt hätten, ihr Herkunftsland zu verlassen. Dass sie die Flucht nicht gemeinsam hätten auf sich nehmen können, sei einzig auf die äusseren Umstände der Flucht zurückzuführen und ändere nichts am Fortbestand der Beziehung über die letzten sieben Jahre. Sodann gelte es hervorzuheben, dass aus der Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann bereits zwei Kinder hervorgegangen seien und ein drittes zurzeit erwartet werde - dies sei ein starkes Indiz dafür, dass der Wille zu einem gemeinsamen Eheund Familienleben auch während den letzten sieben Jahren von beiden Seiten vorhanden gewesen sei.
Schliesslich dürfe nicht ausser Acht gelassen werden, dass durch die beiden gemeinsamen Kinder auch das Kindeswohl im Sinne von Art. 3 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (nachfolgend: Kinderrechtskonvention, KRK; SR 0.107) durch den ablehnenden Entscheid der Vorinstanz tangiert sei. Der diesbezüglichen Ansicht des SEM, die frühkindliche Beziehung zum Vater sei entbehrlich, gelte es vehement zu widersprechen. Die Anwesenheit des Vaters in den jungen Lebensjahren der zwei beziehungsweise drei gemeinsamen Kinder sei unabdingbar, um eine langfristige und beständige Vater-Kind-Beziehung herzustellen. Unter vorrangiger Berücksichtigung des Kindeswohls sei die Anwesenheit des Vaters in der Schweiz im Sinne von Art. 3 KRK als geboten zu bezeichnen.
Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hätten ein halbes Jahr vor der Flucht des Ehemannes geheiratet und einen gemeinsamen Haushalt aufgenommen. Die Trennung sei einzig aufgrund der überstürzten Flucht des Ehemannes aus Eritrea erfolgt. Obschon die äusseren Umstände der Flucht die Weiterführung der Beziehung massiv erschwert hätten, hätten sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Ehemann stets am Gedanken festgehalten, dass die Familie dereinst in Europa wieder vereint werde und sich hier gemeinsam eine Zukunft aufbauen könne. Der Ehewille sei trotz
der räumlichen und fluchtbedingten Trennung zu keinem Zeitpunkt erloschen. Die Vorinstanz trage die negative Beweislast betreffend dem Vorliegen des Ehelebens, welches sie aber nicht genügend dargelegt habe.
Der Grund, weshalb die Beschwerdeführerin das Nachzugsgesuch erst im Juli 2016 eingereicht habe, sei darauf zurückzuführen, dass der Ehemann im Juli 2015 ein eigenständiges Asylgesuch in der Schweiz eingereicht habe. Nachdem aber im April 2016 ihm ein negativer Asylentscheid eröffnet worden sei, hätten sich die Eheleute umgehend um die Einreichung des Nachzugsgesuchs bemüht.
Zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann bestehe aufgrund der Heirat, den gemeinsamen Kindern und der über die Jahre konstanten Beziehung ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Zudem sei der Nachzug des Ehemannes auch im wirtschaftlichen Interesse der Schweiz, zumal die Beschwerdeführerin wegen ihrer Kinder in absehbarer Zeit wohl kaum einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne.
In seiner Vernehmlassung führte das SEM aus, dass die beiden Eheleute sich im Sudan bereits im Juni 2013 wieder getroffen hätten und von da an die Möglichkeit gehabt hätten, wieder eine eheliche Gemeinschaft zu bilden. Stattdessen sei der Ehemann nach rund einer Woche ohne nähere Angaben wieder abgereist. Die Beschwerdeführerin habe diesbezüglich auch zu Protokoll gegeben, sie habe ihn zuletzt im Juni 2013 gesehen, er habe gesagt, er habe etwas zu tun, sei weggegangen, und sei nie wieder zurückgekommen; seither habe sie nichts mehr von ihm oder über ihn gehört. Nach Ansicht des SEM habe der Ehemann den Kontakt in diesem Moment abgebrochen und damit kundgetan, dass er an einer Fortführung der Beziehung nicht mehr interessiert sei. Er habe sich nicht einmal ansatzweise um den Fortbestand der Beziehung gekümmert, indem er etwa mit der Mandantin wieder Kontakt aufgenommen habe. In der heutigen Zeit mit den schier unbegrenzten Kommunikationsmöglichkeiten via Internet und Smartphones wäre dies einfach gewesen. Stattdessen habe die Beschwerdeführerin ihn erst im März 2015 in Italien aufgespürt, wo sie sich seit dem Beziehungsabbruch im Juni 2013 erstmals wieder getroffen hätten. Das Verhalten des Ehemannes zeige in aller Deutlichkeit auf, dass er während mehreren Jahren kein Interesse an einer Fortsetzung der Beziehung gezeigt habe. Es sei deshalb entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht von einer dauerhaften, gefestigten und gelebten Beziehung auszugehen.
In der Replik wurden im Wesentlichen die Vorbringen in der Beschwerdeeingabe wiederholt und unterstrichen, dass das Ehepaar trotz widriger äusserer Umstände wann immer wie möglich versucht habe, ein gemeinsames Familienleben zu führen. In der Zeit zwischen der Trennung durch Flucht bis zum Wiedersehen im Jahr 2013 sie die Kontaktaufnahme für beide Ehepartner mit grossen Risiken verbunden gewesen, da die eritreischen Behörden Angehörige von Deserteuren bedrängen würden. Der Umstand, dass das Ehepaar öfter für längere Zeit an unterschiedlichen Orten gelebt habe, könne nicht zur Verneinung des Vorliegens des Willens zum Eheund Familienleben führen. Stärkstes Indiz zugunsten dieses Willens seien die drei gemeinsamen Kinder. Schliesslich wurde die vom SEM vorgehaltene fehlende Nutzung moderner Kommunikationsmittel zwischen den Ehepartnern mit ihren äusserst knappen finanziellen Ressourcen begründet.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt nach Sichtung der Akten zum Schluss, dass die Vorinstanz zu Recht die Einreise von B. verweigert und das Gesuch um Familienasyl abgelehnt hat.
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei B. gemäss Aktenlage um den Ehegatten der Beschwerdeführerin handelt. Mit jüngster Eingabe vom 11. Oktober 2018 wurde dies anhand des Familienausweises der Schweizerischen Zivilstandsbehörden belegt (siehe oben, Bst. S). Gemäss Eintrag im Familienausweis wurde die Ehe am ( ) in Eritrea geschlossen; für die während der Ehe geborenen drei Töchter C. , E. und J. gilt der Ehemann, namentlich B. , im Sinne von Art. 255 ZGB als Vater.
B. befindet sich gemäss Angaben der Beschwerdeführerin derzeit in Italien, wo er über einen subsidiären Schutzstatus verfügt. Vorliegend stellt sich deshalb die zentrale Frage, ob B. die Einreise von Italien in die Schweiz gestützt auf Art. 51 Abs. 4 AsylG bewilligt werden kann.
Gemäss Art. 51. Abs. 4 AsylG wird die Einreise bewilligt, wenn die Ehe durch die Flucht getrennt worden ist. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben nach ihrer Heirat am ( ) bis zu seinem Einzug in den Militärdienst während etwa dreier Monate zusammengelebt. Danach sei der Beschwerdeführer ins Ausland desertiert. Die Trennung erfolgte demnach durch die Flucht von B. ins Ausland. Diese Ereignisse wurden im Wesentlichen glaubhaft dargelegt und mittels des im Original vorliegenden Ehezertifikats der Eheleute untermauert.
E. 5.4.3). In einem nächsten Schritt ist deshalb der Frage nachzugehen, ob der Wille der Eheleute an der Weiterführung ihrer Ehegemeinschaft beziehungsweise Familiengemeinschaft seit der Trennung durch die Flucht und bis zum heutigen Zeitpunkt aufrechterhalten wurde.
Stellt man auf die Angaben der Beschwerdeführerin und von B. ab, ist in Übereinstimmung mit den vorinstanzlichen Erwägungen einerseits davon auszugehen, dass sie in den letzten zehn Jahren insgesamt nur kurz zusammengelebt haben; andererseits ergibt sich aus ihren Schilderungen, dass das Familienleben mehrmals aufgehoben beziehungsweise durch einen bewussten Entscheid eines Partners nicht wieder aufgenommen wurde:
Zu ihrem kurzen Treffen im Juni 2013 in Khartum ist festzuhalten, dass sie sich dort angeblich nur zufällig getroffen hätten und eine Woche zusammen gewesen seien. Der Mann habe ihr damals gesagt, er habe noch etwas zu erledigen und sei dann gegangen; danach sei er nicht mehr zurückgekehrt (vgl. Protokoll Anhörung Frau A27/26 F28, F31; Protokoll BzP Mann A5/12 S. 3). An der BzP vom 9. Januar 2014 gab die Beschwerdeführerin ebenfalls zu Protokoll, B. habe ihr gesagt, er habe etwas zu tun, sei weggegangen und nicht mehr zurückgekommen. Seither habe sie nichts mehr von ihm oder über ihn gehört (vgl. Protokoll BzP Frau A5/13, S. 3 f. und 5). Die Beschwerdeführerin gab an, sie habe ihren Ehemann damals nicht gefragt, wohin er gehe oder was er zu tun habe und könne diesbezüglich auch keine Vermutungen anstellen; sie habe auch nicht versucht, ihn zu finden - vielmehr sei sie dann einfach ihren Weg weitergegangen (vgl. Protokoll Anhörung Frau A27/26, F35 f.).
Im Juni 2013 wurde die eheliche Beziehung somit durch den Mann getrennt, da er ohne Angabe von Gründen oder Plänen abreiste und seine Frau in Khartum verliess (zum zweiten Mal nach der Ausreise aus Eritrea, die mit ihr ebenfalls nicht vorgängig besprochen worden sei).
Es darf ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Ehemann seine Frau während ihres einwöchigen Treffend im Sudan von seinem Aufenthaltsstatus in Italien in Kenntnis gesetzt hat. Ende September 2013 habe die Beschwerdeführerin Khartum verlassen und sei über Libyen nach Italien gereist. Am ( ) 2013 kam sie in L. an. Sie begab sich allerdings nicht zu ihrem (im gleichen Land mit Aufenthaltsbewilligung lebenden und für die italienischen Behörden ohne Aufwand aufspürbaren) Mann, sondern reiste in die Schweiz weiter. Auch dieses Verhalten ist als klares Indiz einer fehlenden tatsächlich gelebten ehelichen Beziehung zu deuten.
Die Ehepartner haben ihre Beziehung demnach mehrmals selber aufgelöst, was den Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 51 Abs. 4 AsylG zuwiderläuft. Dem Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft und der Asylgewährung entgegenstehende besondere Umstände sind gemäss der Rechtsprechung beispielsweise anzunehmen, wenn [ ] das Familienleben während einer längeren Zeit nicht gelebt wurde und erkennbar ist, dass die Familienmitglieder nicht den Willen haben, als Familie zusammenzuleben (vgl. BVGE 2012/32 E. 5.1).
An diesen Feststellungen vermag das Vorbringen nichts zu ändern, dass die Eheleute bei ihren seltenen Treffen sexuellen Kontakt gehabt hätten, was zu Schwangerschaften der Frau geführt habe.
Im Übrigen soll der Ehemann im Mai 2016 die Schweiz und seine Frau gemäss deren Angaben definitiv verlassen haben und nach Italien zurückgekehrt sein - unter diesen Umständen kann er kaum der biologische Vater der jüngsten Tochter der Beschwerdeführerin sein, die ein Jahr nach der Abreise von B. in der Schweiz zur Welt gekommen ist. Dass er gemäss Familienausweis trotzdem als rechtlicher Vater gilt, ist offensichtlich auf die gesetzliche Vermutung von Art. 255 Abs. 1 ZGB zurückzuführen.
Schliesslich ist der Vollständigkeit halber festzustellen, dass auch andere Aspekte der geltend gemachten Biografien offenkundig nicht zutreffen:
Dass sich die Ehegatten - fünf Jahre nach ihrer Trennung - im Drittstaat Sudan ohne jede Absprache und rein zufällig getroffen haben sollen, ist lebensfremd und kann nicht stimmen.
Das SEM hat zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass das Vorbringen, sie hätten zwischen 2008 und 2013 und vor allem zwischen 2013 und 2015 keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme gehabt, im Zeitalter mobiler Telekommunikation gänzlich unplausibel erscheint; dies umso mehr, nachdem Verwandte in Eritrea als Informations-Drehscheibe hätten dienen können, falls B. der Beschwerdeführerin in Khartum seine Kontaktdaten in Italien tatsächlich nicht gegeben haben sollte (was im Übrigen geradezu als Beweis für das faktische Ende der Beziehung zum damaligen Zeitpunkt zu werten gewesen wäre).
Schliesslich erscheint auch die Darstellung als lebensfremd, dass es der Beschwerdeführerin - angeblich nach vielen Jahren ohne jede Möglichkeit der Kontaktaufnahme - unmittelbar nach ihrem positiven Asylentscheid erstmals gelungen sein soll, ihren Mann endlich wieder aufzuspüren.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Wille der Eheleute in einer Familiengemeinschaft zu leben bei der Beschwerdeführerin und B. spätestens ab ihrem Treffen im Sudan im Juni 2013 erloschen ist. Das Gegenargument, es seien nur die äusseren Umstände gewesen, die sie an einem Zusammenleben als Eheleute beziehungsweise Familie gehindert hätten, überzeugt nach dem oben Gesagten nicht.
Die Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung gemäss Art. 51 Abs. 4 AsylG waren und sind damit nicht gegeben.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Nachdem das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung jedoch mit Instruktionsverfügung vom 19. Oktober 2017 gutgeheissen wurde, und sich aus den Akten keine Hinweise auf eine massgebende Veränderung der finanziellen Verhältnisse ergeben, sind keine Verfahrenskosten zu erheben.
Nachdem in der erwähnten Zwischenverfügung das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung abgelehnt wurde, ist dem Rechtsvertreter keine Entschädigung für seine Aufwendungen (durch das Bundesverwaltungsgericht) auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin und an das SEM.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Markus König Lhazom Pünkang
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