Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-3529/2017 |
Datum: | 24.07.2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Analyse; Akten; Botschaft; Lingua-Analyse; Botschaftsabklärung; Gehör; Person; Stellung; Behörde; Lhasa; Verfügung; Beweis; Stellungnahme; Abklärung; Experte; Schweiz; Behörden; Entscheid; Vorbringen; Vernehmlassung; Erwägungen; Gehörs; Ausführungen; Verfahren; Beweismittel; Experten |
Rechtsnorm: | Art. 12 VwVG ;Art. 27 VwVG ;Art. 28 VwVG ;Art. 29 BV ;Art. 29 VwVG ;Art. 30 VwVG ;Art. 48 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 57 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 130 II 473 |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-3529/2017
Besetzung Richterin Nina Spälti Giannakitsas (Vorsitz),
Richterin Muriel Beck Kadima, Richter Hans Schürch, Gerichtsschreiber Lorenz Mauerhofer.
Parteien A. , geboren am ( ), China (Volksrepublik),
vertreten durch lic. iur. Johan Göttl, Anlaufstelle Baselland, Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 16. Mai 2017.
Die Beschwerdeführerin - eigenen Angaben zufolge eine chinesische Staatsangehörige tibetischer Ethnie - ersuchte am 2. Juni 2015 im Empfangsund Verfahrenszentrum des SEM in B. um die Gewährung von Asyl in der Schweiz, worauf sie dem Testbetrieb Zürich zugewiesen wurde. Dort befragte man sie am 3. Juni 2015 summarisch zu ihrer Person, zum Verbleib ihrer Reiseund Identitätspapiere und zu ihrem Reiseweg. Die einlässliche Anhörung zu den Gesuchsgründen fand in Anwesenheit der Rechtsvertretung am 1. Juli 2015 ebenfalls im Verfahrenszentrum in Zürich statt.
Zu Ihrem Hintergrund und zur Begründung ihres Asylgesuches gab sie insbesondere an, in Lhasa, Tibet geboren, aber als sechsjähriges Kind von der Mutter nach C. , Indien geschickt worden zu sein. Im Anschluss habe sie sieben Jahre lang in ( ) C. eine Tibetische Schule mit der Bezeichnung D. [Name der Schule] besucht und dort - unter der Aufsicht einer Gastmutter - in der „( )“ [Unterbringungseinheit der Schule] gewohnt. 2009 habe Ihre Mutter sie auf Geheiss der chinesischen Behörden nach Lhasa zurückholen lassen. Dort sei sie aber nicht wieder ins Familienbüchlein eingetragen worden und hätte auch keine Schule mehr besuchen können. Nachdem sie am Abend des 14. Mai 2015 mit Kolleginnen und Kollegen tibetische Fahnen an Tempelmauern angebracht habe und dabei von Soldaten gesehen worden sei, habe der Onkel der Beschwerdeführerin ihre Ausreise organisiert. Schliesslich sei sie mit Hilfe eines chinesischen Schleppers am 23. Mai 2015 von Lhasa nach Peking gereist, von wo sie am 1. Juni 2015 nach Europa geflogen sei. Vor dem Hintergrund der nachfolgenden Erwägungen kann für die weiteren Angaben und Ausführungen der Beschwerdeführerin anlässlich der Befragung zur Person und der vertieften Anhörung auf die Akten verwiesen werden.
Nach der Befragung wurde die Beschwerdeführerin per Entscheid des SEM vom 3. Juli 2015 dem erweiterten Verfahren, und am 6. Juli 2015 dem Kanton E. zugewiesen.
Am 23. April 2016 richtete das SEM ein Ersuchen um Abklärung an die Schweizerische Botschaft in Neu-Delhi. Insbesondere wurde gefragt, ob die Gesuchstellerin den tibetischen Behörden resp. dem D. bekannt sei, und falls ja in welchem Zeitraum sie dort gelebt habe, was dort
über sie und ihren familiären Hintergrund bekannt sei und ob dort Dokumente zur Beschwerdeführerin vorlägen, die der Vorinstanz in Kopie zugänglich gemacht werden könnten. Weiterhin erkundigte sich die Vorinstanz, ob die Beschwerdeführerin allenfalls unter einem anderen Namen registriert sein könnte, ob die Gastmutter - unter deren Obhut die Beschwerdeführerin im D. gewohnt haben will - in Indien existiere
und der D.
bekannt sei, und was diese Gastmutter über die Ge-
suchstellerin zu sagen wisse. Zuletzt erkundigten sie sich, ob die Gesuchstellerin aufgrund einer beigelegten Fotografie identifiziert werden könne.
Die Schweizerische Botschaft in Neu-Delhi übermittelte der Vorinstanz den Bericht zu den angefragten Nachforschungen am 13. Oktober 2016 (und nochmals in elektronischer Form am 2. Dezember 2016). In diesem Bericht gelangte ein von der Botschaft in Neu-Delhi beauftragter Vertrauensanwalt zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin nicht bei den tibetischen Behörden in Neu-Delhi registriert sei, und dass auch das regionale Passbüro nie Identitätspapiere für die Beschwerdeführerin ausgestellt habe. Ferner hätten auch lokale Nachforschungen bei verschiedenen Behörden, Schulen und Anwohnern in C. keine weiteren Hinweise auf einen Auf-
enthalt der Beschwerdeführerin dort oder an der D.
in C.
gegeben. Der Vertrauensanwalt zog den Schluss, dass die Beschwerdeführerin versucht habe, die Schweizerischen Behörden durch falsche Angaben zu täuschen. Auf diesen Bericht - eine sogenannte Botschaftsabklärung - wird in den nachfolgenden Erwägungen zurückzukommen sein.
Am 8. Dezember 2016 gab die Vorinstanz eine Herkunftsabklärung, eine sogenannte Lingua-Analyse in Auftrag. Dabei bat sie insbesondere um Abklärung, ob die Beschwerdeführerin in Lhasa sozialisiert worden sei und dort zwischen 2009 und 2015 gelebt habe, oder ob die von ihr anlässlich der Anhörung vorgebrachten Ortsangaben gelernt worden seien. Ferner erfragte sie, ob die Chinesisch-Kenntnisse der Beschwerdeführerin in ihre Alltagssprache integriert seien oder ob sie eher gewisse Begriffe und Sätze auswendig gelernt habe. Weiterhin gab sie auf dem Antragsformular zu Handen der Lingua-Sektion kurz die Ergebnisse der Botschaftsabklärung wieder. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin zu einem telefonischen Interview vorgeladen, welches am 18. Januar 2017 durchgeführt wurde. Gestützt auf eine Aufzeichnung dieses Gesprächs (von 71 Minuten Dauer) erfolgte eine Evaluation des Alltagswissens und ein entsprechender Bericht wurde verfasst. In diesem Bericht, welcher vom 4. April 2017 datiert, gelangte die vom Bundesamt beauftrage Person zum Schluss, aufgrund
der inhaltlichen Evaluation des Gesprächs beziehungsweise der Angaben der Beschwerdeführerin sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie im behaupteten geografischen Raum gelebt haben könnte, klein. Auf diesen Bericht - eine sogenannte Lingua-Analyse - wird in den nachfolgenden Erwägungen ebenfalls zurückzukommen sein.
Im Anschluss an diese vertieften Abklärungen gewährte das SEM der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 10. April 2017 das rechtliche Gehör zu den Abklärungsergebnissen der Botschaftsabklärung und der LinguaAnalyse. Unter Berufung auf Art. 27 Abs. 1 bst. a VwVG wurde der Beschwerdeführerin aufgrund wesentlicher öffentlicher Interessen die Einsicht in diese Dokumente verwehrt. Stattdessen wurde ihr gemäss Art. 28 VwVG deren Inhalt zusammengefasst zur Kenntnis gebracht und die Gelegenheit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Auf den genauen Inhalt und Umfang dieses Schreibens wird in den nachfolgenden Erwägungen zurückzukommen sein.
Am 21. April 2017 reichte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zu den Akten, in welcher sie an der geltend gemachten Herkunft aus Tibet und ihren übrigen Vorbringen festhielt. Im Übrigen gab sie dem SEM die Kontaktinformationen ihrer Mutter sowie von F. , einer inzwischen in der Schweiz lebenden Freundin der Mutter und ehemaligen Nachbarin, mit dem Vermerk, dass beide die von ihr gemachten Angaben bestätigen könnten. Vor dem Hintergrund der nachfolgenden Erwägungen kann für den übrigen Inhalt dieser Eingabe auf die Akten verwiesen werden.
Mit Verfügung vom 16. Mai 2017 (eröffnet am 23. Mai 2017) stellte das SEM fest, dass die Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, lehnte ihr Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung der Beschwerdeführerin aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an, wobei das SEM versäumte, einen Wegweisungsvollzug in die Volksrepublik China im Dispositiv ausdrücklich auszuschliessen. Im Rahmen seines Entscheides erklärte das SEM die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Herkunft aus Tibet und dortige Sozialisation als unglaubhaft, wobei das Staatssekretariat insbesondere darauf verwies, dass der Experte in der LinguaAnalyse zum Schluss gekommen sei, die Beschwerdeführerin habe nur mit kleiner Wahrscheinlichkeit in Lhasa gelebt. Ferner hätten die Angaben der
Beschwerdeführerin zu ihrem Aufenthalt in Indien durch die Botschaftsabklärung nicht bestätigt werden können. Hinsichtlich des Inhalts der LinguaAnalyse und der Botschaftsabklärung kopierte das SEM in seinem Entscheid die Ausführungen zum wesentlichen Inhalt der beiden Abklärungen, die der Beschwerdeführerin bereits am 10. April 2017 zur Stellungnahme unterbreitet worden waren. Insbesondere - vermerkte die Vorinstanz - vermöge auch die dürftige Stellungnahme der Beschwerdeführerin die Einschätzung der Lingua-Analyse und die Erkenntnisse der Botschaftsabklärung nicht zu entkräften. Neben den mangelhaften Länderbzw. Regionalkenntnissen legten im Übrigen die fehlenden Kenntnisse der chinesischen Sprache, die fehlenden Identitätspapiere, sowie die unglaubhaft vorgetragenen Asylgründe nahe, dass die Beschwerdeführerin nicht in der von ihr angegebenen Region sozialisiert worden sei. Auf die vorinstanzliche Entscheidbegründung wird in den nachfolgenden Erwägungen zurückzukommen sein.
Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin mittels Eingabe vom 21. Juni 2017 (Datum Postregistrierung) Beschwerde, wobei sie die Aufhebung der Verfügung vom 16. Mai 2017, die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung von Asyl, eventualiter die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme in der Schweiz zufolge Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzuges beantragte. Ferner machte sie geltend, dass auf die Erhebung von Verfahrenskosten und Kostenvorschuss zu verzichten und ihr Rechtsvertreter als amtlicher Rechtsbeistand beizuordnen sei. Insbesondere führte die Beschwerdeführerin an, aus den Akten sei nicht ersichtlich, dass ihr die Botschaftsabklärung zur Stellungnahme unterbreitet worden sei, was - falls zutreffend - offensichtlich den Anspruch auf rechtliches Gehör verletze. Ferner nahm die Beschwerdeführerin relativ ausführlich zu den vom SEM im Rahmen der Gehörsgewährung und der Entscheidbegründung aufgelisteten Punkten der Lingua-Analyse Stellung. Zudem beantragte sie wiederum den Beizug der Asylakten von F. , die mit anerkanntem Flüchtlingsstatus in der Schweiz lebe, und sich bereit erklärt habe, zu bestätigen, dass sie die Beschwerdeführerin kenne und diese in Lhasa gelebt habe. Die Beschwerdeführerin stellte eine entsprechende Bestätigung von F. in Aussicht.
Mit der Beschwerde reichte sie 12 Beilagen zu den Akten, darunter Kopien einer Schulbestätigung des D. , einer chinesischen Meldebescheinigung der Beschwerdeführerin von 2003 (mit Übersetzung), eines Ausschnitts aus dem Hukou der Mutter der Beschwerdeführerin sowie des Personalausweises der Mutter. Sie reichte ferner eine Ausweiskopie von F. und eine Fürsorgebestätigung im Original zu den Akten.
Mit Zwischenverfügung vom 28. Juni 2017 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, sie könne den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten (Art. 42 AsylG [SR 142.31]). Gleichzeitig wurde den Gesuchen um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG [SR 172.021]), um Befreiung von der Kostenvorschusspflicht (gemäss Art. 63 Abs. 4 VwVG) und um Gewährung der amtlichen Verbeiständung (nach Art. 110a Abs. 1 AsylG) entsprochen. Im Übrigen wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, das in Aussicht gestellte Original der in Kopie zu den Akten gelegten Schulbestätigung aus Indien nachzureichen.
Mit Eingabe vom 25. Juli 2017 reichte die Beschwerdeführerin das einverlangte Original-Beweismittel (inklusive Original-Zustellcouverts aus Indien) innert Frist zu den Akten.
Mit Zwischenverfügung vom 3. August 2017 wurde der Beschwerdeführerin der Eingang des einverlangten Original-Beweismittels bestätigt, und das SEM zum Schriftenwechsel eingeladen (Art. 57 Abs. 1 VwVG).
Mit Schreiben vom 17. August 2017 ersuchte das SEM um eine Fristerstreckung für das Einreichen der Vernehmlassung, die auch gleichentags gewährt wurde.
Im Rahmen seiner am 28. August 2017 eingereichten Vernehmlassung hielt das SEM vollumfänglich an der angefochtenen Verfügung fest. Insbesondere brachte es aber zusätzlich vor, der Botschaftsbericht habe der Beschwerdeführerin aus Gründen der Geheimhaltung nicht offengelegt werden können, sein wesentlicher Inhalt sei ihr aber mit Schreiben vom 10. April 2017 zur Kenntnis gebracht worden. Das Staatssekretariat führte weiter an, im Antwortschreiben der Beschwerdeführerin vom 21. April 2017 seien zur Hauptsache früher gemachte Aussagen wiederholt und es sei auf die Mutter und die ehemalige Nachbarin als Auskunftspersonen verwiesen worden. Im Übrigen beinhalte die auf Beschwerdeebene eingereichte
Schulbestätigung aus Indien nicht den vollständigen Namen der Beschwerdeführerin (der Nachname G. [Nachname der Beschwerdeführerin]) sei auf dem Schreiben nicht aufgeführt), und sei ferner ohnehin nicht geeignet, die geltend gemachte Rückkehr nach Lhasa zu belegen. Die übrigen auf Beschwerdeebene neu eingereichten Beweismittel seien als Kopien grundsätzlich keine gültigen Beweismittel, und aufgrund der (fehlenden) Ausstellungsdaten nicht geeignet, die Vorbringen der Beschwerdeführerin in asylrelevanten Punkten zu stützen oder Zweifel daran zu beseitigen. Weiterhin seien die Akten von F. nicht beizuziehen, weil davon auszugehen sei, dass der geltend gemachte nachbarschaftliche Bezug zur Beschwerdeführerin den Akten nicht zu entnehmen sei. Ferner kommentierte das SEM die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur LinguaAnalyse in einigen Sätzen. Abschliessend hielt das SEM fest, dass keine neuen Erkenntnisse vorlägen, welche eine Änderung der bisherigen Einschätzung bewirken könnten, und verwies im Übrigen auf die Erwägungen aus dem Asylentscheid. Auf die Vorbringen der Vorinstanz im Rahmen der Vernehmlassung wird in den nachfolgenden Erwägungen zurückzukommen sein.
Am 1. September 2017 wurde die Beschwerdeführerin eingeladen, betreffend die vorinstanzliche Vernehmlassung innert Frist eine Stellungnahme (Replik) einzureichen.
Mit Schreiben vom 15. September 2017 ersuchte die Beschwerdeführerin um eine Fristerstreckung für das Einreichen der Vernehmlassung, die am
September 2017 gewährt wurde.
Mit Eingabe vom 29. September 2017 reichte die Beschwerdeführerin ihre Stellungnahme zur Vernehmlassung des SEM zu den Akten. Namentlich führte sie aus, dass die Einwände des Staatssekretariats gegen die von ihr eingereichte Schulbestätigung nicht überzeugten, zumal alle persönlichen Angaben, inklusive der Namen der Eltern, mit erklärbarer Ausnahme des tibetischen Nachnamens G. auf dem Dokument korrekt aufgeführt seien. Bezüglich der weiteren eingereichten Beweismittel sei zu berücksichtigen, dass es zu gefährlich sei, die chinesischen Originaldokumente ausser Landes zu bringen, es mithin unmöglich sei, diese im Original zu beschaffen. Im Übrigen brachte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vor, er sei mit seiner Mandantin die einzelnen Punkte des Gesprächs
mit dem Experten der Lingua-Analyse nochmals durchgegangen, und nahm erneut detailliert zu einigen Punkten der Analyse Stellung. Auf den Inhalt dieser Stellungnahme wird in den Erwägungen ebenfalls noch einmal im Einzelnen zurückzukommen sein.
Das Bundesverwaltungsgericht ist unter anderem zuständig für die Behandlung von Beschwerden gegen Verfügungen des SEM; dabei entscheidet das Gericht auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser - was vorliegend nicht der Fall ist - bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (vgl. Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31-33 VGG und Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Die Beschwerdeführerin ist legitimiert (Art. 48 Abs.1 VwVG) und ihre Eingabe ist als fristund formgerecht zu erkennen (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG), womit auf die Beschwerde einzutreten ist.
Aufgrund der Aktenlage ist vorab zu prüfen, ob das SEM mit der angefochtenen Verfügung den Anspruch der Beschwerdeführerin auf das rechtliche Gehör verletzt hat, da eine allfällige Verletzung dieses Anspruchs zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung führen kann.
Das SEM gelangt in der angefochtenen Verfügung in entscheidrelevanter Hinsicht zum Schluss, die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Herkunft aus Tibet und damit aus der Volksrepublik China sei unglaubhaft. Diesen Schluss stützt das SEM zur Hauptsache auf das Ergebnis der Botschaftsabklärung vom 13. Oktober 2016, sowie auf die LinguaAnalyse vom 4. April 2017. Dies ergibt sich aus der Begründung des Asylentscheids vom 16. Mai 2017, in welchem das SEM die negative Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Vorbringen der Beschwerdeführerin weitgehend auf den Widersprüchen zwischen der Botschaftsabklärung und dem von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Aufenthalt in Indien, sowie auf der Einschätzung des Experten im Rahmen der Lingua-Analyse abstellt. So wird in diesem Entscheid einerseits festgestellt, dass die Herkunftsgeschichte der Beschwerdeführerin aufgrund der Botschaftsabklärung und der Lingua-Analyse unglaubhaft sei (vgl. sinngemäss A36, S. 3), und dass es aufgrund der Feststellung des unabhängigen Experten den
Asylund Ausreisegründen der Beschwerdeführerin grundsätzlich an Glaubhaftigkeit mangele (vgl. A36, S. 4). Die Beschwerdeführerin hält demgegenüber an der Herkunft aus Tibet fest. Dabei macht sie in der Beschwerde geltend, der Botschaftsbericht sei ihr nicht zur Stellungnahme vorgelegt worden. Weiter verweist sie auch in der Beschwerde auf die Unmöglichkeit, zu gewissen - in der zum rechtlichen Gehör vorgelegten Zusammenfassung des SEM aufgeführten - Elementen der Lingua-Analyse mangels nachvollziehbarer Begründung überhaupt Stellung zu nehmen (vgl. die Ausführungen in der Beschwerde, insbesondere zur Arbeit im Strassenbau und den Picknicks in Norbulingka).
Das rechtliche Gehör, welches in Art. 29 Abs. 2 BV verankert und in den Art. 29 ff. VwVG für das Verwaltungsverfahren konkretisiert wird, dient einerseits der Aufklärung des Sachverhalts, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht der Parteien dar. Gemäss Art. 30 Abs. 1 VwVG hört die Behörde die Parteien an, bevor sie verfügt. Der Anspruch auf vorgängige Anhörung beinhaltet insbesondere, dass die Behörde sich beim Erlass ihrer Verfügung nicht auf Tatsachen abstützen darf, zu denen sich die von der Verfügung betroffene Person nicht vorgängig äussern und diesbezüglich Beweis führen konnte (vgl. BVGE 2011/37 E. 5.4.1).
Eng mit dem Äusserungsrecht ist der verfahrensrechtliche Anspruch auf Akteneinsicht (Art. 26 VwVG) verbunden. In jedem Verfahren können sich die Betroffenen nur dann wirksam zur Sache äussern und geeignet Beweise führen beziehungsweise Beweismittel bezeichnen, wenn ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, die Unterlagen einzusehen, auf welche sich die Behörde stützt. Vom Akteneinsichtsrecht ausgeschlossen sind demgegenüber verwaltungsinterne Unterlagen. Gilt es den Umfang des Akteneinsichtsrechts zu bestimmen, kommt es jedoch auf die im konkreten Fall objektive Bedeutung eines Aktenstückes für die entscheidwesentliche Sachverhaltsfeststellung an und nicht auf die Einstufung des Beweismittels durch die Behörden als internes oder gar geheimes Papier. Keine internen Akten sind daher zum Beispiel verwaltungsintern erstellte Berichte und Gutachten zu streitigen Sachverhaltsfragen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet auch, dass die Behörden alles in den Akten festzuhalten haben, was zur Sache gehört und entscheidwesentlich sein kann. Daraus resultiert die Pflicht, Abklärungen, Befragungen, Zeugeneinvernahmen und Verhandlungen zu protokollieren, diese zu den Akten zu nehmen und aufzubewahren (vgl. BGE 130 II 473 E. 4.2). Das Recht auf Akteneinsicht kann
jedoch eingeschränkt werden, wenn ein überwiegendes Interesse an deren Geheimhaltung vorhanden ist. Dies muss indes aufgrund einer konkreten, sorgfältigen und umfassenden Abwägung der entgegenstehenden Interessen beurteilt werden, wobei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten ist. Je stärker das Verfahrensergebnis von der Stellungnahme der Betroffenen zum konkreten Dokument abhängt und je stärker auf ein Dokument bei der Entscheidfindung zum Nachteil der Betroffenen abgestellt wird, desto intensiver ist dem Akteneinsichtsrecht Rechnung zu tragen (Art. 27 und 28 VwVG). Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergibt sich schliesslich, dass die Abfassung der Begründung dem Betroffenen ermöglichen soll, den Entscheid sachgerecht anzufechten, was nur der Fall ist, wenn sich sowohl der Betroffene als auch die Rechtsmittelinstanz über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. Die Begründungsdichte richtet sich dabei nach dem Verfügungsgegenstand, den Verfahrensumständen und den Interessen des Betroffenen, wobei bei schwerwiegenden Eingriffen in die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen eine sorgfältige Begründung verlangt wird (vgl. zum Ganzen BVGE 2011/37 E. 5.4.1. m.w.H.).
Die obigen Ausführungen gelten sowohl für die Botschaftsabklärung, als auch für die Lingua-Analyse.
In Bezug auf Botschaftsabklärungen ist festzuhalten, dass diese sowohl die vom SEM an die schweizerische Vertretung im Ausland gerichteten Fragen, als auch die Antwort derselben umfasst. Es handelt sich bei beiden Aktenstücken nicht um interne Akten; beide Dokumente unterstehen grundsätzlich dem Einsichtsrecht, was bereits von der vormaligen Asylrekurskommission so festgehalten wurde (EMARK 1994 Nr. 1 E. 3c insb. S. 11). Eine Einsichtsverweigerung kommt somit lediglich im beschränkten Rahmen von Art. 27 VwVG in Frage. Artikel 28 VwVG kommt erst zum Zuge, wenn überwiegende öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen im Sinne von Artikel 27 VwVG der Einsichtnahme entgegenstehen. Solche Geheimhaltungsinteressen können bei Botschaftsabklärungen durchaus vorliegen (EMARK 1994 Nr. 1 E. 4c S. 12). In jüngeren Entscheiden zur Akteneinsicht in Botschaftsanfragen wurde ausgeführt, dass die Zusammenfassung eines Aktenstücks, das zum Nachteil der Partei verwendet werden soll, den Anforderungen dann genügt, wenn einerseits eine weniger weitgehende Massnahme - wie beispielsweise die Abdeckung einzelner Passagen - überwiegende Geheimhaltungsinteressen nicht wahren würde oder unpraktikabel wäre, und andererseits der Zusammenfassung der wesentliche, zur Sache gehörende Inhalt des Aktenstücks
entnommen werden kann (vgl. die Urteile des BVGer E-5723/2017 vom 9. April 2018 E. 3.4, sowie F-4110/2015 vom 1. Februar 2018 E. 3.3).
Bei Lingua-Analysen handelt es sich nicht um Sachverständigengutachten (Art. 12 Bst. e VwVG; Art. 57 ff. BZP [SR 273] i.V.m. Art. 19 VwVG), sondern sie gelten als schriftliche Auskünfte einer Drittperson (Art. 12 Bst. c VwVG; Art. 49 BZP i.V.m. Art. 19 VwVG), welchen jedoch ein erhöhter Beweiswert zugemessen wird, sofern bestimmte Anforderungen an die fachliche Qualifikation, Objektivität und Neutralität der sachverständigen Person wie auch an die inhaltliche Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der Analyse erfüllt sind. Diesbezüglich hat bereits die Asylrekurskommission ein berechtigtes öffentliches und privates Geheimhaltungsinteresse anerkannt, welches die Verweigerung der vollumfänglichen Offenlegung einer Lingua-Analyse an die Asylsuchenden rechtfertigt. Um dem nach Art. 29 Abs. 1 BV garantierten Grundsatz des fairen Prozesses zu genügen und den Kerngehalt des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV nicht zu verletzen, muss der asylsuchenden Person jedoch vom wesentlichen Inhalt der Analyse Kenntnis gegeben werden, mit der Möglichkeit, sich dazu zu äussern und Gegenbeweise zu bezeichnen (Art. 28 und 30 VwVG). Dazu muss die Behörde der asylsuchenden Person in zusammenfassender Weise die von der Fachperson gestellten Fragen und den wesentlichen Inhalt der darauf erhaltenen Antworten sowie die weiteren in den Akten enthaltenen Beweiselemente, auf welche die Fachperson ihre Einschätzung stützt, offenlegen, sei es in einer aktenkundigen schriftlichen Notiz, sei es anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Rahmen einer zu protokollierenden mündlichen Anhörung (vgl. zum Ganzen BVGE 2015/10 E. 5.1, mit Verweisen auf die Praxis nach EMARK 1998 Nr. 34 und 2003 Nr. 14 E. 9).
Insbesondere genügt es nicht, die Schlussfolgerungen der Herkunftsabklärung in einer pauschalen Zusammenfassung darzulegen, ohne der betroffenen Person die ihr konkret vorgeworfenen Falschaussagen effektiv und in detaillierter Weise erkennbar zu machen (vgl. BVGE 2015/10 E. 5.2.2.4, mit Verweisen auf die Praxis nach EMARK 2004 Nr. 28 E. 7b).
Vorliegend stellt sich zunächst die Frage, ob der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Botschaftsabklärung das rechtliche Gehör ausreichend gewährt wurde. Gemäss Aktenlage richtete das SEM am 25. April 2017 eine Botschaftsanfrage an die Schweizerische Vertretung in Neu-Delhi,
worin sie kurz den relevanten Sachverhalt und die Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich ihres Aufenthalts in Indien umriss, und - mittels acht differenzierter Fragen - um diesbezügliche Abklärung ersuchte. Der Bericht des Vertrauensanwalts wurde dem SEM am 13. Oktober 2016, respektive per E-Mail erneut am 2. Dezember 2016, zugestellt. Eine Zusammenfassung der Abklärungsergebnisse wurde der Beschwerdeführerin am 10. April 2017 zusammen mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse der Lingua-Analyse zum rechtlichen Gehör vorgelegt.
In entscheidrelevanter Hinsicht ist ausschlaggebend, dass das SEM der Beschwerdeführerin den tatsächlichen Gehalt der Botschaftsabklärung vom 13. Oktober 2016 - bestehend aus der Anfrage und einem siebenseitigen Dokument mit detaillierten Ausführungen zu den vorgenommenen Abklärungen, aufgesuchten Lokalitäten und befragten Personen als Antwort - nicht rechtsgenüglich zur Stellungnahme vorgelegt hat.
Mit Verweis auf Art. 27 Abs. 1 Bst. a VwVG umschrieb das Staatssekretariat ihre Anfrage an die Schweizerische Vertretung in Neu-Delhi bereits in stark reduzierter Form. Namentlich habe sie um Abklärung gebeten, ob die Beschwerdeführerin unter der genannten Identität und mit den genannten
Angaben den tibetischen Behörden bzw. dem D.
bekannt sei
(A34, S. 1). Weshalb und inwiefern bereits die Anfrage geheim zuhaltende Elemente enthalten soll, ist dabei nicht ersichtlich. Zumindest die detaillierten Fragen hätten aber offen gelegt werden müssen. Die Antwort der Schweizerischen Vertretung wurde ebenfalls stark zusammengefasst und es wurde ausgeführt, dass bei den tibetischen Behörden in Neu-Delhi keine Person mit den von der Beschwerdeführerin genannten Identitätsangaben registriert sei, und dass umfassende Abklärungen bei der D. und den tibetischen Behörden in C. ergeben hätten, dass dort weder eine Schülerin mit ihrem Namen noch eine 25. Familie oder eine Person namens H. (die Gastmutter der 25. Familie) bekannt sei.
Da sich die Begründung des abschlägigen Asylentscheides ganz wesentlich auch auf die Unglaubhaftigkeit der Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrem Aufenthalt in Indien und auf die Auskünfte des Vertrauensanwaltes abstützt, besteht ein gewichtiges Interesse an der Offenlegung der Botschaftsabklärung. Insbesondere stellt sich in casu die Frage, ob nicht eine weniger weitgehende Massnahme - wie zum Beispiel die Anonymisierung bestimmter Eigennamen befragter Personen im Bericht des Vertrauensanwaltes - die grundsätzlich vorhandenen Geheimhaltungsinteressen auch hätte wahren können. Jedenfalls ist die vorliegende Zusammenfassung
des siebenseitigen Dokumentes nicht tauglich, der Beschwerdeführerin eine hinreichende Übersicht über den tatsächlichen Inhalt der Botschaftsabklärung zu geben, ihr mithin eine sinnhafte Stellungnahme zu ermöglichen. Unter anderem hätten der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall die verschiedenen Stationen (Behörden, Schulen, Personengruppen) offengelegt werden müssen, die der Vertrauensanwalt im Laufe seiner Abklärungen besuchte und wo er die Informationen zur Identität und Person der Beschwerdeführerin einholte, auf welchen er letztlich sein Fazit - dass nämlich die Beschwerdeführerin nie bei den tibetischen Behörden registriert gewesen sei, und dass sie falsche Angaben gemacht habe, um die schweizerischen Behörden zu täuschen - abstützte.
Auf das Vorbringen in der Beschwerde, die Abklärung der Schweizerischen Botschaft sei der Beschwerdeführerin scheinbar nicht zur Stellungnahme unterbreitet, mithin sei offensichtlich das rechtliche Gehör verletzt worden, antwortete das Staatssekretariat lediglich, dass der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 10. April 2017 der wesentliche Inhalt zur Kenntnis gebracht worden sei. Weitere Ausführungen zum Inhalt der Botschaftsabklärungen machte das SEM nicht.
Insgesamt ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass das SEM im Falle der Beschwerdeführerin seiner Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht hinreichend nachgekommen ist. Die Botschaftsabklärung wurde der Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich zur Stellungnahme vorgelegt. Dies gilt umso mehr, als das SEM seine Begründung, weshalb die Vorbringen der Beschwerdeführerin unglaubhaft seien, in erheblichem Mass auf der Botschaftsabklärung abstellt.
Aus den Akten geht hervor, dass das SEM am 8. Dezember 2016 der amtsinternen Fachstelle LINGUA einen Auftrag zur Herkunftsabklärung erteilte. Aus dem bei den Akten liegenden Bericht vom 4. April 2017 mit Titel "Evaluation des Alltagswissens" geht hervor, dass diese Lingua-Analyse von der gleichen Person verfasst wurde, welche mit der Beschwerdeführerin am 18.01.2017 das telefonische Interview geführt hatte. Die LinguaAnalyse umfasst eine Analyse der landeskundlich-kulturellen Kenntnisse der Beschwerdeführerin sowie der chinesischen Sprachkenntnisse derselben. Die Beschwerdeführerin rügt hinsichtlich der Lingua-Analyse zwar nicht ausdrücklich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Trotzdem ergibt sich aus den Akten, dass sie das rechtliche Gehör nicht rechtsgenüglich wahrnehmen konnte. Unter anderem macht die Beschwerdeführerin in der
Beschwerdeschrift darauf aufmerksam, dass es nicht möglich sei, zu einigen Punkten der Lingua-Analyse Stellung zu nehmen.
In entscheidrelevanter Hinsicht ist ausschlaggebend, dass das SEM der Beschwerdeführerin den tatsächlichen Gehalt des Lingua-Gutachtes vom 4. April 2017, welches immerhin einen Umfang von mehr als vier Seiten aufweist und in welchem eine detaillierte Auslegeordnung der Angaben und Ausführungen der Beschwerdeführerin sowie der diesbezüglichen Einschätzungen der von der Vorinstanz konsultierten Person vorgenommen wird, bloss unzureichend wiedergegeben hat.
So führte das Staatssekretariat in seinem Schreiben vom 10. April 2017, womit die zusammengefassten Ergebnisse der Lingua-Analyse der Beschwerdeführerin zum rechtlichen Gehör vorgelegt wurden, lediglich aus, die Beschwerdeführerin habe zwar einige Klöster in Lhasa zutreffend nennen können, aber zu einem bestimmten Tempel falsche Angaben gemacht, was im Fall einer Person die in der Nähe dieses Tempels gewohnt und ihn besucht haben will, nicht nachvollziehbar sei. Weiterhin habe sie unzutreffende Angaben zur Lage eines weiteren sehr bekannten Klosters und zu den benachbarten Kreisen (oder Dzong) von Lhasa gemacht. Ihre Aussagen zur Arbeit im Strassenbau seien vom Experten als überraschend und merkwürdig erachtet worden. Er (der Experte) habe ebenfalls festgestellt, dass die Beschwerdeführerin falsche Angaben zu den Preisen im Restaurant und zum Preis eines Getränks an einer Abendshow gemacht habe. Die Aussage der Beschwerdeführerin in Lhasa nie einkaufen gegangen zu sein, sei für eine Person ihren Alters aus Lhasa unvorstellbar. Desweiteren habe sich die Beschwerdeführerin unzutreffend zur Abhaltung von Picknicks in Norbulingka geäussert, und habe auch die Taxi-Typen in Lhasa nicht gekannt. Schliesslich habe sie zwar ein paar einfache Sätze auf Chinesisch sagen können, sei aber nicht in der Lage gewesen, einfache Fragen auf Chinesisch zu beantworten. Es wären von ihr aber bessere Chinesisch-Kenntnisse zu erwarten gewesen, zumal gerade in Lhasa die chinesische Sprache sehr präsent sei.
Diese Zusammenstellung - welche vom SEM im selben Wortlaut auch in die angefochtene Verfügung aufgenommen wurde - ist weitgehend ungeeignet, der Beschwerdeführerin eine hinreichende Übersicht über den tatsächlichen Aussagegehalt der Lingua-Analyse vom 4. April 2017 zu geben.
Allenfalls hätte dieser Mangel im Verlauf des Beschwerdeverfahrens
namentlich im Rahmen der Vernehmlassung - geheilt werden können. In
der Tat ging das SEM in der Vernehmlassung zur Beschwerde dann noch etwas detaillierter auf die Lingua-Analyse ein. Namentlich machte das SEM dort geltend, dass sich in den Durchgängen des genannten Tempels Metallketten befänden, die es in anderen Klöstern und Tempeln nicht gäbe. Es brachte weiterhin vor, die Beschwerdeführerin hätte im Lingua-Gespräch von einer Art ‚Schnupper-Praktikum‘ im Strassenbau gesprochen, und habe angeben, deshalb nicht entlöhnt worden zu sein. Es gäbe aber solche Praktika in Tibet nicht, und auch unerfahrene Arbeiter erhielten ein Gehalt. Was die Preise der Getränke in Abendshows betreffe, so hätte die Beschwerdeführerin wissen müssen, dass diese dort viel höher seien als in den Läden. Weiter sei gemäss des Experten zu erwarten gewesen, dass die Beschwerdeführerin wisse, wann die Picknicks in Norbulingka stattfänden, und dass am Geburtstag des Dalai Lama keine solchen Picknicks durchgeführt würden. Was die Taxis in Lhasa anbelange, so hätte der Beschwerdeführerin angesichts der weiten Verbreitung der Taxis in der Stadt bekannt sein sollen, dass es in Lhasa zwei Typen von Taxis gäbe. Damit habe die Beschwerdeführerin auf viele Fragen keine zutreffenden Antworten geben können, und dies zu Themen, die einer Person, welche als Tochter einer vermögenden Frau während mehreren Jahren in Lhasa gelebt haben wolle, geläufig hätten sein sollen.
Nach dem Gesagten ist festzustellen, dass das SEM im Falle der Beschwerdeführerin seiner Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs auch in Bezug auf die Lingua-Analyse nicht hinreichend nachgekommen ist. Weder das Schreiben vom 10. April 2017, noch die angefochtene Verfügung, noch die etwas konkreteren Ausführungen im Rahmen der Vernehmlassung geben den Inhalt der Lingua-Analyse vom 4. April 2017 in einer rechtsgenüglichen und nachvollziehbaren Form wieder.
Zwar ist grundsätzlich anzumerken, dass das SEM in der Vernehmlassung tatsächlich etwas detaillierter auf die Inhalte des Expertenberichts eingeht, und damit der Beschwerdeführerin eine etwas bessere Möglichkeit einräumt, dazu Stellung zu nehmen. So ist die Gehörsverletzung im Vergleich zu früheren kassatorischen Urteilen in ähnlich gelagerten Fällen (vgl. beispielsweise das Urteil des BVGer D-3084/2015 vom 17. Januar 2017) als weniger gravierend einzustufen. Trotzdem wurden der Beschwerdeführerin durch diese ungenügende Offenlegung wesentliche Informationen vorenthalten und ihr damit eine sinnvolle Auseinandersetzung verunmöglicht. Die vom SEM im Asylentscheid monierte „dürftige Stellungnahme“ der Beschwerdeführerin vermag angesichts der ungenügenden Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Lingua-Analyse durch das SEM und der damit
fehlenden Grundlage für eine sinnvolle Stellungnahme kaum zu verwundern. Daran vermag im Übrigen auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführerin und ihr Rechtsvertreter im Rahmen der Beschwerde und der Replik zur Vernehmlassung jeweils relativ detailliert inhaltlich auf die Lingua-Analyse eingingen, zumal ihre Auseinandersetzung gemäss Aktenlage nicht auf den durch das SEM zugänglich gemachten Informationen, sondern vielmehr auf der Erinnerung der Beschwerdeführerin an das Interview abstützte. Notwendig wäre aber gewesen, dass das SEM den Inhalt der Analyse so wiedergibt, dass die Beschwerdeführerin klar nachvollziehen kann, welche Gründe der Experte seiner Beurteilung im Rahmen der Lingua-Analyse zu Grunde legte. Ein abweisender Asylund Wegweisungsentscheid stellt einen schweren Eingriff in die rechtlich geschützten Interessen einer asylsuchenden Person dar. Entsprechend ist
so auch im vorliegenden Fall - eine sorgfältige Wiedergabe der wesentlichen Inhalte des Expertenberichts notwendig, die alle wesentlichen Elemente darlegt, auf welchen die Beurteilung des Experten beruht. In casu gilt dies umso mehr, als sich das SEM bei seiner Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Vorbringen der Beschwerdeführerin stark auf die Ergebnisse der Lingua-Analyse abstützte.
Weiterhin ist zur Lingua-Analyse vom 4. April 2017 grundsätzlich anzumerken, dass teilweise erhebliche Differenzen zwischen den von der Beschwerdeführerin erinnerten und den vom Experten im Expertenbericht festgehaltenen Gesprächsinhalten des telefonischen Interviews zu bestehen scheinen. Die Vorinstanz ist angehalten, diese Unterschiede bei der erneuten Beurteilung zu berücksichtigen, und notwendigenfalls abzuklären, ob alle wesentlichen entscheidrelevanten Elemente des tatsächlichen Gesprächsverlaufs im Telefoninterview vom 18. Januar 2017 Eingang in die Beurteilung des Experten gefunden haben. Ebenfalls wird abwägend zu berücksichtigen sein, dass auch einige Umstände für den von der Beschwerdeführerin dargelegten Sachverhalt sprechen.
prüfungsbefugnis in Bezug auf Tatbestand und Rechtsanwendung zukommt, sowie die festgestellte Verletzung nicht schwerwiegender Natur ist und die fehlende Entscheidreife durch die Beschwerdeinstanz mit vertretbarem Aufwand hergestellt werden kann (vgl. BVGE 2009/53 E. 7.3 und 2013/23 E. 6.1.3, je mit weiteren Hinweisen). Dies ist vorliegend nicht der Fall, zumal die ersichtliche Verletzung des rechtlichen Gehörs - in Bezug auf die Botschaftsabklärung und die Lingua-Analyse - als schwerwiegend zu bezeichnen ist. Gleichzeitig ist es auch nicht Sache des Gerichts, das offenkundige Versäumnis einer genügenden Offenlegung nachzuholen, zumal der Beschwerdeführerin dadurch auch eine Instanz verloren ginge. Da damit eine Heilung der Verletzung des rechtlichen Gehörs auf Beschwerdeebene ausser Betracht fällt, ist die Beschwerde gutzuheissen, die angefochtene Verfügung aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Im Übrigen ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens weitere gewichtige Beweismittel - insbesondere die mit der Beschwerde zu den Akten gereichte Bestätigung ihres Schulbesuches im D. von 2001 bis 2009 - eingereicht hat. Diesem Beweisstück kommt deshalb beträchtliches Gewicht zu, da es einem der wesentlichen Elemente der Botschaftsabklärung diametral widerspricht, und damit sehr wohl - sofern echt und korrekt - geeignet wäre, einen wichtigen Teil der Vorbringen der Beschwerdeführerin zu belegen. Allein der Verweis auf den fehlenden Nachnamen (vgl. Vernehmlassung) vermag diesem Beweismittel nicht gerecht zu werden, vielmehr dürften sich weitere Sachverhaltsabklärungen insbesondere eine weitere Botschaftsabklärung aufdrängen. Dies insbesondere auch deshalb, weil die übrigen Angaben auf dem Dokument mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin und im Internet öffentlich zugänglichen Informationen übereinstimmen. Das weitere diesbezügliche Vorbringen des SEM in der Vernehmlassung - nämlich dass ein
Schulbesuch der Beschwerdeführerin in C. sowieso nicht geeignet sei, die geltend gemachte Rückkehr nach Lhasa und die dargelegte Verfolgung zu belegen - überzeugt ebenfalls nicht, zumal dort vermerkt ist, die Beschwerdeführerin habe die Schule am 5. Januar 2009 verlassen, was mit den gemachten Vorbringen übereinstimmt.
Das SEM ist damit gehalten, die mit der Beschwerde zu den Akten gelegten zusätzlichen Beweismittel - insbesondere die im Original vorliegende Schulbestätigung - angemessen und im Kontext des konkreten Inhalts der Botschaftsabklärung und der Lingua-Analyse zu würdigen und gegebenenfalls weitere Abklärungen vorzunehmen. Nach vollständiger Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts hat das SEM sodann eine Neubeurteilung der Sache vorzunehmen.
Nach vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde gutzuheissen, die angefochtene Verfügung vom 8. April 2015 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung ans SEM zurückzuweisen. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich schliesslich, auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur geltend gemachten Begründetheit ihres Asylgesuches einzugehen.
Bei vorliegendem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1-3 VwVG), womit sich das nachträgliche Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten (im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG) im Urteilszeitpunkt als gegenstandslos erweist.
Der Beschwerdeführerin ist eine Parteientschädigung zuzusprechen, da sie mit ihrer Beschwerde durchgedrungen ist und sie am Verfahren durch ihren Rechtsvertreter teilgenommen hat, woraus ihr Kosten erwachsen sein dürften (Art. 64 Abs. 1 VwVG; Art. 7 ff. des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vom
ebruar 2008 [VGKE, SR 173.320.2]). Vom Rechtsvertreter wurde keine Kostennote eingereicht; auf die Nachforderung einer solchen kann jedoch verzichtet werden (Art. 14 Abs. 2 VGKE), da sich der sachlich notwendige Aufwand der Mandatsführung abschätzen lässt. Die Parteientschädigung, welche der Beschwerdeführerin vom SEM zu entrichten ist, ist daher aufgrund der Aktenlage und der massgeblichen Bemessungsfaktoren (Art. 8-13 VGKE) auf Fr. 1200.- festzusetzen.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.
Die angefochtene Verfügung vom 16. Mai 2017 wird aufgehoben und im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung ans SEM zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführerin wird eine Parteientschädigung von Fr. 1200.- zugesprochen, welche ihr durch das SEM zu entrichten ist.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Nina Spälti Giannakitsas Lorenz Mauerhofer
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