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Bundesverwaltungsgericht Urteil B-5340/2017

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts B-5340/2017

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung II
Dossiernummer:B-5340/2017
Datum:28.03.2018
Leitsatz/Stichwort:Arbeitnehmerschutz
Schlagwörter : Arbeit; Tarbeit; Unentbehrlichkeit; Arbeitnehmer; Tunnel; Produkt; Bundes; Bewilligung; Produktion; Recht; Vorinstanz; Verfügung; Sinne; Arbeitsgesetz; Urteil; Verordnung; Gesundheit; Eingabe; Bundesverwaltungsgericht; Verfahren
Rechtsnorm: Art. 110 BV ;Art. 17 ArG ;Art. 27 ArG ;Art. 28 ArG ;Art. 29 ArG ;Art. 41 ArG ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 935 OR ;
Referenz BGE:131 V 431; 136 II 427
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung II B-5340/2017

U r t e i l  v o m  2 8.  M ä r z  2 0 1 8

Besetzung Richter Daniel Willisegger (Vorsitz), Richter Pascal Richard,

Richter Stephan Breitenmoser; Gerichtsschreiber Pascal Waldvogel.

Parteien A. ,

Beschwerdeführerin,

gegen

B. GmbH,

Beschwerdegegnerin,

Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Arbeitsbedingungen/Arbeitnehmerschutz, Holzikofenweg 36, 3003 Bern, Vorinstanz.

Gegenstand Bewilligung für Nachtarbeit.

Sachverhalt:

A.

Mit Eingabe vom 6. Juli 2017 ersuchte die Beschwerdegegnerin bei der Vorinstanz um Bewilligung von Nachtarbeit für den Zeitraum vom 1. August 2017 bis 31. Juni 2019 für die Arbeiten am Projekt C. . Dabei

wird zwischen den Bahnhöfen D.

und E.

(Frankreich)

eine neue Eisenbahnstrecke, welche mehrheitlich unterirdisch verläuft, gebaut. Die Beschwerdegegnerin ist für das Los 2 - die Ausführung der Masse-Feder-Systeme und der festen Fahrbahn - zuständig.

B.

Mit Verfügung vom 23. August 2017 (im SHAB veröffentlicht am 24. August 2017) bewilligte die Vorinstanz der Beschwerdegegnerin Nachtarbeit vom 1. August 2017 bis 1. Mai 2018. Sie begründete dies mit der technisch unentbehrlichen Betriebsweise.

C.

Mit Eingabe vom 19. September 2017 erhob die Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung.

D.

Mit Eingabe vom 19. Oktober 2017 reichte die Beschwerdegegnerin eine Beschwerdeantwort ein und beantragte in der Sache die Abweisung der Beschwerde und die Bestätigung der Verfügung betreffend Nachtarbeit. In prozessualer Hinsicht beantragte sie den Entzug der aufschiebenden Wirkung, den superprovisorischen Entzug der aufschiebenden Wirkung sowie die Durchführung des Verfahrens in deutscher Sprache.

E.

Mit Zwischenverfügung vom 23. Oktober 2017 ordnete das Bundesverwaltungsgericht an, dass das Verfahren in deutscher Sprache geführt wird.

F.

Mit Zwischenverfügung vom 26. Oktober 2017 verfügte der zuständige Instruktionsrichter den einstweiligen Entzug der aufschiebenden Wirkung bis zum definitiven Massnahmenentscheid.

G.

Mit Zwischenverfügung vom 5. Dezember 2017 wies der zuständige Instruktionsrichter das Gesuch der Beschwerdegegnerin um Entzug der aufschiebenden Wirkung ab.

H.

Mit Eingaben vom 16. Januar 2018 (Beschwerdeführerin), 18. Januar 2018 (Vorinstanz) und 15. Februar 2018 (Beschwerdegegnerin) reichten die Beteiligten weitere Stellungnahmen ein. Die Beschwerdegegnerin stellte dabei zusätzlich den Eventualantrag, die vorinstanzliche Verfügung betreffend Nachtarbeit sei für mindestens fünf Mitarbeiter zu bestätigen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig (Art. 31 f. sowie Art. 33 Bst. d VGG). Die Beschwerdeführerin ist spezialgesetzlich zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 58 des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel [Arbeitsgesetz, ArG, SR 822.11]; zur sog. ideellen Verbandsbeschwerde: vgl. Urteil des BVGer B-2257/2010 vom 15. Oktober 2010 E. 1 sowie Urteile des BGer 2C_44/2013 vom 12. Februar 2014

E. 1.1; 2C_379/2013, 2C_419/2013 vom 10. Februar 2014 E. 1.2;

2C_344/2008, 2C_345/2008 vom 26. März 2009 E. 3.2). Sie hat den eingeforderten Kostenvorschuss fristgerecht bezahlt (Art. 63 Abs. 4 VwVG) und die Beschwerde fristund formgerecht eingereicht (Art. 50 und 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Beschwerdeführerin stellt die Prozessfähigkeit (recte: Parteifähigkeit) der Beschwerdegegnerin in Abrede. Sie führt aus, dass Gesuchstellerin und Adressatin der Bewilligung die „B. GmbH, Zweigniederlassung F. “ sei. Einer Zweigniederlassung komme jedoch von Gesetzes wegen keine Rechtspersönlichkeit zu.

Als Parteien gelten Personen, deren Rechte und Pflichten die Verfügung berühren soll (Art. 6 VwVG). Für Zweigniederlassungen von Firmen mit Hauptsitz im Ausland muss ein Bevollmächtigter mit Wohnsitz in der Schweiz und mit dem Rechte der geschäftlichen Vertretung bestellt werden; sie sind ins Handelsregister einzutragen (Art. 935 Abs. 2 OR). Die Verfügung lautet in der Tat auf den Namen der „B. GmbH, Zweigniederlassung F. “, die im Handelsregister eingetragen ist. Aus den Akten geht jedoch klar und unmissverständlich hervor, dass das Gesuch namens der „B. GmbH“ mit Sitz in G. eingereicht wurde. Dass die Verfügung zugunsten der Zweigniederlassung ausgestellt worden ist, beruht auf einem offensichtlichen Fehler. Die Parteibezeichnung ist von Amtes wegen zu berichtigen. Der Beschwerdegegnerin kommt Parteiund Prozessfähigkeit zu.

3.

Mit der Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG).

4.

    1. Die Beschwerdeführerin beanstandet in der Beschwerde, bereits das an die Vorinstanz gerichtete Gesuch sei mangelhaft gewesen. Die Mangelhaftigkeit bestehe darin, dass die Unterlagen zum Einverständnis der Arbeitnehmer und zu den medizinischen Untersuchungen nicht vorgelegen hätten und der Nachweis der Unentbehrlichkeit nicht erbracht worden sei. Diese Voraussetzungen müssten aber bereits im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung erfüllt sein.

    2. Das Gesuch um eine Arbeitszeitbewilligung ist nach Art. 41 der Verordnung 1 vom 10. Mai 2000 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1, SR 822.111) schriftlich einzureichen und hat unter anderem die folgenden Angaben zu enthalten: die Bestätigung, dass das Einverständnis des Arbeitsnehmers oder der Arbeitnehmerin eingeholt worden ist (Bst. e), das Ergebnis der medizinischen Untersuchung hinsichtlich der Eignung der betroffenen Arbeitnehmer und Arbeiternehmerinnen, soweit von Gesetz oder Verordnung vorgesehen (Bst. f), und den Nachweis des dringenden Bedürfnisses oder der Unentbehrlichkeit (Bst. g).

    3. Die Einverständniserklärungen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie die Ergebnisse der medizinischen Untersuchung hat die Beschwerdegegnerin im Rahmen des Verfahrens um Erlass vorsorglicher Massnahmen eingereicht. Sie wurden der Beschwerdeführerin zugestellt. Aufgrund der Akten lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, ob die Unterlagen im Sinne von Art. 41 Bst. e ArGV 1 (Einverständniserklärungen) und

Art. 41 Bst. f ArGV 1 (Ergebnisse der Untersuchung) im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bereits vorgelegen haben. Die Frage kann offen bleiben. Da es sich nicht um materiell-rechtliche Bewilligungsvoraussetzungen handelt, kann die Beschwerdeführerin sich nicht darauf berufen (Urteile des BVGer B-1967/2007 vom 28. März 2008 E. 3.2 und B-3635/2017 vom 23. Oktober 2017 E. 7.5.2).

5.

    1. Gemäss Art. 16 ArG (Verbot der Nachtarbeit) ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern ausserhalb der betrieblichen Tagesund Abendarbeitszeiten nach Art. 10 ArG untersagt. Die Arbeit von 06:00 Uhr bis 20:00 Uhr gilt als Tagesarbeit, die Arbeit von 20:00 Uhr bis 23:00 Uhr als Abendarbeit (Art. 10 ArG). Vorbehalten bleiben Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit (Art. 17 ArG).

      Nach Art. 17 ArG bedürfen Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit der Bewilligung (Abs. 1). Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit wird bewilligt, sofern sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist (Abs. 2). Vorübergehende Nachtarbeit wird bewilligt, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird (Abs. 3). Nachtarbeit zwischen 05:00 Uhr und 06:00 Uhr sowie zwischen 23:00 Uhr und 24:00 Uhr wird bewilligt, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird (Abs. 4). Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit wird vom SECO, vorübergehende Nachtarbeit von der kantonalen Behörde bewilligt (Abs. 5). Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer ohne dessen Einverständnis nicht zu Nachtarbeit heranziehen (Abs. 6).

      Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit wird bewilligt, wenn sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist (Art. 17 Abs. 2 ArG). Die Unentbehrlichkeit von Nachtund Sonntagsarbeit wird konkretisiert durch Art. 28 ArGV 1. Nach Art. 28 Abs. 1 ArGV 1 liegt technische Unentbehrlichkeit insbesondere vor, wenn ein Arbeitsverfahren oder Arbeiten nicht unterbrochen werden können, weil mit der Unterbrechung oder dem Aufschub erhebliche und unzumutbare Nachteile für die Produktion und das Arbeitsergebnis oder die Betriebseinrichtungen verbunden sind (Bst. a), andernfalls die Gesundheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oder die Umgebung des Betriebes gefährdet werden (Bst. b).

    2. Das Gesetz und die Verordnung verwenden mit dem Ausdruck „technische Unentbehrlichkeit“ einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dieser muss im konkreten Anwendungsfall sachbezogen ausgelegt werden. Erlasse sind in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. Ergibt die grammatikalische Auslegung, dass der Wortlaut nicht klar ist oder verschiedene Interpretationen zulässt, so ist der wahre Sinn der Bestimmung zu ermitteln unter Berücksichtigung aller Elemente der Auslegung, namentlich mit Hilfe der systematischen, historischen und teleologischen Auslegungsmethode (vgl. BGE 131 V 431 E. 6.1 m.w.H.). Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Kontext, dass die Auslegung sich am gesetzgeberischen Grundgedanken zu orientieren hat, dass Nachtarbeit möglichst eingeschränkt werden soll, und dass Ausnahmen davon grundsätzlich eng auszulegen sind (DANIEL SOLTERMANN, Die Nacht aus arbeitsrechtlicher Sicht, Schriften zum Schweizerischen Arbeitsrecht, Heft 59, 2004, S. 179).

    3. Nach Rechtsprechung und Lehre sind die Anwendung und Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen ohne Einschränkung der richterlichen Kognition zu überprüfen. Wenn die verfügende Behörde den örtlichen, technischen oder persönlichen Verhältnissen jedoch näher steht, so hat der Richter indes Zurückhaltung zu üben, der Behörde einen gewissen Beurteilungsspielraum zuzugestehen und so lange nicht einzugreifen, als die Auslegung der Verwaltungsbehörde vertretbar erscheint (vgl. BGE 119 Ib

254 E. 2b; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 1577).

6.

    1. Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Beschwerdeschrift aus, nach den Angaben der Bauherrschaft liege die Unentbehrlichkeit der Nachtarbeit darin, dass aufgrund der entstandenen Verzögerungen die Platten schneller fertig gelegt werden sollten, da gewisse andere Arbeiten erst danach ausgeführt werden könnten. Dies begründe keine technische Unentbehrlichkeit. Unterstrichen werde die fehlende Unentbehrlichkeit noch dadurch, dass zunächst gar keine Nachtarbeit geplant gewesen sei. Die Idee sei erst nach der Verzögerung der Bauarbeiten durch Baubeschwerden aufgekommen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Nachtarbeit seien nicht erfüllt.

    2. Die Beschwerdegegnerin entgegnet in der Beschwerdeantwort, im Rahmen des Projekts habe es mehrere Einsprachen gegeben, weshalb sich die Bewilligung des zuständigen Bundesamtes verzögert habe. Sie

      habe ihre Arbeiten daher erst im Juli 2017 (anstatt im Februar 2017) aufnehmen können. Aufgrund dessen, dass sie Langschienen (108 Meter lang) in den Tunnel bringen müsse, sei sie zwingend auf eine Zufahrt per Schiene angewiesen. Aufgrund des Beginns des Umbaus des Bahnhofs E. sei die Zufahrt per Schiene von der französischen Seite her ab Mitte März 2018 nicht mehr möglich und auf der Schweizer Seite gebe es noch keine Schienen. Ab Mitte März 2018 müssten die Schwellen und Schienen im Tunnel sein. Materialtransporte seien dann nur noch eingeschränkt per Lastwagen von der Schweizer Seite her möglich. Doch selbst dieser Zugang sei zeitlich begrenzt, da am 3. Mai 2018 der strassengebundene Zugang zum Tunnel unterbrochen werde, da dann der Bahnhof neu gebaut werde. Entsprechend müsse sie bis zum 3. Mai 2018 beide Spuren des Tunnels mit Masse-Feder-Systemen ausstatten. Dann müsse sämtliches Material im Tunnel sein. Der ursprüngliche Bauablauf hätte ohne Weiteres erlaubt, die erwähnten Zeitfenster in reiner Tagesarbeit einzuhalten. Aufgrund der engen Verhältnisse im Tunnel sei dies nun nur noch mit Nachtarbeit möglich. Die Nachtarbeit sei deshalb zwingend notwendig, damit ihr keine unzumutbaren Nachteile für die Fertigstellung des Bauwerks entstehen würden. Zudem könnte bei einem Unterbruch der Arbeit die Gesundheit der Arbeitnehmer gefährdet werden. Durch Nachtarbeit könne die Dichte des Baustellenverkehrs massiv verringert werden, was gleichzeitig zu einem verringerten Unfallrisiko führe. Zudem werde die Unentbehrlichkeit beim Tunnelund Stollenbau vermutet und auch ihre Arbeiten würden im Tunnel ausgeführt werden. Insgesamt sei deshalb davon auszugehen, dass die genehmigte Nachtarbeit technisch unentbehrlich sei.

    3. Die Beschwerdeführerin führt in den Stellungnahmen vom 23. November 2017 und 16. Januar 2018 aus, die Beschwerdegegnerin verkenne, dass nach Sinn und Zweck der Norm nur „technische“ Unentbehrlichkeitsgründe erfasst sein könnten. Der resultierende Nachteil für die Produktion müsse dabei die kausale technische Folge eines Arbeitsoder Prozessunterbruchs sein. Jeder Arbeitsschritt der Beschwerdegegnerin sei jedoch problemlos unterbrechbar, ohne dass dadurch ein unmittelbarer Produktionsnachteil entstehe. Sie gebe selbst zu, dass beim ursprünglichen Bauablauf die erwähnten Zeitfenster mit reiner Tagesarbeit hätten eingehalten werden können. Mit der Nachtarbeit wolle sie lediglich den ursprünglichen Bauablauf einhalten, einfach in gedrängter Form. Dabei handle es sich aber nicht um eine technische Unentbehrlichkeit. Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass durch die Bewilligung weniger Baustellenverkehr herrsche und dadurch das Unfallrisiko vermindert werde, verdiene keinen

      Rechtsschutz. Die vorgebrachte Baustellendichte sei keine technisch kausale Folge der Unterbrechung des Arbeitsprozesses.

    4. Die Beschwerdegegnerin führt in der Stellungnahme vom 15. Februar 2018 aus, die vorliegend geltend gemachten Umstände seien zwar nicht unabänderlich, sie würden jedoch ausserhalb ihres Einflussbereichs liegen, da der gesamte Bauablauf seitens der Bauherrschaft vorgeschrieben werde. Der Verzicht auf Nachtarbeit führe zu unproduktiven Wartezeiten sowie riesigen Zusatzkosten, was zu einem unzumutbaren Nachteil für die Produktion führe. Die immensen Kostensteigerungen würden im Übrigen auch zu einer Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ihren Konkurrenten führen, weshalb auch eine wirtschaftliche Unentbehrlichkeit vorliege. Berücksichtigt werden müsse schliesslich auch, dass die Bewilligung nur befristet auf zehn Monate ausgestellt worden sei.

    5. Die Vorinstanz beantragt in der Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde und führt aus, die Baustelle sei aus technischen Gründen auf eine Zufahrt per Schiene angewiesen. Die Nachteile, die mit der befristeten Nachtarbeit verbundenen seien, würden eine Ausnahme vom Nachtarbeitsverbot rechtfertigen. In der Eingabe vom 18. Januar 2018 wird vorgebracht, die Liste der Gründe für technische Unentbehrlichkeit sei nicht abschliessend. Für die Unentbehrlichkeit brauche es nicht zwingend einen unzumutbaren Unterbruch, da es nach dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 1 ArGV 1 genüge, dass ein Aufschub von Arbeiten erhebliche und unzumutbare Nachteile für die Produktion und das Arbeitsergebnis oder die Betriebseinrichtung mit sich bringe. Nach der Botschaft des Bundesrates könnten auch ungünstige Transportverhältnisse einen Ausnahmegrund darstellen. Es sei eine Interessenabwägung vorzunehmen und zu berücksichtigen, dass die Nachtarbeit nur für zehn Monate bewilligt worden sei. Für Nachtarbeit bis zu sechs Monaten, die um sechs Monate verlängert werden könne, brauche es gemäss Art. 27 ArGV 1 lediglich ein dringendes Bedürfnis.

7.

    1. Gemäss Art. 28 Abs. 1 ArGV 1 liegt eine technische Unentbehrlichkeit insbesondere vor, wenn ein Arbeitsverfahren oder Arbeiten nicht unterbrochen werden können, weil:

      „a. mit der Unterbrechung oder dem Aufschub erhebliche und unzumutbare Nachteile für die Produktion und das Arbeitsergebnis oder die Betriebseinrichtungen verbunden sind;

      b. andernfalls die Gesundheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oder die Umgebung des Betriebes gefährdet werden.“

      Die Verordnungsbestimmung zählt zwei Varianten der Unentbehrlichkeit auf. Wie sich aus dem Wortlaut („insbesondere“) ergibt, ist die Aufzählung nicht abschliessend. Abschliessend ist aber die Liste im Anhang der Verordnung, die Vermutungstatbestände aufstellt. Dort wird für die „nachstehend genannten Arbeitsverfahren im bezeichneten Umfang“ der Nachweis der Unentbehrlichkeit von dauernder oder regelmässig wiederkehrender Nachtund Sonntagsarbeit vermutet (Anhang zu Art. 28 Abs. 4 ArGV 1). Zwar wird unter Ziffer 14 „Tunnelund Stollenbau“ aufgeführt, doch gilt die Vermutung nach dem Wortlaut nur „für Vortriebsund Sicherungsarbeiten“. Da die vorliegenden Arbeiten nicht unter den bezeichneten Umfang des Tatbestandes fallen, wird der Nachweis der Unentbehrlichkeit nicht vermutet. Aus dem Umstand, dass die Arbeiten der Beschwerdegegnerin im Tunnel ausgeführt werden, kann sie deshalb nichts zu ihren Gunsten ableiten.

      Die Bestimmung ist eine Konkretisierung des gesetzlichen Ausnahmetatbestandes (Art. 17 ArG), wonach Ausnahmen vom Verbot der Nachtarbeit der Bewilligung bedürfen (Abs. 1) und dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit bewilligt wird, sofern sie auch aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist (Abs. 2). Das Bundesgericht hat sich verschiedentlich mit der Tragweite des Nachtarbeitsverbots befasst und sich - ausgehend von der ratio legis - für die Anwendung eines strengen Massstabs bei der Gewährung von Ausnahmen ausgesprochen. Das Arbeitsgesetz dient dem Arbeitnehmerschutz (vgl. Art. 110 Abs. 1 BV), insbesondere in gesundheitlicher und sozialer Hinsicht. Die Bestimmungen über die Nachtarbeit sollen den mit ihr verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen Rechnung tragen (vgl. Urteil des BGer 2C_344/2008 vom

      26. März 2009 E. 4.4 m.H.). Es sei ihnen gerade auch dann Nachachtung zu verschaffen, wenn die Marktgesetze für die Einführung von Nachtarbeit sprächen. Blosse Zweckmässigkeitsüberlegungen genügten nicht, um das Nachtarbeitsverbot aufzuweichen. Die Nachtarbeit müsse nach dem Gesetzestext „unentbehrlich“ sein. Abweichungen vom Nachtarbeitsverbot hätten im Interesse eines wirksamen Arbeitnehmerschutzes daher die Ausnahme zu bilden (vgl. statt vieler BGE 136 II 427 E. 3.2).

    2. Die Unentbehrlichkeit im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Bst. a ArGV 1 setzt voraus, dass ein Unterbruch oder ein Aufschub zu erheblichen und unzumutbaren Nachteilen für die Produktion und das Arbeitsergebnis oder die Produktionsanlagen führen. Die Beschwerdegegnerin bringt diesbezüglich vor, die Nachtarbeit sei zwingend notwendig, damit im ersten Bauabschnitt des Tunnels bis Mitte Januar 2018 auf beiden Spuren das Masse-FederSystem gelegt werden könne. Dies sei wiederum Voraussetzung dafür, dass bis Mitte März 2018 das Material, welches zwingend auf der Schiene in den Tunnel transportiert werden müsse, in den Tunnel transportiert und dort gelagert werden könne. Da ab dem 3. Mai 2018 keine Materialtransporte mehr möglich seien, würden ihr unzumutbare Nachteile für die Fertigstellung des Bauwerks entstehen, sollte die Nachtarbeit nicht bewilligt werden.

      Die Beschwerdegegnerin legt damit keine technische Unentbehrlichkeit im Sinne der genannten Bestimmung dar. Darauf deutet auch die Wegleitung zur Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz hin (Stand Dezember 2017; abrufbar unter https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Arbeit/Arbeitsbedingun - gen/Arbeitsgesetz-und-Verordnungen/Wegleitungen.html). Dort heisst es zu Art. 29 Abs. 1 Bst. a ArGV 1, technische Unentbehrlichkeit bestehe bei einem kontinuierlichen Produktionsverfahren, welches während mehrerer Wochen, Monate oder gar Jahre nicht unterbrochen werden könne, ohne dass dadurch Anlagen selbst endgültig beschädigt oder gänzlich zerstört werden könnten. Ähnliche Verhältnisse könnten bei der Herstellung eines Produktes in einzelnen Chargen vorliegen, bei denen der Produktionsprozess eine bestimmte begrenzte Zeit in Anspruch nehme. Wesentlich sei, dass der Prozess nicht unterbrochen werden könne, bevor er beendet sei, weil zum Beispiel das Produkt oder das Rohmaterial verderbe oder Anlagen schwer beschädigt werden könnten. Vorliegend ist dies nicht der Fall. Die Arbeit der Beschwerdegegnerin beim Verlegen der Feder-Masse-Systeme im Tunnel kann jederzeit unterbrochen werden, ohne dass dadurch die Anlagen oder das Produkt Schaden nimmt. Dies bestätigt die Beschwerdeantwort, in der sie selbst ausführt, der ursprüngliche Bauablauf hätte es ohne Weiteres erlaubt, die erwähnten Zeitfenster mit reiner Tagesarbeit einzuhalten. Der Beschwerdegegnerin geht es offenbar einzig darum, den neuen Bauablauf, der durch die Verzögerungen entstanden ist, einzuhalten. Eine technische Unentbehrlichkeit im Sinne des Arbeitsgesetzes lässt sich damit nicht begründen. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Sie sind auch nicht für nur fünf Mitarbeiter gegeben, wie die Beschwerdegegnerin mit Eventualantrag vorbringt.

      Die Beschwerdegegnerin bringt erstmals vor, dass die Bewilligung für die Kontrolle der Entwässerung des Rohbautunnels erforderlich sei. Dass der Rohbautunnel entwässert werden muss, mag zutreffen. Inwiefern dies zu einer Unentbehrlichkeit im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen führt, legt die Beschwerdegegnerin indes nicht substantiiert dar. Solches lässt sich auch nicht annehmen, ging sie doch von Anfang an in der Planung davon aus, dass die Tunnelarbeit ohne Nachtarbeit möglich ist, was eine Unentbehrlichkeit ausschliesst. Eine technische Unentbehrlichkeit im Sinne des Arbeitsgesetzes lässt sich damit nicht begründet.

    3. Die Unentbehrlichkeit im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Bst. a ArGV 1 setzt eine Gefährdung der Gesundheit der Arbeitnehmer oder der Umgebung des Betriebes durch die Unterbrechung der Arbeit voraus. Die Beschwerdegegnerin beruft sich auch auf diese Bestimmung. Sie bringt dazu vor, die Nachtarbeit führe dazu, dass sich die Dichte des Baustellenverkehrs reduziere. Weniger Fahrzeuge und Arbeiter im Tunnel bedeuteten ein verringertes Unfallrisiko.

      Die Begründung nimmt zwar Bezug auf die Gefahrenlage, ist aber nicht geeignet, eine technische Unentbehrlichkeit nachzuweisen. In der genannten Wegleitung steht hierzu, eine technische Unentbehrlichkeit liege vor, wenn durch den Unterbruch des Produktionsprozesses unsichere gefährliche Zustände entstehen, welche beim Eintreten eines daraus resultierenden Ereignisses die Gesundheit der Arbeitnehmer gefährden würde. Die Gefahr muss gerade durch den Unterbruch entstehen und kann dann eine technische Unentbehrlichkeit begründen. Das trifft vorliegend nicht zu. Die Arbeitnehmer der Beschwerdegegnerin können ihre Arbeit im Tunnel jederzeit unterbrechen, ohne dass eine Gefahr für ihre Gesundheit besteht. Der dichte Baustellenverkehr und eine allfällig damit verbundene Gefahr für die Gesundheit ergeben sich aus der zeitlichen Planung des Bauvorhabens, sind aber nicht technisch bedingt. Eine technische Unentbehrlichkeit aufgrund der Gefährdung infolge einer Arbeitsunterbrechung ist nicht begründet.

    4. Die Unentbehrlichkeit wird durch Art. 28 Abs. 1 ArGV 1 nicht abschliessend geregelt. Wer eine technische Unentbehrlichkeit geltend macht, hat sie nachzuweisen (Art. 8 ZGB analog). Der Nachweis ist nicht erbracht. Die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Gründe fallen nicht unter den Tatbestand von Art. 17 Abs. 2 ArG, der eine Ausnahme vom Nachtarbeitsverbot erlaubt. Die Arbeiten können von ihr ohne Weiteres unterbrochen

      oder aufgeschoben werden, ohne dass ihr daraus ein direkter Nachteil entsteht. Dass sie mit reiner Tagesarbeit die entsprechenden Zeitfenster, die von der Projektplanung vorgegeben sind, nicht einhalten kann, ist von ihr zumindest teilweise selbst verursacht. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, muss bei Projekten von dieser Grössenordnung immer mit gewissen Verzögerungen gerechnet werden. Die Ungewissheit der Planung rechtfertigt keine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Nachtarbeit. Wie ausgeführt (E. 7.1) hat dieses zum Zweck, die Arbeitnehmer in gesundheitlicher und sozialer Hinsicht zu schützen (BGE 136 II 427 E. 3.2). Dem kann nicht dadurch Rechnung getragen werden, dass die Nachtarbeit dazu verwendet wird, einen Rückstand auf die vorgegebene Planung des Bauprojekts aufzuholen. Zweckmässigkeit allein begründet keine Ausnahme. Deshalb sind auch unproduktive Wartezeiten und Zusatzkosten kein Grund für eine technische Unentbehrlichkeit. Das von der Vorinstanz angeführte Zitat aus der bundesrätlichen Botschaft (BBl 1960 II 984) betrifft eine Sonderbestimmung für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern auf Bauplätzen und Steinbrüchen (heute: Art. 27 Bst. l ArG) und ist vorliegend nicht einschlägig. Ebenfalls unbeachtlich ist das Vorbringen, wonach aufgrund der Befristung der Nachtarbeit auf zehn Monate berücksichtigt werden müsse, dass bei Nachtarbeit von weniger als sechs Monaten, die um weitere sechs Monate verlängert werden könne, ein dringendes Bedürfnis ausreiche. Wenn - wie vorliegend - die Nachtarbeit für zehn Monate bewilligt wird, so müssen die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sein. Der Ausnahmetatbestand der technischen Unentbehrlichkeit im Sinne von Art. 17 Abs. 2 ArG ist nicht erfüllt.

    5. Die Beschwerdegegnerin macht in der Eingabe vom 15. Februar 2018 erstmals wirtschaftliche Unentbehrlichkeit der Nachtarbeit gemäss Art. 28 Abs. 2 Bst. a ArGV 1 geltend. Sie substantiiert jedoch nicht, inwiefern durch die Verweigerung von Nachtarbeit ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ihren Konkurrentinnen merklich geschwächt würde. Dies ist auch nicht ersichtlich, zumal sich die Konkurrenz ebenfalls an das Nachtarbeitsverbot halten muss. Aus den Ausführungen geht zudem nicht hervor, dass die nicht weiter substantiierten hohen Kosten, die angeblich anfallen, durch die Unterbrechung des Produktionsverfahrens und dessen Wiederingangsetzung verursacht würden. Auch insoweit fehlt es am erforderlichen Kausalzusammenhang. Wirtschaftliche Unentbehrlichkeit im Sinne von Art. 17 Abs. 2 ArG liegt nicht vor.

8.

Zusammenfassend liegen weder eine technische noch eine wirtschaftliche Unentbehrlichkeit vor, womit die von der Vorinstanz verfügte Bewilligung von Nachtarbeit zugunsten der Beschwerdegegnerin Bundesrecht verletzt. Die Beschwerde ist gutzuheissen und die angefochtene Verfügung vom

23. August 2017 ersatzlos aufzuheben.

9.

Entsprechend dem Verfahrensausgang hat die Beschwerdegegnerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 63 Abs. 1 VwVG sowie Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Die Spruchgebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien (Art. 63 Abs. 4bis VwVG und Art. 2 Abs. 1 VGKE). Sie ist auf Fr. 2'000.- festzusetzen. Der von der Beschwerdeführerin in dieser Höhe geleistete Kostenvorschuss ist ihr zurückzuerstatten. Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 9 Abs. 2 VGKE).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen und die angefochtene Verfügung vom

23. August 2017 aufgehoben.

2.

Die Verfahrenskosten von Fr. 2'000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt und sind innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen. Der Einzahlungsschein wird zu einem späteren Zeitpunkt mit separater Post zugestellt werden.

3.

Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 2'000.- wird der Beschwerdeführerin nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils erstattet.

4.

Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

5.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde; Beilage: Rückerstattungsformular);

  • die Beschwerdegegnerin (Gerichtsurkunde);

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. [ ]; Gerichtsurkunde).

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Daniel Willisegger Pascal Waldvogel

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

Versand: 29. März 2018

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