Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-2932/2016 |
Datum: | 24.07.2017 |
Leitsatz/Stichwort: | Asylwiderruf |
Schlagwörter : | Recht; Sinne; Handlung; Bundesverwaltungsgericht; Befehl; Beschwerdeführers; Vorinstanz; Sozialhilfe; Asylwiderruf; Handlungen; Flüchtling; Schweiz; Verfügung; Drohung; Verfahren; Übertretung; Taten; Sozialhilfebehörde; Tatbegehung; Kredit; Flüchtlingseigenschaft; Entscheid; Staatsanwaltschaft; Busse; Kostenvorschuss; Verfahrens; Verbrechen |
Rechtsnorm: | Art. 10 StGB ; Art. 106 StGB ; Art. 12 StGB ; Art. 146 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 25 BV ; Art. 285 StGB ; Art. 47 StGB ; Art. 52 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 83 BGG ; Art. 88 AHVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-2932/2016
Besetzung Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz),
Richterin Barbara Balmelli, Richter David R. Wenger, Gerichtsschreiberin Annina Mondgenast.
Parteien A. , geboren am ( ), Türkei,
vertreten durch Géraldine Walker, Rechtsanwältin, advokaturbüro kernstrasse,
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asylwiderruf;
Verfügung des SEM vom 8. April 2016 / N ( ).
Der Beschwerdeführer reiste am 12. September 2004 in die Schweiz ein und stellte am 14. September 2004 ein Asylgesuch. Mit Verfügung vom
18. Juli 2008 verneinte die Vorinstanz seine Flüchtlingseigenschaft, lehnte sein Asylgesuch ab und verfügte die Wegweisung aus der Schweiz sowie deren Vollzug. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 20. August 2008 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Nachdem der Beschwerdeführer neue Beweismittel eingereicht hatte, hob die Vorinstanz ihren Entscheid wiedererwägungsweise auf, anerkannte seine Flüchtlingseigenschaft und gewährte ihm am 3. Juli 2009 Asyl. Mittlerweile verfügt der Beschwerdeführer über eine Niederlassungsbewilligung „C“.
Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft B. vom 18. Januar 2012 wurde der Beschwerdeführer des mehrfachen Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB), der mehrfachen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB), der mehrfachen Übertretung des ( ) Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe und Prävention (Sozialhilfeund Präventionsgesetz [SPG], § 59 SPG i.V.m. § 2 Abs. 3 SPG) sowie der mehrfach versuchten Gewalt und Drohung gegen Beamte und Behörden (Art. 285 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 30.- sowie mit einer Busse von Fr. 1‘200.- bestraft. Der Vollzug der Geldstrafe wurde aufgeschoben und eine Probezeit von drei Jahren angesetzt.
Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft B. vom 17. Februar 2014 wurde der Beschwerdeführer infolge erneuter Übertretung des Sozialhilfeund Präventionsgesetzes im Sinne von § 2 Abs. 3 und § 59 Abs. 1 SPG
i.V.m. Art. 47 und Art. 106 StGB mit einer Busse von Fr. 300.- bestraft.
Am 31. Mai 2016 wurde der Beschwerdeführer mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft B. wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Altersund Hinterbliebenenversicherung (AHVG, SR 831.10) im Sinne von Art. 88 Abs. 1 und 3 AHVG i.V.m. Art. 106 und Art. 47 StGB mit einer Busse von Fr. 500.- bestraft.
Im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs zu einem allfälligen Asylwiderruf reichte der Beschwerdeführer der Vorinstanz am 23. März 2016 eine Stellungnahme ein. Mit Verfügung vom 8. April 2016 widerrief die Vorinstanz das Asyl des Beschwerdeführers.
Gegen diesen Entscheid erhob der Beschwerdeführer am 11. Mai 2016 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie den Verzicht auf den Asylwiderruf. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung inklusive Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und um Beiordnung der rubrizierten Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin.
Mit Zwischenverfügung vom 26. Mai 2016 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Gesuche um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Beiordnung einer amtlichen Rechtsbeiständin unter der Voraussetzung des Nachreichens einer Fürsorgebestätigung gut und setzte dem Beschwerdeführer Frist, eine solche einzureichen oder einen Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 600.- zu leisten. Der Beschwerdeführer bezahlte innert Frist den Kostenvorschuss.
Das Bundesverwaltungsgericht teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18. Januar 2017 mit, dass zufolge eines Abteilungswechsels des bisherigen Instruktionsrichters neu Instruktionsrichterin Regula Schenker Senn für die weitere Behandlung seines Verfahrens zuständig sei.
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf einen Schriftenwechsel verzichtet.
Die Vorinstanz begründete ihre Verfügung damit, dass die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten unter den Begriff der „verwerflichen Handlungen“ im Sinne von Art. 53 AsylG fallen würden. In Bezug auf den Intensitätsgrad der begangenen strafbaren Handlungen sei festzuhalten, dass er die erwähnten Straftaten mehrfach begangen habe. Durch sein arglistiges Tun habe er die betreffende Bank zu Kreditzahlungen von insgesamt Fr. 50‘000.- veranlasst. Seine Drohungen gegenüber den Mitarbeitern der Sozialhilfebehörde seien als äusserst gravierend zu charakterisieren und auf keinen Fall tolerierbar. Es gelte zu berücksichtigen, dass die Schweiz dem Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen Asyl gewährt habe und ihn folglich vor einer Verfolgung in seinem Heimatstaat schütze. Den Sozialhilfebehörden in den Wohngemeinden obliege es dabei, Flüchtlingen bei ihrer Integration beizustehen und sie nötigenfalls finanziell zu unterstützen. Auch unter einem generalpräventiven Aspekt erscheine es angezeigt, derartige Verhaltensweisen auf geeignete Weise zu sanktionieren, nicht zuletzt, um die überwiegende Zahl der sich in der Schweiz wohlverhaltenden Flüchtlinge vor allfälligen negativen Vorurteilen in der schweizerischen Öffentlichkeit zu schützen. Dabei verkenne das SEM nicht das vergleichsweise milde Strafmass im Strafbefehl vom 18. Januar 2012 und seine im Heimatstaat seinerzeit erlittenen schwerwiegenden Verfolgungshandlungen. In ihrer Gesamtheit seien die von ihm begangenen Handlungen als besonders verwerfliche Handlungen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG zu qualifizieren und das Asyl zu widerrufen. Die Verhältnismässigkeit sei gewahrt, könne sich der Beschwerdeführer doch trotz des Asylwiderrufs weiterhin in der Schweiz aufhalten und einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Asylwiderruf habe keine automatische Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft zur Folge. An dieser Einschätzung vermöge auch die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 23. März 2016 nichts zu ändern, worin er geltend gemacht habe, dass seit der Tatbegehung und der strafrechtlichen Verurteilung einige Zeit vergangen sei und er sich in der Zwischenzeit nichts mehr habe zu Schulden kommen lassen.
In seiner Rechtsmitteleingabe führt der Beschwerdeführer aus, aufgrund des nur geringen Strafmasses von einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen sei nicht von besonders verwerflichen Handlungen auszugehen. Es handle sich bei seinen Taten zwar um Verbrechen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 StGB, jedoch könne ihm keine skrupellose Vorgehensweise und nur ein sehr leichtes Verschulden angelastet werden. Er habe sodann nicht gewusst, dass die Angaben in den Kreditanträgen nicht der Wahrheit entsprechen würden. Mangels Deutschkenntnissen habe er den Inhalt nicht verstanden und sei davon ausgegangen, sein Kollege C. gewähre ihm ein Darlehen. Er habe nicht vorsätzlich gehandelt. Sobald er erfahren habe, was C. im Schilde geführt habe, sei er zur Polizei gegangen und habe mit deren Hilfe einen Abzahlungsvertrag mit der Geschädigten abschliessen können, um den Kredit zurückzuzahlen. Er habe sodann nicht aus egoistischen Motiven gehandelt, sondern habe seine kranke Mutter unterstützen wollen. Den Strafbefehl habe er wegen der fehlenden anwaltlichen Vertretung und seiner mangelnden Deutschund Rechtskenntnisse nicht anfechten können. An die Tatbegehung der versuchten Gewalt und Drohung gegen Beamte könne er sich aufgrund seiner damaligen Trunkenheit nicht mehr erinnern. Es handle sich diesbezüglich auch nicht um eine mehrfache Tatbegehung, sondern der Vorfall habe sich an einem einzigen Tag im Jahr 2010 abgespielt. In diesem
Zusammenhang sei ebenfalls sein sehr angeschlagener psychischer Zustand aufgrund der starken Traumatisierung zu berücksichtigen. Von seiner Person gehe keine spezifische Gefahr aus, weshalb die Staatsanwaltschaft von einer guten Legalprognose ausgegangen sei und die Geldstrafe bedingt ausgesprochen habe. Seit 2009/2010 habe er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Nach der Tatbegehung sei auch keine Begutachtung aufgrund einer angeblichen Gefährlichkeit oder Wiederholungsgefahr angeordnet worden. Es fehle an der geforderten Intensität für einen Asylwiderruf und ein solcher sei aufgrund der langen Zeitdauer (6-7 Jahre nach Tatbegehung beziehungsweise 4 Jahre nach Erlass des Strafbefehls) nicht verhältnismässig.
Gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG widerruft das SEM das Asyl, wenn Flüchtlinge die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben, gefährden oder besonders verwerfliche strafbare Handlungen begangen haben. Ein solcher Widerruf setzt gemäss konstanter Rechtsprechung eine qualifizierte Asylunwürdigkeit im Sinn von Art. 53 AsylG voraus; mithin muss die „besonders verwerfliche Handlung“ qualitativ eine Stufe über der im Sinn von Art. 53 AsylG „verwerflichen Handlung“ stehen. Die in Frage stehende Straftat muss demnach mit einer erheblichen Strafe bedroht sein und eine gewisse Intensität aufweisen. Zudem muss bei der Würdigung einer strafbaren Handlung als „besonders verwerflich“ im Sinn von Art. 63 Abs. 2 AsylG der Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachtet werden (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der [vormaligen] Asylrekurskommission [EMARK] 2003 Nr. 11). Nach aktueller Praxis gelten (weiterhin) diejenigen Taten als „verwerfliche Handlungen“ im Sinne von Art. 53 AsylG, die als Verbrechen gemäss Art. 10 Abs. 2 StGB zu qualifizieren sind, die also mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind (vgl. dazu BVGE 2012/20 E. 4 S. 405 f.).
Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch eine Reihe von geringfügigeren Straftaten, welche für sich genommen das Kriterium der besonderen Verwerflichkeit nicht erfüllen, jedenfalls in Kombination mit einer verwerflichen Handlung (Verbrechen), einen Asylwiderruf gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG rechtfertigen. Mit diesem Widerrufsgrund sollen Personen von den mit der Asylgewährung verbundenen Vorteilen ausgeschlossen werden, die gravierend und rücksichtslos gegen die Rechtsnormen der Schweiz verstossen, deren Verhalten mithin auf Renitenz oder eine schlechte Gesinnung schliessen lässt (vgl. Urteil des BVGer E-4824/2014 vom 16. Februar 2016 E. 6.2 f.).
Die Strafbefehle der Staatsanwaltschaft B.
vom 18. Januar
2012 und 17. Februar 2014 erwuchsen unangefochten in Rechtskraft. Beide Strafbefehle waren mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und der Beschwerdeführer hätte gegen die Entscheide Einsprache erheben können. Sodann hätte er die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch nehmen können, wie er dies auch bereits anlässlich seines Asylverfahrens im Jahr 2008 getan hat. Die Tatbestände des Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB und der Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB sehen eine abstrakte Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor und stellen damit Verbrechen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 StGB dar. Diese Taten des Beschwerdeführers sind deshalb als
„verwerfliche Handlungen“ im Sinne von Art. 53 AsylG einzustufen, unbesehen der konkret ausgefällten Strafe. Bei beiden Delikten ist nur die vorsätzliche Begehung strafbar (vgl. Art. 12 Abs. 1 StGB). Die Erfüllung des subjektiven Tatbestands des Betrugs setzt nebst Vorsatz auch Arglist voraus. Die Erklärungen des Beschwerdeführers, er sei davon ausgegangen, von C. ein Darlehen zu erhalten und er habe nicht gewusst, dass dieser mit dem von ihm unterzeichneten Antrag bei der Bank einen Kredit beantrage, sind deshalb unbeachtlich. Bei einer solchen Sachlage hätte es am Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmalen des Betrugs und der Urkundenfälschung gefehlt und der Beschwerdeführer wäre nicht verurteilt worden. Die Deliktssumme zu Lasten der geschädigten Bank betrug Fr. 50‘000.- und war somit beträchtlich. Aus den Polizeiprotokollen geht hervor, dass anlässlich eines Ermittlungsverfahrens gegen D. bei diesem eine Hausdurchsuchung wegen diverser Vermögensdelikte stattgefunden hatte und dabei Kreditunterlagen des Beschwerdeführers aufgefunden wurden. Infolgedessen reichte der Gemeinderat E. Anzeige gegen den Beschwerdeführer ein und auch bei diesem wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt (vgl. SEM-Akten D 7 S. 62 f. [Rapport der Kantonspolizei F. vom 22. Juli 2010]). Entgegen seiner Darstellung kontaktierte der Beschwerdeführer nicht von sich aus die Polizei. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Beschwerdeführer die Straftaten mehrfach begangen hat und zwei Mal auf deliktische Art und Weise einen Kredit erhältlich machte. Die Voraussetzung von Art. 63 Abs. 2 AsylG sind somit erfüllt, handelt es sich bei der mehrfachen Urkundenfälschung und beim mehrfachen Betrug unter Berücksichtigung der vorliegenden Intensität der Taten um besonders verwerfliche Handlungen. Kein Verbrechen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 StGB liegt beim Tatbestand der Gewalt und Drohung gegen Beamte und Behörden im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB vor (Strafandrohung bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe). Bei den Unterlassungen der
Meldepflicht gegenüber der Sozialhilfebehörde handelt es sich lediglich um Übertretungen. Im Zusammenhang mit den besonders verwerflichen Handlungen können jedoch bei der Prüfung eines Asylwiderrufs auch geringfügigere Straftaten mitberücksichtigt werden. Der Beschwerdeführer stiess massive Drohungen gegen die Mitarbeiter der Sozialhilfebehörde aus und hörte trotz Intervention des Dolmetschers nicht damit auf, sondern wiederholte die Drohungen (vgl. Strafbefehl vom 18. Januar 2012 S. 5). Er befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre in der Schweiz und kannte die hiesigen Umgangsformen. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe die versuchte Gewalt und Drohung gegen Beamte in stark alkoholisiertem Zustand begangen, ist unbeachtlich. Er wusste von seinem Termin bei der Sozialhilfebehörde und trank dennoch. Aus der Alkoholisierung, welche auch den Akten zu entnehmen ist (vgl. SEM-Akten D 7
S. 76 ff. [Rapport der Kantonspolizei F.
vom 28. September
2010]), lässt sich keine verminderte Schuldfähigkeit ableiten. Der Beschwerdeführer handelte in einem Zustand der selbstverschuldeten Unzurechnungsfähigkeit. Sodann wurde er während laufender Probezeit im Jahr 2013 erneut straffällig, obwohl ihm seine Mitwirkungspflichten im Umgang mit der Sozialhilfebehörde aufgrund seiner langjährigen Unterstützung durch diese hinlänglich bekannt waren. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer am 31. Mai 2016 erneut wegen einer Übertretung verurteilt wurde. Trotz mehrfacher Aufforderungen der Ausgleichskasse G. in H. hat er als Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma I. in H. die vorgeschriebenen Lohnunterlagen für das Jahr 2014 für das von ihm beschäftige Personal nicht eingereicht.
Nach der Würdigung der betreffenden Delikte als besonders verwerflich im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG ist das Kriterium der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen. Der mit einer behördlichen Anordnung verbundene Eingriff darf demnach für den Betroffenen im Vergleich zur Bedeutung des verfolgten öffentlichen Interesses nicht unangemessen schwer wiegen (vgl. EMARK 2003 Nr. 11 E. 7 S. 75; Urteil des BVGer D-1171/10 vom
7. November 2012 E. 6.3). Der Widerruf des Asyls führt nicht zu einer automatischen Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nachdem das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers in der hier zu beurteilenden Verfügung nicht widerrufen hat, wirkt sich der Verlust des Asylstatus nicht unmittelbar nachteilig für den Beschwerdeführer aus. Er wird vorderhand weiterhin über ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz und über die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit verfügen. Als Flüchtling steht er nach wie vor unter dem Refoulement-Schutz gemäss Art. 33 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) sowie Art. 25 Abs. 2 und 3 BV. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer von sich aus mit dem Generalkonsulat der Türkei Kontakt aufgenommen hat und bei diesem eine kostenlose Rechtsberatung erhielt (vgl. SEM-Akten D 4 S. 4 [Schreiben des Generalkonsulats der Republik Türkei an die Gemeindekanzlei E. vom 10. März 2014]). Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Rechtsmitteleingabe führen zu keiner anderen Einschätzung. Unzutreffend ist sein Vorbringen, er habe sich seit den Verfehlungen im Jahr 2009 und 2010 wohl verhalten. Mit Strafbefehl vom 17. Februar 2014 wurde er wegen unrechtmässigem Erwirken von Sozialhilfeleistungen mit einer Busse von Fr. 300.- bestraft. Auch wenn es sich dabei nur um eine Übertretung handelt, hat der Beschwerdeführer der Sozialbehörde gegenüber erneut Einkünfte verschwiegen, obwohl er hinreichend über seine Mitwirkungspflichten aufgeklärt und wegen einer gleichen Übertretung bereits mit Strafbefehl vom 18. Januar 2012 bestraft wurde. Mit Strafbefehl vom 31. Mai 2016 wurde er sodann wegen Nichtabgabe der Lohnunterlagen 2014 mit einer Busse von Fr. 500.- bestraft. In Anbetracht dieser Feststellungen sowie unter Berücksichtigung der Umstände der Tatbegehung der Delikte des Beschwerdeführers (vgl. E. 6.1), teilt das Gericht die Auffassung der Vorinstanz, dass dem öffentlichen Interesse an einem Asylwiderruf wegen der Verübung besonders verwerflicher Straftaten keine überwiegenden privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstehen. In einer Gesamtwürdigung erweist sich der Asylwiderruf als verhältnismässig.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Vorinstanz das Asyl des Beschwerdeführers zu Recht widerrufen hat.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG). Es erübrigt sich, auf den weiteren Inhalt der Beschwerde näher einzugehen. Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 600.- festzusetzen (Art. 1-3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE,
SR 173.320.2]). Der am 10. Juni 2016 geleistete Kostenvorschuss in gleicher Höhe ist zur Bezahlung der Verfahrenskosten zu verwenden.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Regula Schenker Senn Annina Mondgenast
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