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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-2112/2018

Kopfdaten
Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-2112/2018
Datum:24.04.2018
Leitsatz/Stichwort:Familienzusammenführung (Asyl)
Schlagwörter : Beschwerde; Verfügung; Beschwerdeführer; Familie; Vorinstanz; Kinder; Reichte; Akten; Bundesverwaltungsgericht; Gehör; Dokumente; Schweiz; Einreise; Begründung; Habe; Reichten; Totalfälschung; Verletzt; Verfahren; Flüchtling; Anspruch; Rechtliches; Person; Behörde; Entscheid; Parteien; Geboren; Familienzusammenführung; Ehefrau; Kindern
Rechtsnorm: Art. 29 BV ; Art. 30 VwVG ; Art. 32 VwVg; Art. 35 VwVG ; Art. 48 VwVG ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-2112/2018

lan

U r t e i l  v o m  2 4.  A p r i l  2 0 1 8

Besetzung Einzelrichter Hans Schürch,

mit Zustimmung von Richterin Contessina Theis, Gerichtsschreiberin Regula Aeschimann.

Parteien A. _, geboren am ( ), Eritrea

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Familienzusammenführung (Asyl) zugunsten von

B. _, geboren am ( ), C. _, geboren am ( ), D. _, geboren am ( ), Eritrea;

Verfügung des SEM vom 13. März 2018 / N ( ).

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,

dass das SEM den Beschwerdeführer mit Verfügung vom 21. September 2017 als Flüchtling anerkannte und ihm in der Schweiz Asyl gewährte,

dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 10. Januar 2018 das SEM darum ersuchte, seiner Ehefrau B. sowie den beiden gemeinsamen Kindern C. und D. zwecks Familienzusammenführung gestützt auf Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG (SR 142.31) die Einreise in die Schweiz zu bewilligen und ihnen hierfür ein Laissez-passer auszustellen, da sie schriftenlos seien,

dass er als Beleg für seine familiären Verhältnisse sechs Fotografien sowie die beiden Taufscheine der Kinder im Original einreichte,

dass er zudem erklärte, das Original der Heiratsurkunde sei bei einem Brand im Jahr ( ) ebenso wie die Hochzeitsfotos zerstört worden, sie hätten aber bei derselben Kirche eine neue Urkunde ausstellen lassen, welche nun im Original eingereicht werde,

dass das SEM das Gesuch um Familienzusammenführung mit Verfügung vom 13. März 2018 ablehnte, die Einreise in die Schweiz nicht bewilligte und die Heiratsurkunde sowie die beiden Taufscheine gestützt auf Art. 10 Abs. 4 AsylG einzog,

dass es zur Begründung ausführte, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft machen können, dass er im Jahr ( ) eine Ehe geschlossen habe, aus der zwei Kinder hervorgegangen seien,

dass eine Prüfung der eingereichten Heiratsurkunde sowie der beiden Taufscheine durch das SEM ergeben habe, dass es sich bei allen drei Dokumenten um Totalfälschungen handle,

dass die eingereichten Fotografien bezeichnenderweise den geltend gemachten Sachverhalt nicht stützen würden, nachdem der Beschwerdeführer darauf nie zusammen mit Ehefrau und Kindern zu sehen sei, weshalb auch die Angabe, aufgrund eines Brandes gebe es keine Aufnahmen von der Hochzeit, als Schutzbehauptung angesehen werden müsse,

dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 11. April 2018 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die Verfügung vom 13. März 2018 erhob und beantragte, diese sei aufzuheben, seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder seien in seine Flüchtlingseigenschaft einzubeziehen

und es sei ihnen die Einreise zu bewilligen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen,

dass er in verfahrensrechtlicher Hinsicht um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinn von Art. 65 Abs. 1 VwVG sowie Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersuchte,

dass er in der Beschwerde geltend machte, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da sie weder ausführe, warum sie am Abstammungsverhältnis zwischen ihm und seinen Kindern zweifle noch begründe, weshalb sie die eingereichten Dokumente als Totalfälschung einstufe,

dass die eingereichten Fotos zwar nicht die ganze Familie gemeinsam zeigten, er darauf jedoch einzeln mit den verschiedenen Familienmitgliedern abgebildet sei, womit das Vorliegen einer Familiengemeinschaft vor der Flucht aufgezeigt werden könne,

dass das SEM sodann auch seine Abklärungspflicht verletzt habe, indem es keinen DNA-Test durchgeführt habe, mit welchem das Abstammungsverhältnis zu seinen Kindern zweifelsfrei bewiesen werden könnte, obwohl er nötigenfalls zu einem solchen bereit wäre,

dass er sodann während seines Asylverfahrens seine Ehefrau und die Kinder sowohl bei der Befragung zur Person als auch bei der Anhörung stets korrekt erwähnt habe,

dass sämtliche Voraussetzungen des Familienasyls vorliegend erfüllt seien und das SEM die Begründungsund Abklärungspflicht - und damit sein rechtliches Gehör - verletzt habe,

dass das Bundesverwaltungsgericht den Eingang der Beschwerde am

17. April 2018 bestätigte,

und zieht in Erwägung,

dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls - in der Regel und auch vorliegend - endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des SEM entscheidet (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31-33 VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG),

dass sich das Verfahren nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG richtet, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG),

dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 105 AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),

dass somit auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist (Art. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG),

dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden kann (Art. 106 Abs. 1 AsylG),

dass über offensichtlich begründete Beschwerden in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e AsylG) und es sich vorliegend, wie nachfolgend aufgezeigt, um eine solche handelt, weshalb der Beschwerdeentscheid nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG),

dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG vorliegend auf einen Schriftenwechsel verzichtet wurde,

dass gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG die Ehegatten und die minderjährigen Kinder von Flüchtlingen ihrerseits als Flüchtlinge anerkannt werden und Asyl erhalten, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen,

dass diesen Personen auf Gesuch hin die Einreise in die Schweiz zu bewilligen ist, wenn sie sich noch im Ausland befinden und die Familie durch die Flucht getrennt wurde (Art. 51 Abs. 4 AsylG),

dass die Bewilligung der Einreise voraussetzt, dass die betreffenden Personen mit der in der Schweiz als Flüchtling anerkannten Person im Zeitpunkt der Flucht effektiv in einer Familiengemeinschaft gelebt haben und diese durch die Flucht getrennt wurde, da Art. 51 Abs. 4 AsylG allein die Wiedervereinigung von vorbestandenen Familiengemeinschaften bezweckt,

dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 29 VwVG, Art. 32 Abs. 1 VwVg) verlangt, dass die verfügende Behörde die Vorbringen eines Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und berücksichtigt, was sich entsprechend in der Begründung des Entscheids niederschlagen muss (vgl. Art. 35 Abs. 1 VwVG), wobei die Begründung so abgefasst werden muss, dass der Betroffene den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann,

dass die Behörde sodann gemäss Art. 30 Abs. 1 VwVG die Parteien anhört, bevor sie verfügt, was insbesondere auch beinhaltet, dass sich die Behörde beim Erlass ihrer Verfügung nicht auf Tatsachen abstützen darf, zu denen sich die betroffene Person nicht vorgängig äussern konnte,

dass der Anspruch auf Akteneinsicht (Art. 26 VwVG) mit diesem Äusserungsrecht eng verbunden ist, da sich der Betroffene nur dann wirksam zur Sache äussern kann, wenn ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, die Unterlagen einzusehen, auf die sich eine Behörde stützt,

dass das Recht auf Akteneinsicht auch Berichte und Gutachten zu Sachverhaltsfragen umfasst, selbst wenn diese verwaltungsintern erstellt worden sind (vgl. WALDMANN/OESCHGER, in: Waldmann/Weissenberger (Hrsg.), Praxiskommentar VwVG, 2. Aufl. 2016, N 67 zu Art. 26 VwVG),

dass es zwar möglich ist, das Recht auf Akteneinsicht einzuschränken, wenn ein überwiegendes Interesse an deren Geheimhaltung vorhanden ist, wobei dem Akteneinsichtsrecht aber umso mehr Rechnung zu tragen ist, je stärker bei der Entscheidfindung (zum Nachteil des Betroffenen) auf ein bestimmtes Aktenstück abgestellt wird (vgl. BVGE 2011/37 E. 5.4.1),

dass sich den Akten entnehmen lässt, dass das SEM die Hochzeitsurkunde sowie die beiden Taufscheine einer (internen) Ausweisprüfung unterzogen hat, welche zum Ergebnis gelangte, dass es sich bei den drei Dokumenten um Totalfälschungen handle (vgl. Akten SEM B4),

dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer gemäss den vorliegenden Akten weder mitgeteilt hat, dass eine solche Prüfung durchgeführt wurde, noch ihm die Möglichkeit eingeräumt hat, zu deren Ergebnissen vor Erlass ihrer Verfügung Stellung zu nehmen,

dass in der angefochtenen Verfügung zudem einzig erwähnt wird, eine Überprüfung der eingereichten Dokumente habe ergeben, dass es sich bei

diesen „aufgrund qualitativer Mängel zweifelsfrei um Totalfälschungen“ handle,

dass sich das SEM bei der Ablehnung des Gesuchs um Familienzusammenführung und Bewilligung der Einreise in die Schweiz massgeblich darauf stützte, dass es die eingereichte Heiratsurkunde sowie die beiden Taufurkunden als Fälschungen einstufte,

dass es deshalb gehalten gewesen wäre, den Beschwerdeführer - unter Berücksichtigung allfälliger Geheimhaltungsinteressen - über festgestellte Fälschungsmerkmale in einer Art und Weise zu informieren, dass es ihm möglich ist, konkrete Einwände gegen die Schlussfolgerung des SEM, es handle sich bei den Dokumenten um eine Totalfälschung, anzubringen,

dass die Vorinstanz den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäss Art. 26 und Art. 30 Abs. 1 VwVG verletzt hat, indem sie es unterliess, ihn über den Inhalt ihrer internen Abklärungen in Kenntnis zu setzen und ihm vor Erlass der Verfügung die Gelegenheit einzuräumen, dazu Stellung zu nehmen,

dass sich der Begründung der angefochtenen Verfügung sodann ebenfalls nicht entnehmen lässt, aus welchen Gründen das SEM zum Schluss gelangte, dass die genannten Dokumente Totalfälschungen seien,

dass die Vorinstanz deshalb auch ihre Begründungspflicht verletzt hat, indem sie für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar darlegte, welche

„qualitativen Mängel“ die eingereichten Dokumente ihrer Ansicht nach aufweisen würden, was eine sachgerechte Anfechtung der Verfügung verunmöglicht,

dass der Anspruchs auf rechtliches Gehör formeller Natur ist und dessen Verletzung grundsätzlich zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung führt, ohne Rücksicht darauf, ob diese bei korrekter Verfahrensführung im Ergebnis anders ausgefallen wäre (vgl. BVGE 2009/53 E. 7.3 m.H.),

dass eine Heilung von Gehörsverletzungen auf Beschwerdeebene unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, davon aber insbesondere bei schwerwiegenden Verletzungen Abstand zu nehmen ist, zumal es nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts ist, Versäumnisse der Vorinstanz systematisch zu beheben (vgl. BVGE 2011/37 E.6),

dass die Vorinstanz vorliegend den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör mehrfach und in erheblichem Ausmass verletzt hat, weshalb eine Heilung der festgestellten Mängel auf Beschwerdeebene nicht angebracht ist,

dass die Beschwerde deshalb gutzuheissen, die Verfügung vom 13. März 2018 aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen ist,

dass bei dieser Sachlage auf die übrigen Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen ist,

dass mit dem vorliegenden Entscheid die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sowie Verzicht auf Erhebung eines Kostenvorschusses gegenstandslos geworden sind,

dass bei diesem Verfahrensausgang dem Beschwerdeführer keine Kosten aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG),

dass dem nicht vertretenen Beschwerdeführer im vorliegenden Fall keine erheblichen Kosten entstanden sind, weshalb von der Ausrichtung einer Parteientschädigung abzusehen ist.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2.

Die Verfügung vom 13. März 2018 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das SEM zurückgewiesen.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.

Es ist keine Parteienschädigung für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auszurichten.

5.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Hans Schürch Regula Aeschimann

Versand:

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