Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung I |
Dossiernummer: | BVGE 2019 V/1 |
Datum: | 30.01.2019 |
Leitsatz/Stichwort: | Beitragsverfügung der Auffangeinrichtung |
Schlagwörter : | Urteil; Verzug; Anschluss; Verzugszins; Beiträge; Mahnung; Verzugszinsen; Zinsen; Auffangeinrichtung; Arbeitgeber; Zeitpunkt; Vorinstanz; Zwangsanschluss; Beitragsforderung; Verjährung; Betreibung; Vorsorge; Beitragsforderungen; Fälligkeit; Bundesverwaltungsgericht; Anschlussbedingungen; Zahlung; Datum; Beitragszahlungen; Verfügung; ährt |
Rechtsnorm: | Art. 102 OR ; Art. 104 OR ; Art. 105 OR ; Art. 11 BV ; Art. 12 BV ; Art. 129 OR ; Art. 13 OR ; Art. 130 OR ; Art. 135 OR ; Art. 41 BV ; Art. 60 BV ; Art. 66 BV ; |
Referenz BGE: | 119 V 131; 136 V 73; 143 II 37 |
Kommentar: | - |
Auszug aus dem Urteil der Abteilung I
i.S. X. AG gegen Stiftung Auffangeinrichtung BVG
A555/2018 vom 30. Januar 2019
Die X. AG (nachfolgend: Beschwerdeführerin) wurde am 11. Januar 2011 von der Stiftung Auffangeinrichtung BVG (nachfolgend: Vorinstanz) rückwirkend per 1. Juli 1992 bis 31. Dezember 1993 und ab dem 1. Januar
2006 zwangsweise angeschlossen.
Nachdem eine erste Beitragsverfügung mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C4910/2011 vom 19. November 2012 wegen Verletzung der Begründungspflicht aufgehoben und die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückgewiesen worden war, mahnte die Vorinstanz nach weiteren Abklärungen mit Brief vom 24. Februar 2017 die Beschwerdeführerin zur Zahlung der ausstehenden Beträge. Am 17. März 2017 setzte Erstere die Beträge zuzüglich Verzugszinsen in Betreibung. Gegen den zugestellten Zahlungsbefehl erhob die Beschwerdeführerin am 24. März 2017 Rechtsvorschlag. Diesen hob die Vorinstanz mit Beitragsverfügung vom 13. Dezember 2017 auf. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 27. Januar 2018 Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragt insbesondere, die Verfügung vom 13. Dezember 2017 vollumfänglich aufzuheben und festzustellen, dass die Beitragsforderungen für die Jahre 1992 bis 2001 absolut verjährt seien.
Mit Vernehmlassung vom 25. April 2018 beantragt die Vorinstanz die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Forderung sei nicht verjährt, da die Verjährungsfrist erst mit dem Anschluss zu laufen beginne. Verzugszinsen seien ab Fälligkeit der Beiträge geschuldet. Für Beiträge, die Zeiträume vor dem Anschluss beträfen, träten Fälligkeit und Verzugszinspflicht mit dem rechtskräftigen Anschluss ein, da die Beitragsforderungen mit dieser Verfügung entstünden.
Das Bundesverwaltungsgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
Die einzelnen Beitragsforderungen verjähren nach fünf Jahren (Art. 41 Abs. 2 BVG [SR 831.40]). Art. 41 Abs. 2 BVG verweist im Übrigen auf die Art. 129 ff. OR. Gemäss Art. 130 Abs. 1 OR beginnt die Verjährung mit der Fälligkeit der Forderung.
Das Bundesgericht hat diesbezüglich erwogen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Verjährungsfrist für Beiträge zurückliegender Jahre bei zwangsweisen Anschlüssen an die Auffangeinrichtung nach Art. 11 Abs. 6 BVG mit dem verfügten Anschluss zu laufen beginnt. Begründet wird dies mit der konstitutiven Wirkung der Anschlussverfügung, welche erst das Rechtsverhältnis entstehen lässt, aufgrund dessen die Beiträge an die Auffangeinrichtung aus beruflicher Vorsorge geschuldet sind. Nach dieser Konzeption beruht die Beitragsforderung auf einem Reglement, welches erst auf der Grundlage eines Anschlussvertrags rechtliche Verbindlichkeit erlangt (Art. 66 Abs. 1 und 2 BVG). Eine Beitragsforderung gegenüber einem bestimmten Arbeitgeber entsteht im Rahmen eines zwangsweisen Anschlusses mit dem Erlass der Verfügung, weil erst infolge der Unterstellung unter das Vorsorgereglement die rechtliche Grundlage zur Beitragserhebung geschaffen ist. Vorher können keine Beiträge fällig sein und keine Verjährungsfristen zu laufen beginnen (Urteil des BGer 9C_655/2008 vom 2. September 2009 E. 4.3; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; heute: Bundesgericht] B 97/06 vom
25. Juni 2007 E. 5.2, je m.H.). Durch die Anschlussverfügung entsteht eine neue Rechtsbeziehung (Urteil des EVG B 54/99 vom 1. Mai 2000 E. 2a m.H.).
Tritt ein Leistungsfall ein, bevor ein Arbeitgeber bei einer Vorsorgeeinrichtung angeschlossen ist, werden die entsprechenden Leistungen an die betroffenen Arbeitnehmenden oder deren Hinterbliebene durch die Vorinstanz erbracht (Art. 12 Abs. 1 BVG). In diesem Fall wird der Arbeitgeber von Gesetzes wegen an die Vorinstanz angeschlossen (Art. 12 BVG
i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung vom 28. August 1985 über die Ansprüche der Auffangeinrichtung der beruflichen Vorsorge [SR 831.434, nachfolgend: VO Auffangeinrichtung]).
Der Arbeitgeber hat gemäss klarem und eindeutigem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 VO Auffangeinrichtung (Urteil 9C_655/2008 E. 5.3 m.H.) der Auffangeinrichtung die Beiträge für alle dem Gesetz unterstellten Arbeitnehmer « von dem Zeitpunkt an zu entrichten, von dem an er bei einer Vorsorgeeinrichtung hätte angeschlossen sein müssen ». Art. 3 Abs. 1 VO Auffangeinrichtung begründet somit in gesetzesund verfassungskonformer Weise einen materiellen Beitragsanspruch der Auffangeinrichtung für jenen Zeitraum, in dem der Arbeitgeber vorsorgepflichtig war, sich jedoch noch nicht einer Vorsorgeeinrichtung angeschlossen hatte.
Die Frage, wann die Beitragsforderung entsteht und fällig wird, wird in dieser Verordnung aber nicht geregelt. Sie wurde vom Bundesgericht mit Urteil 9C_655/2008 wie folgt beantwortet:
Zwar erfolgt der Anschluss bereits von Gesetzes wegen. Die Beitragsschuld entsteht jedoch nicht schon von Gesetzes wegen und ohne Zutun der Vorinstanz. Das ergibt sich auch daraus, dass die Beiträge rückwirkend auf den Zeitpunkt geschuldet sind, zu dem der Arbeitgeber hätte angeschlossen werden müssen. Würde die Beitragsschuld auch zu diesem Zeitpunkt entstehen, bedürfte es der Regelung von Art. 3 Abs. 1 VO Auffangeinrichtung gar nicht (vgl. auch Art. 12 Abs. 2 BVG). Zudem ist auch im Falle von Art. 2 Abs. 1 VO Auffangeinrichtung, also beim Anschluss von Gesetzes wegen, der Anschluss zu verfügen, weil Art. 60 Abs. 2 Bst. a BVG die Auffangeinrichtung in genereller Weise verpflichtet, Arbeitgeber, die keiner Vorsorgeeinrichtung zugehören, jedoch obligatorisch zu versichernde Arbeitnehmer beschäftigen, anzuschliessen, wobei sie eine Verfügung erlassen kann (Art. 60 Abs. 2bis BVG). Daraus erhellt, dass der Anschluss gemäss Art. 2 Abs. 1 VO Auffangeinrichtung gleich wie derjenige gestützt auf Art. 11 Abs. 6 BVG einen Rechtsakt erfordert, zumal sich der Tag des rückwirkenden Anschlusses nicht aufgrund des Gesetzes, sondern nach Massgabe der konkreten Verhältnisse erst aus der Verfügung ergibt. Sodann öffnet allein die Verfügung den Rechtsmittelweg (Art. 44 VwVG).
Die gesetzeskonforme Auslegung von Art. 2 Abs. 1 VO Auffangeinrichtung und damit des Begriffs von Gesetzes wegen zeigt gemäss Bundesgericht auf, dass der Anschluss wohl zu verfügen ist, hingegen die Auffangeinrichtung als aufnehmende Vorsorgeeinrichtung von vornherein feststeht, weshalb das Mahnverfahren und das Wahlrecht des Arbeitgebers gemäss Art. 11 Abs. 5 und 6 BVG entfallen. Letzteres ändert indes nichts daran, dass die Beitragsforderung auch unter dem Gesichtswinkel von
Art. 2 Abs. 1 VO Auffangeinrichtung erst mit der Anschlussverfügung entsteht, womit sie fällig wird und die Verjährung gemäss Art. 41 Abs. 2 BVG beginnt (Art. 130 Abs. 1 OR; zum Ganzen: Urteil 9C_655/2008 E. 5.3 [für den Zwangsanschluss gestützt auf Art. 11 Abs. 6 BVG: E. 4.3] m.H.; vgl. Urteil des BVGer A5189/2017 vom 5. Juli 2018 E. 3.3.3).
Vorliegend werden Beitragsforderungen bis zurück ins Jahr 1992 gefordert. Die Forderungen entstanden dennoch erst am 11. Januar 2011, als die Beschwerdeführerin der Auffangeinrichtung angeschlossen wurde. Erst am 11. Januar 2011 konnte daher die Verjährungsfrist zu laufen beginnen. Diese Frist wurde unter anderem mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C4910/2011 vom 19. November 2012 unterbrochen und dann spätestens wieder am 17. März 2017 durch die Einleitung der Betreibung (vgl. zur Verjährungsunterbrechung Art. 135 Ziff. 2 OR, welcher gemäss Art. 41 Abs. 2 BVG anwendbar ist). Dazwischen waren keine fünf Jahre vergangen, weshalb die Forderung bei Einleitung der Betreibung am
17. März 2017 nicht verjährt war. Mit diesem Datum begann die Frist neu zu laufen.
Da die Forderungen erst am 11. Januar 2011 entstanden und die Verjährung erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen begann, sind sie auch nicht absolut verjährt. Der Erlass der Zwangsanschlussverfügung unterbricht nicht etwa die Verjährung, sondern vor diesem Zeitpunkt läuft gar keine Verjährungsfrist. Der von der Beschwerdeführerin genannte BGE 136 V 73 hilft ihr nicht. Dort wird zwar die (relative) Verjährungsfrist von fünf Jahren um eine absolute von zehn Jahren ergänzt (BGE 136 V 73 E. 4.3). Es wird aber explizit festgehalten, dass sich der dort zu beurteilende Fall (nämlich die nachträgliche Begründung eines individuellen Vorsorgeverhältnisses eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitgeber bereits angeschlossen ist) von jenem, in dem wie vorliegend ein Arbeitgeber an die Vorinstanz angeschlossen wird, unterscheidet (BGE 136 V 73 E. 3.2.1 und 3.3). Im letzteren Fall so bestätigt das Bundesgericht implizit lasse erst die Anschlussverfügung die Beitragsforderung entstehen und begründe ihre Fälligkeit (BGE 136 V 73 E. 3.2.1). Auch in Bezug auf die (allenfalls auch hier geltende) absolute Verjährung beginnt die Frist damit mit dem Zwangsanschluss. Seit dem 11. Januar 2011 sind indessen noch keine zehn Jahre vergangen, sodass die Forderungen auch nicht absolut verjährt sind.
Was hier explizit für die Beitragsforderung für das Jahr 1992 ausgeführt wurde, gilt auch für die jüngeren Beitragsjahre. Insgesamt sind die Beitragsforderungen damit allesamt nicht verjährt.
Eine Vorsorgeeinrichtung kann für nicht rechtzeitig bezahlte Beiträge Verzugszinsen verlangen (Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BVG). Der Arbeitgeber überweist die Arbeitnehmerund Arbeitgeberbeiträge bis spätestens zum Ende des ersten Monats nach dem Kalenderoder Versicherungsjahr, für das die Beiträge geschuldet sind, an die Vorsorgeeinrichtung (Art. 66 Abs. 4 BVG).
Der Arbeitgeber hat der Auffangeinrichtung die Beiträge für alle dem Gesetz unterstellten Arbeitnehmer von dem Zeitpunkt an zu entrichten, von dem an er bei einer Vorsorgeeinrichtung hätte angeschlossen sein müssen (Art. 3 Abs. 1 VO Auffangeinrichtung). Der vom Arbeitgeber geschuldete Verzugszins entspricht dabei dem jeweils von der Auffangeinrichtung für geschuldete Beiträge geforderten Zinssatz (Art. 3 Abs. 2 VO Auffangeinrichtung). Die genannten Verordnungsbestimmungen erweisen sich als gesetzmässig, zumal die Verzugszinspflicht in Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BVG statuiert wird und auch in Art. 12 Abs. 2 BVG die Pflicht des Arbeitgebers zur Leistung von Verzugszinsen im Falle eines rückwirkenden Zwangsanschlusses ausdrücklich festgehalten wird (Urteil des BVGer C2381/2006 vom 27. Juli 2007 E. 7.2). Ist vor dem Anschluss ein Leistungsfall eingetreten (Art. 12 Abs. 1 BVG), schuldet der Arbeitgeber der Auffangeinrichtung neben einem Zuschlag als Schadenersatz die entsprechenden Beiträge samt Verzugszinsen (Art. 12 Abs. 2 BVG).
Nicht zu entnehmen ist den einschlägigen Gesetzesund Verordnungsbestimmungen, ab wann Verzugszinsen auf Beitragszahlungen bei einem rückwirkenden Zwangsanschluss geschuldet sind.
In den Anschlussbedingungen der Vorinstanz zur Anschlussverfügung, die mittels Verweis in der Anschlussverfügung Bestandteil dieser Verfügung geworden sind, findet sich eine von Art. 66 Abs. 4 BVG abweichende Regel. Ziff. 4 Abs. 6 der Anschlussbedingungen zur Zwangsanschlussverfügung vom 11. Januar 2011 lautet:
« Die Beiträge gemäss jeweils gültigem Reglement bzw. jeweils gültiger Beitragsordnung werden ihm [dem Arbeitgeber] vierteljährlich nachschüssig in Rechnung gestellt. Sie sind jeweils am 1. März, 1. Juni, 1. September und 1. Dezember fällig und zahlbar innert 30 Tagen nach Fälligkeit. Bei verspäteter Zahlung kann die Stiftung Zinsen auf die ausstehenden Beiträge erheben. Ausstehende Beiträge werden gemahnt. »
In Ziff. 4 Abs. 7 der Anschlussbedingungen steht:
« Wenn der Arbeitgeber die Mahnung nicht beachtet, fordert die Stiftung die ausstehenden Beiträge samt Zinsen und Kosten ein. Die Zinsen werden mit den vom Stiftungsrat festgesetzten Verzugszinssätzen und ab Fälligkeit der Beiträge berechnet. Mahnung und Betreibung sind kostenpflichtig. Der Arbeitgeber anerkennt die von der Stiftung erstellten Beitragsrechnungen und Mahnungen, sofern er nicht binnen 20 Tagen nach Zustellung begründet Einspruch erhebt. »
Zu beachten ist weiter, dass die Beiträge für zurückliegende Jahre vor dem Zwangsanschluss mit dem Zwangsanschluss fällig werden (E. 4.1 und 4.2).
Die Beschwerdeführerin hält dafür, vor dem 24. Februar 2017 schulde sie keine Verzugszinsen. Mit der konkreten Forderung sei sie erst mit Schreiben vom 8. Dezember 2016 konfrontiert und mit Schreiben vom
24. Februar 2017 gemahnt worden.
Die Vorinstanz vertritt dagegen die Auffassung, nach Ziff. 4 Abs. 6 der Anschlussbedingungen könne sie ab Fälligkeit der Beiträge Verzugszinsen verlangen. Für Beiträge, die Zeiträume vor dem Anschluss beträfen, träten Fälligkeit und Verzugszinspflicht erst mit dem rechtskräftigen Anschluss ein, da die Beitragsforderungen erst mit dieser Verfügung entstünden. Sie berechnet daher Verzugszinsen ab dem Datum der Anschlussverfügung.
Vorliegend strittig ist damit die Frage, ob Verzugszinsen ab dem Datum der Zwangsanschlussverfügung geschuldet sind oder ab dem Datum der Mahnung. Mangels einschlägiger Bestimmungen im BVG-Recht (E. 5.1.3) ist primär auf die Anschlussbedingungen und subsidiär auf die allgemeinen Regeln des OR zurückzugreifen.
Art. 102 Abs. 1 OR hält fest, dass der Schuldner durch eine Mahnung des Gläubigers in Verzug gesetzt wird, wenn eine Verbindlichkeit fällig ist. Ab diesem Zeitpunkt sind auch Verzugszinsen geschuldet (Art. 104 Abs. 1 OR). Wurde jedoch für die Erfüllung ein bestimmter Verfalltag verabredet oder ergibt sich ein solcher infolge einer vorbehaltenen und gehörig vorgenommenen Kündigung, so kommt der Schuldner schon mit Ablauf dieses Tages in Verzug (Art. 102 Abs. 2 OR). Eine Mahnung ist dann nicht mehr notwendig.
Art. 105 Abs. 1 OR, wonach ein Schuldner, der mit der Zahlung von Zinsen oder mit der Entrichtung von Renten oder mit der Zahlung einer geschenkten Summe im Verzug ist, erst vom Tage der Anhebung der Betreibung oder der gerichtlichen Klage an Verzugszinsen zu bezahlen hat, ist vorliegend nicht anwendbar. Weder geht es nämlich um die Zahlung von solchen Zinsen (Art. 105 Abs. 1 OR bezieht sich auf Kapitalzinsen; WOLFGANG WIEGAND, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 6. Aufl. 2015, Art. 105 N. 3, nachfolgend: Kommentar OR) noch um Rentenzahlungen noch um eine geschenkte Summe.
Gemäss den Anschlussbedingungen werden die einzelnen Zahlungen zu den dort genannten Stichtagen fällig (1. März, 1. Juni, 1. September und 1. Dezember; E. 5.1.4), und zwar ohne dass gemahnt werden müsste. Zahlbar sind sie innert 30 Tagen. Eine Mahnung ist nach den Anschlussbedingungen nur notwendig, bevor der Betrag in Betreibung gesetzt wird. Fraglich ist, ob diese Stichtage sowie die Tatsache, dass keine Mahnung erforderlich ist, auch für rückwirkende Beitragszahlungen gelten oder ab wann die Verzugszinsen für diese Beitragszahlungen zu laufen beginnen.
Zunächst ist auf die Rechtsprechung einzugehen.
Das Bundesgericht beziehungsweise zuvor noch das Eidgenössische Versicherungsgericht hielt fest, dass die Zahlungen ab dem Zeitpunkt zu verzinsen seien, zu dem sie bei korrekter Anmeldung fällig geworden wären, und dass eine Mahnung (gestützt auf Art. 102 Abs. 2 OR) nicht nötig sei (Urteile des EVG B 75/00 vom 28. Mai 2001 E. 4b; B 9/02 vom 15. November 2002 E. 4.2, jeweils zu lesen i.V.m. dem Sachverhalt). Die beiden genannten Urteile des EVG verweisen auf BGE 119 V 131
E. 4c, wo es um eine Freizügigkeitsleistung ging. Dort ist davon die Rede, dass Freizügigkeitszahlungen vom Zeitpunkt ihrer Fälligkeit an zu verzinsen sind.
Muss die Vorinstanz also allenfalls Leistungen verzinsen, die lange zurückliegen, muss sie so das EVG auch Beitragszahlungen, die ihr damals nicht bezahlt wurden, ihr aber hätten bezahlt werden müssen, vom Zeitpunkt, in dem sie hätten bezahlt werden müssen, verzinsen können, und zwar ohne Mahnung. Andernfalls würde ihr, wie das EVG im Urteil B 75/00 E. 4b festhält, aus der Ausübung ihrer Pflichten, welche aus Art. 60 Abs. 2 Bst. a BVG fliessen, ein Schaden entstehen.
In seinem Urteil B 106/03 vom 26. August 2004 hielt das EVG hingegen in E. 4.2 fest, die Zinsen würden erst nach Ablauf der 30-tägigen Zahlungsfrist nach Rechnungstellung durch die Vorinstanz zu laufen beginnen. Vor diesem Datum habe die betroffene Person nicht gewusst, wie hoch die Zahlungen seien. Dabei setzt sich das Gericht nicht mit seiner noch zwei Jahre zuvor geäusserten Ansicht auseinander.
Drei Jahre später scheint es wieder zu seiner alten Rechtsprechung zurückzukehren (Urteil B 97/06 E. 6.1 f.).
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich wie folgt dar:
-Im Urteil C2381/2006 vom 27. Juli 2007 hielt das Bundesverwaltungsgericht in E. 7.2 fest, eine Mahnung sei nicht erforderlich, damit der Zinsenlauf beginne. Es verweist auf das Urteil B 75/00 E. 4b (zu diesem Urteil oben E. 5.3.3.1 Abs. 1). Zwar wird im Urteil nicht explizit ausgeführt, ab wann Verzugszinsen geschuldet sind. Aus Bst. A.a der Sachverhaltsdarstellung (genauer aus den dort genannten Beträgen) ergibt sich aber, dass die Zinsen rückwirkend auf jenen Zeitpunkt berechnet worden sein müssen, auf den sich die Arbeitgeberin hätte anschliessen müssen. Implizit ergibt sich das auch aus dem Hinweis auf das genannte Urteil des EVG. Zwar erwähnt das Bundesverwaltungsgericht in E. 7.4 des hier beschriebenen Urteils eine Mahnung, doch scheint es in dieser Erwägung, liest man sie im Zusammenhang mit der vorangehenden E. 7.3, um Zinseszinsen zu gehen. In E. 9 wird denn auch einerseits festgehalten, dass Zinsen von 5 % ab dem Betreibungsbegehren sowohl auf den aufgelaufenen Beitragsforderungen zuzüglich Verfügungskosten und ausserordentlichen Kosten geschuldet sind (von diesen Beträgen ist in E. 7.4 die Rede), andererseits wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie die Zinsen auf den aufgelaufenen Beitragszahlungen vor dem Datum der Betreibung nunmehr ohne Zinseszinsen berechne. Da in
E. 7.4 in Bezug auf die späteren Zinsen festgehalten wurde, eine frühere Mahnung vor der Betreibung sei nicht in den Akten, wird noch einmal deutlich, dass die Zinsen auf Beitragszahlungen für vergange-
ne Perioden ohne Mahnung geschuldet waren.
-Im Urteil C3567/2008 vom 13. September 2010 (das in Fünferbesetzung gefällt wurde) hält das Bundesverwaltungsgericht in E. 4.3 ebenfalls fest, Zinsen seien so zu entrichten, als ob der Arbeitgeber seinen Pflichten rechtzeitig nachgekommen sei (mit Verweis auf das Urteil B 97/06 E. 6.2; vgl. oben E. 5.3.3.1 Abs. 3; siehe auch Urteil des BVGer C7809/2009 vom 29. März 2012 E. 7.4).
-Im wiederum in Fünferbesetzung gefällten Urteil C1899/2011 vom
15. Oktober 2013 wurde demgegenüber in E. 5.5.2 entschieden, Verzugszinsen dürften nur nach tatsächlich erfolgter Mahnung verlangt
werden. Es bezieht sich einerseits auf die Anschlussbedingungen (deren genauer Wortlaut dem Urteil nicht entnommen werden kann) und
auf zwei Urteile des Bundesverwaltungsgerichts. Das eine ist das gerade zuvor in der Klammer genannte Urteil C7809/2009, das derlei
nicht festhält, sondern gerade keine Mahnung verlangt. Im anderen Urteil (C7868/2009 vom 19. März 2012) ist in E. 6.2 zwar von einer Mahnung die Rede. Diese bezieht sich aber auf die Betreibung, die (gemäss den Anschlussbedingungen) erst eingeleitet werden darf, nachdem die Arbeitgeberin gemahnt wurde (« Die Vorinstanz hat mit
dem Verzicht auf Zustellung einer Mahnung vor Einleitung der Betreibung allerdings [ ] auch gegen Ziff. 4 Abs. 6 der Anschlussbedingungen verstossen, wonach sie ausstehende Beiträge mahnt und die ausstehenden Beiträge samt Zinsen und Kosten erst [mit Betrei-
bung] fordert, wenn der Arbeitgeber die Mahnung nicht beachtet »). Zwar stehen die Worte « mit Betreibung » in jenem Urteil in Klammern, doch wird aus dem Zusammenhang klar, dass die Einleitung der Betreibung vor Zustellung einer Mahnung problematisch war und
nicht etwa die Erhebung von Verzugszinsen, die vor dem Zeitpunkt der Mahnung zu laufen begannen. Anzumerken ist, dass im dem Urteil C7868/2009 zugrunde liegenden Sachverhalt die Vorinstanz selbst die Zinsen erst von jenem Monat an, in dem sie die Betreibung
eingeleitet hatte, geltend machte, sodass dieser Fall nicht direkt mit dem vorliegenden vergleichbar ist, zumal es dort nicht um « rückwirkende » Beiträge ging.
-Ebenso wird im Urteil C6579/2011 vom 5. März 2014 eine Mahnung verlangt. Es wird auf die Anschlussbedingungen, das gerade genannte Urteil C1899/2011 sowie das zuvor erwähnte Urteil C7809/2009 verwiesen, wobei letzteres wie ausgeführt anders zu verstehen ist. Bereits hier sei angemerkt, dass im zweiten Rechtsgang, der durch das gerade genannte Urteil C6579/2011 veranlasst wurde (Urteil A5189/2017 E. 4.3.7.2), explizit offengelassen wurde, ob diese Rechtsprechung bundesrechtskonform sei.
-Das Urteil A1087/2016 vom 10. August 2016 E. 2.5 äussert sich nicht eindeutig. Immerhin wird in der genannten Erwägung festgehalten, dass Verzugszinsen ab Fälligkeit der Beiträge berechnet werden. Dies spricht dafür, dass gerade keine Mahnung nötig ist. Auch wenn im nächsten Satz festgehalten wird, dass die Vorinstanz demnach grundsätzlich berechtigt sei, auf einer rechtmässig in Betreibung gesetzten Forderung Verzugszinsen zu erheben, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass eine Mahnung der Beitragsforderungen erforderlich sei, damit Verzugszinsen geschuldet sind. Aus E. 4.2 ergibt sich nämlich wiederum, dass Verzugszinsen bereits vor dem Zeitpunkt der Betreibung geschuldet sind.
-Im Urteil C6944/2013 vom 27. März 2017 schliesslich wird wiederum festgehalten, dass eine Mahnung nicht nötig sei (E. 6.3.5). Allerdings ging es hier um laufende Beiträge und nicht um solche, die rückwirkend erhoben werden (Sachverhalt dieses Urteils Bst. B.a).
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts deutet somit eher darauf hin, dass Zinsen auf Beitragsforderungen für Perioden vor dem Zwangsanschluss ab dem Zeitpunkt zu entrichten sind, zu dem die Beiträge bei korrekter Anmeldung an die Vorinstanz hätten bezahlt werden müssen, und keine Mahnung erforderlich ist (Verfalltag nach Art. 102 Abs. 2 OR). Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere der neueren, lässt sich keine klare Aussage entnehmen.
Der Regelung, wonach der Schuldner einer Geldschuld Verzugszins zu zahlen hat, sobald er in Verzug ist, liegt die Fiktion zugrunde, dass der verzugsbelastete Schuldner bis zur Erfüllung weiterhin über den Geldbetrag verfügen kann und der Gläubiger dadurch eine entsprechende Vermögenseinbusse erleidet. Es bedarf weder eines Schadensnachweises durch den Gläubiger noch eines Verschuldens des Schuldners, weshalb dieser auch dann Verzugszins zahlen muss, wenn er im Zeitpunkt des Verzugseintritts von seiner Zahlungspflicht oder deren Höhe keine Kenntnis hatte (vgl. BGE 143 II 37 E. 5.2.2; 129 III 535 E. 3.1 m.w.H.; Urteil
A5189/2017 E. 3.4.3).
Nach dieser Überlegung wäre der (überwiegenden) bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu folgen, wonach Verzugszinsen auf Beiträgen für zurückliegende Perioden so fällig werden, als ob die Arbeitgeberin der Vorinstanz korrekt angeschlossen gewesen wäre und die Beiträge nicht bezahlt hätte. Während dieser ganzen Zeit konnte nämlich die Arbeitgeberin über dieses Geld verfügen und mit diesem Geschäfte tätigen , das eigentlich der Vorinstanz zugestanden hätte.
Allerdings sind Verzugszinsen hinsichtlich ihrer Entstehung und ihres Umfangs von der Hauptschuld abhängig (URS LEU, in: Kommentar OR, Art. 73 N. 1 f.). Verzugszinsen sind akzessorisch zur Hauptforderung. Wie das Bundesgericht in teilweise jüngeren Urteilen als jenen, die hier in
E. 5.3.3.1 wiedergegeben sind, festgehalten hat, werden Beitragszahlungen für Perioden, die vor dem Zwangsanschluss liegen, erst mit dem
Zwangsanschluss fällig (vgl. E. 4.1.1 ff.). Werden diese erst mit dem Zwangsanschluss fällig, können auch Verzugszinsen erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen (vgl. auch Art. 133 OR, wonach die Zinsforderung mit der Hauptforderung verjährt). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 12 Abs. 2 BVG (vgl. E. 4.1.1 und 4.1.3; anders insb. Urteil C7809/2009 E. 7.4). Im Gegenteil hält die französische Fassung von Art. 12 Abs. 2 BVG noch deutlicher als die deutsche und die italienische fest, dass die Zinsen der Hauptforderung folgen (« [ ] l'employeur doit à l'institution supplétive [ ] les cotisations arriérées, en principal et intérêts, [ ] » [Hervorhebung nur hier]). Es ist vorliegend kein Grund ersichtlich, weshalb die Zinsen ausnahmsweise verselbstständigt sein sollten.
Auch wenn in (älteren) Urteilen des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts von einem früher beginnenden Zinsenlauf ausgegangen wurde, in einigen neueren Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts dagegen erst einem Beginn ab dem Zeitpunkt der Mahnung, erscheint es insbesondere in Anbetracht der genannten akzessorischen Natur der Zinsen angezeigt, den Beginn der Verjährung der Beitragsforderungen einerseits und jenen der Verzinsung andererseits einheitlich festzulegen.
Wären die Beitragsforderungen für frühere Zeiträume schon verjährt, weil die Verjährungsfrist im Zeitpunkt, in dem sie hätten entrichtet werden müssen, zu laufen begonnen hätte, wären auch die darauf fälligen Zinsen verjährt gewesen (Art. 133 OR; E. 5.3.5). Greift der Schutzmechanismus der Verjährung zugunsten der Beschwerdeführerin erst ab einem späteren Zeitpunkt, ergibt es Sinn, die Beschwerdeführerin auch die nachteiligen Folgen in Form der Zinsen erst ab diesem Zeitpunkt tragen zu lassen.
Beitragszahlungen für vor dem Zwangsanschluss liegende Perioden sind demnach per Datum der Zwangsanschlussverfügung fällig. Dieses Datum hat gleichzeitig als Verfalltag zu gelten. Am Charakter als Verfalltagsgeschäft ändert die aufgeschobene Fälligkeit nämlich nichts. Somit sind ab Datum der Zwangsanschlussverfügung auch ohne Mahnung Zinsen geschuldet.
Im Ergebnis sind damit Verzugszinsen ohne Mahnung ab Fälligkeit der Beitragsforderungen geschuldet. Zinsen auf Beitragszahlungen für Perioden, die vor dem Anschluss an die Auffangeinrichtung liegen, begin-
nen mit Fälligkeit dieser Forderungen, also dem Datum des Zwangsanschlusses (11. Januar 2011), zu laufen. Der Zinsenlauf für spätere Beitragszahlungen richtet sich nach den Anschlussbedingungen.
In Bezug auf die Zinszahlungen ist damit der Vorinstanz zu folgen. Wie aus den detaillierten Beiblättern zur Beitragsverfügung hervorgeht, wurde auch die Höhe der Zinsen korrekt berechnet.
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