Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung III |
Dossiernummer: | C-5180/2018 |
Datum: | 11.03.2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Rentenanspruch |
Schlagwörter : | Vorinstanz; Verfügung; Abklärung; Bundesverwaltungsgericht; Abklärungen; IVSTA; Stellungnahme; BVGer-act; Lungenerkrankung; Beweis; Richter; Rückweisung; Urteil; Arbeitsfähigkeit; Parteien; Hinweis; Beschwerdeführers; Verwaltung; VwVG;; Gericht; Zustellung; Dienst; Verfahrens; Einschreiben; Entscheid |
Rechtsnorm: | Art. 21 VwVG ;Art. 30 ATSG ;Art. 49 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 60 ATSG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ; |
Referenz BGE: | 132 V 215; 137 V 210; 139 V 349 |
Kommentar: | - |
Abteilung III C-5180/2018
Besetzung Richter Christoph Rohrer (Vorsitz),
Richterin Viktoria Helfenstein, Richter David Weiss, Gerichtsschreiber Michael Rutz.
Parteien A. , (Deutschland) Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Invalidenversicherung, Rentenanspruch (Verfügung vom 14. November 2016).
dass die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (nachfolgend: IVSTA oder Vo-
rinstanz) das erstmalige Leistungsgesuch von A.
(nachfolgend:
Versicherter oder Beschwerdeführer) vom 9. November 2015 gestützt auf eine Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom
19. August 2016 (act. 24) mit Verfügung vom 14. November 2016 abgewiesen hat (act. 27),
dass der Versicherte in einem an die IVSTA gerichteten Schreiben vom
30. Dezember 2016 bezugnehmend auf die Verfügung vom 14. November 2016 «Einspruch» gegen die Ablehnung eingereicht und beantragt hat, es sei ihm eine Invalidenrente auszurichten (act. 28),
dass sich der Versicherte sodann am 25. Januar 2017 über den deutschen Versicherungsträger erneut zum Bezug einer schweizerischen Invalidenrente angemeldet hat (act. 37),
dass die IVSTA auf das zweite Leistungsgesuch des Versicherten vom
25. Januar 2017 mit Verfügung vom 29. September 2017 mangels Glaubhaftmachung einer anspruchsrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht eingetreten ist (act. 43),
dass die IVSTA dem Bundesverwaltungsgericht am 5. September 2018 unter Bezugnahme auf die Verfügung vom 14. November 2016 das Schreiben des Versicherten vom 30. Dezember 2016 zur weiteren Veranlassung übermittelt hat (BVGer-act. 2),
dass die IVSTA in ihrer Vernehmlassung vom 5. Oktober 2018 ausgeführt hat, das Schreiben vom 30. Dezember 2016 sei bedauerlicherweise verspätet an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet worden (BVGeract. 4),
dass die IVSTA sinngemäss geltend macht, das Schreiben vom 30. Dezember 2016 sei als rechtzeitig erhobene Beschwerde gegen die Verfügung vom 14. November 2016 zu betrachten, die aber abzuweisen sei,
dass der Beschwerdeführer replikweise am 12. November 2018 einen neuen Arztbericht vom 10. November 2018 bezüglich einer Lungenerkrankung eingereicht hat (BVGer-act. 7),
dass die Vorinstanz in ihrer Duplik vom 18. Februar 2018 unter Hinweis auf eine Stellungnahme ihres medizinischen Dienstes vom 28. November
2018 beantragt, dass die angefochtene Verfügung vom 14. November 2016 aufzuheben und die Sache zur Abklärung der Lungenbeschwerden des Beschwerdeführers an die Verwaltung zurückzuweisen sei (BVGeract. 10),
dass der Beschwerdeführer von der Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag der Vorinstanz um Aufhebung der angefochtenen Verfügung und Rückweisung der Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen keinen Gebrauch gemacht hat (BVGer-act. 11),
dass festzustellen ist, dass gegen die anspruchsverneinende Verfügung der Vorinstanz vom 14. November 2016 (Anfechtungsobjekt) beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde geführt werden kann (Art. 31, 32 und 33 Bst. d VGG; Art. 69 Abs. 1 Bst. b IVG [SR 831.20]),
dass der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 59 ATSG (SR 830.1) beschwerdelegitimiert ist,
dass die Beschwerdefrist von 30 Tagen (Art. 50 Abs. 1 VwVG; Art. 60 Abs. 1 ATSG) auch dann als gewahrt gilt, wenn die Partei rechtzeitig an eine unzuständige Behörde gelangt (Art. 21 Abs. 1 VwVG; Art. 39 Abs. 2
i.V.m. Art. 60 Abs. 2 ATSG),
dass Beschwerden, welche bei der unzuständigen Stelle eingereicht werden, ohne Verzug dem zuständigen Gericht zu überweisen sind (Art. 8 Abs. 1 VwVG; Art. 30 und 58 Abs. 3 ATSG),
dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 der Vorinstanz sein Nichteinverständnis mit der am 14. November 2016 verfügten Abweisung seines ersten Rentengesuchs klar mitgeteilt hat,
dass der Beweis der Tatsache sowie des Zeitpunkts der Zustellung von Verfügungen rechtsprechungsgemäss der die Zustellung veranlassenden Behörde obliegt, welche die entsprechende (objektive) Beweislast trägt und im Falle der Beweislosigkeit auch die Folgen derselben (vgl. Urteil des EVG 458/01 vom 11. September 2001 E. 2b mit Hinweis),
dass die Vorinstanz den Zeitpunkt der Zustellung der Verfügung vom
14. November 2016 nicht mehr eruieren konnte, weshalb davon auszugehen ist, dass die Eingabe vom 30. Dezember 2016 innerhalb der Beschwerdefrist erfolgt war,
dass die Vorinstanz verpflichtet gewesen wäre, die Eingabe vom 30. Dezember 2016 unverzüglich dem Bundesverwaltungsgericht zu überweisen,
dass die Vorinstanz ihrer Weiterleitungspflicht erst verspätet nachgekommen ist, was indessen nichts an der grundsätzlich fristwahrenden Wirkung der rechtzeitig bei ihr eingereichten Beschwerde ändert (vgl. Urteil des BGer 9C_211/2015 vom 21. September 2015 E. 2.1),
dass eine verspätete Überweisung für die betroffene Partei keinen Nachteil bewirken soll (DAUM/BIERI, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2. Aufl. 2019, N 18 zu Art. 8),
dass damit auf die formgerechte Beschwerde vom 30. Dezember 2016 gegen die Verfügung vom 14. November 2016 einzutreten ist,
dass der Grundsatz von Treu und Glauben dem nicht entgegensteht, zumal die Vorinstanz selbst an das Bundesverwaltungsgericht gelangt ist und das Eintreten auf die Beschwerde beantragt hat,
dass der Beschwerdeführer laut dem im Beschwerdeverfahren eingereichten Bericht von Dr. med. B. vom 10. November 2018 an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) leidet, die funktionelle Einschränkungen verursache (BVGer-act. 7),
dass Dr. med. C. vom medizinischen Dienst der Vorinstanz in seiner Stellungnahme vom 28. November 2018 festgehalten hat, dass ein Einfluss der Lungenerkrankung auf die Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden könne und diesbezüglich weitergehende fachärztliche Abklärungen notwendig seien,
dass diese Einschätzung nach Einsicht in die Akten bzw. medizinischen Unterlagen nachvollziehbar ist, zumal eine chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD) bereits im Arztbericht vom 30. Januar 2016 (act.19) und der Stellungnahme des RAD vom 19. August 2016 als Diagnose (ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit) aufgeführt wurden, aber keine fachärztliche Einschätzung der Lungenerkrankung bzw. der Lungenfunktion sowie deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit in den Akten liegt,
dass im Spitalbericht vom 30. Januar 2016 überdies als Diagnosen Ösophagusvarizen, eine aethyltoxisch bedingte Leberzirrhose Child C, eine portale Gastropathie, eine multiple HP-negative Ulcera duodeni, kardiovaskuläre Risikofaktoren (Adipositas, Diabetes mellitus Typ II, Nikotinabusus), ein Erysipel am rechten Unterschenkel, eine Sepsis bei Phlegmonen am
rechten Unterschenkel sowie eine Colondivertikulose genannt wurden (act. 19), die der IV-Arzt Dr. med. C. ebenfalls als weiter abklärungsbedürftig betrachtet (Stellungnahme vom 28. November 2018; Beilage zu BVGer-act. 10),
dass damit keine zuverlässige und umfassende Entscheidungsgrundlage besteht, sich deshalb weitere Abklärungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers sowie zu den entsprechenden Auswirkungen auf dessen Arbeitsfähigkeit aufdrängen und folglich für das Bundesverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, weshalb dem unwidersprochenen Antrag der Vorinstanz auf Rückweisung der Sache zur weiteren Abklärung nicht entsprochen werden sollte,
dass Art. 49 Bst. b VwVG die unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts ausdrücklich als Beschwerdegrund nennt,
dass die von der Vorinstanz beantragte Rückweisung zur Vornahme der erforderlichen Abklärungen ins Verwaltungsverfahren vorliegend möglich bleibt, da insbesondere die pulmologischen Abklärungen eine bisher völlig ungeklärte Frage betreffen (BGE 137 V 210 E. 4.4.1 ff.),
dass im Rahmen der weiteren Abklärungen zu beachten sein wird, dass nach der Rechtsprechung die umfassende administrative Erstbegutachtung regelmässig polydisziplinär anzulegen ist, sofern die medizinische Situation nicht offenkundig ausschliesslich ein oder zwei Fachgebiete beschlägt (BGE 139 V 349 E. 3.2; 137 V 210 E. 1.2.4), was hier nicht der Fall ist,
dass sich die weiteren Abklärungen daher nicht nur auf das Lungenleiden beschränken dürfen,
dass aufgrund der festgestellten aethylbedingten körperlichen Schädigungen konkrete Hinweise auf eine weitere Organschädigung (Leberzirrhose) und ein Suchtleiden bestehen, weshalb neben einer internistischen auch eine psychiatrischen Begutachtung angezeigt erscheint,
dass Alkoholismus nach ständiger Rechtsprechung zwar keine Invalidität begründet, eine solche Sucht im Rahmen der Invalidenversicherung hingegen bedeutsam wird, wenn sie ihrerseits eine Krankheit oder einen Unfall bewirkt hat, in deren Folge ein körperlicher oder geistiger Gesundheitsschaden eingetreten ist, oder aber wenn sie selber Folge eines körperlichen oder geistigen Gesundheitsschadens ist, welchem Krankheitswert
zukommt (Urteile des BGer 8C_663/2017 vom 12. Dezember 2017 E. 3.3; 8C_48/2012 vom 3. Dezember 2012 E. 2.3),
dass die Beschwerde demnach in dem Sinn gutzuheissen ist, als die angefochtene Verfügung vom 14. November 2016 aufzuheben und die Sache zur Einholung eines polydisziplinären, insbesondere internistischen, pneumologischen und psychiatrischen Gutachtens (bei Bedarf sind auch weitere Disziplinen einzubeziehen) und anschliessender Neuverfügung über das erste Rentengesuch des Beschwerdeführers vom 9. November 2011 an die Vorinstanz zurückzuweisen ist,
dass eine Rückweisung praxisgemäss als Obsiegen der beschwerdeführenden Partei gilt (BGE 132 V 215 E. 6),
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens keine Verfahrenskosten zu erheben sind (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG),
dass dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer keine unverhältnismässig hohen Kosten entstanden sind, weshalb ihm keine Parteientschädigung zuzusprechen ist (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]),
dass für das Dispositiv auf die nächste Seite zu verweisen ist.
Die Beschwerde wird insoweit gutgeheissen, als die angefochtene Verfügung vom 14. November 2016 aufgehoben und die Sache zu weiteren Abklärungen und zum Erlass einer neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Dieses Urteil geht an:
den Beschwerdeführer (Einschreiben mit Rückschein)
die Vorinstanz (Ref-Nr. [ ]; Einschreiben)
das Bundesamt für Sozialversicherungen (Einschreiben)
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Christoph Rohrer Michael Rutz
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geführt werden, sofern die Voraussetzungen gemäss Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG gegeben sind. Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
Versand:
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