Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung I |
Dossiernummer: | BVGE 2018 III/4 |
Datum: | 20.11.2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Amtshilfe |
Schlagwörter : | Person; Informationen; Gesellschaft; Amtshilfe; Recht; Bescheinigung; Schweiz; CH-FI; Veranlagung; Leistung; Geschäfts; Bescheinigungspflicht; Personen; Vertrag; Vorinstanz; Leistungen; Mitwirkungspflicht; Bezug; Gesellschaften; Gruppengesellschaften; Beschwerdeführerin; Urteil; Verhältnis |
Rechtsnorm: | Art. 10222 DBG ;Art. 12 DBG ;Art. 123 DBG ;Art. 12312 DBG ;Art. 12412 DBG ;Art. 126 DBG ;Art. 127 DBG ;Art. 12712 DBG ;Art. 128 DBG ;Art. 129 DBG ; |
Referenz BGE: | 141 II 436; 142 II 69; 143 I 109; 143 II 185; 143 II 268; 143 V 114 |
Kommentar: | -, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Art. 102222; Art. 127 DBG, 2015 |
Auszug aus dem Urteil der Abteilung I
i.S. X. und Y. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung
A6895/2017 vom 20. November 2018
Am 5. Juli 2017 stellte die Finnish Tax Administration (nachfolgend: FTA) ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV, nachfolgend auch: Vorinstanz), welches sich auf Art. 26 des Abkommens vom 16. Dezember 1991 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Finnland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.934.51, nachfolgend: DBA CH-FI) stützte. Dieses richtet sich gegen die X. als finnische Steuerzahlerin (nachfolgend: finnische Gesellschaft). Die Y. in der Schweiz (nachfolgend: schweizerische Gesellschaft) wird als Gesellschaft, von der Informationen gewünscht werden, genannt.
Die FTA beschreibt den Sachverhalt wie folgt:
Sie führe bei der finnischen Gesellschaft eine Untersuchung zu den Verrechnungspreisen durch. Die Gesellschaft gehöre zur A.-Gruppe, deren operative Bereiche in verschiedene weltweite Divisionen unterteilt seien, welche wiederum aus besonderen Geschäftseinheiten bestünden.
Die weltweite Geschäftseinheit werde weitgehend von der finnischen Gesellschaft geführt. Rechtlich gesehen liege die Leitung aber bei der B. in der Schweiz. Das bedeute, dass Geschäfte zwar vom Personal der finnischen Gesellschaft geleitet, aber alle dort entstehenden Kosten der B. in Rechnung gestellt und von dieser umgelagert würden. Gestützt auf die jüngsten Informationen, die die FTA von der finnischen Gesellschaft erhalten habe, müsse die schweizerische Gesellschaft im Besitz der gewünschten Informationen sein.
Die Technologie, deren Besitzerin die finnische Gesellschaft sei, werde von dieser und anderen zugehörigen Gesellschaften verwendet, unter anderem in drei Ländern ausserhalb der Schweiz. Mit diesen habe die finnische Gesellschaft Lizenzvereinbarungen abgeschlossen und Einkommen vor allem in Form von Lizenzzahlungen erhalten. Allerdings sei die Höhe der eingenommenen Lizenzzahlungen von den Gesellschaften aus diesen Ländern recht gering.
Bisher wisse sie (die FTA) nicht, wie der Gewinn zwischen den Gesellschaften aufgeteilt werde, weil die finnische Gesellschaft keine Informationen zur finanziellen Leistung der ausländischen Parteien habe geben können. Um die Steuerprüfung so effizient wie möglich abzuschliessen, seien die Informationen, um die ersucht werde, wichtig.
Gegen die nach Abschluss des vorinstanzlichen Verfahrens erlassene Schlussverfügung vom 2. November 2017 erhoben die finnische Gesellschaft (nachfolgend: Beschwerdeführerin 1) und die schweizerische
Gesellschaft (nachfolgend: Beschwerdeführerin 2, zusammen: Beschwerdeführerinnen) am 4. Dezember 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Sie machen insbesondere geltend, die Beschwerdeführerin 2 erstelle die Konzernrechnung und konsolidiere zu diesem Zweck die Finanzinformationen, welche ihr von den über den ganzen Globus verteilten Konzerngesellschaften übermittelt würden. Amtshilfeweise seien Informationen aber bei den an den Transaktionen beteiligten Personen einzuholen. Die Beschwerdeführerin 1 produziere die im Amtshilfeersuchen genannten Produktegruppen und vertreibe sie unter anderem an Gruppengesellschaften in drei Ländern ausserhalb der Schweiz. Die Gesellschaften führten ihre Rechnungslegung und Buchhaltung lokal ausserhalb der Schweiz. Aufgrund des konzernintern implementierten Reportingprozesses rapportierten die einzelnen Gruppengesellschaften ihre Quartalsund Jahresrechnungen an die Beschwerdeführerin 2. Diese konsolidiere die Finanzdaten für die Erstellung der vierteljährlichen und jährlichen Konzernabschlüsse und stelle sie der börsenkotierten C., der sie gehöre, zur Verfügung. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin 2 sei nicht Gegenstand des Amtshilfeersuchens. Ihre Steuerpflicht sei nicht betroffen. Sie verfüge aber über die verlangten Informationen.
Die Vorinstanz macht hingegen geltend, die Beschwerdeführerin 2 erstelle zuhanden ihrer Muttergesellschaft die Konzernrechnung und ziehe zu diesem Zweck die Finanzinformationen der weltweit verteilten Konzerngesellschaften zu Konsolidierungszwecken zusammen. Die konsolidierten Zahlen seien bei der Beschwerdeführerin 2 vorhanden. Die Einholung dieser Informationen durch die finnische Behörde bei den einzelnen Gruppengesellschaften wäre nicht zweckdienlich und unverhältnismässig gewesen. Indem die Beschwerdeführerin 2 die Konsolidierung vornehme, erbringe sie Leistungen innerhalb des Konzerns. Damit liege ein Rechtsgeschäft vor, welches Rechte und Pflichten innerhalb des Konzerns begründe. Damit bestünden gegenseitige Ansprüche, welche der Bescheinigungspflicht unterlägen.
Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde in der Hauptsache gut.
[Das Bundesgericht schreibt mit Urteil vom 29. Januar 2019 (2C_1068/2018) die Sache infolge Rückzugs der Beschwerde ab, nachdem die ersuchende Behörde ihr Amtshilfeersuchen zurückgezogen hat.]
Aus den Erwägungen:
Gemäss Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA CH-FI tauschen die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten unter sich diejenigen Informationen aus, « die zur Durchführung dieses Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts betreffend die unter das Abkommen fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind, soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung nicht dem Abkommen widerspricht ». Dabei ist der Informationsaustausch nicht durch Art. 1 DBA CH-FI (persönlicher Geltungsbereich) eingeschränkt (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 DBA CH-FI).
Art. 26 Abs. 3 DBA CH-FI enthält bestimmte Beschränkungen der Pflicht zur Leistung von Amtshilfe. So wird damit der ersuchte Vertragsstaat von der Verpflichtung enthoben, von den Gesetzen oder der Verwaltungspraxis des einen oder des anderen Vertragsstaats abzuweichen (Bst. a) oder Informationen zu erteilen, welche nach den Gesetzen oder auf dem üblichen Verwaltungsweg eines der beiden Vertragsstaaten nicht beschafft werden können (Bst. b). Auch besteht keine Verpflichtung zur Erteilung von Informationen, « die ein Handels-, Geschäfts-, Industrie-, Gewerbeoder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren preisgeben würden oder deren Erteilung dem Ordre public widerspräche » (Bst. c).
Art. 26 Abs. 5 DBA CH-FI enthält Gegenausnahmen zu Art. 26 Abs. 3 DBA CH-FI, die jedoch vorliegend nicht relevant sind.
Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, die Informationen, die die Beschwerdeführerin 2 habe edieren müssen, könnten deren Besteuerung nicht beeinflussen, weshalb sich ihre Mitwirkungspflicht nach
Art. 127129 DBG (SR 642.11) richte. Die dort genannten Bescheinigungspflichten träfen auf sie jedoch nicht zu, da sie mit den im Amtshilfe-
ersuchen genannten Gruppengesellschaften keine Geschäftsbeziehungen
pflege und insbesondere an den fraglichen Transaktionen gar nicht beteiligt sei. Auch könne von ihr nicht verlangt werden, Informationen rechtswidrig zu beschaffen.
Die Vorinstanz bringt dagegen vor, Art. 127 Abs. 1 Bst. e DBG stehe der Einholung der Informationen nicht entgegen. Es handle sich um einen Auffangtatbestand, welcher weit auszulegen sei, da der Gesetzgeber die Norm bei deren Erlass nicht im Zusammenhang mit dem internationalen Informationsaustausch gesehen haben dürfte. Die Informationen seien voraussichtlich erheblich und bei der Beschwerdeführerin 2 vorhanden.
Der in Art. 26 Abs. 3 Bst. a und b DBA CH-FI formulierte Vorbehalt des innerstaatlichen Rechts (E. 2.2.2) bezieht sich, soweit es um die Beschaffung von Informationen in Bezug auf direkte Steuern bei einer in der Schweiz steuerpflichtigen Person geht, auf die Art. 123129 DBG (BGE 142 II 69 E. 4; XAVIER OBERSON, in: Modèle de Convention fiscale OCDE concernant le revenu et la fortune, Commentaire, 2014, Art. 26
N. 115 f.; DANIEL HOLENSTEIN, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Internationales Steuerrecht, 2015, Art. 26 N. 285, 287; ANDREAS DONATSCH et al., Internationale Rechtshilfe, unter Einbezug der Amtshilfe im Steuerrecht, 2. Aufl. 2015, S. 250 f.). Die abweichende Bestimmung von Art. 26 Abs. 5 DBA CH-FI ist im vorliegenden Zusammenhang nicht anwendbar.
Das DBG unterscheidet zwischen einer generellen, dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflicht (Art. 126 DBG) und spezifischen, gewissen Dritten obliegenden Mitwirkungspflichten (Art. 127129 DBG). Verlangt der ersuchende Staat Informationen über eine in der Schweiz steuerpflichtige Person, so treffen diese die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen gemäss Art. 124126 DBG. Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich allerdings nicht auf Auskünfte über Geschäftsbeziehungen, die nicht für die Veranlagung dieser Person von Bedeutung sein könnten, sondern ausschliesslich für die Veranlagung ihrer Geschäftspartner (HOLENSTEIN, a.a.O., Art. 26 N. 285 und 290; Urteil des BVGer A8018/2016 vom 8. November 2017 E. 2.4.2).
Die steuerpflichtige Person hat im Verfahren der internationalen Amtshilfe in Steuersachen der Steuerverwaltung gemäss Art. 126 DBG auch Informationen zur Veranlagung einer Drittperson zu übermitteln, sofern diese Informationen ihre eigene Veranlagung beeinflussen können. Dies kann beispielsweise bei verdeckten Gewinnausschüttungen oder einem Durchgriff der Fall sein (BGE 142 II 69 E. 5.1.4 und 5.3; Urteil des BGer 2C_954/2015 vom 13. Februar 2017 E. 7.4; Urteil des BVGer A5936/2017 vom 19. Juli 2018 E. 2.6.2).
Die Beschwerdeführerin 2, die die Informationen herausgeben soll, erhält vorliegend von den Gruppengesellschaften Finanzdaten, welche sie zusammenstellt und als konsolidierte Rechnung der Muttergesellschaft weiterleitet. Sie ist im Bereich der vom Amtshilfeersuchen erfassten Produktegruppen selbst nicht tätig. Daher sind die vorliegend verlangten Daten, die die Gruppengesellschaften ihr zur Verfügung stellen, für ihre eigene Besteuerung nicht von Bedeutung. Die Verrechnungspreise für diese Produktegruppen sind für die Besteuerung der Beschwerdeführerin 2 ebenfalls nicht von Bedeutung. Auch werden (anders als in der Konstellation, wie sie dem in BGE 143 II 185 E. 5.1 f. veröffentlichten Urteil des BGer zugrunde lag) nicht Informationen über die Beschwerdeführerin 2 verlangt, sondern Informationen, die bei ihr liegen, sie selbst aber nicht betreffen.
Die Daten könnten daher, wenn sich der Sachverhalt ausschliesslich in der Schweiz abgespielt hätte, nicht gestützt auf Art. 126 DBG erhoben werden.
Zu prüfen ist daher, ob eine Herausgabepflicht gestützt auf Art. 127 ff. DBG besteht.
Die Anwendung von Art. 128 und Art. 129 DBG ist vorliegend ausgeschlossen, besteht doch zwischen den Beschwerdeführerinnen weder ein Gesellschafts-, Miteigentumsoder Gesamteigentumsverhältnis (Art. 128 und Art. 129 Abs. 1 Bst. c DBG) noch geht es um Leistungen an Organe oder Begünstigte oder um Mitarbeiterbeteiligungen (Art. 129 Abs. 1 Bst. a, b und d DBG). Schliesslich handelt es sich bei der Beschwerdeführerin 2 weder um eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge oder der gebundenen Selbstvorsorge noch um eine einfache Gesellschaft oder Personengesellschaft noch um eine kollektive Kapitalanlage (Art. 129 Abs. 1 Bst. b und c und Abs. 3 DBG).
Damit bleibt eine Herausgabepflicht gestützt auf Art. 127 DBG zu prüfen, wobei zunächst der Inhalt von Art. 127 Abs. 1 DBG, insbesondere von Art. 127 Abs. 1 Bst. e DBG, zu bestimmen ist.
Der Inhalt einer Norm ist durch Auslegung zu ermitteln. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut, wobei bei Erlassen des Bundesrechts die Fassungen in den drei Amtssprachen gleichwertig sind. Ist der Text nicht ohne Weiteres klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden. Vom Wortlaut kann abgewichen werden, wenn triftige Gründe für die
Annahme bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Vorschrift wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben (BGE 143 II 268 E. 4.3.1; 143 II 202
E. 8.5; 141 V 191 E. 3; 130 V 472 E. 6.5.1). Bei der Auslegung sind alle Auslegungselemente zu berücksichtigen (Methodenpluralismus; BGE 143 I 109 E. 6; 143 III 453 E. 3.1; 141 I 78 E. 4.2). Es sollen alle jene
Methoden kombiniert werden, die für den konkreten Fall im Hinblick auf ein vernünftiges und praktikables Ergebnis am meisten Überzeugungskraft haben. Sind mehrere Lösungen denkbar, ist jene zu wählen, die der Verfassung entspricht (BGE 143 V 114 E. 5.2; 140 II 495 E. 2.3; BVGE 2016/25 E. 2.6.4.1 m.w.H.; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren
vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 2.182 ff.).
Art. 127 Abs. 1 DBG bestimmt, dass a) Arbeitgeber den Arbeitnehmern Leistungen der Ersteren an Letztere bescheinigen müssen, b) Gläubiger und Schuldner der steuerpflichtigen Person dieser Bestand, Höhe, Verzinsung und Sicherstellung von Forderungen zu bescheinigen haben, c) Versicherer der steuerpflichtigen Person dieser über den Rückkaufswert von Versicherungen und über die aus dem Versicherungsverhältnis ausbezahlten oder geschuldeten Leistungen eine Bescheinigung ausstellen müssen, d) Treuhänder, Vermögensverwalter, Pfandgläubiger, Beauftragte und andere Personen, die Vermögen des Steuerpflichtigen in Besitz oder in Verwaltung haben oder hatten, über dieses Vermögen und seine Erträgnisse Bescheinigungen auszustellen haben und e) Personen, die mit der steuerpflichtigen Person Geschäfte tätigen oder getätigt haben, die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen bescheinigen müssen.
Art. 127 Abs. 1 Bst. ad DBG definieren genau, welche Personen zuhanden der steuerpflichtigen Person (und, falls diese ihren Pflichten nicht nachkommt, direkt zuhanden der Veranlagungsbehörde; Art. 127 Abs. 2 DBG) über welche Rechtsverhältnisse Bescheinigungen ausstellen müssen. Art. 127 Abs. 1 Bst. ad DBG ist vorliegend nicht weiter auslegungsbedürftig.
Demgegenüber nennt Art. 127 Abs. 1 Bst. e DBG nur Personen, die mit der steuerpflichtigen Person Geschäfte tätigen oder getätigt haben, ohne genauer darzulegen, um welche Personen oder welche Geschäfte es sich dabei handeln könnte. Auch sind die beiderseitigen Ansprüche und Leistungen zu bescheinigen, ohne dass näher beschrieben wäre, um welche Leistungen es sich handelt. Die offenen Formulierungen machen deutlich, dass es sich um einen Auffangtatbestand handelt (vgl. PETER LOCHER,
Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, III. Teil, 2015, Art. 102222 DBG, Art. 127 N. 11).
Die Lehre ist sich einig, dass diese Auffangklausel weit zu verstehen ist: Unter der « Tätigung eines Geschäfts » sind sämtliche vertraglichen Beziehungen zu verstehen, etwa auch die Beteiligung an einer Erbengemeinschaft, oder Beziehungen, die sich aus einer Scheidung ergeben (ZWEIFEL/ HUNZIKER, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 3. Aufl. 2017, Art. 127 N. 5 und 24 f.; ISABELLE ALTHAUS-HOURIET, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2. Aufl. 2017, Art. 127 N. 34; LOCHER, a.a.O., Art. 127 N. 23 f.).
Dem ist zuzustimmen.
Bescheinigungspflichtige Person ist damit jene Person, die mit der steuerpflichtigen Person entsprechende Rechtsbeziehungen aufweist. Die zu bescheinigenden Umstände sind Ansprüche und Leistungen, die sich aus diesen Rechtsbeziehungen ergeben und die für die Besteuerung der steuerpflichtigen Person relevant sind.
Schon aus dem Wortlaut von Art. 127 Abs. 1 Bst. ae DBG ergibt sich damit, dass die bescheinigungspflichtige und die steuerpflichtige Person in einem Rechtsverhältnis zueinander stehen müssen.
Dieses Ergebnis wird durch Sinn und Zweck der Norm sowie den Zusammenhang mit anderen Bestimmungen bestätigt:
Zunächst ist Art. 127 DBG im Verhältnis zu Art. 126 DBG zu sehen. Art. 126 Abs. 1 DBG bestimmt nämlich, dass die steuerpflichtige Person alles tun muss, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen. Die Abs. 2 und 3 zählen dann beispielhaft Informationen und Dokumente auf, die die steuerpflichtige Person der Veranlagungsbehörde erteilen beziehungsweise vorlegen muss.
Im Gegensatz zur umfassenden Mitwirkungspflicht der steuerpflichtigen Person betrifft die Bescheinigungspflicht Dritter nur bestimmte Umstände und nur solche Rechtsverhältnisse, an denen sowohl sie selbst als auch die steuerpflichtige Person beteiligt sind oder waren. Insbesondere kann sich die Bescheinigungspflicht des bescheinigungspflichtigen Dritten nicht auf ein Vertragsverhältnis beziehen, das die steuerpflichtige Person mit einem weiteren Dritten eingegangen ist (ALTHAUS-HOURIET, a.a.O., Art. 127
N. 10). Zweck dieser Bestimmung ist, wie eine Gegenüberstellung von Abs. 1 und 2 von Art. 127 DBG ergibt, in erster Linie, dass die bescheinigungspflichtige Person es der steuerpflichtigen Person ermöglicht, ihre Mitwirkungspflicht gegenüber der Veranlagungsbehörde zu erfüllen.
Kommt die steuerpflichtige Person ihrer Pflicht nicht nach, kann die Veranlagungsbehörde die Unterlagen direkt bei der bescheinigungspflichtigen Person einholen. Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt im innerstaatlichen Verhältnis, dass eine Person, deren Steuerpflicht nicht Gegenstand einer Untersuchung ist, nicht vollumfänglich mitwirkungspflichtig ist. Daher ist ihre Mitwirkungspflicht auf die Bescheinigungspflichten gemäss Art. 127 DBG beschränkt.
Was nun insbesondere Art. 127 Abs. 1 Bst. e DBG anbelangt, so ergibt neben dem Wortlaut auch ein Vergleich mit Art. 127 Abs. 1 Bst. ad DBG, dass eine Bescheinigungspflicht nur in Bezug auf bestehende oder abgeschlossene Rechtsverhältnisse besteht. Allen Bescheinigungspflichten in Art. 127 Abs. 1 DBG ist nämlich eigen, dass sie einem Vertragsverhältnis zwischen der steuerpflichtigen Person und dem bescheinigungspflichtigen Dritten entspringen (ZWEIFEL/HUNZIKER, a.a.O., Art. 127 N. 4 f.; ALTHAUS-HOURIET, a.a.O., Art. 127 N. 6 und 8; FELIX
RICHNER et al., Handkommentar zum DBG, 3. Aufl. 2016, Art. 127 N. 12 und 22). Dies hat folglich mangels Anhaltspunkten für das Gegenteil nicht nur für die Art. 127 Abs. 1 Bst. ad, sondern auch für Art. 127 Abs. 1 Bst. e DBG zu gelten.
Damit ist nun Art. 127 Abs. 1 Bst. e DBG zwar in Bezug auf die Frage, über welche Rechtsbeziehungen Bescheinigungen auszustellen sind, weit zu verstehen. In jedem Fall muss aber eine Rechtsbeziehung zwischen der bescheinigungspflichtigen und der steuerpflichtigen Person bestehen. Es ist auch kein Grund ersichtlich, aus dem Art. 127 Abs. 1 Bst. e DBG weiter zu verstehen wäre, wenn er im Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen analog angewendet wird. Insbesondere dürfen Dritten (nämlich den bescheinigungspflichtigen Personen) von klaren innerstaatlichen oder völkerrechtlichen Bestimmungen abgesehen keine Pflichten aufgebürdet werden, die über das hinausgehen, was der Fall wäre, wenn sich der internationale Sachverhalt rein innerstaatlich abgespielt hätte.
Da es vorliegend um die Besteuerung der Beschwerdeführerin 1 geht, ist die Beschwerdeführerin 2 somit einzig verpflichtet, über vertragliche Beziehungen zwischen ihr und der Beschwerdeführerin 1 Auskunft zu erteilen (bzw. diese zu bescheinigen). In Bezug auf die Gesellschaften in (drei Ländern ausserhalb der Schweiz) muss sie hingegen keine Auskunft erteilen, da die Beschwerdeführerin 1 steuerpflichtige Person ist und die weiteren Personen in diesem Verhältnis als Drittpersonen zu gelten
haben. Die Unterlagen Drittpersonen betreffend sind damit nach schweizerischem Recht nicht erhältlich und daher auch im vorliegenden Amtshilfeverfahren der ersuchenden finnischen Behörde nicht zu übermitteln (E. 3.4.2).
Die Beschwerdeführerin 2 ist weder Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin 1 noch Gläubigerin oder Schuldnerin noch Versichererin noch Treuhänderin oder Ähnliches (Art. 127 Abs. 1 Bst. ad DBG). Damit bleibt eine Bescheinigungspflicht in Bezug auf die die Beschwerdeführerin 1 betreffenden Zahlen nach Art. 127 Abs. 1 Bst. e DBG zu prüfen.
Die Beschwerdeführerin 1 liefert ebenso wie die Gesellschaften in (drei Ländern ausserhalb der Schweiz) ihre Quartalsund Jahresrechnungen an die Beschwerdeführerin 2. Die Beschwerdeführerinnen haben soweit ersichtlich keinen Vertrag miteinander geschlossen. Insbesondere führt die Beschwerdeführerin 2 nicht die Buchhaltung der Beschwerdeführerin 1. Es bestehen in Bezug auf die Lieferung der Geschäftszahlen nur einerseits ein Vertrag zwischen der Beschwerdeführerin 1 und (wohl) der Konzernobergesellschaft (Lieferung der Geschäftszahlen an die Beschwerdeführerin 2) und andererseits ein Vertrag zwischen der Beschwerdeführerin 2 und der Konzernobergesellschaft (Erstellung einer konsolidierten Rechnung auch aufgrund der von der Beschwerdeführerin 1 gelieferten Zahlen). Auch wenn daher die Beschwerdeführerin 1 der Beschwerdeführerin 2 Geschäftszahlen zu liefern hat, besteht zwischen den beiden Gesellschaften kein Rechtsverhältnis, aus dem sich eine Bescheinigungs- (oder Auskunfts-)Pflicht der Beschwerdeführerin 2 gegenüber der Beschwerdeführerin 1 ergäbe. Gleiches gilt in Bezug auf die weiteren für das vorliegende Amtshilfeverfahren relevanten Gruppengesellschaften (vgl. zu diesen aber schon E. 3.4.3).
Auch gestützt auf Art. 127 ff. DBG (i.V.m. Art. 26 Abs. 3 Bst. b DBA CH-FI i.V.m. Art. 8 Abs. 1 und Art. 10 des Steueramtshilfegesetzes vom 28. September 2012 [StAhiG, SR 651.1]) kann die Vorinstanz die verlangten Unterlagen nicht von der Beschwerdeführerin 2 herausverlangen.
Bescheinigungsoder Auskunftspflichten nach anderen rechtlichen Vorschriften, die im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere äussert sich Art. 8 Abs. 3 StAhiG nur zur Frage, bei wem die Vorinstanz Informationen einholen kann, nicht aber zur Frage, welche Informationen dies sind.
Die von der FTA verlangten Informationen sind demnach nach schweizerischem Recht und schweizerischer Verwaltungspraxis nicht erhältlich und nach Art. 26 Abs. 3 Bst. b DBA CH-FI nicht zu übermitteln. Daher ist nicht mehr zu prüfen, ob die Informationen voraussichtlich erheblich wären. Die Erhältlichkeit ist eine eigene Voraussetzung, die erfüllt sein muss, damit Amtshilfe zu leisten ist. Eine allfällige Erheblichkeit der Unterlagen würde nicht dazu führen, dass sie als erhältlich zu gelten hätten. Dies gilt unabhängig davon, dass das Bundesgericht die Betroffenheit einer Person weitgehend über die voraussichtliche Erheblichkeit der Informationen definiert (BGE 141 II 436 insb. E. 4.5). Diese Auslegung bezieht sich auf Art. 4 Abs. 3 StAhiG und damit auf die Frage, welche Informationen zu übermitteln sind, nicht aber auf die Frage, welche Informationen bei wem erhoben werden können. Auch auf die weiteren Argumente der Parteien muss nicht eingegangen werden.
Schliesslich ist es dem Amtshilfeverfahren zwar immanent, dass eine Person der Vorinstanz Informationen herausgeben muss, die letztlich nicht an den ersuchenden Staat übermittelt werden. Die ESTV muss prüfen können, ob in Bezug auf gewisse Informationen die Voraussetzungen zur Leistung von Amtshilfe erfüllt sind, was ihr oft nur möglich ist, wenn sie die Unterlagen sichten kann. Vorliegend war die Beschwerdeführerin 2 aber gar nicht bescheinigungspflichtig, weshalb die Vorinstanz sie auch nicht zur Herausgabe der Unterlagen hätte auffordern dürfen.
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