Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-6656/2015 |
Datum: | 14.03.2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Vorinstanz; LINGUA; Herkunft; Analyse; Person; Mönch; LINGUA-Analyse; Anhörung; Dialekt; China; Verfügung; Flüchtling; Staat; Behörde; Identität; Schweiz; Behörden; Gehör; Bundesverwaltungsgericht; Stellung; Interview; Recht |
Rechtsnorm: | Art. 27 VwVG ;Art. 28 VwVG ;Art. 29 VwVG ;Art. 44 BV ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-6656/2015
Besetzung Richterin Gabriela Freihofer (Vorsitz),
Richter Hans Schürch, Richter Jean-Pierre Monnet, Gerichtsschreiberin Linda Mombelli-Härter.
Parteien A. , geboren am ( ), China (Volksrepublik),
vertreten durch Hansjörg Trüb, Asylbrücke Zug, ( ),
Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 14. September 2015 / N ( ).
Die Beschwerdeführerin reichte am 26. Mai 2014 in der Schweiz ein Asylgesuch ein und wurde dem Testphasenverfahren zugewiesen. Am 26. Juni 2014 wurde sie zur Person befragt (BzP) und am 8. Juli 2014 erfolgte eine ausführliche Anhörung nach Art. 17 Abs. 2 Bst. b der Testphasenverordnung vom 4. September 2013 (TestV, SR 142.318.1).
Zur Begründung des Asylgesuchs machte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, sie habe mit ihrer Familie im tibetischen Dorf B. gelebt. In einem nahegelegenen Kloster habe sie für ihren Bruder ein Gebetsritual initiieren lassen. Dort habe sie mit einem Mönch über die Situation des Klosters und der Mönche gesprochen. Dieser habe ihr von den Problemen mit den chinesischen Behörden berichtet. Auch habe er erwähnt, dass man etwas für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Tibeter machen müsse. Er habe vorgeschlagen, Flugblätter zu verteilen, und sie habe eingewilligt, ihm zu helfen. So sei der Mönch zwei Tage später zu ihr gekommen und habe ihr die Flugblätter bei einer Nachbarin (einer Verwandten des Mönchs) zuhause übergeben. Dies sei im zweiten Monat des Jahres 2014 geschehen. Die Flugblätter habe sie gleichentags in einem Dorf in der Nähe und in ihrem Wohnort aufgehängt und verteilt. Am nächsten Tag sei sie von der Nachbarin darüber informiert worden, dass der besagte Mönch festgenommen worden sei. Auch habe sie erfahren, dass sie selbst ebenfalls gesucht werde. Deshalb sei sie von ihrem Dorf nach Nepal gelangt und nach ungefähr drei Monaten weiter in die Schweiz gereist.
Mit Verfügung des Bundesamtes für Migration (BFM, heute: SEM) vom
10. Juli 2014 wurde die Beschwerdeführerin dem erweiterten Verfahren zugewiesen.
Im Auftrag der Vorinstanz führte die Fachstelle LINGUA am 27. März 2015 eine Herkunftsanalyse mit der Beschwerdeführerin durch. In einem Telefoninterview wurde sie zu landeskundlich-kulturellen und linguistischen Kenntnissen befragt. Am 29. Juni 2015 wurde hierzu ein Gutachten von einer sachverständigen Person verfasst. Am 10. Juli 2015 wurde der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör zur Herkunftsanalyse gewährt sowie der Werdegang und die Qualifikation der sachverständigen Person mitgeteilt. Mit Stellungnahme vom 24. Juli 2015 hielt die Beschwerdeführerin
an ihren Aussagen betreffend Herkunft aus B. , Tibet fest und beantragte die Anhörung der Interview-Aufzeichnung vom 27. März 2015.
Mit Verfügung vom 7. September 2015 stellte das SEM fest, die Beschwerdeführerin erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte ihr Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug unter Ausschluss der Volksrepublik (VR) China an.
Mit Eingabe vom 16. Oktober 2015 reichte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein. Sie beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, die Beschwerdeführerin sei als Flüchtling anzuerkennen und es sei ihr Asyl zu gewähren, andernfalls sei sie vorläufig aufzunehmen, die Vorinstanz sei anzuweisen, ihr das Anhören der Interview-Aufzeichnung zu gestatten, danach sei ihr eine angemessen Frist zur Beschwerdeergänzung zu gewähren. Zudem sei auf die Erhebung von Verfahrenskosten und eines Kostenvorschusses zu verzichten.
Mit Zwischenverfügung vom 5. November 2015 wurde die Vorinstanz angewiesen, der Beschwerdeführerin die beantragte Anhörung der InterviewAufzeichnung vom 27. März 2015 zu ermöglichen und das Bundesverwaltungsgericht nach deren Durchführung zu informieren. Auf die Erhebung eines Kostenvorschusses wurde verzichtet. Über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung sei später zu befinden.
Gemäss Mitteilung des SEM vom 8. Dezember 2015 hat die Anhörung der Interview-Aufzeichnung am 4. Dezember 2015 stattgefunden.
Am 23. November 2016 ersuchte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin um Ansetzung einer Frist zur Einreichung einer Beschwerdeergänzung. Diese wurde mit Zwischenverfügung vom 30. November 2016 gewährt.
Nach einer Fristerstreckung reichte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter am 27. Dezember 2016 eine Beschwerdeergänzung ein,
mit der sie zum Asylentscheid vom 14. November 2015 und zur Herkunftsanalyse vom 27. März 2015 ausführlich Stellung nahm.
Mit Vernehmlassung vom 20. Januar 2017 hielt das SEM an seinen Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Mit Eingabe vom 8. Februar 2017 reichte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eine Replik ein.
Am 26. Juli 2017 hat das SEM dem Gesuch der französischen Behörden um Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin zugestimmt (Art. 18 Abs. 1 Bst. b Verordnung [EU] Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist [Neufassung], ABl. L 180/31 vom 29.6.2013 [Dublin-III-VO]).
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Sie ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Gemäss Art. 54 AsylG wird Flüchtlingen kein Asyl gewährt, wenn sie erst durch die Ausreise aus dem Heimatoder Herkunftsstaat oder wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise Flüchtlinge im Sinne von Art. 3 AsylG wurden.
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken. Sie müssen insbesondere ihre Identität offenlegen sowie Reisepapiere und Identitätsausweise abgeben (Art. 8 AsylG und Art. 2a
Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen [Asylverordnung 1, AsylV 1, SR 142.311]). Der Untersuchungsgrundsatz findet seine Grenzen unter anderem an der Mitwirkungspflicht (Art. 8 AsylG, vgl. BVGE 2014/12 E. 6).
Die Vorinstanz führt in der angefochtenen Verfügung aus, die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Herkunft und zur Flüchtlingseigenschaft hielten den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 AsylG nicht stand.
Zur Begründung hält die Vorinstanz im Wesentlichen fest, es sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie im Dorf B. , Kreis C. , Provinzbezirk D. , Tibet, ihre Hauptsozialisation erfahren habe. Folglich sei davon auszugehen, dass sie vor ihrer Ankunft in der Schweiz nicht in der VR China, sondern in der exiltibetischen Diaspora gelebt habe. Gestützt auf die Erkenntnisse aus der LINGUA-Analyse sei festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin keine hinreichenden Angaben im landeskundlich-kulturellen Bereich habe machen können, um von einer Sozialisation im Kreis C. ausgehen zu können. Zwar habe sie einige geographische Kenntnisse vorweisen können, aber unter anderem seien ihre Distanzangaben falsch gewesen. Sie habe unzutreffende Angaben zu ihrer Herkunftsregion gemacht, unter anderem zur administrativen Unterteilung der Gemeinde, und Gebiete mit Provinzbezirken verwechselt. Auch in Bezug auf das Schulwesen, insbesondere betreffend die Schulfeiertage und Schulstufen, habe sie keine oder falsche Ausführungen gemacht. Tatsachenwidrig sei zudem, dass sie angegeben habe, keinen Personalausweis zu besitzen, da ein solcher unerlässlich sei. Zudem habe sie falsche Angaben zur Verwendung von Wolle gemacht und die Bezeichnung von Bus und Auto verwechselt. Sie habe zwar einige zutreffende Ausführungen machen können, insgesamt seien diese aber lückenhaft, mithin nicht ausreichend, um eine Sozialisation im angegebenen Kreis annehmen zu können. Die linguistische Analyse habe ergeben, dass ihr Dialekt fast keine Ähnlichkeiten mit dem in der Gebietshauptstadt
aufweise, sondern überwiegend Gemeinsamkeiten mit dem
Lhasa-Dialekt oder der exiltibetischen Koine habe. Nach einem 10-monatigen Aufenthalt in der Schweiz seien zwar Einflüsse der exiltibetischen Koine möglich, aber ihre Sprache entspreche gänzlich der exiltibetischen Koine und enthalte kaum Merkmale aus ihrer angegebenen Heimatregion. Zudem sei sie nicht in der Lage gewesen, einfache Sätze ins Chinesische zu übersetzen, obwohl sich Einheimische mit dem Profil der Beschwerdeführerin gewöhnlich auf Chinesisch - zumindest auf einfache Weise - verständigen könnten. Es sei eindeutig, dass sie nicht im Kreis C. , Tibet sozialisiert worden sei, sondern ausserhalb der VR China. Die Stellungnahme zur LINGUA-Analyse sei nicht geeignet, die ausführliche Analyse zu widerlegen. Diese beinhalte hauptsächlich die Behauptung, die Angaben der Beschwerdeführerin seien richtig, Belege dafür oder plausible Erklärungen für die fehlenden Kenntnisse würden jedoch fehlen. Das LINGUA-Gutachten sei zudem von einer qualifizierten Fachperson erstellt worden, an deren Kenntnissen nicht gezweifelt werde (SEM-Akte A 26).
Die geltend gemachten Asylvorbringen seien ebenfalls unglaubhaft. Es sei realitätsfern, dass sich die unpolitische Beschwerdeführerin von einem ihr fremden Mönch dazu habe hinreissen lassen, die von ihr geschilderte risikobehaftete Flugblattaktion durchzuführen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Mönch sie als unbekanntes Nomadenmädchen nach einem einmaligen Gespräch um Hilfe gebeten haben solle. Weiter habe sie angegeben, sie habe in zwei Dörfern tagsüber jeweils drei Stunden lang Flugblätter aufgehängt und verteilt (SEM-Akte A13 F103 ff.). Es sei allerdings nicht nachvollziehbar, wie sie dies habe machen können, ohne die Aufmerksamkeit der chinesischen Behörden auf sich zu ziehen. Flugblätter mit nach Hause zu nehmen, zeuge überdies von einer nicht nachvollziehbaren Unvorsichtigkeit. Auch die Suche nach ihr durch die chinesischen Behörden habe die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen können. Die Angabe diesbezüglich, die Nachbarin habe ihr erzählt, der beteiligte Mönch sei nach der Flugblattaktion festgenommen worden und man würde auch nach ihr suchen, sei unglaubhaft. Es sei realitätsfremd, dass ein Mönch von der Suche nach ihr gewusst haben solle, bevor sie selber von den Behörden zuhause gesucht worden sei (SEM-Akte A13 F118 ff.). Es erscheine abwegig, dass die chinesischen Behörden bekannt geben würden, wen sie suchten, da dies derjenigen Person ermögliche, sich abzusetzen.
Ferner stehe die Identität der Beschwerdeführerin nicht fest, da diese dem SEM trotz Aufforderung keine Identitätspapiere abgegeben habe und keine plausiblen Gründe für das Fehlen solcher habe anbringen können (SEM-Akte A9 S. 5, A13 F10 ff.). Zum angegebenen Reiseweg von Nepal in die Schweiz habe die Beschwerdeführerin keinerlei konkrete Angaben machen können, was ein Indiz dafür sei, dass sie ihren tatsächlichen Herkunftsort zu verschleiern versuche.
Weiter könne gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einer asylsuchenden Person tibetischer Ethnie, welche unglaubhafte Angaben über ihre angebliche Sozialisation in China gemacht habe, grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie eine Aufenthaltsbewilligung oder eine Duldung in einem Drittstaat gehabt habe oder sogar eine andere Staatsangehörigkeit besitze. Somit sei zu prüfen, ob sie dort asylrelevanten Nachteilen ausgesetzt sei. Verunmögliche sie jedoch durch Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht die dafür erforderlichen Abklärungen, müsse davon ausgegangen werden, dass keine relevanten Gründe gegen eine Rückkehr an den bisherigen Aufenthaltsort bestünden. Da bei Personen, die unbestrittenermassen tibetischer Ethnie seien, nicht auszuschliessen sei, dass sie die chinesische Staatsangehörigkeit besitzen würden, sei ein Wegweisungsvollzug in die Volksrepublik China ausgeschlossen, da ihnen dort gegebenenfalls unmenschliche Behandlung und Folter drohe.
Da es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, die Herkunft aus der VR China sowie ihre Asylgründe glaubhaft darzulegen, sei davon auszugehen, dass sie vor ihrer Ankunft in der Schweiz in der exiltibetischen Diaspora gelebt habe. Da konkrete, glaubhafte Hinweise auf einen längeren Aufenthalt in einem Drittstaat fehlen würden, komme das SEM zum Schluss, dass keine flüchtlingsoder wegweisungsbeachtlichen Gründe gegen eine Rückkehr an den bisherigen Aufenthaltsort bestünden (mit Verweis auf das Urteil des BVGer E-2981/2012 vom 20. Mai 2014). Somit könne die Beschwerdeführerin nicht als Flüchtling anerkannt werden und ihr Asylgesuch sei demnach abzuweisen.
In der Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, sie habe die Vorinstanz in ihrer Stellungnahme vom 24. Juli 2015 um Anhörung der Aufzeichnung des Telefoninterviews zur Herkunftsabklärung gebeten. Diesem Antrag sei die Vorinstanz nicht nachgekommen, womit sie das rechtliche Gehör verletzt habe. Die Begründung des Asylentscheids beruhe hauptsächlich auf dem LINGUA-Interview. Ohne Kenntnis des Inhalts dieses Interviews könne deshalb keine Beschwerdebegründung verfasst werden. Ihr sei die Anhörung des Interviews und die Nachreichung einer Beschwerdeergänzung zu ermöglichen.
In der Beschwerdeergänzung hält die Beschwerdeführerin an der Glaubhaftigkeit ihrer Vorbringen zur Sozialisation in Tibet sowie zu ihren Fluchtgründen fest.
Die Vorinstanz stütze ihren Entscheid ausschliesslich auf das LINGUA-Gutachten, weshalb davon ausgegangen werden könne, dass keine Gesamtwürdigung der Glaubhaftigkeit sämtlicher Vorbringen zur Herkunft der Beschwerdeführerin stattgefunden habe. Ausserdem habe die Vorinstanz die für die Entscheidbegründung relevanten Inhalte nicht in einer Form wiedergegeben, die eine Äusserung sowie die Nennung von Gegenbeweisen ermöglichen würden (Art. 28 VwVG). Eine präzise Stellungnahme erschwere sich daher. Die LINGUA-Analyse sei kein Gutachten, welches die Beweiskraft einer gerichtlichen Expertise habe, und könne daher nicht zu gesicherten Erkenntnissen führen. Die linguistische Analyse zum Dialekt der Beschwerdeführerin sei nicht schlüssig. So handle es sich beim Lhasa-Dialekt um den Hauptdialekt des autonomen Gebiets Tibet innerhalb der VR China. Es könne daher aufgrund der Zugehörigkeit zum Lhasa-Dialekt nicht der Schluss gezogen werden, die Beschwerdeführerin sei ausserhalb der VR China aufgewachsen. Auch sei nicht schlüssig, dass die exiltibetische Koine der Beschwerdeführerin kaum Merkmale der Sprache ihrer Heimatregion aufweise, da beide derselben Dialektgruppe angehören würden. Zur fachlichen Zuverlässigkeit der sachverständigen Person wird festgehalten, dass sich diese kaum 33 Jahre in der VR aufgehalten habe, da sie aus Westeuropa stamme. Zudem seien aus ihrem Werdegang keine Kenntnisse über exiltibetische Regionen und Dialekte abzuleiten. Die undifferenzierte Verwendung von Begriffen, wie „Dialekt“ für den LhasaUnterdialekt, spreche nicht für die fachliche Zuverlässigkeit der sachverständigen Person. Sowohl bei dem Telefoninterview als auch im Asylentscheid seien grossenteils Sachverhalte thematisiert worden, die sich nicht auf das Profil der Beschwerdeführerin abstützen würden. Während des Telefoninterviews seien unverhältnismässig viele Fragen zum Schulwesen gestellt worden. Die Beschwerdeführerin habe erklärt, keine Schule besucht zu haben, weshalb nachvollziehbar sei, dass sie die Fragen nicht ausführlich, vage und zum Teil falsch beantwortet habe. Auch die Fragen zum Verkehr und der Wollverarbeitung hätten keinen Bezug zur Lebenswelt der Beschwerdeführerin. Die Angaben zu den geographischen Gegebenheiten in B. seien teils ungenau, jedoch nicht falsch. Vielmehr würden die Aussagen für die Glaubhaftigkeit ihrer Vorbringen sprechen, ihrem Bildungsniveau und sozialen Hintergrund entsprechen, nämlich dem eines Nomadenmädchens aus einem abgelegenen, tibetischen Bergdorf ohne Schulbildung. Die Vorinstanz habe dies für ihre Feststellungen nicht berücksichtigt. Die detaillierten Angaben der Beschwerdeführerin in der BzP und der Anhörung hätten stärker miteinbezogen und Fragen diesbezüglich gestellt werden müssen. Denn die beim Interview abgefragten
Kenntnisse hätten keinen Bezug zum Lebensalltag der Beschwerdeführerin, weshalb sie keine Argumente gegen eine Sozialisation im Dorf B. bilden würden und nicht geeignet seien für eine Herkunftsanalyse. Weiter sei ausführlich erklärt worden, weshalb die Beschwerdeführerin nur ein Familienbüchlein und keinen Personalausweis besitze. Zudem sei der Besitz einer Identitätskarte nicht lückenlos verbreitet, weshalb die Behauptung, keine Identitätskarte zu besitzen, nicht als tatsachenwidrig angesehen werden könne. Schliesslich sei auch erklärt worden, weshalb es ihr an Chinesisch-Kenntnissen fehle.
Auch die Ausführungen zu ihren Fluchtgründen seien glaubhaft. Sie habe den besagten Mönch als Verwandten ihrer Nachbarin schon seit längerem gekannt und sie sei nicht völlig unpolitisch gewesen. So sei sie unter anderem aus politischen Überlegungen nicht zur Schule gegangen. Die Betroffenheit des Mönchs habe sie sehr berührt, weshalb sie ihm ihre Hilfe anerboten habe. Aus politischer Unerfahrenheit habe sie jedoch unvorsichtig gehandelt. Die Orte, an denen sie die Flugblätter aufhängt habe, seien weit abgelegen. Daher sei es realitätsfern, dass die chinesischen Behörden bei Verstössen sofort zur Stelle seien. Früher oder später hätte sie jedoch eine Festnahme befürchten müssen. Aufgrund der Abgeschiedenheit ihres Dorfes und der langsam mahlenden Mühlen der Behörden habe der Mönch respektive ihre Nachbarin sie vor der Suche nach ihr warnen können. Insgesamt seien ihre Aussagen glaubhaft. Bei einer Rückkehr würde ihr eine asylrelevante Verfolgung drohen. Zudem sei sie illegal ausgereist, weswegen sie zumindest als Flüchtling vorläufig aufzunehmen sei.
Die Vorinstanz hält in der Vernehmlassung an ihrem Entscheid fest. Die Beschwerdeführerin habe mittlerweile die Aufzeichnung des Telefoninterviews anhören und eine Beschwerdeergänzung einreichen können. Damit sei die Verletzung des rechtlichen Gehörs geheilt. Die LINGUA-Analyse sei in Auftrag gegeben worden, weil nach der Anhörung die Herkunft der Beschwerdeführerin trotz länderspezifischer Fragen nicht schlüssig habe bestimmt werden können. Die ausführliche Analyse umfasse acht Seiten. Die Qualifikation der sachverständigen Person werde vom SEM nicht in Frage gestellt. Zudem sei diese zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdeführerin eindeutig nicht in der VR China sozialisiert worden sei. Identitätspapiere (Identitätskarte, „Hukou“ oder Geburtsschein), die die geltend gemachte Herkunft aus Tibet belegen würden, seien nach wie vor nicht eingereicht worden. Die Ausführungen dazu seien als Schutzbehauptungen zu qualifizieren.
In der Replik erklärt die Beschwerdeführerin, dass sie dank der Anhörung des Telefoninterviews in der Lage gewesen sei, auf die Einschätzungen der Vorinstanz zur Herkunft einzugehen. Die Vorinstanz bestätige in der Stellungnahme, sich auf das LINGUA-Gutachten und nicht auf die Angaben aus der Anhörung gestützt zu haben. Zudem sei die Qualifikation der sachverständigen Person nach wie vor anzuzweifeln.
Vorab ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, da ihr Antrag auf Anhörung der Interview-Aufzeichnung von der Vorinstanz nicht gehört worden sei. Gestützt auf die Zwischenverfügung vom 5. November 2015 wurde die in der Beschwerde beantragte Anhörung der Interview-Aufzeichnung am 4. Dezember 2015 durchgeführt. Die Beschwerdeführerin nahm dazu in ihrer Beschwerdeergänzung Stellung. Eine vorinstanzliche Verletzung des rechtlichen Gehörs erweist sich damit, wie die Beschwerdeführerin in ihrer Replik selbst festhält, als geheilt (vgl. zu den Voraussetzungen der Heilung einer Gehörsverletzung BVGE 2015/10 E. 7.1).
Sodann stellt die Beschwerdeführerin den Stellenwert des LINGUAGutachtens sowie die Vorgehensweise und die Qualifikation der sachverständigen Person in Frage. Darauf ist nachfolgend einzugehen.
Bei der LINGUA-Analyse handelt es sich um eine von der BzP und Anhörung zu den Asylgründen unabhängige Herkunftsanalyse, durchgeführt von einem amtsexternen, von der Fachstelle LINGUA durch das SEM beauftragten und mit den entsprechenden Sprachund Länderkenntnissen ausgestatteten Sachverständigen. Dabei werden neben den landeskundlich-kulturellen Kenntnissen auch die sprachlichen Fähigkeiten der asylsuchenden Person geprüft. Die LINGUA-Analyse hat zwar nicht den Stellenwert eines Sachverständigengutachtens, jedoch kommt ihr erhöhter Beweiswert zu, wenn die gebotenen Anforderungen an die fachliche Qualifikation, Objektivität und Neutralität des Experten sowie die inhaltliche Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit erfüllt sind (vgl. dazu BVGE 2014/12
4.2.1 m.w.H.). Dies ist vorliegend unbestrittenermassen der Fall. Die vorgenommene Analyse ist fundiert und mit einer überzeugenden sowie ausgewogenen Begründung versehen, die zu keinen Beanstandungen Anlass gibt. Sie basiert auf einer Vielzahl unterschiedlicher Fragen, die sich auf Alltagswissen sowie das spezifische Profil der Beschwerdeführerin beziehen. Zudem bestehen an der fachlichen Qualifikation der sachverständigen Person keine Zweifel (vgl. SEM-Akten A26 betreffend Werdegang
und Qualifikation der sachverständigen Person). Der vorliegenden Herkunftsanalyse kann daher nach den erwähnten Kriterien erhöhter Beweiswert zugemessen und von ihrer inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit ausgegangen werden. Daran vermögen die Vorbringen auf Beschwerdeebene nichts zu ändern. Indessen stellt sich die Frage, ob die aufgrund überwiegender öffentlicher und privater Geheimhaltungsinteressen an sich zu Recht verweigerte vollumfängliche Offenlegung der LINGUA-Analyse (vgl. Art. 27 Abs. 1 VwVG) in casu vor dem Grundsatz des Anspruchs auf Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 BV und Art. 29 VwVG) standhält. Vorausgesetzt ist hierbei, dass der asylsuchenden Person vom wesentlichen Inhalt des Gutachtens Kenntnis gegeben wird mit der Möglichkeit, sich dazu zu äussern und Gegenbeweise zu bezeichnen (Art. 28 und 30 VwVG).
Vorliegend hat die Vorinstanz bei der Gewährung des rechtlichen Gehörs vom 10. Juli 2015 sowie bei ihrer Entscheidbegründung die bemängelten Aussagen der Beschwerdeführerin hinreichend detailliert aufgezeigt, sodass sie im Einzelnen dazu Stellung nehmen konnte. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Rahmen einer LINGUA-Analyse setzt nicht eine Offenlegung der richtigen Antworten zu konkret gestellten Fragen voraus. Die Vorinstanz hat die konkreten Themenbereiche, zu denen die Beschwerdeführerin falsche oder ungenaue Antworten gegeben hat, genügend eingegrenzt und konkretisiert. Sodann hat die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur LINGUA-Analyse eingereicht, mit der sich die Vorinstanz in ihrem Entscheid auseinandergesetzt hat. Die Feststellung in der angefochtenen Verfügung, wonach die Stellungnahme hauptsächlich auf Behauptungen beruhe, keine plausiblen Erklärungen enthalte und damit nicht geeignet sei, die LINGUA-Analyse zu widerlegen, ist nicht zu bemängeln. Eine von der Beschwerdeführerin gerügte Verletzung von Art. 28 VwVG ist mithin nicht ersichtlich. Ergänzend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin auf Beschwerdeebene die LINGUA-Gesprächsaufzeichnung anhören und dazu Stellung nehmen konnte. Der Gehörsanspruch der Beschwerdeführerin kann damit wie oben ausgeführt als geheilt betrachtet werden. Die LINGUA-Analyse vom 9. November 2015 und die daraus gezogenen und zum rechtlichen Gehör gegebenen Inhalte und Schlüsse sind somit nicht zu beanstanden.
Zum Vorwurf, die Vorinstanz hätte sich für ihre Argumentation lediglich auf das LINGUA-Gutachten abgestützt und keine Gesamtwürdigung der Vorbringen zur Herkunft vorgenommen, ist anzumerken, dass die LINGUAAnalyse als wichtigen Teil für die Entscheidfindung herangezogen und sie
auch als erstes Argument zur Begründung der Zweifel an den Herkunftsangaben der Beschwerdeführerin verwendet wurde. Allerdings wurde die LINGUA-Analyse gestützt auf die Erkenntnisse aus der BzP und der Anhörung veranlasst. Zudem kommt den von der Vorinstanz umfassend gewürdigten weiteren Un-/Glaubhaftigkeitsaspekten betreffend Herkunft, Staatsangehörigkeit, Reiseumstände und Verfolgungsvorbringen ebenfalls erhebliches Gewicht zu. Die Verwertung der LINGUA-Analyse ist somit eine Argumentationslinie unter mehreren gleichwertigen (vgl. dazu auch die Ausführung des SEM in der Vernehmlassung vom 2. Januar 2018 S. 2 sowie E. 4.4 hiervor).
In der Sache selber gelangte die Vorinstanz zur zutreffenden Erkenntnis, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte tibetische Sozialisation sowie ihre Verfolgungsvorbringen den Anforderungen von Art. 7 AsylG an die Glaubhaftmachung eines Asyl begründenden Sachverhalts nicht genügen.
Die Verfügung ist einlässlich begründet und stützt sich auf eine fundierte LINGUA-Analyse, die festhält, dass die Beschwerdeführerin eindeutig nicht in der VR China sozialisiert worden sei. Die Vorbringen in der Beschwerdeergänzung, bei der Analyse sei keine Rücksicht auf das Bildungsniveau und den sozialen Hintergrund der Beschwerdeführerin genommen worden und die Analyse habe sich nicht auf ihr Profil bezogen, sind nicht zu hören. Auch wenn die Beschwerdeführerin wie angegeben keine Bildung erfahren haben soll, ist doch davon auszugehen, dass sie unter anderem einfache Fragen zum Schulwesen in ihrer angeblichen Heimatregion zu beantworten vermögen sollte sowie einfache Sätze auf Chinesisch formulieren können sollte. Auch gänzlich falsche Ausführungen zu Distanzsowie geographischen Angaben können nicht mit einem tiefen Bildungsniveau erklärt werden. Aus der LINGUA-Analyse geht weiter hervor, dass der Dialekt der Beschwerdeführerin keine Ähnlichkeit mit dem Dialekt im Bezirk D. aufweist, sondern hauptsächlich mit dem Lhasa-Dialekt übereinstimmt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann der LINGUA-Experte darüber Auskunft geben, auch wenn er nicht selbst vor Ort lebt. Die Ausführungen in der Beschwerdeergänzung zum Lhasa-Dialekt vermögen zudem nichts daran zu ändern, dass der Dialekt der Beschwerdeführerin nicht mit demjenigen ihrer angeblichen Herkunftsregion übereinstimmt. Selbst unter der Annahme, dass sich ihr Dialekt während der Zeit in der Schweiz verändert hat, ist dennoch nicht nachvollziehbar, weshalb dieser keine Ähnlichkeit mit dem Dialekt ihrer geltend gemachten Herkunftsregion aufweist. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich die LINGUA-Analyse - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin - sehr wohl auf ihr Profil bezogen hat. So wurde sie nach Kenntnissen befragt, die gestützt auf ihre biographischen Angaben von ihr erwartet werden durften. Schliesslich hätte es wenig Sinn gemacht, auf dieselben Fragen und Antworten wie an der Anhörung einzugehen, zumal diese gerade nicht dazu geführt haben, die Herkunft der Beschwerdeführerin festzustellen.
Zu den Asylgründen ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar zu erklären vermochte, wie es zur Zusammenarbeit zwischen ihr und besagtem Mönch hätte kommen sollen. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz konnte nicht glaubhaft dargelegt werden, dass ein
- wenn auch entfernt bekannter - Mönch einer jungen Frau aus dem Nichts heraus von seiner schwierigen Situation im Kloster berichtet und sie um Hilfe bei einer risikoreichen Aktion bittet (SEM-Akte A13 F96). Zudem ist nicht überzeugend, dass sich die bisher politisch untätige Beschwerdeführerin plötzlich dazu bereit erklärt, stundenlang Flugblätter aufzuhängen und zu verteilen. Die Ausführungen hierzu auf Beschwerdeebene vermögen daran nichts zu ändern. Auch die Erklärung der Beschwerdeführerin, sie habe bei der Flugblattaktion unvorsichtig gehandelt, zeugt von ihrer politischen Unerfahrenheit (vgl. Beschwerde S. 10 f.). Ferner ist nicht nachvollziehbar, wie sie die Verteilung der Flugblätter in zwei Dörfern über mehrere Stunden hätte durchführen können, ohne die Aufmerksamkeit der chinesischen Behörden auf sich zu ziehen. Dies auch unter dem Blickwinkel, dass der mitbeteiligte Mönch gleichentags verhaftet worden sei. Daher vermag auch die Aussage, die Beschwerdeführerin selbst sei über einen weiteren Mönch und ihre Nachbarin am darauf folgenden Tag darüber informiert worden, dass auch sie gesucht werde (SEM-Akte A13 F116), nicht zu überzeugen. Vielmehr wäre davon auszugehen, dass die Behörden die an einer solchen Aktion Beteiligten gleichzeitig festnehmen würden, sodass keine Gelegenheit zur Flucht bestehen würde.
Weiter hat es die Beschwerdeführerin trotz mehrmaliger Aufforderung unterlassen, Identitätspapiere einzureichen. Gemäss eigenen Angaben besitze ihre Familie nur ein Familienbüchlein (Beschwerde S. 9). Obwohl anzunehmen ist, dass sie - wie ihr Bruder - über einen Personalausweis verfügt, wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass sie sich um den Erhalt des Familienbüchleins zur Identitätsfeststellung gekümmert hätte. Dass die Beschwerdeführerin schliesslich kaum Angaben zu ihrem Reiseweg von Nepal in die Schweiz machen konnte (SEM-Akte A13 F135 ff.)
bekräftigt die Schlussfolgerung, dass sie an der Bekanntgabe ihres tatsächlichen Herkunftsortes nicht interessiert ist.
Nach dem Gesagten ist weder die Identität noch die Staatsangehörigkeit beziehungsweise das Herkunftsland der Beschwerdeführerin geklärt. Ihr Verhalten stellt sodann eine Verletzung der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht (Art. 8 AsylG) dar. Durch die Verletzung dieser Pflicht verunmöglicht sie die Abklärung, welchen effektiven Status sie im Staat ihres vormaligen Aufenthalts hatte. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist vorliegend anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin zwar ethnische Tibeterin ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie die chinesische Staatsangehörigkeit besitzt, jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in der Volksrepublik China, sondern in der exiltibetischen Diaspora sozialisiert wurde. Es liegt keine illegale Ausreise der Beschwerdeführerin aus China und somit kein subjektiver Nachfluchtgrund vor. Bei Personen tibetischer Ethnie, die ihre wahre Herkunft verschleiern oder verheimlichen, ist vermutungsweise davon auszugehen, dass keine flüchtlingsoder wegweisungsbeachtlichen Gründe gegen eine Rückkehr an ihren bisherigen Aufenthaltsort bestehen (vgl. BVGE 2014/12 E. 5.10 und E. 6.).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin weder die Flüchtlingseigenschaft im Zeitpunkt ihrer Ausreise noch subjektive Nachfluchtgründe nachzuweisen oder glaubhaft zu machen vermag. Die Vorinstanz hat das Asylgesuch zu Recht abgelehnt.
Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).
Die Beschwerdeführerin verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 AsylG; vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das Staatssekretariat das Anwesenheitsverhältnis
nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AuG [SR 142.20]).
Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).
Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Eine weitergehende Prüfung von Vollzugshindernissen erübrigt sich angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin der ihr obliegenden und zumutbaren Mitwirkungspflicht (Art. 8 AsylG) hinsichtlich Herkunft, Staatsangehörigkeit und Identität nicht nachzukommen gewillt ist. Es kann diesbezüglich auf die Erwägungen der Vorinstanz (vgl. angefochtene Verfügung E. III) sowie auf E. 5.3 Abs. 1 und E. 6 des erwähnten Urteils BVGE 2014/12 verwiesen werden.
Da die Beschwerdeführerin unbestrittenermassen tibetischer Ethnie ist und dadurch auch die Möglichkeit nicht auszuschliessen ist, dass sie die chinesische Staatsangehörigkeit besitzt, ist vorliegend der Wegweisungsvollzug nach China - in Übereinstimmung mit dem Dispositiv der angefochtenen Verfügung - auszuschliessen, da andernfalls eine Refoulement-Verletzung droht.
Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AuG).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Mit Zwischenverfügung vom 5. November 2015 wurde der Entscheid über das Gesuch um
Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen.
Die Beschwerdeführerin reichte eine Fürsorgebestätigung vom 13. Oktober 2015 ein, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass sie prozessual bedürftig ist. Gleichzeitig müssen, als Voraussetzung zur Gutheissung eines Gesuchs um unentgeltliche Prozessführung, die Beschwerdebegehren im Zeitpunkt der Einreichung als nicht aussichtslos bezeichnet werden, was vorliegend zu bejahen ist. Demnach ist das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG gutzuheissen. Trotz Unterliegens der Beschwerdeführerin sind demzufolge keine Kosten aufzuerlegen.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG wird gutgeheissen. Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Gabriela Freihofer Linda Mombelli-Härter
Versand:
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