Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-2973/2015 |
Datum: | 10.01.2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Fürsorge (Asyl) |
Schlagwörter : | Einreise; Einreisekosten; Person; Verfügung; Familie; Personen; Recht; Vorinstanz; Kinder; Gesuch; Übernahme; Bundesverwaltungsgericht; Ehefrau; Beschwerdeführers; Darlehen; Verwandten; Darlehens; Vater; Richter; Finanzierung; Familienangehörigen; Flüchtlingsdienst; Rückerstattung; Vaters; Abzug; Erwägung |
Rechtsnorm: | Art. 32 ZGB ;Art. 48 VwVG ;Art. 62 VwVG ;Art. 65 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung VI F-2973/2015
Besetzung Richter Philippe Weissenberger (Vorsitz),
Richter Gregor Chatton, Richterin Marianne Teuscher, Gerichtsschreiber Rudolf Grun.
Parteien A. ,
vertreten durch MLaw Livia Kunz, Berner Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not, Eigerplatz 5, 3007 Bern, Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Übernahme der Einreisekosten.
dass der Beschwerdeführer (geb. 1969, Eritrea) am 29. August 2011 in die Schweiz reiste und um Asyl nachsuchte, was ihm am 17. Oktober 2011 mit Verfügung des damaligen Bundesamts für Migration (BFM; heute SEM) gewährt wurde,
dass der Beschwerdeführer am 10. Mai 2012 für seine Ehefrau und sieben Kinder ein Gesuch um Familienzusammenführung stellte, welches vom BFM am 4. Dezember 2013 bewilligt wurde,
dass der Beschwerdeführer am 16. Dezember 2013 beim BFM ein Gesuch um Übernahme der Einreisekosten einreichte, welches er nach Aufforderung des BFM am 27. Januar 2014 mit den von der Vorinstanz gewünschten Informationen (u.a. wirtschaftliche Verhältnisse seiner Verwandten) präzisierte,
dass der Beschwerdeführer am 19. November 2014 zwecks Finanzierung der Einreisekosten seiner Familienangehörigen - er habe den Entscheid der Vorinstanz nicht mehr abwarten wollen - beim Flüchtlingsdienst der Caritas Bern eine Schuldanerkennung und Rückerstattungsvereinbarung unterzeichnete (Bezug eines Darlehens von Fr. 4‘622.-, Rückerstattung von Fr. 100.- pro Monat ab Dezember 2014),
dass das SEM das Gesuch um Übernahme der Einreisekosten mit Verfügung vom 1. April 2015 (eröffnet am 8. April 2015) abwies,
dass zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt wurde, seine eigenen Einreisekosten von Fr. 13‘000.- seien von seinem Vater übernommen worden (seine Familie habe ein grosses Stück Land und über 80 Milchkühe besessen), weshalb aufgrund seines grossen Familiennetzes davon auszugehen sei, dass durch die ganze Verwandtschaft genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten,
dass ferner in Bezug auf den geltend gemachten Tod seines Vaters und die Mittellosigkeit seiner Mutter und deren Verwandten keinerlei Beweismittel eingereicht worden seien (auch betreffend die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers selbst nicht),
dass die blosse Tatsache seiner Unterstützung durch die Sozialhilfe kein Nachweis dafür sei, nicht selber für die Einreisekosten seiner Frau und seiner Kinder aufkommen zu können,
dass er sich schliesslich in seiner Stellungnahme vom 27. Januar 2014 nicht zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Verwandtschaft der beiden Mütter seiner Kinder geäussert habe,
dass die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers am 28. April 2015 in die Schweiz einreisten und um Asyl nachsuchten, was ihnen gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG mit Verfügung vom 17. Juli 2015 gewährt wurde,
dass der Beschwerdeführer mit Rechtsmitteleingabe vom 8. Mai 2015 (Poststempel) die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und die Übernahme der Einreisekosten durch die Vorinstanz beantragen liess,
dass er in prozessualer Hinsicht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersuchte,
dass zur Begründung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere geltend gemacht wird, der Beschwerdeführer sei bedürftig und werde vollumfänglich durch den Flüchtlingsdienst der Caritas Bern unterstützt,
dass nach dem Tod seines Vaters die Kühe und das Land veräussert worden seien,
dass der Erlös nach Abzug der Bestattungskosten dazu diene, den Lebensunterhalt der Mutter des Beschwerdeführers zu sichern,
dass die Reisekosten der Ehefrau und Kinder des Beschwerdeführers bis Äthiopien auch noch mit diesem Geld beglichen worden seien, dieses zu weiteren Finanzierungen aber nicht ausreichen würde,
dass weder andere Personen aus dem Umfeld seines Vaters noch die Verwandten seiner jetzigen und der ehemaligen Ehefrau - da nicht vermögend
für die Reisekosten aufkommen könnten,
dass die Abzahlung des Darlehens an den Flüchtlingsdienst mehrere Jahre dauern werde, was ihm vor dem Hintergrund, dass er auch noch die Verantwortung für seine Kinder trage, nicht zuzumuten sei,
dass das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG mit Zwischenverfügung vom 20. Mai 2015 gutgeheissen, in Bezug auf die unentgeltliche Rechtsverbeiständung (Art. 65 Abs. 2 VwVG) hingegen abgewiesen wurde,
dass die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vom 24. August 2016 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an ihrer Verfügung und den Erwägungen vollumfänglich festhielt,
dass der Beschwerdeführer in seiner Replik vom 5. Oktober 2016 nach wie vor die Gutheissung der Beschwerde beantragt und ergänzend vorbringt, es habe ihm nicht zugemutet werden können, länger auf den Entscheid der Vorinstanz zu warten, da sich seine Ehefrau und Kinder in Äthiopien in einer schwierigen Lebenssituation befunden hätten,
dass der Beschwerdeführer nach entsprechender Aufforderung, den Sachverhalt zu aktualisieren (vgl. Instruktionsverfügung vom 27. November 2017), mit Eingabe vom 7. Dezember 2017 bestätigte, dass er das gewährte Darlehen in monatlichen Raten von Fr. 100.- zurückzahle und die Restschuld von Fr. 100.- voraussichtlich im Oktober 2018 vollständig abbezahlt haben werde,
dass er sinngemäss beantragt, es sei zumindest die Restschuld der ursprünglichen Reisekosten vom Staat zu übernehmen,
dass auf den weiteren Akteninhalt - soweit entscheiderheblich - in den Erwägungen eingegangen wird,
dass das Bundesverwaltungsgericht gemäss Art. 31 VGG zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen des SEM nach Art. 5 VwVG zuständig ist und auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - so auch vorliegend - endgültig entscheidet (Art. 105 AsylG; Art. 83 Best. d Ziff. 1 BGG),
dass der Beschwerdeführer als Verfügungsadressat beschwerdelegitimiert ist (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1 VwVG), weshalb auf die ansonsten fristund formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist (Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 52 VwVG),
dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht und die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts gerügt werden kann (Art. 106 Abs. 1 AsylG),
dass das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen anwendet, gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden ist und die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen kann, wobei grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides massgebend ist (vgl. BVGE 2011/1 E. 2 m.H.),
dass nach Art. 92 Abs. 1 AsylG der Bund die Kosten der Einund Ausreise von Flüchtlingen und Schutzbedürftigen übernehmen kann, wobei gemäss Art. 92 Abs. 4 AsylG der Bundesrat die Voraussetzungen und das Verfahren zur Ausrichtung und Abrechnung der Beiträge regelt,
dass der Bundesrat von der ihm übertragenen Rechtssetzungsbefugnis Gebrauch gemacht hat, indem er in Art. 53 der Asylverordnung 2 vom
11. August 1999 über Finanzierungsfragen (AsylV 2, SR 142.312) den Kreis der Personen, für welche Einreisekosten übernommen werden können, festgelegt hat,
dass zu diesen gemäss Art. 53 Bst. d AsylV 2 Personen gehören, denen die Einreise in die Schweiz zwecks Durchführung eines Asylverfahrens nach Art. 20 Abs. 2 AsylG oder im Rahmen der Familienzusammenführung mit anerkannten Flüchtlingen nach Art. 51 Abs. 4 AsylG oder nach Art. 85 Abs. 7 AuG bewilligt wird,
dass - wie sich aus den Materialien zu Art. 53 AsylV 2 im Weiteren ergibt
die Übernahme von Einreisekosten nach dem Willen des Bundesrates grundsätzlich restriktiv zu handhaben ist und dem SEM im Einzelfall ein Ermessensspielraum zukommt (vgl. Bericht vom Oktober 2007 zur Änderung der Asylverordnungen 1, 2 und 3 sowie der Verordnung über den Vollzug der Wegund Ausweisung von ausländischen Personen [VVWA], S. 34),
dass im erwähnten Bericht ferner auf die Praxis des SEM verwiesen wird, wonach die Einreisekosten in Härtefällen übernommen werden, namentlich um zu verhindern, dass sich durch eine Verzögerung der Ausreise bedürftiger Personen eine Gefahr für diese ergeben könnte, wobei das SEM grundsätzlich den Nachweis einer Mittellosigkeit verlangt und voraussetzt, dass weder die eingereisten Personen selber noch Verwandtenunterstützungspflichtige nach Art. 328 ZGB und andere nahe stehende Personen in der Lage sind, diese Kosten zu übernehmen beziehungsweise vorzuschiessen,
dass nach bereits erfolgter Einreise Gesuche um nachträgliche Übernahme bzw. Rückerstattung der Einreisekosten abgewiesen werden, da die notwendigen Mittel offensichtlich aufgebracht werden konnten (vgl. Ausführungsbestimmungen zur Teilrevision des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005, Bericht zur Änderung der Asylverordnungen 1, 2 und 3 sowie der VVWA),
dass diese Praxis in der Vergangenheit vom Gericht bestätigt worden ist, allerdings einschränkend festzustellen ist, dass - soweit nach erfolgter Einreise gestellte Gesuche (beziehungsweise bei Einreisen vor Bewilligung eines Gesuches) um nachträgliche Übernahme beziehungsweise Rückerstattung der Einreisekosten vom SEM grundsätzlich abgewiesen werden - ein solcher Automatismus nicht sachgerecht erscheint, vielmehr im Einzelfall zu prüfen ist, auf welche Weise die gesuchstellenden beziehungsweise einreisenden Personen die Kosten der Einreise beglichen haben,
dass ferner von Bedeutung sein dürfte, in welcher Situation sich die einreisewillige Person in ihrem Heimatland befindet bzw. befand,
dass insbesondere in Fällen, bei welchen sich die betreffende Person wegen fehlender eigener Mittel und solcher des familiären Umfeldes namentlich durch Aufnahme eines Darlehens bei einem Kreditinstitut verschulden muss, beziehungsweise wenn die finanziellen Mittel von dritter Seite vorgestreckt werden mussten, um einer akut gefährdeten Person die Ausreise zu ermöglichen, eine Kostenübernahme durch den Bund nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (vgl. Urteil des BVGer D-3535/2012 vom
3. September 2012 E. 3.3 m.H.),
dass es dem Beschwerdeführer zwar nicht gelungen ist nachzuweisen, dass seine Verwandten bzw. weitere Personen aus seinem familiären Umfeld die Einreisekosten nicht tragen könnten,
dass es jedoch nicht ersichtlich ist, wie er diesen Nachweis hätte erbringen können,
dass zudem seine diesbezüglichen Ausführungen (nach der Finanzierung seiner eigenen Ausund Einreise und dem Tod seines Vaters sei dafür kein Geld mehr vorhanden gewesen) nicht unplausibel erscheinen,
dass jedoch diese Frage letztlich offen gelassen werden kann, weil - wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt - die Voraussetzungen einer Kostenübernahme durch den Bund in casu aus anderen Gründen nicht gegeben sind,
dass der damalige Wunsch des Beschwerdeführers, möglichst rasch wieder mit seinen Familienangehörigen zusammenzuleben, zwar verständlich ist,
dass sich seine Ehefrau und die Kinder zum Zeitpunkt der Aufnahme des Darlehens (ein Jahr nach Erteilung der Einreisebewilligung) aber in Äthiopien und nicht mehr im Verfolgerstaat (Eritrea) aufhielten, weshalb nicht von einer akuten Gefährdung der Familienangehörigen auszugehen war und eine solche auch nicht geltend gemacht wurde,
dass ferner die Gewährung des Darlehens durch den Flüchtlingsdienst der Caritas (keine Zinsen; monatliche Rückzahlung von Fr. 100.- durch Abzug vom Budget der Sozialhilfe) zu annehmbaren Bedingungen für den Beschwerdeführer erfolgte,
dass aus den Akten nicht ersichtlich ist, weshalb eine Rückzahlung von Fr. 100.- pro Monat bzw. ein entsprechender Abzug vom Budget der Sozialhilfe für den Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen nicht zumutbar ist oder war,
dass der Beschwerdeführer auch keine Gründe vorbringt, die eine solche Unzumutbarkeit der seit drei Jahren erfolgten Abzüge aufzeigen könnten,
dass demnach auch nicht einzusehen ist, weshalb die Abtragung der Restschuld durch den monatlichen Abzug bis Oktober 2018 für die Familie des Beschwerdeführers nicht zumutbar sein soll,
dass nach dem Gesagten die Vorinstanz das Gesuch zu Recht abgewiesen hat, zumal auch keine vergleichbare Konstellation mit dem vom Beschwerdeführer in seiner Rechtsmitteleingabe zitierten Fall vorliegt (vgl. Urteil des BVGer E-2655/2010 vom 25. August 2010 E. 4.3: Dort ging es um eine Rückzahlung von Fr. 200.- pro Monat und entsprechende Erfahrungen mangels bisher vorgenommener Abzüge lagen nicht vor),
dass demnach die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt (Art. 106 AsylG), weshalb die Beschwerde abzuweisen ist,
dass dem Beschwerdeführer keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind, weil ihm die unentgeltliche Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG gewährt wurde (vgl. Zwischenverfügung vom 20. Mai 2015).
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Dieses Urteil geht an:
den Beschwerdeführer (Einschreiben)
die Vorinstanz (ad Ref-Nr. N [ ]; Beilagen: Ergänzende Eingabe und Bestätigungsschreiben vom 7. Dezember 2017 in Kopie)
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Philippe Weissenberger Rudolf Grun
Versand:
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