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Bundesverwaltungsgericht Urteil A-5863/2017

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts A-5863/2017

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung I
Dossiernummer:A-5863/2017
Datum:07.11.2018
Leitsatz/Stichwort:Mehrwertsteuer
Schlagwörter : Vergütung; Vergütungszins; Verzugszins; MWSTG; Steuer; Vergütungszinsen; Einfuhr; Unrecht; Rückerstattung; Einfuhrsteuer; Vorinstanz; Verzugszinsen; Vorsteuer; Abgabe; Urteil; Verfahren; Betrag; Sachverhalt; Entscheid; Bundesverwaltungsgericht; Anspruch; Einfuhrsteuern; Verfahrens; Mehrwertsteuer; Person; Abgabedifferenz; Inland; Absatz; Bundesgericht; Begehren
Rechtsnorm: Art. 28 MWSTG ;Art. 29 MWSTG ;Art. 49 VwVG ;Art. 49 ZG ;Art. 50 VwVG ;Art. 57 MWSTG ;Art. 59 MWSTG ;Art. 61 MWSTG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 72 ZG ;Art. 88 MWSTG ;
Referenz BGE:108 Ib 12; 136 II 165; 136 II 457; 142 II 488; 143 II 37
Kommentar:
Schweizer, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Art. 61 MWSTG SR, 2015

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Entscheid bestätigt durch BGer mit Urteil vom 30.09.2019 (2C_1127/2018)

Abteilung I

A-5863/2017

U r t e i l  v o m  7.  N o v e m b e r  2 0 1 8

Besetzung Richter Jürg Steiger (Vorsitz),

Richter Michael Beusch, Richterin Sonja Bossart, Gerichtsschreiber Roger Gisclon.

Parteien Gesellschaft A. ,

vertreten durch

Laurent Lattmann, Treuhänder, und

lic. iur. Stephanie Eichenberger, Rechtsanwältin, Beschwerdeführerin,

gegen

Oberzolldirektion (OZD), Hauptabteilung Verfahren und Betrieb, Vorinstanz.

Gegenstand Einfuhrsteuer (Vergütungszinsen).

Sachverhalt:

A.

Die (ausländische) Gesellschaft A. (fortan: Steuerpflichtige) ist bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (fortan: ESTV) als Mehrwertsteuerpflichtige registriert. Sie ist die Einkaufsgesellschaft des internationalen B. -Konzerns. Als solche kauft sie Waren weltweit bei Lieferanten ein und verkauft diese an die lokalen B. -Ländergesellschaften, welche alsdann das Sortiment in ihren Verkaufsläden den Endkonsumenten anbieten.

B.

Im Rahmen einer Kontrolle der ESTV im Mai 2014 wurde festgestellt, dass in den Einfuhrdeklarationen der Steuerpflichtigen die Einstandspreise angegeben worden waren. Diesen Umstand teilte die ESTV der Eidgenössischen Zollverwaltung (fortan: EZV) mit, worauf die Zollkreisdirektion Basel unter anderem gegen die Steuerpflichtige eine Untersuchung einleitete.

C.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2014 gab die Zollkreisdirektion Basel der Steuerpflichtigen bekannt, dass die eingeführten Waren anhand des Marktwertes und nicht aufgrund der Einstandspreise hätten deklariert werden müssen und dass sie beabsichtige, Einfuhrsteuern im Betrag von CHF 100'285'399.40 zuzüglich Verzugszins von CHF 924'854.25 nachzuerheben.

D.

Hierzu äusserte sich die Steuerpflichtige mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 und beglich mit Valuta vom 21. Oktober 2014 die in Aussicht gestellte Abgabedifferenz sowie den diesbezüglichen Verzugszins. Gleichzeitig machte die Steuerpflichtige im Rahmen ihrer MWST-Deklaration für das dritte Quartal 2014 die bezahlte Einfuhrsteuer als Vorsteuer geltend. Die Vergütung des entsprechenden Vorsteuersteuerüberschusses der dritten Quartalsabrechnung 2014 erfolgte mit Valuta vom 21. Dezember 2014.

E.

Mit Verfügung vom 23. Oktober 2014 hielt die Zollkreisdirektion Basel fest, dass für von der Steuerpflichtigen getätigte Wareneinfuhren, welche im Zeitraum vom Januar 2009 bis Juni 2014 erfolgt waren, Mehrwertsteuern im Betrag von CHF 100'285'399.40 zu Unrecht nicht erhoben worden seien. Der Verzugszins belaufe sich auf CHF 924'854.25. Hiergegen erhob die Steuerpflichtige Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und

danach an das Bundesgericht. Letzteres hiess die Beschwerde der Steuerpflichtigen gut, hob das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-2675/2016 vom 25. Oktober 2016 auf und wies die Sache bezüglich der Erstattung des Verzugszinses zurück an die EZV (vgl. Urteil des BGer 2C_1079/2016 vom 7. März 2017), welche den zu Unrecht erhobenen Verzugszins mit Valuta vom 7. Juni 2017 zurückerstattete.

F.

Mit Begehren an die EZV vom 20. Juli 2017 machte die Steuerpflichtige für den Zeitraum vom 22. Oktober 2014 bis 21. Dezember 2014 zum Zinssatz von 4% Vergütungszinsen auf den seitens der EZV zu Unrecht nacherhobenen Einfuhrsteuern geltend, i.e. im Betrag von CHF 668‘569.35. Weiter machte die Steuerpflichtige für den Zeitraum vom 22. Oktober 2014 bis

7. Juni 2017 zum Zinssatz von 4% Vergütungszinsen auf den seitens der EZV zu Unrecht eingeforderten Verzugszinsen geltend, i.e. im Betrag von CHF 97‘315.30. Die Steuerpflichtige forderte demnach von der EZV Vergütungszinsen in Höhe von gesamthaft CHF 765‘884.65 ein.

G.

Mit Entscheid vom 14. September 2017 wies die EZV das Begehren der Steuerpflichtigen vom 20. Juli 2017 ab.

H.

Hiergeben erhebt die Steuerpflichtige (fortan: Beschwerdeführerin) mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und beantragt:

„1. Auf der Abgabedifferenz von CHF 100‘285‘399.40 sei ein Vergütungszins von CHF 10‘541‘109.85 geschuldet.

  1. Auf dem Verzugszins von CHF 924‘854.25 sei ein Vergütungszins von CHF 97‘212.45 geschuldet.

  2. Eventualiter sei auf der Abgabedifferenz ein Vergütungszins von CHF 835‘711.65 und auf dem Verzugszins ein Vergütungszins von CHF 97‘212.45 geschuldet.

  3. Verfahrenskosten zu Lasten der Beschwerdegegnerin.“

I.

Mit Vernehmlassung vom 23. November 2017 stellt die EZV den Antrag,

die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werde; unter Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin.

J.

Mit Replik vom 22. Dezember 2017 nimmt die Beschwerdeführerin zur Vernehmlassung der Vorinstanz Stellung und verdeutlicht einzelne Aspekte.

K.

Auf die Vorbringen der Verfahrensbeteiligten und die eingereichten Akten wird - sofern erforderlich - in den folgenden Erwägungen näher eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG (Art. 31 VGG). Soweit das VGG nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren nach den Vorschriften des VwVG (Art. 37 VGG).

    2. Die Beschwerdeführerin ficht einen Entscheid der OZD betreffend die Nicht-Gewährung von Vergütungszinsen auf zu Unrecht nachgeforderten Einfuhrsteuern und Verzugszinsen an. Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Beurteilung dieser Beschwerde sachlich und funktionell zuständig (Art. 32 VGG e contrario sowie Art. 31 in Verbindung mit Art. 33 Bst. d VGG).

    3. Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerdeführung berechtigt (Art. 48 VwVG), hat die Beschwerde fristund formgerecht eingereicht (Art. 50 und 52 VwVG) und den Kostenvorschuss rechtzeitig bezahlt (Art. 63 Abs. 4 VwVG).

1.4

      1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann nur sein, was Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war oder nach richtiger Gesetzesauslegung hätte sein sollen. Gegenstände, über welche die Vorinstanz nicht entschieden hat und über die sie nicht zu entscheiden hatte, sind aus Gründen der funktionellen Zuständigkeit durch die zweite Instanz nicht zu beurteilen (Urteile des BGer 2C_642/2007 vom 3. März 2008 E. 2.2, 2A.121/2004 vom 16. März 2005 E. 2.1). Der Streitgegenstand wird zudem

        durch die Parteianträge definiert und braucht mit dem Anfechtungsobjekt nicht übereinzustimmen. Anfechtungsobjekt ist die Verfügung, welche Rahmen und Begrenzung des Streitgegenstandes bildet. Dieser darf sich im Laufe des Beschwerdeverfahrens nur verengen, kann aber nicht erweitert oder qualitativ verändert werden (BGE 136 II 165 E. 5; Urteil des BGer 2A.121/2004 vom 16. März 2005 E. 2.1). Was Streitgegenstand ist, bestimmt sich nach dem angefochtenen Entscheid und den Parteibegehren (BGE 136 II 457 E. 4.2, 133 II 35 E. 2).

        Auf einen Antrag, der über das hinausgeht, was von der Vorinstanz entschieden wurde, oder der mit dem Gegenstand des angefochtenen Entscheids nichts zu tun hat, ist demnach nicht einzutreten (vgl. ANDRÉ MOSER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, Rz. 2.208).

      2. Mit Begehren an die OZD vom 20. Juli 2017 machte die Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 22. Oktober 2014 bis 21. Dezember 2014 zum Zinssatz von 4% Vergütungszinsen auf den seitens der EZV zu Unrecht nacherhobenen Einfuhrsteuern geltend, i.e. im Betrag von CHF 668‘569.35. Weiter machte die Steuerpflichtige für den Zeitraum vom

22. Oktober 2014 bis 7. Juni 2017 zum Zinssatz von 4% Vergütungszinsen auf den seitens der EZV zu Unrecht eingeforderten Verzugszinsen geltend,

i.e. im Betrag von CHF 97‘315.30. Mit Entscheid vom 14. September 2017 wies die OZD das genannte Begehren ab (vgl. Sachverhalt Bst. F und G).

Im Rahmen ihrer Beschwerde vom 16. Oktober 2017 beantragt die Beschwerdeführerin neu, es sei ihr auf der Abgabedifferenz ein Vergütungszins von CHF 10‘541‘109.85 und eventualiter ein Vergütungszins von CHF 835‘711.65 auszurichten (Sachverhalt Bst. H). Damit geht sie weit über die Rechtsbegehren, die die Vorinstanz beurteilt hat, hinaus. Insoweit die Anträge der Beschwerdeführerin über die bei der Vorinstanz gestellten hinausgehen, ist demnach auf die Beschwerde nicht einzutreten (E. 1.4.1). Im Übrigen, i.e. soweit Vergütungszinsen in Höhe von CHF 668‘569.35 (auf der zu Unrecht eingeforderten Abgabedifferenz) und CHF 97‘315.30 (auf den zu Unrecht eingeforderten Verzugszinsen) geltend gemacht werden, ist auf die Beschwerde einzutreten.

1.5 Das Bundesverwaltungsgericht überprüft den angefochtenen Entscheid grundsätzlich in vollem Umfang. Die Beschwerdeführerin kann mit der Beschwerde neben der Verletzung von Bundesrecht (Art. 49 Bst. a VwVG) auch die unrichtige oder unvollständige Feststellung des

rechtserheblichen Sachverhaltes (Art. 49 Bst. b VwVG) sowie Unangemessenheit rügen (Art. 49 Bst. c VwVG; vgl. MOSER/BEUSCH/ KNEUBÜHLER, a.a.O., N. 2.149).

2.

2.1 Gemäss Art. 130 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) erhebt der Bund eine Mehrwertsteuer. Nach der Belastungskonzeption der Mehrwertsteuer zielt diese auf den «nicht unternehmerischen Endverbrauch im Inland» ab (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 MWSTG sowie Urteil des BGer 2C_1076/2015 vom 9. Dezember 2016 E. 2.1).

Die Erhebungskonzeption der Mehrwertsteuer kommt im System der Netto-Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug zum Ausdruck (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 MWSTG). Aus Praktikabilitätsgründen erfolgt der Bezug der Mehrwertsteuer auf Stufe der leistungserbringenden Personen, obschon nicht diese, sondern die leistungsbeziehenden Personen die Destinatäre der Mehrwertsteuer sind (BGE 142 II 488 E. 2.2.2, mit Hinweisen; Urteil des BGer 2C_1076/2015 vom 9. Dezember 2016 E. 2.1).

Die Steuer wird auf den im Inland von steuerpflichtigen Personen gegen Entgelt erbrachten Leistungen (Inlandsteuer), auf dem Bezug von Leistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland durch Empfänger und Empfängerinnen im Inland (Bezugsteuer) und auf Einfuhren von Gegenständen (Einfuhrsteuer) erhoben (Art. 1 Abs. 2 MWSTG). Die Erhebung erfolgt nach den Grundsätzen der Wettbewerbsneutralität, der Entrichtungsund Erhebungswirtschaftlichkeit sowie der Überwälzbarkeit (Art. 1 Abs. 3 MWSTG).

2.2

      1. Gemäss Art. 28 Abs. 1 und 4 MWSTG (in der bis Ende 2017 geltenden Fassung) kann die steuerpflichtige Person unter Vorbehalt von Art. 29 und 33 MWSTG Vorsteuern im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit abziehen, sofern sie nachweist, dass sie die Vorsteuern bezahlt hat.

      2. Ergibt sich aus der Steuerabrechnung ein Überschuss zugunsten der steuerpflichtigen Person, so wird dieser ausbezahlt (Art. 88 Abs. 1 MWSTG). Erfolgt die Auszahlung des Überschusses nach Absatz 1 oder die Rückerstattung nach Absatz 3 später als 60 Tage nach Eintreffen der Steuerabrechnung beziehungsweise der schriftlichen Geltendmachung des Anspruches bei der ESTV, so wird für die Zeit vom 61. Tag bis zur Auszahlung oder Rückerstattung ein Vergütungszins ausgerichtet (Art. 88 Abs. 4 MWSTG).

    1. Art. 50 MWSTG sieht vor, dass für die Steuer auf der Einfuhr von Gegenständen die Zollgesetzgebung gilt, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes anordnen.

    2. Für zu viel erhobene oder nicht geschuldete Steuern besteht ein Anspruch auf Rückerstattung (Art. 59 Abs. 1 MWSTG). Nicht zurückerstattet werden zu viel erhobene, nicht geschuldete sowie wegen nachträglicher Veranlagung der Gegenstände nach den Artikeln 34 und 51 Absatz 3 des Zollgesetzes vom 18. März 2005 (ZG, SR 631.0) oder wegen deren Wiederausfuhr nach den Artikeln 49 Absatz 4, 51 Absatz 3, 58 Absatz 3 und 59 Absatz 4 ZG nicht mehr geschuldete Steuern, wenn der Importeur oder die Importeurin im Inland als steuerpflichtige Person eingetragen ist und die der EZV zu entrichtende oder entrichtete Steuer als Vorsteuer nach Artikel 28 abziehen kann (Art. 59 Abs. 2 MWSTG).

2.5

      1. Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass öffentliche Geldforderungen - sowohl der Gemeinwesen wie der Privaten - mit Beginn des Verzuges grundsätzlich zu verzinsen sind (vgl. ULRICH HÄFELIN et al., Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, N 156 ff.).

        Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist ein Vergütungszins, d.h. ein Zins, der auf zu viel bezahlten und deshalb zurückzuerstattenden Beträgen zu entrichten ist, grundsätzlich nur geschuldet, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist (Urteil 2C_411/2008 vom 28. Oktober 2008 E. 3.2 mit Hinweisen), wie dies vor allem im Steuerrecht häufig der Fall ist. Das Bundesgericht hat mangels gesetzlicher Regelung Vergütungszinsansprüche oftmals verneint (Urteil 2C_411/2008 vom 28. Oktober 2008 E. 3.4/3.5). Ausnahmsweise hat es allerdings auch aus Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung durch Analogieschluss oder aus allgemeinen Prinzipien abgeleitet, dass ein Vergütungszins zu bezahlen sei, namentlich für die Rückerstattung von zu viel bezahlten Steuern, wenn im umgekehrten Verhältnis der Steuerpflichtige bei nicht rechtzeitiger Zahlung der Steuerforderung ebenfalls einen Zins schuldet (Urteil 2C_411/2008 vom 28. Oktober 2008 E. 3.3).

        Das Bundesgericht hat in BGE 108 Ib 12 E. 3 ohne nähere Begründung in analoger Anwendung von Art. 1 Abs. 1 der früheren Verordnung vom

        30. Oktober 1978 über die Verzinsung ausstehender Stempelabgaben (AS 1978 1800) einen Vergütungszins auf der Rückerstattung einer zu Unrecht erhobenen Stempelsteuer zugesprochen. Nach Darstellung in BGE 143 II

        37 E. 5.3 hat das Bundesgericht aber in der Folge die Ausrichtung eines solchen Vergütungszinses auf Fälle eingeschränkt, bei welchen der Abgabepflichtige zur Vermeidung einer gesetzlichen Verzugszinspflicht gezwungen ist, eine ihm gegenüber verfügte Abgabe vorläufig unter Vorbehalt zu bezahlen, und er die Abgabepflicht gleichzeitig mit Rechtsmitteln bestreitet (vgl. auch Urteil des BVGer A-3735/2017 vom 12. Juni 2018 E. 2.3.3). Unter diesen Voraussetzungen wird praxisgemäss auch auf der Rückerstattung einer zu Unrecht zurückverlangten Verrechnungssteuer ein Vergütungszins zugesprochen (vgl. zum Ganzen BGE 143 II 37 E. 5.3; Urteil des BGer 2C_896/2008 vom 30. Oktober 2008 E. 5).

      2. Gemäss Art. 61 Abs. 1 MWSTG sieht das Einfuhrsteuerrecht in den folgenden Fällen die Ausrichtung eines Vergütungszinses vor:

        1. bei Rückerstattung einer zu viel erhobenen oder nicht geschuldeten Steuer nach Artikel 59: ab dem 61. Tag nach Eintreffen der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs bei der EZV;

        2. bei Rückerstattung der Steuer wegen Wiederausfuhr nach Artikel 60: ab dem 61. Tag nach Eintreffen des Antrages bei der EZV;

        3. bei Verfahren mit bedingter Zahlungspflicht (Art. 49, 51, 58 und 59 ZG): ab dem 61. Tag nach ordnungsgemässem Abschluss des Verfahrens.

        Da Art. 59 Abs. 2 MWSTG die Rückerstattung von Einfuhrsteuern ausschliesst, wenn der Importeur oder die Importeurin im Inland als steuerpflichtige Person eingetragen ist und die der EZV zu entrichtende oder entrichtete Steuer als Vorsteuer nach Artikel 28 abziehen kann (vgl. E. 2.4), muss in diesem Fall auch der Anspruch auf Ausrichtung des akzessorischen Vergütungszinses nach Art. 61 MWSTG ausgeschlossen sein. Eine Verzinsung durch die EZV gestützt auf Art. 61 Abs. 1 Bst. a MWSTG kommt demnach nur in den Fällen vor, in denen nach Art. 59 MWSTG ein Anspruch auf Rückerstattung der zu viel erhobenen oder nicht geschuldeten Steuer entstanden ist (REGINE SCHLUCKEBIER, in: Zweifel/Beusch/Glauser/Robinson [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, 2015, Art. 61 N. 6).

      3. Das Gegenstück zur Vergütungszinspflicht bildet Art. 57 Abs. 1 MWSTG, wonach ein Verzugszins geschuldet ist, wenn die Einfuhrsteuerschuld nicht fristgerecht bezahlt wird.

3.

    1. Im vorliegenden Fall ist der zu beurteilende Sachverhalt - soweit wesentlich - unbestritten. In rechtlicher Hinsicht ist streitig und zu prüfen, ob die Vorinstanz der Beschwerdeführerin Vergütungszinsen im Betrag von CHF 668‘569.35 auf den seitens der EZV zu Unrecht nacherhobenen Einfuhrsteuern sowie Vergütungszinsen im Betrag von CHF 97‘315.30 auf den seitens der EZV zu Unrecht eingeforderten Verzugszinsen schuldet (vgl. Sachverhalt Bst. F ff.).

    2. Die Beschwerdeführerin bringt zur Begründung ihres Antrages, es seien ihr Vergütungszinsen auf den seitens der EZV zu Unrecht nacherhobenen Einfuhrsteuern zu entrichten, im Wesentlichen vor, dass die Vorinstanz nach Erlass des Urteils des BGer 2C_1079/2016 vom 7. März 2017 von sich aus auf die Beschwerdeführerin zugekommen und die Rückerstattung der Abgabedifferenz in Aussicht gestellt habe. Die Vorinstanz hätte wohl kaum eine Rückerstattung der zu Unrecht erhobenen Einfuhrsteuer veranlassen wollen, wenn sie dazu nicht verpflichtet gewesen wäre bzw. eine Verrechnung mit dem Vorsteueranspruch zulässig gewesen wäre. Die Erhebung durch die EZV und der Vorsteueranspruch bei der ESTV seien „zwei unterschiedliche Paar Schuhe“, i.e. das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Die Rückerstattung seitens der EZV sei gemäss Art. 61 Abs. 1 Bst. a MWSTG zu verzinsen.

      Betreffend den Antrag, es seien ihr auch auf den von der Vorinstanz zu Unrecht eingeforderten Verzugszinsen Vergütungszinsen auszurichten, bringt die Beschwerdeführerin sodann im Wesentlichen vor, das MWSTG kenne im Gegensatz zum Bundesgesetz vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG, SR 642.21) keine Bestimmung, wonach die Rückerstattung bereits bezahlter Verzugszinsen ohne Vergütungszins erfolge (mit Verweis auf Art. 70c Abs. 2 VStG). Dies lasse den Schluss zu, dass es einer gesetzlichen Bestimmung bedürfe, um Vergütungszinsen auszuschliessen. Mangels anderslautender gesetzlicher Grundlage sei deshalb der zu Unrecht erhobene Verzugszins von der EZV zu verzinsen.

    3. Die Vorinstanz begründet ihren Standpunkt u.a. damit, dass es sich bei der Zahlung der Beschwerdeführerin mit Valuta vom 21. Oktober 2014 (i.e. die in Aussicht gestellte Abgabedifferenz sowie der diesbezügliche Verzugszins [vgl. Sachverhalt Bst. D]) um eine freiwillig geleistete Barhinterlage handle, um den Zinsenlauf zu stoppen (mit Verweis auf Art. 72 Abs. 2 ZG). Die Beschwerdeführerin habe den entsprechenden Betrag bezahlt,

bevor die zuständige Zollkreisdirektion sie in diesem Umfang als leistungspflichtig erklärt habe. Der Betrag sei damit seitens der EZV nicht tatsächlich eingefordert, sondern von der Beschwerdeführerin freiwillig geleistet worden, womit dieser nicht zu verzinsen sei. Doch selbst wenn der Betrag als Hinterlage eingefordert worden wäre, wäre dieser gemäss Art. 188 Abs. 3 Bst. d der Zollverordnung vom 1. November 2006 (ZV, SR 631.01) nicht zu verzinsen gewesen.

3.4

      1. Vorab ist festzuhalten, dass - entgegen des Standpunkts der Vorinstanz - nicht ersichtlich ist, inwiefern die Zahlung der Beschwerdeführerin vom 21. Oktober 2014 freiwillig erfolgt sein soll. Spätestens mit der Verfügung vom 23. Oktober 2014, mit welcher die Zollkreisdirektion Basel an ihrer Einfuhrsteuernachforderung zuzüglich Verzugszins festhielt (Sachverhalt Bst. E), kann von Freiwilligkeit keine Rede mehr sein. Zudem sind die von der Vorinstanz angeführten Bestimmungen aus dem ZG und der ZV für die Frage, ob in casu Vergütungszinsen zu leisten sind, von Vornherein schon deshalb nicht anwendbar, weil das MWSTG unter dem Titel Einfuhrsteuer selbst entsprechende Bestimmungen vorsieht (vgl. E. 2.3 e contrario; vgl. auch Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer, BBl 2008 6885 ff., 6991).

      2. Nach den klaren gesetzlichen Vorgaben von Art. 59 Abs. 2 MWSTG besteht kein Anspruch auf Rückerstattung zu viel erhobener oder nicht geschuldeter Steuern durch die EZV, wenn der Importeur oder die Importeurin im Inland als steuerpflichtige Person eingetragen ist und die der EZV zu entrichtende oder entrichtete Steuer als Vorsteuer nach Artikel 28 abziehen kann (E. 2.4). Die steuerpflichtige und vollumfänglich vorsteuerabzugsberechtigte Beschwerdeführerin hatte demnach keinen Anspruch auf Rückerstattung der von ihr bezahlten Einfuhrsteuern durch die EZV, da sie diese bereits im Rahmen ihres Vorsteuerabzugsrechts vollumfänglich geltend machen konnte (vgl. dazu auch Sachverhalt Bst. D). Daran ändert auch nichts, dass das Verhalten der Vorinstanz nach Erlass des Urteils des BGer 2C_1079/2016 vom 7. März 2017 bei der Beschwerdeführerin offenbar den Anschein erweckte, sie habe Anspruch auf Rückerstattung durch die EZV (E. 3.2). Wenn - wie im vorliegenden Fall - kein Anspruch auf Rückerstattung zu viel erhobener oder nicht geschuldeter Steuern durch die EZV besteht, ist schon deshalb auch kein Vergütungszins im Sinne von Art. 61 Abs. 1 Bst. a MWSTG auszurichten (E. 2.5.2).

        Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin die von der EZV zu Unrecht eingeforderte Einfuhrsteuer am 21. Oktober 2014 bezahlt und im Rahmen ihrer MWST-Deklaration für das dritte Quartal 2014 als Vorsteuer geltend gemacht. Die Vergütung des entsprechenden Vorsteuersteuerüberschusses seitens der ESTV erfolgte mit Valuta vom 21. Dezember 2014 (vgl. Sachverhalt Bst. D und E). Ein allfälliger Vergütungszins (für den Vorsteuerüberhang) gründete demnach auf Art. 88 Abs. 4 MWSTG und wäre von der ESTV auszurichten, wobei die 60-Tages-Frist zwischen der schriftlichen Geltendmachung des Anspruches bei der ESTV und der Auszahlung des Vorsteuerüberhangs seitens der ESTV - soweit ersichtlich - eingehalten wurde, weshalb (auch auf Grundlage von Art. 88 Abs. 4 MWSTG) kein Vergütungszins auszurichten wäre (vgl. E. 2.2.2). Diese Frage (betreffend allfälliger Vergütungszinsen auf dem Vorsteuerüberhang) ist jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens und wäre ohnehin in der Zuständigkeit der ESTV, und nicht in derjenigen der Vorinstanz.

      3. Weiter beantragt die Beschwerdeführerin, ihr seien auf den seitens der Vorinstanz zu Unrecht eingeforderten Verzugszinsen Vergütungszinsen auszurichten (vgl. Sachverhalt Bst. H).

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist ein Vergütungszins grundsätzlich nur geschuldet, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Nur ausnahmsweise hat das Bundesgericht auch aus Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung durch Analogieschluss oder aus allgemeinen Prinzipien abgeleitet, dass ein Vergütungszins zu bezahlen sei. Dies ist namentlich der Fall, wenn im umgekehrten Verhältnis der Steuerpflichtige bei nicht rechtzeitiger Zahlung ebenfalls einen Zins schulden würde bzw. wenn der Abgabepflichtige zur Vermeidung einer gesetzlichen Verzugszinspflicht gezwungen ist, eine ihm gegenüber verfügte Abgabe vorläufig unter Vorbehalt zu bezahlen, und er die Abgabepflicht gleichzeitig mit Rechtsmitteln bestreitet (E. 2.5.1).

Im MWSTG sind diejenigen Fälle, in denen im Zusammenhang mit der Einfuhrsteuer Vergütungszinsen auszurichten sind, abschliessend geregelt (vgl. E. 2.5.2). Vergütungszinsen auf bezahlte Verzugszinsen, die seitens der EZV an die Abgabepflichtigen zurückzuerstatten sind, sind darin nicht vorgesehen. Von Gesetzes wegen ist der von der Beschwerdeführerin anbegehrte Vergütungszins demnach nicht geschuldet. Aber auch aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Um einen Vergütungszins auf Verzugszinsen

per Analogieschluss zu rechtfertigen, müssten nach der besagten Rechtsprechung im MWSTG Verzugszinsen auf bereits aufgelaufene - aber noch nicht bezahlte - Verzugszinsen vorgesehen sein, womit der Abgabepflichtige zur Vermeidung von Zinseszinsen gezwungen wäre, nicht nur ausstehende Abgaben, sondern auch (bisher) aufgelaufene Verzugszinsen zu bezahlen. Verzugszinsen auf bereits aufgelaufene, jedoch noch nicht bezahlte Verzugszinsen sind im MWSTG jedoch nicht vorgesehen (E. 2.5.3). Dementsprechend können per Analogieschluss auch keine Vergütungszinsen auf bereits aufgelaufene (und zu Unrecht bezahlte) Verzugszinsen hergeleitet werden.

Nichts zu ihren Gunsten ableiten kann die Beschwerdeführerin sodann mit ihrem Verweis auf Art. 70c Abs. 2 VStG, worin ausdrücklich vorgesehen ist, dass die Rückerstattung bereits bezahlter Verzugszinsen ohne Vergütungszins erfolgt und - nach Ansicht der Beschwerdeführerin - den Schluss zulasse, dass es einer gesetzlichen Bestimmung bedürfe, um Vergütungszinsen auszuschliessen (E. 3.2). Denn, wie aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hervorgeht (E. 2.5.1), sind - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - Vergütungszinsen grundsätzlich nur geschuldet, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es keiner Bestimmung bedarf, wonach für einen bestimmten Fall keine Vergütungszinsen geschuldet sind. Vor diesem Hintergrund ist Art. 70c Abs. 2 VStG als rein deklaratorisch zu verstehen.

4.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die OZD das Begehren der Beschwerdeführerin um Ausrichtung von Vergütungszinsen zurecht abgewiesen hat, weshalb sich der vorinstanzliche Entscheid als rechtmässig erweist und die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf einzutreten ist.

5.

Ausgangsgemäss sind die Verfahrenskosten, die auf CHF 25‘000.- festzusetzen sind, der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der einbezahlte Kostenvorschuss in derselben Höhe ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG e contrario).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.

Die Verfahrenskosten im Betrag von CHF 25‘000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der einbezahlte Kostenvorschuss in derselben Höhe wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.

Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

4.

Dieses Urteil geht an:

  • die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

  • die Vorinstanz (Ref-Nr. [ ]; Gerichtsurkunde)

(Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.)

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Jürg Steiger Roger Gisclon

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).

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