Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-3306/2017 |
Datum: | 21.11.2017 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Mädchen; Handlung; Bundesverwaltungsgericht; Schweiz; Recht; Zeitung; Flüchtling; Wegweisung; Handlungen; Verfahren; Uganda; Gericht; Botschaft; Sinne; Verfügung; Polizei; Eingabe; Flüchtlings; Person; Flüchtlingseigenschaft; Entscheid; Wegweisungsvollzugs; Verfahrens; üglich |
Rechtsnorm: | Art. 10 StGB ;Art. 18 StGB ;Art. 187 StGB ;Art. 64 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-3306/2017
Besetzung Richterin Christa Luterbacher (Vorsitz), Richterin Regula Schenker Senn, Richterin Emilia Antonioni Luftensteiner, Gerichtsschreiberin Regina Derrer.
Parteien A. , geboren am ( ), Uganda,
vertreten durch lic. iur. Kathrin Stutz,
Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende (ZBA), ( ),
Beschwerdeführerin,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 5. Mai 2017 / N ( ).
Die Beschwerdeführerin - eine ugandische Staatsangehörige - reiste eigenen Angaben zufolge am 24. Februar 2017 von Kampala, Uganda, über Doha in die Schweiz ein. Am 8. März 2017 stellte sie im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) Basel ein Asylgesuch, wo am 15. März 2017 die Befragung zur Person stattfand. Am 24. April 2017 wurde sie eingehend zu ihren Asylgründen angehört. Anlässlich dieser beiden Befragungen machte sie im Wesentlichen folgendes geltend:
Sie habe von ( ) 2015 bis ( ) 2017 als Hausmädchen bei einer Familie in [den Emiraten] gearbeitet. Diese Arbeit habe sie sich mit einer anderen jungen Frau aus [Asien] geteilt. Über die Zeit hinweg habe sich eine Liebesbeziehung zwischen ihr und dieser jungen Frau entwickelt, wobei die Beschwerdeführerin gemerkt habe, dass sie lesbisch sei. [Anfang] 2017 habe sie [die Emirate] wegen eines familiären Zwischenfalls verlassen und nach Uganda zurückkehren müssen. Dort habe sie sich in einem Ort nahe der Hauptstadt ein Zimmer gemietet. Die beiden minderjährigen Nachbarsmädchen - die 15-jährige B. und die 17-jährige C. - hätten sie immer wieder in diesem Zimmer besucht, wobei es wiederholt zu sexuellen Kontakten zwischen der Beschwerdeführerin und den beiden Mädchen gekommen sei. Sie hätten dabei die Dildos benutzt, welche die Beschwerdeführerin in [den Emiraten] gekauft habe. Die Beschwerdeführerin habe die Mädchen auch regelmässig auf einen Drink eingeladen und ihnen Kleider gekauft. Nachdem eines der Mädchen heimlich einen der Dildos nach Hause genommen habe, sei die Beschwerdeführerin aufgeflogen. Über ihren Vater habe sie schliesslich erfahren, dass über sie ein Artikel in einer in Uganda bekannten Zeitung abgedruckt worden sei, wonach die Polizei sie wegen Missbrauchs ihrer beiden minderjährigen Nachbarsmädchen suche. Da Homosexualität in Uganda verboten sei, habe sie um ihr Leben gefürchtet und sei aus ihrem Heimatstaat ausgereist.
Zur Untermauerung ihrer Verfolgungsvorbringen reichte die Beschwerdeführerin ein Exemplar der [ugandischen Zeitung] ein, wo der von ihr erwähnte Zeitungsartikel abgedruckt ist. Ferner legte sie ihren ugandischen Reisepass ins Recht.
Mit Verfügung vom 5. Mai 2017 - eröffnet am 11. Mai 2017 - verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin, wies ihr Asylgesuch ab und ordnete ihre Wegweisung sowie den Vollzug an.
Mit Eingabe vom 14. Juni 2017 (Poststempel) - bereits am 12. Juni 2017 per Telefax ans Bundesverwaltungsgericht zugestellt - erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Entscheid des SEM Beschwerde und beantragte, die Verfügung vom 5. Mai 2017 sei aufzuheben, es sei ihr in der Schweiz Asyl zu gewähren, in jedem Fall sei aber ihre Flüchtlingseigenschaft festzustellen; eventualiter sei die Unzulässigkeit, allenfalls die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen und die vorläufige Aufnahme anzuordnen. In prozessualer Hinsicht ersuchte sie ferner darum, es sei auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten und ihr die unentgeltliche Rechtspflege, inklusive Verbeiständung, zu gewähren. Auf die Beschwerdebegründung wird sofern entscheidrelevant in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Zur Untermauerung ihrer Vorbringen reichte die Beschwerdeführerin eine Kopie eines Schreibens der Anwälte der beiden minderjährigen Nachbarsmädchen vom ( ) 2017 ein. Diesem ist zu entnehmen, dass gegen die Beschwerdeführerin Strafanzeige erstattet worden sei und die Absicht bestehe, ein Strafverfahren gegen sie einzuleiten. Ferner reichte sie eine Kopie einer beglaubigten Erklärung des Onkels der beiden Mädchen ein, in welchem dieser bestätigt, dass diese Opfer von sexuellen Übergriffen seitens der Beschwerdeführerin geworden seien, er die Beschwerdeführerin deshalb bei der Polizei angezeigt habe und in der [ugandischen Zeitung] einen Artikel über ihre Tat veröffentlicht habe. Schliesslich reichte die Beschwerdeführerin ein Bestätigungsschreiben der Organisation Fem Alliance Uganda vom ( ) 2017 ein, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland als Homosexuelle in asylrelevanter Weise verfolgt würde.
Mit Schreiben vom 19. Juni 2017 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin den Eingang ihrer Rechtsmitteleingabe.
In seiner Zwischenverfügung vom 22. Juni 2017 hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Beschwerde fristund formgereicht eingereicht worden sei und die Beschwerdeführerin demnach den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten könne. Ferner verzichtete das Gericht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und orientierte die Beschwerdeführerin darüber, dass über alle weiteren Rechtsbegehren zu einem späteren Zeitpunkt befunden werde.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2017 wandte sich das Bundesverwaltungsgericht an die Schweizerische Vertretung in Nairobi, welche auch für Uganda zuständig ist (nachfolgend: die Botschaft), und ersuchte diese darum, in Erfahrung zu bringen, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich unter der in den von ihr eingereichten Dokumenten erwähnten Referenznummer der Polizei registriert ist und falls ja, was ihr genau vorgeworfen wird. Ferner liess das Gericht der Botschaft eine Kopie des von der Beschwerdeführerin eingereichten Artikels in der [ugandischen Zeitung] zukommen und ersuchte die Botschaft darum, ausfindig zu machen, ob sich der Artikel in der Originalausgabe der Zeitung tatsächlich wiederfindet oder ob es sich dabei um ein gefälschtes Exemplar handelt.
Mit Eingabe vom 27. Juni 2016 legte die Beschwerdeführerin einen weiteren, in [zwei anderen ugandischen Zeitungen] veröffentlichten Artikel ins Recht, in dem über den Missbrauch der beiden Mädchen berichtet wird und ein die Beschwerdeführerin betreffender Haftbefehl des [ugandischen Gerichts] abgedruckt ist. Ferner reichte sie Fotografien der Prideparade ( ) ein, auf denen auch sie zu sehen ist.
Mit Schreiben vom 6. Juli 2017 leitete das Gericht den in den [zwei ugandischen Zeitungen] veröffentlichten Artikel an die Botschaft weiter, mit der Bitte, abzuklären, ob [das ugandische Gericht] tatsächlich einen Haftbefehl gegen die Beschwerdeführerin erlassen hat und das in den Zeitungen abgedruckte Dokument mithin echt ist.
Mit Schreiben vom 17. August 2017 nahm die Botschaft zu den Anfragen des Gerichts vom 22. Juni 2017 und vom 6. Juli 2017 Stellung und führte im Kern aus, dass die zuständige Polizeistelle bestätige, dass gegen die Beschwerdeführerin Anzeige erstattet worden sei. Sie werde der sexuellen Handlungen mit Kindern in ihrer Obhut beschuldigt und von der Polizei gesucht. Ihr Aufenthalt sei der Polizei nicht bekannt.
Mit Zwischenverfügung vom 30. August 2017 legte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin die Korrespondenz zwischen dem Gericht und der Botschaft in anonymisierter Form offen. Gleichzeitig lud es das SEM zur Vernehmlassung ein.
Mit Verfügung vom 9. Oktober 2017 zog das SEM seinen Entscheid vom
5. Mai 2017 teilweise in Wiedererwägung, bejahte die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin und nahm sie wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig in der Schweiz auf. Bezüglich der Frage des Asyls zog das SEM seinen Entscheid vom 5. Mai 2017 demgegenüber nicht in Wiedererwägung, mit der Begründung, dass sich die Beschwerdeführerin eines Verbrechens strafbar gemacht habe, indem sie mit den zwei ihr anvertrauten minderjährigen Mädchen sexuelle Handlungen vollzogen habe. Folglich sei sie asylunwürdig im Sinne von Art. 53 AsylG.
Mit Zwischenverfügung vom 13. Oktober 2017 schrieb das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren bezüglich der Frage der Flüchtlingseigenschaft und des Wegweisungsvollzugs respektive der vorläufigen Aufnahme der Beschwerdeführerin wegen Gegenstandslosigkeit ab. Des Weiteren forderte es die Beschwerdeführerin auf mitzuteilen, ob sie an ihrem in ihrer Beschwerde gestellten Antrag, es sei ihr Asyl zu gewähren, festhalten wolle, und zur Begründung des SEM zur Frage der Asylunwürdigkeit Stellung zu nehmen. Für die Verlegung der Verfahrenskosten verwies das Gericht auf das Endurteil.
Mit Eingabe vom 27. Oktober 2017 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie weiterhin am Antrag, es sei ihr Asyl zu gewähren, festhalte. Zur Begründung der Asylunwürdigkeit durch das SEM führte sie im Wesentlichen aus, dass das Staatssekretariat lediglich aufgrund eines Artikels aus einer Zeitung, die in einem sehr homophoben Land erschienen sei, vom Vorliegen von Ausschlussgründen ausgehe, ohne sich mit dem Vorwurf der sexuellen Handlungen mit Minderjährigen konkret auseinandergesetzt zu haben. Die Beschwerdeführerin habe zwar gewusst, dass die beiden Mädchen minderjährig gewesen seien, es sei ihr aber auch klar gewesen, dass sie nicht viel jünger gewesen seien als sie selbst. So hätten die beiden Mädchen ihr gegenüber angegeben, dass sie das Gymnasium abgeschlossen hätten. Zudem habe sie, die Beschwerdeführerin, keinerlei Aufsichtspflichten gegenüber den beiden Mädchen gehabt, seien diese doch nicht in ihre Obhut gegeben worden. Wie aus der Botschaftsabklärung durch das Bundesverwaltungsgericht hervorgehe, seien Einträge in Zeitungen durch Familien von Minderjährigen in Uganda ziemlich häufig, da Jugendliche dort früh sexuell aktiv würden. Die Partner der Kinder, ob gleichgeschlechtlich oder nicht, könnten aufgrund dieses Vorwurfs bei der Polizei angezeigt werden.
Gemäss Art. 31 des VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG und das AsylG nichts anderes bestimmen (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Die Beschwerdeführerin hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; sie ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist mithin einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Flüchtlingen wird kein Asyl gewährt, wenn sie wegen verwerflicher Handlungen dessen unwürdig sind oder wenn sie die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden (Art. 53 AsylG).
Nachdem das SEM die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin mit Wiedererwägungsverfügung vom 9. Oktober 2017 bejaht und sie wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig in der Schweiz aufgenommen hat, beschränkt sich der Prozessgegenstand vorliegend auf die Frage, ob das SEM zu Recht vom Bestehen des Asylausschlussgrundes der Asylunwürdigkeit gemäss Art. 53 AsylG ausgegangen ist.
Das für die Prüfung des Vorliegens einer verwerflichen Handlung anzusetzende Beweismass wurde in der Botschaft vom 4. Dezember 1995 zur Totalrevision des Asylgesetzes sowie zur Änderung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (BBl 1996 II 71 ff., S. 73) für Art. 1 F FK und Art. 53 AsylG übereinstimmend umschrieben. Demnach ist bei Straftaten, die im Ausland begangen wurden, kein strikter Nachweis erforderlich. Es genügt die aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigte Annahme, das heisst die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass sich die betroffene Person einer Straftat im Sinne der genannten Bestimmungen schuldig gemacht hat. Die Behörde, die über den Asylausschluss nach Art. 53 AsylG entscheidet, hat mithin zu prüfen, ob hinlänglich konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass einer beschwerdeführenden Person eine individuelle Verantwortlichkeit für eine "verwerfliche Handlung" im Sinne des Asylgesetzes zukommt. Es ist somit der individuelle Tatbeitrag der beschwerdeführenden Person zu ermitteln, zu dem neben der Schwere der
Tat und dem persönlichen Anteil am Tatentscheid auch das Motiv der Täterin und allfällige Rechtfertigungsoder Schuldmilderungsgründe zu zählen sind. Die Praxis folgt sodann der in der Lehre vertretenen Auffassung, dass bei der Beurteilung der Asylunwürdigkeit auch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten ist. Dabei ist vorab in Betracht zu ziehen, wie lange die Tat bereits zurückliegt, wobei auf die Verjährungsbestimmungen des Strafrechts verwiesen wird. Ebenso haben das Alter des Flüchtlings im Zeitpunkt der Tatbegehung sowie eine allfällige Veränderung der Lebensverhältnisse nach der Tat Einfluss auf die diesbezügliche Entscheidfindung (vgl. BVGE 2011/29 E. 9.2.3 und E. 9.2.4 sowie Urteil des BVGer D-5696/2016 vom 5. Mai 2017 E. 4.1).
Nach Art. 187 Ziff. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft, wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, es zu einer solchen Handlung verleitet oder es in eine sexuelle Handlung einbezieht. Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt (Ziff. 2). Der objektive Tatbestand von Art. 187 Ziff. 1 StGB ist bereits mit der Vornahme einer sexuellen Handlung erfüllt. Ein weiteres Element, wie beispielsweise der Eintritt einer Schädigung beim Opfer, ist nicht erforderlich. Für die Erfüllung des objektiven Tatbestands nicht massgeblich ist ferner, ob ein Kind bereits geschlechtsreif oder sexuell erfahren ist und ob sich das Opfer in der Obhut der Täterin befunden hat. Auf der subjektiven Tatbestandsebene genügt bei der Vornahme sexueller Handlungen Eventualvorsatz. Der Täter braucht keine exakte Vorstellung davon zu haben, welche Bedeutung sein Verhalten für das Opfer hat. Er muss aber wissen oder zumindest in Kauf nehmen, dass das Kind unter 16 Jahre alt ist und mehr als drei Jahre jünger ist als er (vgl. PHILIPP MAIER, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, Art. 187 StGB N 9 und N 21).
Zunächst ist festzuhalten, dass sich das SEM bezüglich seiner Erwägungen zur Asylunwürdigkeit nicht - wie in der Eingabe vom 27. Oktober 2017 behauptet - lediglich auf den von der Beschwerdeführerin eingereichten Zeitungsartikel abstützte, sondern den relevanten Sachverhalt mittels eingehender Anhörung hinreichend genau abklärte. Dabei gab die Beschwerdeführerin im Rahmen ihres freien Berichts zu Protokoll, dass sie kurz vor ihrer Ausreise in die Schweiz wiederholt mit den beiden minderjährigen Nachbarsmädchen Sex hatte, wobei sie dazu die aus [den Emiraten] mitgebrachten Dildos benutzt hätten (vgl. A10/19, F33). Auf Nachfrage
fügte sie an, dass das ältere Mädchen in jenem Zeitpunkt 17 und das jüngere Mädchen 15 Jahre alt gewesen sei (vgl. A10/19, F101). Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin im Tatzeitpunkt [über 20] Jahre alt war, ist der objektive Tatbestand von Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB mit Bezug zum jüngeren der beiden Mädchen (nicht aber bezüglich des älteren Mädchens) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als erfüllt zu betrachten. Der in der Eingabe vom 27. Oktober 2017 vorgebrachte Einwand - es sei der Beschwerdeführerin klar gewesen, dass die Mädchen nicht viel jünger gewesen seien als sie selbst, hätten sie ihr gegenüber doch angegeben, dass sie das Gymnasium abgeschlossen hätten - vermag die Annahme eines zumindest eventualvorsätzlichen Vorgehens der Beschwerdeführerin nicht auszuräumen. So sind der Aussage der Beschwerdeführerin anlässlich der eingehenden Anhörung zum Alter der beiden Mädchen keinerlei Zweifel respektive Bedenken zu entnehmen. Vielmehr schien sie aufgrund ihrer Ausführung genau gewusst zu haben, wie alt die Mädchen wirklich waren (vgl. A10/19, F101).
Anlässlich der eingehenden Anhörung trug die Beschwerdeführerin auf Nachfrage ferner vor, dass sie den Nachbarsmädchen anfangs ihre Dildos gezeigt und ihnen von ihren Erfahrungen erzählt habe. Weil sie über eigenes Geld verfügt habe, hätten die Mädchen alles getan, was sie, die Beschwerdeführerin, von ihnen verlangt habe. Sie wisse nicht, ob die Mädchen Gefühle für sie gehabt hätten oder ob sie sich wiederholt zu sexuellen Handlungen hätten hinreissen lassen, weil sie, die Beschwerdeführerin, ihnen Kleider gekauft habe und ihnen im Ausgang die Drinks bezahlt habe. (vgl. A10/19, F104 ff.). Diese Ausführungen legen die Annahme nahe, dass die Initiative zur Vornahme zumindest der ersten sexuellen Handlungen mit den beiden Mädchen von der Beschwerdeführerin ausging. Überdies kann die Schwere der Tat angesichts der wiederholten Begehung nicht als gering eingestuft werden. Während sich ein allfälliges Einverständnis seitens der Mädchen, das aufgrund ihrer wiederholten Besuche bei der Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen werden kann, sowie die nicht übermässige Altersdifferenz zwischen der Täterin und dem Opfer wahrscheinlich strafmindernd auswirken würde, wäre das Vorgehen der Beschwerdeführerin, die Mädchen mit Geschenken zu locken, wohl als straferhöhend zu berücksichtigen. In einer Gesamtschau all dieser Umstände bestehen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin verwerfliche Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG begangen hat. Da sich die geschilderten Vorfälle zudem erst
kürzlich ereigneten und die Beschwerdeführerin als vorläufig aufgenommener Flüchtling in der Schweiz bleiben kann, ist insgesamt nicht von der Unverhältnismässigkeit des Asylausschlusses auszugehen.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerdeführerin wegen Asylunwürdigkeit im Sinne von Art. 53 AsylG von der Asylgewährung auszuschliessen, weshalb das SEM seinen Entscheid vom 5. Mai 2017 bezüglich der Frage des Asyls zu Recht mit dieser Begründung nicht in Wiedererwägung gezogen hat.
Lehnt das Staatssekretariat das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an (Art. 44 AsylG).
Die Beschwerdeführerin verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Da die Beschwerdeführerin vom SEM wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs in der Schweiz vorläufig aufgenommen wurde, erübrigen sich Ausführungen zur Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Wiedererwägungsentscheid vom 9. Oktober 2017 zur angefochtene Verfügung vom 5. Mai 2017 Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, sofern sie nicht mit Zwischenverfügung vom 13. Oktober 2017 als gegenstandslos geworden abgeschrieben wurde.
Da das SEM der Beschwerdeführerin mit seinem Entscheid vom 9. Oktober 2017 wiedererwägungsweise die Flüchtlingseigenschaft zuerkannte und sie infolgedessen in der Schweiz vorläufig aufnahm, ist die Beschwerdeführerin in diesen Punkten mit ihrer Beschwerde durchgedrungen. Demgegenüber ist sie nach dem zuvor Gesagten bezüglich Asylgewährung (und Anordnung der Wegweisung als solcher) unterlegen. Dies ist praxisgemäss als ein Obsiegen zu zwei Dritteln zu werten. Folglich wären die
Verfahrenskosten um zwei Drittel zu reduzieren und auf Fr. 250.- festzusetzten (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Da das Verfahren im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht als aussichtslos bezeichnet werden konnte, ist ihr Gesuch um unentgeltliche Prozessführung indes gutzuheissen. Folglich sind keine Verfahrenskosten zu erheben.
Im Umfang des Obsiegens im Beschwerdeverfahren - das heisst zu zwei Dritteln - ist der Beschwerdeführerin in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG zu Lasten des SEM eine Parteientschädigung für die ihr erwachsenen notwendigen Vertretungskosten zuzusprechen (vgl. Art. 7 VGKE).
Im Umfang des Unterliegens - zu einem Drittel - ist ihr, angesichts der Tatsache, dass auch ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung und Beiordnung von lic. iur. Kathrin Stutz als amtliche Rechtsbeiständin gutzuheissen ist (vgl. Art. 110a Abs. 1 und 3 AsylG), sodann zu Lasten des Gerichts eine Entschädigung zuzusprechen. Gemäss Art. 12 VGKE sind für amtlich bestellte Anwälte die Art. 8-11 VGKE anwendbar.
Seitens der Rechtsvertretung wurde keine Kostennote eingereicht. Auf Nachforderung einer solchen kann indes verzichtet werden, da der Aufwand für das vorliegende Beschwerdeverfahren zuverlässig abgeschätzt werden kann (Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE). Für die 9-seitige Beschwerde, die 1-seitige Eingabe vom 27. Juni 2017 und die 2-seitige Eingabe vom
27. Oktober 2017 erscheint eine Entschädigung von pauschal Fr. 1‘000.-
- in Anwendung der einschlägigen Bestimmung und unter Berücksichtigung der massgeblichen Bemessungsfaktoren (vgl. Art. 8 ff. VGKE) - angemessen. Diese Kosten gehen zu zwei Dritteln (Fr. 667.-) zu Lasten des SEM und zu einem Drittel (Fr. 333.-) zu Lasten des Bundesverwaltungsgerichts.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen, sofern sie nicht mit Zwischenverfügung vom 13. Oktober 2017 als gegenstandslos geworden abgeschrieben wurde.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Das SEM wird angewiesen, der Beschwerdeführerin eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 667.- auszurichten.
Der Rechtsbeiständin wird ein amtliches Honorar zulasten der Gerichtskasse in der Höhe von Fr. 333.- zugesprochen.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerin, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
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